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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines besonderen Kirchgelds gegenüber der Klägerin für das Jahr 2019.
2Die Klägerin gehörte im Streitjahr ganzjährig der Evangelischen Kirchengemeinde S an. Ihr Ehemann gehörte im Streitjahr keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft an.
3Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von xxxxx,xx EUR und wurde mit Bescheid des Finanzamtes C-Stadt vom 13.08.2020 mit ihrem Ehemann gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Das gemeinsam zu versteuernde Einkommen der Ehegatten belief sich auf yyyyyyy,yy EUR. Der Bescheid enthielt zugleich die Festsetzung der Kirchensteuer in Gestalt des besonderen Kirchgeldes nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 der für die evangelischen Kirchengemeinden in Westfalen maßgeblichen Kirchensteuerordnung (KiStO) i. V. m. dem Kirchensteuerbeschluss vom 21.11.2018 für 2019 in Höhe von kkk EUR.
4Gegen die Festsetzung der Kirchensteuer in der Form des besonderen Kirchgeldes legte die Klägerin am 17.08.2020 beim Finanzamt C-Stadt Einspruch ein. Dieses leitete den Einspruch an den Evangelischen Kirchenkreis C-Stadt weiter und dieser wiederum leitete ihn an die Gemeinsame Kirchensteuerstelle beim Landeskirchenamt weiter. Die Klägerin trug zur Begründung des Einspruchs vor, dass durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Bindungswirkung geklärt sei, dass das besondere Kirchgeld nur erhoben werden dürfe, wenn das Einkommen der kirchenangehörigen Person ansonsten kirchensteuerfrei bleibe (BVerfG-Urteil vom 14.12.1965, 1 BvR 606/60). Sie, die Klägerin, habe hingegen ein eigenes Einkommen erzielt und nur dieses dürfe die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer bilden. Wenn anlässlich ihrer Kirchensteuerfestsetzung hingegen das gemeinsam zu versteuernde Einkommen beider Ehegatten für die Kirchensteuer der Klägerin als Bemessungsgrundlage herangezogen werde, dann verstoße dies gegen die vom BVerfG vorgegebenen Individualbesteuerungsgrundsätze. Die Maßgeblichkeit des gemeinsamen Einkommens der Ehegatten entsprechend der Kirchgeldtabelle führe zu einer unzulässigen Besteuerung der Ehe und nicht lediglich des Kirchenmitgliedes. Infolgedessen sei in ihrem Fall eine Kirchensteuer i. H. v. k EUR anzusetzen. Die von der Gemeinsamen Kirchensteuerstelle beim Landeskirchenamt zitierte, vermeintlich anderslautende Rechtsprechung des BVerfG, des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) werde von der Gemeinsamen Kirchensteuerstelle beim Landeskirchenamt entweder falsch wiedergegeben oder sei unzutreffend.
5Mit Schreiben der Gemeinsamen Kirchensteuerstelle vom 26.01.2021 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung führte die Kirchengemeinde S als Steuergläubigerin und die Gemeinsame Kirchensteuerstelle beim Landeskirchenamt als Bevollmächtigte. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Festsetzung der Kirchensteuer in Form des besonderen Kirchgeldes auf den Vorschriften des Kirchensteuergesetzes (KiStG) NRW und der KiStO beruhe. Aufgrund der Höhe der Einkünfte der Klägerin sei die nach der Einkommensteuer bemessene Kirchensteuer niedriger als das besondere Kirchgeld und daher sei das besondere Kirchgeld festzusetzen. Die maßgeblichen Vorschriften des KiStG NRW und der KiStO seien auch verfassungsgemäß. Es sei auch in der Konstellation eigener Einkünfte des kirchenangehörigen Ehegatten zulässig, dass für die Bemessung des Kirchgeldes der durch die Einkünfte des konfessionslosen Ehegatten zumindest teilweise vermittelte Lebensführungsaufwand des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten herangezogen werde. Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 14.12.1965 1 BvR 606/60 hervorgehoben, dass zwar nicht das einkommensteuerrechtlich ermittelte Einkommen des nicht einer Kirche angehörenden Ehegatten, wohl aber der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten den Gegenstand der Besteuerung bilden könne. Wenn angesichts der Schwierigkeiten der Bestimmung des Lebensführungsaufwandes als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehepartners dieser Aufwand nach dem gemeinsamen Einkommen der Ehegatten bemessen werde, sei hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. Dies gelte nicht nur für den Fall, dass der kirchenangehörige Ehegatte über kein eigenes Einkommen verfüge, sondern treffe im gleichen Maße auf die Situation eines nicht unerheblichen Eigenverdienstes des kirchenangehörigen Ehegatten zu. Dies entspreche der Rechtsprechung des BFH (Verweis auf die Beschlüsse vom 27.09.2017 I B 40/17 und vom 13.02.2019 I B 27/18).
