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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob bereits die im Jahr 2014 beim Beklagten eingegangene Anzeige einer Schenkung nach § 30 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) oder erst die im Jahr 2015 angeforderte und abgegebene Schenkungsteuererklärung nach § 31 ErbStG die Beendigung der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) bewirkt hat.
2Aufgrund des privatschriftlichen Schenkungsvertrags vom 31.07.2014 erhielt der Kläger von seiner Mutter, Frau I. N., am 22.09.2014 durch Kontogutschrift schenkweise einen Betrag in Höhe von 4 Mio. Euro. Die Schenkung erfolgte unter der Auflage, dass der Betrag nach Abzug der fälligen Schenkungsteuer als Eigenkapital in die H. N. - GmbH (nachfolgend auch „GmbH“ genannt), dessen Alleingesellschafter der Kläger ist, eingebracht und von der GmbH dazu verwandt wird, das Grundstück G1 in N-Stadt zu erwerben.
3Bereits mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 00.00.2014 (UR-Nr. […] des Notars G. I. in N-Stadt) erwarb die GmbH Grundbesitz unter der Adresse G2, G3, G1 in N-Stadt. Der Kaufpreis in Höhe von 3,25 Mio. Euro war ausdrücklich nicht vor dem 31.12.2014 zur Zahlung fällig. Nach Ziffer III. des Vertrags war der Notar angewiesen, den Vertrag zur Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt erst vorzulegen, wenn der Veräußerer die Bezahlung des Kaufpreises bestätigt oder der Erwerber dies durch (unwiderrufliche) Bankbestätigung nachgewiesen hatte. Bis dahin waren beglaubigte Abschriften und Ausfertigungen des Vertrags nur ohne die in Anlage 1 zum Vertrag enthaltene Einigung über den Eigentumsübergang zu erteilen.
4Mit Schreiben vom 16.12.2014, eingegangen beim Beklagten am 17.12.2014, zeigte der steuerlich vertretene Kläger eine Schenkung seiner Mutter vom 22.09.2014 an. Als Gegenstand der Schenkung war eine „mittelbare Anteilsschenkung“ im Wert von 1.531.885 Euro angegeben. Auf eine Vorschenkung am 31.05.2012 in Höhe von 400.000 Euro wurde hingewiesen.
5Vom Konto der GmbH überwies diese am 30.12.2014 den Kaufpreis in Höhe von 3,25 Mio. Euro. Zuvor hatte der Kläger auf das Konto der GmbH insgesamt 3,7 Mio. Euro eingezahlt, die von der Gesellschaft in Höhe von 900.000 Euro für eine Kapitalerhöhung und im Übrigen zur Bildung der Kapitalrücklage verbucht wurden. Die Erwerbsnebenkosten wurden ebenfalls vom Konto der GmbH gezahlt.
6Die anlässlich der Anzeige mit Schreiben des Beklagten vom 05.01.2015 angeforderte Schenkungssteuererklärung reichte der Kläger am 26.02.2015 ein.
7Als Gegenstand der Zuwendung wurden dabei nicht notierte Anteile an der H. N. - GmbH im Gesamtwert von 1.531.885 Euro erklärt. In der Anlage zur Schenkungssteuererklärung wurde der Sachverhalt weiter dargelegt. Dabei wurde die Auffassung vertreten, der Vorgang stelle aus schenkungssteuerlicher Sicht eine Werterhöhung der GmbH-Anteile dar. Die Bereicherung ergebe sich aus der Differenz zwischen dem gemeinen Wert der Anteile vor der mittelbaren Zuwendung und dem gemeinen Wert der Anteile nach der mittelbaren Zuwendung. Da der Substanzwert der GmbH weit über dem Ertragswert liege, sei als Mindestwert der Bereicherung der Wertzuwachs im Substanzwertverfahren anzusetzen. Dieser Wertzuwachs werde mit dem Bedarfswert der erworbenen Immobilie nach den §§ 138, 157 BewG ermittelt. Der Erklärung war ferner eine Anlage „Grundbesitzbewertung für das Grundstück G1, N-Stadt […]“ beigefügt, wonach der Grundbesitzwert im Ertragswertverfahren mit 1.531.885 Euro ermittelt wurde. Darüber hinaus wurden Steuerberatungskosten in Höhe von 7.800 Euro geltend gemacht.