6Die Klägerin hat mit am 25.02.2021 beim Finanzgericht eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben. Als Klagegegner werden in der Klageschrift sowohl die Kirchengemeinde S als auch die Gemeinsame Kirchensteuerstelle beim Landeskirchenamt genannt. In der Klagebegründung macht die Klägerin sodann geltend, dass richtiger Beklagter die gemeinsame Kirchensteuerstelle beim Landeskirchenamt sei. Die Kirchengemeinde könne nicht Beklagter sein. Dies entspreche weder der FGO noch der KiStO. Aus § 25 Abs. 2 KiStO ergebe sich vielmehr, dass mit Einspruchseinlegung die Gemeinsame Kirchensteuerstelle beim Landeskirchenamt zuständig werde. In der Sache wiederholt sie u. a. ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren und verweist auf die Entscheidung des BVerfG vom 14.12.1965, wonach eine Erhebung des besonderen Kirchgeldes unter Berücksichtigung der Einkünfte des Ehemanns nur dann zulässig sei, wenn der kirchenangehörige Ehegatte mangels eigener Einkünfte oder wegen zu niedriger Einkünfte insgesamt kirchensteuerfrei bleiben würde. Sie hingegen habe eigene Einkünfte und wenn in dieser Konstellation sowohl ihre Einkünfte als auch die Einkünfte ihres Ehegatten der Bemessung der Kirchensteuer zugrunde gelegt werden, dann bedeute dies eine Haushaltsbesteuerung, wie sie vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt wurde. Des Weiteren vertritt sie die Ansicht, dass das nordrhein-westfälische Kirchensteuerrecht in Verbindung mit der KiStO und den Kirchensteuerbeschlüssen nicht als Rechtsgrundlage für eine Mindestkirchensteuer tauge. § 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG NRW sei verfassungswidrig. Die Norm sei durch Irreführung des Parlaments mittels einer wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptung über die verfassungsrechtliche Absicherung zustande gekommen. Aber selbst wenn man die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung annehmen wollte, fehle eine Rechtsgrundlage für den Mindestkirchensteuercharakter des besonderen Kirchgeldes. Die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen sei vielmehr so zu verstehen, dass bei eigenem Einkommen des Kirchenmitgliedes nur die Kirchensteuer auf das Einkommen zu erheben sei. Das Gesetz enthalte zwar eine Anrechnungsvorschrift, diese solle aber nur eine Doppelbelastung vermeiden, sage aber nichts über die Priorität der beiden Steuern aus. Zudem würde der Kirchensteuerbeschluss auch nur die Kirchgeldtatbelle enthalten; von einer Mindestkirchensteuer sei dort nicht die Rede. Es sei daher keine Rechtsvorschrift zum Mindestkirchensteuercharakter staatlich anerkannt worden. Der Beklagte täusche über die Rechtslage. Des Weiteren seien die rechtlichen Bestimmungen zu unbestimmt. Es gäbe kein Auswahlkriterium zwischen den beiden gleichermaßen möglichen Kirchensteuern und dies sei willkürlich. Dies alles sei vor allem auch von der in der Einspruchsentscheidung zitierten Rechtsprechung übersehen worden.
7Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
8die Festsetzung der Kirchensteuer in dem Bescheid über die Kirchensteuer 2019 vom 13.08.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.01.2021 auf k EUR herabzusetzen
9hilfsweise die Revision beim Bundesfinanzhof zuzulassen
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie verweist auf die Einspruchsentscheidung.
13Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, deren Anlagen und den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Akten Bezug genommen.
14Der Senat hat die Sache am 09.12.2022 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
16I. Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere gegen den richtigen Beklagten erhoben worden.
17Richtiger Beklagter ist die Kirchengemeinde S. Gemäß § 14 Abs. 1, Abs. 2 KiStG NRW entscheidet über den Einspruch gegen die Heranziehung zur Kirchensteuer die in der einschlägigen Kirchensteuerordnung bestimmte Stelle. Dies ist nach § 25 Abs. 2 Satz 1 KiStO die Kirchengemeinde. Das gilt auch im Streitfall. Bei Anlegung eines objektivierten Empfängerhorizontes ergibt sich aus dem Schreiben der Gemeinsamen Kirchensteuerstelle beim Landekirchenamt vom 26.01.2021 zweifelsfrei, dass diese nur als Vertreter der Kirchengemeinde S auftritt. Die Gemeinsame Kirchensteuerstelle bezeichnet sich ausdrücklich als „Bevollmächtigte“ und nennt als Steuergläubiger die Kirchengemeinde. Dementsprechend ist nur diese Kirchengemeinde gemäß § 14 Abs. 5 KiStG NRW, § 25 Abs. 5 Satz 1 KiStO im Klageverfahren zu beteiligen und nur ihr kommt die ausschließlich passive Prozessführungsbefugnis im Klageverfahren gegen den Kirchensteuerbescheid zu.
18In der Klageschrift hat die Klägerin noch sowohl gegen die Kirchengemeinde als auch die Gemeinsame Kirchensteuerstelle beim Landeskirchenamt Klage erhoben. In der mündlichen Verhandlung hat der anwaltliche Klägervertreter sodann klargestellt, dass die Klage gegen die Kirchengemeinde gerichtet wird.
19II. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtene Kirchensteuerfestsetzung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
201. Nach Maßgabe der Steuerordnung und des für die Beklagte maßgeblichen Kirchensteuerbeschlusses erfolgte die Festsetzung der Kirchensteuer mit dem Bescheid vom 15.03.2021 dem Grunde und der Höhe nach zutreffend.
21Gemäß § 1 KiStG NRW können die Katholische Kirche und die Evangelische Kirche im Land Nordrhein-Westfalen Kirchensteuern auf Grund eigener Steuerordnungen erheben. Von dieser Möglichkeit haben die kirchensteuererhebungsberechtigten Kirchengemeinden der Evangelischen Kirche in Westfalen Gebrauch gemacht. Das gilt auch für die beklagte Kirchengemeinde.
22Nach § 3 KiStO sind alle Gemeindemitglieder gegenüber der Kirchengemeinde, in der sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, kirchensteuerpflichtig.
23Die Kirchensteuer wird in Höhe von 9 % als Zuschlag zur Einkommensteuer, Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer erhoben (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 KiStO i. V. m. dem Kirchensteuerbeschluss für 2019 vom 21.11.2018). Werden Ehegatten zusammenveranlagt und gehört nur ein Ehegatte einer steuererhebenden Kirche an, ist die Kirchensteuer nur nach Maßgabe der in der kirchenangehörigen Person gegebenen Steuerbemessungsgrundlage zu erheben (§ 8 Abs. 1 KiStO). Die Kirchensteuer ist in diesem Fall nach dem Teil der gemeinsamen Einkommensteuer zu berechnen, der auf die steuerpflichtige Person entfällt, wenn die gemeinsame Steuer im Verhältnis der Einkommensteuerbeträge, die sich bei Anwendung des § 32a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf die Summe der Einkünfte einer jeden Person ergeben würden, auf die Personen verteilt wird (§ 8 Abs. 2 Satz 2 KiStO).
24Auf die Klägerin entfällt hiernach eine Einkommensteuer in Höhe von eee EUR. Die Kirchensteuer nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 KiStO beträgt mithin k EUR (9 % von eee EUR).