8Mit Schenkungsteuerbescheid vom 05.03.2015 über den Erwerb vom 22.09.2014 folgte der Beklagte der Erklärung und setzte Schenkungsteuer in Höhe von 289.560 Euro unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.
9Am 17.04.2015 schlossen der Kläger und seine Mutter einen Nachtrag zum Schenkungsvertrag vom ein 30.07.2014, der mit „Klarstellung“ überschrieben war. Darin erläuterten sie, dass sowohl der Schenkerin als auch dem Beschenkten nach mehreren Besichtigungen des avisierten Kaufobjekts klar gewesen sei, dass das Gebäude umfangreich saniert und umgebaut werden müsse, um den höchstmöglichen wirtschaftlichen Nutzen erzielen zu können. Aus diesem Grund sei der Schenkungsbetrag höher bemessen gewesen als der damals bereits ungefähr bekannte Kaufpreis. Von Anfang an sei unstreitig gewesen, dass die mit dem Erwerb verbundenen Nebenkosten sowie alle anderen damit verbundenen Beratungskosten aus dem Schenkungsbetrag zu finanzieren seien. Dabei sei klar gewesen, dass der die Anschaffungskosten übersteigende Schenkungsbetrag nicht für die kompletten Sanierungs- und Umbaukosten ausreichen werde.
10Am 21.06.2016 erließ der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Schenkungsteuerbescheid auf den 22.09.2014.
11Darin besteuerte er – nachdem bereits zuvor schriftsätzlich über die Frage diskutiert worden war, ob eine mittelbare Schenkung oder eine Barschenkung vorliege – die Zuwendung von Bargeld in Höhe von 4 Mio. Euro und setzte Schenkungsteuer in Höhe von 759.392 Euro fest. Im dagegen geführten Einspruchsverfahren machte der Kläger letztlich erfolgreich geltend, das als Zuwendungsgegenstand eine mittelbare Grundstücksschenkung anzunehmen sei, die erst zum Zeitpunkt der Erfüllung der Auflage – nämlich dem Kauf des Grundstücks durch die GmbH – vollzogen worden sei. Soweit vertraglich vereinbart worden sei, dass aus dem Geldbetrag zunächst die anfallende Schenkungsteuer bezahlt werden könne, liege indes eine Barschenkung vor.
12Mit Schreiben vom 18.03.2019 teilte der Beklagte mit, dass der Schenkungsteuerbescheid vom 21.06.2016 wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit nichtig und damit gegenstandslos sei.
13Mit Schreiben vom 12.06.2019, welches bereits Ausführungen zur Frage der Festsetzungsverjährung enthielt, forderte der Beklagte den Kläger zur Abgabe von Steuererklärungen für zwei Stichtage auf, nämlich für den 22.09.2014 hinsichtlich einer Geldschenkung in Höhe von 300.000 Euro wegen der Übernahme der Schenkungsteuer und für den 31.12.2014 wegen der Bereicherung des Klägers durch die Erhöhung des gemeinen Werts seines Anteils an der GmbH infolge des durch die Schenkerin finanzierten Grundstückserwerbs sowie der Einlagen/Einzahlungen diverser Beträge in die GmbH.
14In der daraufhin am 26.08.2019 eingegangenen Schenkungsteuererklärung erklärte der Kläger weiterhin als Gegenstand der Zuwendung die Wertsteigerung in den Anteilen an der GmbH in Höhe von 1.531.885 Euro sowie nun Vorschenkungen in Höhe von insgesamt 700.000 Euro.
15Mit dem hier angefochtenen Schenkungsteuerbescheid auf den 31.12.2014 vom 12.11.2019 setzte der Beklagte Schenkungsteuer in Höhe von 315.042 Euro unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Dabei wurden der Wert des Erwerbs und die Vorschenkungen erklärungsgemäß sowie ein Anrechnungsbetrag für die Vorschenkungen in Höhe von 33.000 Euro berücksichtigt.