25Zudem wird nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 KiStO i. V. m. dem Kirchensteuerbeschluss für 2019 vom 21.11.2018 ein besonderes Kirchgeld nach Maßgabe einer Steuertabelle mit gestaffelter Bemessungsgrundlage erhoben. Bemessungsgrundlage für das besondere Kirchgeld nach Abs. 1 Nr. 5 ist das zu versteuernde Einkommen der Ehegatten oder Lebenspartner, das sich bei entsprechender Anwendung des § 51a Abs. 2 Satz 1, 2 EStG ergibt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 KiStO). Auf dieses besondere Kirchgeld wird die Kirchensteuer, die als Zuschlag zur Einkommensteuer, Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer erhoben wird, angerechnet (§ 6 Abs. 5 Satz 1 KiStO). Die Erhebung des besonderen Kirchgeldes mit Anrechnung der Kirchensteuer bedeutet im Ergebnis, dass das besondere Kirchgeld als „Mindestkirchensteuer“ wirkt.
26Für das besondere Kirchgeld i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 5 KiStO sieht der Kirchensteuerbeschluss für ein gemeinsames Einkommen der Ehegatten zwischen aaaaaaa EUR und zzzzzzz EUR einen Steuerbetrag i. H. v. kkk EUR vor. Mit einem gemeinsamen zu versteuernden Einkommen der Ehegatten i. H. v. yyyyyyy,yy EUR verwirklicht die Klägerin diesen Tatbestand. Aufgrund der Anrechnungsvorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 1 KiStO bleibt daher das besondere Kirchgeld i. H. v. kkk EUR maßgeblich. Dem entspricht die Kirchensteuerfestsetzung.
272. Die Erhebung eines besonderen Kirchgeldes im Falle eigener Einkünfte des kirchenangehörigen Ehegatten findet im KiStG NRW eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
28a. Soweit die Klägerin formell-verfassungsrechtliche Einwände gegen § 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG NRW geltend macht, sind diese unbegründet. Selbst wenn der Landtag NRW über die verfassungsrechtliche Bedeutung der Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1965 geirrt haben sollte – was freilich nicht erkennbar ist –, wäre dies für die formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes ohne Bedeutung. Ein Irrtum über die verfassungsrechtlichen Grenzen der eigenen Regelungsbefugnis wäre allein eine Frage des materiellen Rechts.
29b. Die Regelungen des KiStG NRW genügen auch dem verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt. Aus Art. 140 des Grundgesetzes (GG) i. V. m. Art. 137 Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) folgt die Verpflichtung des Staates, die Voraussetzungen für die Kirchensteuererhebung durch den Erlass von Landesgesetzen zu schaffen. Dabei kann sich der Landesgesetzgeber auf die allgemeine Ermächtigung zur Erhebung von Kirchensteuern beschränken und die Einzelregelung des formellen und materiellen Kirchensteuerrechts den steuerberechtigten Religionsgemeinschaften innerhalb der Schranke des für alle geltenden Gesetzes überlassen. Eine Verpflichtung des Landesgesetzgebers, alle Einzelheiten der Besteuerung selbst zu regeln, lässt sich aus dem Grundgesetz nicht ableiten. Das gilt auch für das landesgesetzlich zugelassene Kirchgeld, das den Kirchen eine Besteuerung nach eigenen Kriterien, die nicht oder nicht so stark an das staatliche Steuersystem anknüpfen, ermöglichen soll. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das KiStG NRW insoweit auf eine nähere staatliche Normierung verzichtet und die staatliche Einflussmöglichkeit durch den entsprechenden Genehmigungsvorbehalt sichert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.10.1986 2 BvL 7/84 u.a., BVerfGE 73, 388). Dementsprechend muss das KiStG NRW auch nicht die Frage regeln, wie das besondere Kirchgeld bei zusammenveranlagten Ehegatten zu bemessen ist, wenn nur ein Ehegatte Angehöriger einer steuererhebenden Kirchengemeinde ist.
303. Die Erhebung eines besonderen Kirchgeldes, das bei eigenen Einkünften des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten unter Anknüpfung an die gemeinsamen Einkünfte beider Ehegatten wie eine Mindestkirchensteuer wirkt, ist auch im Übrigen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
31a. Es ist in der Rechtsprechung des BVerfG, des BFH und der FG hinreichend geklärt, dass es den Religionsgemeinschaften im Rahmen ihres Besteuerungsrechts (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV) nicht verwehrt ist, für die Erhebung der Kirchensteuer neben dem Einkommen andere, nach eigenen Kriterien gestaltete Besteuerungsmaßstäbe heranzuziehen und dass der ihnen dabei eröffnete Gestaltungsspielraum grundsätzlich weit ist (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 19.08.2002 2 BvR 443/01, NVwZ 2002, 1496; BFH, Urteil vom 19.10.2005 I R 76/04, BFHE 211, 90, BStBl. II 2006, 274). Dieser Gestaltungsspielraum erlaubt es den Religionsgemeinschaften, die Kirchensteuer entweder als Zuschlag zur Einkommensteuer oder als besonderes Kirchgeld von Kirchensteuerpflichtigen, deren Ehegatte keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört, als eigenständige Steuer zu erheben. Dagegen, dass sich das besondere Kirchgeld am Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten orientiert und dieser Aufwand nach dem gemeinsamen Einkommen der Ehegatten bemessen wird, ist verfassungsrechtlich nichts einzuwenden (BVerfG, Beschluss vom 19.08.2002 2 BvR 443/01, NVwZ 2002, 1496; BFH, Urteil vom 19.10.2005 I R 76/04, BFHE 211, 90, BStBl. II 2006, 274 [zum KiStG NRW]).
32Das gemeinsame Einkommen dient nämlich deshalb als Anknüpfungspunkt, weil der tatsächliche Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten schwierig, wenn nicht sogar gar nicht zu ermitteln ist. Die Messung der Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten am gemeinsamen Einkommen stellt mithin eine Typisierung dar. Es wird die eigene Leistungsfähigkeit des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten typisiert erfasst. Der historische Gesetzgeber sah den sachlichen Grund für diesen Anknüpfungspunkt im Unterhaltsrecht (BT-Drucks. 2/3409, 37), was nicht zu bestanden war und bis heute trägt (siehe nach wie vor § 1360a BGB; so bereits FG Münster, Urteil vom 08.02.2019 4 K 3907/16, juris; OVG Schleswig, Beschluss vom 19.01.2022 5 LA 2/21, juris; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.2021 3 K 3268/18, EFG 2022, 173; FG Hamburg, Urteil vom 02.11.2021 3 K 43/21, juris). Dass auf diese Weise mittelbar auch das Einkommen des konfessionslosen Ehegatten in die Kirchensteuerbemessung mit einbezogen wird, ist der Anknüpfung an den Lebensführungsaufwand als eigenständigem Besteuerungsmaßstab immanent, macht aber aus dem gewählten Anknüpfungspunkt keine (unzulässige) Haushaltsbesteuerung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 28.10.2010 2 BvR 591/06 u.a., NJW 2011, 365). Denn das besondere Kirchgeld in Höhe von ccc EUR entspricht (beispielsweise) „rückgerechnet“ einer Kirchensteuer, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 KiStO auf eine Einkommensteuerschuld der Klägerin in Höhe von mmmm EUR zu entrichten wäre. Diese wiederum entsteht bei einem zu versteuernden Einkommen von ca. xxxxx EUR. Hieran wird deutlich, dass die Kirchensteuerbelastung durch das besondere Kirchgeld nicht ansatzweise der Kirchen(einkommen)steuerbelastung des gesamten Haushaltseinkommens entspricht.