16Nachdem das Finanzamt N-Stadt den überschlägig ermittelten Grundbesitzwert auf den 31.12.2014 auf 2.100.574 Euro beziffert und mitgeteilt hatte, erhöhte der Beklagte die festgesetzte Schenkungsteuer mit dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid vom 05.01.2020 auf 460.107 Euro. Den dabei berücksichtigten Wert des Erwerbs in Höhe von 2.295.382 Euro ermittelte der Beklagte anhand des mitgeteilten Grundbesitzwertes zuzüglich der Kapitaleinlagen in die GmbH in Höhe von 3,7 Mio. Euro und abzüglich des gezahlten Kaufpreises inkl. Erwerbsnebenkosten in Höhe von insgesamt 3.505.192 Euro. Der Bescheid erging nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig hinsichtlich der Zusammensetzung, des Umfangs und der wertbildenden Eigenschaften der Vorschenkung vom 22.09.2014 und der nach § 14 Abs. 1 ErbStG abziehbaren Steuer, da der Bescheid über die Vorschenkungen vom 22.09.2014 noch nicht rechtskräftig sei.
17Den am 25.11.2019 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10.11.2020 als unbegründet zurück.
18Mit der am 08.12.2020 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass aufgrund der Anzeige des Erwerbs im Jahr 2014 zum Zeitpunkt des Bescheides vom 12.11.2019 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war, sodass der Erlass dieses Bescheides sowie des Änderungsbescheides vom 05.01.2020 unzulässig gewesen sei. Da die Schenkung noch im Jahr 2014 angezeigt worden sei, sei die vierjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2018 abgelaufen.
19Die Anzeige des steuerpflichtigen Erwerbs im Sinne des § 30 ErbStG sei fristgerecht erfolgt und wirksam. Sowohl die Namen und Anschriften der an der Schenkung beteiligten Person, als auch das Verwandtschaftsverhältnis, der Zeitpunkt der Schenkung und der Gegenstand der Schenkung seien in der Anzeige bereits genannt gewesen. Der in der Anzeige genannte Wert der Schenkung weise gegenüber dem später tatsächlich besteuerten Wert nur die üblichen Schätzungsungenauigkeiten auf. Lediglich als Tag der Ausführung der Schenkung werde nun statt dem angezeigten Tag (22.09.2014) der 31.12.2014 angenommen. Zweck der Anzeigeverpflichtung nach § 30 ErbStG sei es, der Finanzverwaltung den Steuerfall zur Kenntnis zu bringen und so die Prüfung zu erlauben, ob ein steuerpflichtiger Vorgang vorliege. Nicht erforderlich sei, dass die Steuerfestsetzung unmittelbar möglich sei, da andernfalls die Anzeige als Vorstufe zur Steuererklärung nach § 31 ErbStG überflüssig wäre. Daher sei eine wirksame Anzeige bereits dann gegeben, wenn die Finanzverwaltung aufgrund der Anzeige ein steuerrelevanten Tatbestand erkennen und dadurch weitere Ermittlungen in Gang setzen könne. Genau dies sei vorliegend geschehen. Keinesfalls sei eine umfassende oder gar abschließende Darstellung des Sachverhalts mit der Anzeigepflicht verbunden. Aus § 30 ErbStG könne nicht abgeleitet werden, dass für eine wirksame Anzeige erforderlich sei, den Stichtag im Sinne des § 9 ErbStG präzise zu bezeichnen. Andernfalls wären viele in der Praxis abgegebene Anzeigen unwirksam. Vorliegend habe die Anzeige unmittelbar dazu geführt, dass der Beklagte weitere Handlungen vorgenommen und zeitnah zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert habe. Die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO sei daher bereits mit der wirksamen Anzeige der Schenkung im Jahr 2014 beendet.
20Soweit der BFH in seinem Urteil vom 27.08.2008 (II R 36/06, BFHE 222, 83) die Auffassung vertreten habe, dass in der Regelung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO neben der Anlaufhemmung aufgrund einer ordnungsgemäß erfolgten Anzeige nach § 30 Abs. 1 oder 2 ErbStG eine weitere „parallel laufende“ Anlaufhemmung aufgrund der Abgabe einer Steuererklärung nach § 31 ErbStG enthalten sei, weist der Kläger auf die hierzu in der Fachliteratur vertretene Kritik hin (Pahlke in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 30 Rz. 93; Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 170 AO, Rz. 15a; Tiede, NWB 23/2020, 1714; Carle, DStZ 2008, 820). Die beide Anlaufhemmungen seien entgegen der Auffassung des BFH als gleichranging anzusehen, da ansonsten eine faktische Anlaufhemmung von bis zu sieben Jahren möglich wäre. Die vom BFH vorgenommene Verdrängung der Anzeige durch eine spätere Steuererklärung finde im Gesetz keine Stütze und sei vom Gesetzgeber so auch nicht gewollt gewesen.