33Dies alles gilt auch für die hier einschlägige Konstellation, dass die Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten für die Bemessung des besonderen Kirchgeldes auch dann am Einkommen beider Ehegatten gemessen wird, wenn der kirchenangehörige Ehegatte über ein eigenes Einkommen verfügt. Denn die Erhebung der Kircheneinkommensteuer am Maßstab der staatlichen Einkommensteuer führt sowohl bei fehlendem als auch bei geringem Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten aufgrund von Freibetragsregelungen u.a. im EStG zu dessen Kirchensteuerfreiheit. Daher kann der Lebensführungsaufwand – quantifiziert anhand der Ausgangsgröße des gemeinsamen Einkommens der Eheleute – sowohl bei fehlendem als auch bei geringem Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten in verfassungsrechtlich zulässiger Weise als Maßstab für die Kirchensteuer in Form des besonderen Kirchgeldes gewählt werden. Es geht stets um die Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit losgelöst vom Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten (eingehend zuletzt FG Hamburg, Urteil vom 02.11.2021 3 K 43/21, juris). Das hat der BFH zwischenzeitlich mehrfach bestätigt (vgl. zuletzt nur BFH, Beschluss vom 13.02.2019 I B 27/18, BFH/NV 2020, 927; Beschluss vom 05.10.2021 I B 65/19, BFH/NV 2022, 351) und entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats (zuletzt FG Münster, Urteil vom 08.02.2019 4 K 3907/16, juris).
34Es ist zudem auch gleichheitsrechtlich nicht problematisch, dass die Klägerin im Vergleich zu nicht-verheirateten Steuerpflichtigen mit gleichem Einkommen eine höhere Kirchensteuer zu entrichten hat. Denn es steht jedem Ehegatten frei, die Einzelveranlagung zu wählen. In diesem Fall wäre die Kirchensteuer allein nach dem selbst erwirtschafteten Einkommen ermittelt worden. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht dazu verpflichtet, der Klägerin und ihrem Ehemann einerseits die Vorteile aus der Zusammenveranlagung der Einkommensteuer zu gewähren und andererseits hinsichtlich der Kirchensteuer die Vorteile zu gewähren, die sich für sie bei einer Einzelveranlagung ergeben würden (vgl. BFH, Urteil vom 19.10.2005 I R 76/04, BFHE 211, 90, BStBl. II 2006, 274; FG Münster, Urteil vom 08.02.2019 4 K 3907/16, juris; FG Hamburg, Urteil vom 02.11.2021 3 K 43/21, juris).
35b. Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt diese verfassungsrechtliche Würdigung nicht gegen die Entscheidung des BVerfG vom 14.12.1965. Das BVerfG hat entschieden, dass eine Haushaltsbesteuerung verfassungsrechtlich unzulässig sei. Es hat sodann darauf hingewiesen, dass es unbillig erscheinen könne, „wenn ein einer steuerberechtigten Kirche angehörender Ehegatte, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sich durch die Ehe erhöht hat, weil sein – der Kirche nicht angehörender – Ehegatte ein hohes Einkommen bezieht, mangels eigenen Einkommens im Sinne des EStG kirchensteuerfrei bliebe. Wenn diesen Bedenken Rechnung getragen werden soll, müssten, da die Kirche nur den ihr angehörenden Ehegatten besteuern darf, Besteuerungsmerkmale gewählt werden, die in dessen Person gegeben sind. Gegenstand der Besteuerung dürfte dann nicht das Einkommen (im Sinne des Einkommensteuerrechts) des anderen Ehegatten, sondern könnte etwa der "Lebensführungsaufwand" des kirchenangehörigen Ehegatten sein“ (BVerfG, Urteil vom 14.12.1965 1 BvR 606/60, BVerfGE 19, 268 [282]). Nach Ansicht des erkennenden Senats kann diese Aussage aber nicht dahingehend verstanden werden, dass sie allein für die Konstellation des einkommenslosen kirchenangehörigen Ehegatten gilt und im Übrigen die Berücksichtigung eines typisierten Lebensführungsaufwandes unzulässig ist. Der Gedanke des BVerfG, dass die Nichtbesteuerung eines einkommenslosen kirchenangehörigen Ehegatten, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sich durch die Ehe erhöht hat, unbillig erscheinen könnte, muss auch für die hier in Rede stehende Konstellation gelten. Alles andere wäre inkonsequent. Denn der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten erfährt auch dann eine Steigerung, wenn er eigene Einkünfte hat, der Ehepartner aber über ein deutlich höheres Einkommen verfügt (so bereits BFH, Beschluss vom 05.10.2021 I B 65/19, BFH/NV 2022, 351).
36Dessen ungeachtet kommt der vorstehend wiedergegebenen Aussage des BVerfG jedenfalls keine Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG zu, denn sie wäre lediglich als obiter dictum einzuordnen (BFH, Beschluss vom 05.10.2021 I B 65/19, BFH/NV 2022, 351; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.2021 3 K 3268/18, EFG 2022, 173). Das BVerfG hatte nicht über die Zulässigkeit der Erhebung eines besonderen Kirchgeldes zu entscheiden. Entschieden wurde allein über eine Kirchensteuerordnung, wonach die Kirchensteuer bei zusammenveranlagten Eheleuten nach der Hälfte der zusammengerechneten Einkommensteuer beider Ehegatten erhoben wurde, wenn nur ein Ehegatte der Kirche angehörte (Halbteilungsgrundsatz). Der Verfassungsbeschwerde wurde mit der Begründung stattgegeben, dass die Kirche nur den ihr angehörenden Ehegatten besteuern dürfe, woraus folge, dass sie bei der Wahl des Besteuerungsmaßstabes nur an Merkmale anknüpfen dürfe, die in dessen Person gegeben seien. Die Anknüpfung der Kirchensteuer an das Familieneinkommen würde zu einer Haushaltsbesteuerung führen, obwohl das Steuerverhältnis ein individuelles sei. Mit diesen tragenden Gründen entfaltet die Entscheidung Bindungswirkung. Darum geht es beim besonderen Kirchgeld hingegen nicht (ebenso BFH, Beschluss vom 05.10.2021 I B 65/19, BFH/NV 2022, 351; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.2021 3 K 3268/18, EFG 2022, 173).
37c. Schließlich verstößt die Erhebung eines besonderen Kirchgeldes im Falle eigener Einkünfte des kirchenangehörigen Ehegatten nicht gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Namentlich der Entscheidung des EGMR vom 06.04.2017 (EGMR, Urteil vom 06.04.2017, 10138/11 u.a., „Klein u.a./Deutschland“, NJW 2018, 3295) kann nicht entnommen werden, dass das besondere Kirchgeld nur bei einem einkommenslosen kirchenangehörigen Ehegatten erhoben werden dürfte. Soweit das Verfahren beim EGMR besondere Kirchgeldkonstellationen betraf, hat der EGMR schon einen Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführer nach Art. 9 EMRK verneint und dies damit begründet, dass es sich bei der Beitragserhebung um eine autonome kirchliche Aktivität handle, die nicht dem beschwerdegegnerischen Staat zugerechnet werden könne. Angesichts der Tatsache, dass die Rolle des Staates auf Kontrollbefugnisse beschränkt sei und die Beschwerdeführer weder ihre Pflicht zur Kirchgeldzahlung noch ihr Recht auf Kirchenaustritt in Frage gestellt hätten, sei der Gerichtshof der Auffassung, dass die deutschen Stellen hinreichende Schutzmechanismen zur Wahrung der Religionsfreiheit vorgesehen hätten. Soweit der EGMR in seiner Darstellung des Hintergrunds der Rechtssachen, der landesrechtlichen Vorschriften und der einschlägigen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Erhebung des besonderen Kirchgelds jeweils nur die Kirchenmitglieder erwähnt, die kein eigenes zu versteuerndes Einkommen haben, so mag dies verkürzt dargestellt sein. Eine Entscheidung, dass die Festsetzung eines besonderen Kirchgelds nur in den Fällen zulässig ist, in denen der – mit seinem nichtkirchenangehörigen Ehegatten zusammenveranlagte – kirchenangehörige Ehegatte über kein eigenes Einkommen verfügt, hat der EGMR damit aber nicht getroffen (so zu Recht FG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.2021 3 K 3268/18, EFG 2022, 173).
38III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
39IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Es ist bereits hinreichend in der Rechtsprechung des BFH geklärt, dass die Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten für die Bemessung des besonderen Kirchgelds, das von Kirchensteuerpflichtigen erhoben wird, deren Ehegatte keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört, auch dann am Einkommen beider Ehegatten gemessen werden darf, wenn dieser über ein eigenes Einkommen verfügt (zuletzt BFH-Beschluss vom 05.10.2021 I B 65/19, BFH/NV 2022, 351).