21Die Auslegung des BFH sei auch verfassungsrechtlich bedenklich. Ein Normverständnis, das im Widerspruch zu dem klar geregelten und damit erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers treten würde, könne nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung begründet werden. Andernfalls würde die Rechtsprechung der rechtspolitischen Zielsetzung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vorgreifen.
22Soweit im Urteil des BFH vom 17.04.2013 (Il R 59/11, BFHE 240, 512) die Entscheidung vom 27.08.2008 bestätigt werde, basiere diese Entscheidung auf dem alten Verweis in § 138 Abs. 5 BewG auf § 183 Abs. 3 AO. Da die Regelung des § 138 Abs. 5 BewG mit Wirkung zum 01.01.2007 aus dem Bewertungsgesetz gestrichen worden sei und die neu eingefügte Regelung des § 153 Abs. 5 BewG nur noch auf § 181 Abs. 1 und 5 AO, nicht jedoch auf Abs. 3, verweise, sei das Urteil des BFH vom 17.04.2013 insoweit überholt.
23Sofern sich der Beklagte auf die Regelung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO beziehe, weist der Kläger darauf hin, dass der dort geregelten Anlaufhemmung bei einer wirksamen Anzeige der Schenkung nach der Rechtsprechung keine Bedeutung zukomme.
24Der Kläger beantragt sinngemäß,
25den geänderten Schenkungsteuerbescheid auf den 31.12.2014 vom 05.01.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.11.2020 aufzuheben,
26hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
27Der Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen,
29hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
30Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass die am 17.12.2014 eingegangene Anzeige unwirksam sei, da zum einen der Schenkungsvertrag vom 31.07.2014 erst später eingereicht worden und zum anderen der Vollzug der Schenkung erst nach der Anzeige, nämlich am 31.12.2014 mit der Fälligkeit des Kaufpreises, eingetreten sei. Eine vor Vollzug einer Schenkung eingereichte Anzeige nach § 30 ErbStG sei unwirksam. Ein Schenkungsversprechen werde von der Anzeigepflicht noch nicht erfasst.
31Selbst bei Annahme einer wirksamen Anzeige sei angesichts des BFH-Urteils vom 27.08.2008 (II R 36/06, BFHE 222, 83) keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Fordere das Finanzamt nach erfolgter Anzeige zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung nach § 31 Abs. 1 ErbStG auf, ende die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht werde. Diese Ansicht habe der BFH in seinen Urteilen vom 17.04.2013 (Il R 59/11, BFHE 240, 512) und entsprechend vom 04.10.2017 (VI R 53/15, BFHE 259, 431) bestätigt. Eine anderslautende Entscheidung des FG Münster vom 25.10.2001 (3 K 8589/98 Erb, EFG 2003, 593) sei durch das Urteil des BFH vom 10.11.2004 (II R 1/03, BFHE 208, 33) aufgehoben worden. Auch in der Fachliteratur sei die vom BFH vertretene Auslegung aufgenommen worden (Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 30 Rz. 49; Jochum in: ErbStG - eKommentar, § 30, Rz. 29; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann ErbStG, § 30 Rz. 24, 25).
32Die Beteiligten haben sich durch Schriftsätze des Beklagten vom 14.09.2022 und des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 06.11.2022 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Das Gericht durfte gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
34Die Klage ist unbegründet. Der geänderten Schenkungsteuerbescheid auf den 31.12.2014 vom 05.01.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.11.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
35Unabhängig von der Frage, ob die noch im Jahr 2014 erfolgte Anzeige eines schenkungsteuerlichen Vorgangs wirksam war, war der mit dem Erlass des angefochtenen Bescheids geltend gemachte Steueranspruch aufgrund der im Jahr 2015 angeforderten und abgegebenen Schenkungsteuererklärung nicht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen.
36Nach § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unter anderem durch Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232 AO). Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung und Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Festsetzungsfrist beträgt für die Schenkungsteuer regelmäßig vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 Alt. 1 AO).
371. Bei einer Schenkung unter Lebenden entsteht die Schenkungsteuer mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Im Streitfall wurde die Schenkung mit Zahlung des fälligen Kaufpreises für das nach dem Schenkungsvertrag von der GmbH des Klägers zu erwerbende Grundstück am 31.12.2014 ausgeführt, da erst in diesem Zeitpunkt die Schenkungsauflage erfüllt waren und der Kläger nach dem notariellen Grundstückskaufvertrag vom 20.08.2014 berechtigt war, die Umschreibung der GmbH als Eigentümerin im Grundbuch herbeizuführen. Der in ständiger Rechtsprechung des BFH entwickelte Grundsatz, wonach die Steuer bei einer freigebigen Zuwendung eines Grundstücks bereits entsteht, wenn die Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in notwendiger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken (BFH, Urteile vom 08.02.2000 II R 9/98, BFH/NV 2000, 1095; vom 02.02.2005 II R 26/02, BFHE 208, 438; vom 27.04.2005 II R 52/02, BFHE 210, 507) und der Eigentumsübergang letztlich auch erfolgt (BFH, Urteil vom 27.04.2005 II R 52/02, BFHE 210, 507), gelten auch bei sog. „mittelbaren Grundstücksschenkungen“ (vgl. R E 9.1 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2019), wenn sich der Schenkungsgegenstand auf ein bereits bebautes Grundstück bezieht (vgl. Geck in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 9 Rz. 79.1).
382. Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist dann, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, abweichend von § 170 Abs. 1 AO nicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, sondern mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung, die Anmeldung oder die Anzeige eingereicht bzw. erstattet wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Ist die gemäß § 30 Abs. 1 oder 2 ErbStG bestehende Anzeigepflicht erfüllt worden und fordert das FA daraufhin gemäß § 31 Abs. 1 ErbStG die Abgabe einer Schenkungsteuererklärung, endet die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Steuerentstehung (BFH, Urteil vom 27.08.2008 II R 36/06, BFHE 222, 83, bestätigt durch BFH, Urteil vom 17.04.2013 Il R 59/11, BFHE 240, 512). Die bloße Erstattung der Anzeige führt noch nicht zu einer endgültigen Beendigung der Anlaufhemmung (BFH, Urteil vom 17.04.2013 Il R 59/11, BFHE 240, 512). Nach dieser Auslegung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, der sich der erkennende Senat anschließt, endete die Anlaufhemmung aufgrund der Einreichung der Steuererklärung am 26.02.2015 mit Ablauf des Jahres 2015, sodass der angefochtene Bescheid vom 12.11.2019 noch innerhalb der vierjährigen, mit Ablauf des Jahres 2019 endenden Festsetzungsfrist erlassen wurde. Da in dieser Steuererklärung die steuerbegründenden Umstände bereits hinreichend konkret dargelegt wurden, kommt es für die Berechnung der Festsetzungsverjährung nicht auf die erneut angeforderte, im Jahr 2019 abgegebene Steuererklärung an.
39a) Nach dem Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO wird die Anlaufhemmung alternativ durch die Einreichung der Steuererklärung bzw. -anmeldung oder durch die Erstattung der Anzeige beendet. Diese Vorschrift enthält keine ausdrückliche Regelung der Frage, ob bereits eine ordnungsgemäß eingereichte Anzeige im Sinne des § 30 Abs. 1 oder 2 ErbStG die Anlaufhemmung endgültig beendet oder ob – sofern das Finanzamt nach Anzeigeerstattung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auffordert – diese Rechtsfolge erst in dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Steuererklärung eingereicht wird und der Dreijahreszeitraum der Anlaufhemmung nicht schon vorher abgelaufen ist. Diese Frage ist im letzteren Sinne zu beantworten (BFH, Urteil vom 27.08.2008 II R 36/06, BFHE 222, 83).
40Diese Auslegung steht nicht im Widerspruch zum ausdrücklichen Wortlaut der Norm, sodass ihr keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstehen. Nach dem Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist abweichend von Absatz 1 unter anderem dann, wenn eine Steuererklärung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung oder die Anzeige eingereicht wird. Der alternativen „oder“-Verbindung der beiden zur Beendigung der Anlaufhemmung führenden Handlungen des Steuerpflichtigen ist keine ausdrückliche Vorgabe des Gesetzgebers zur Gleich- bzw. Nachrangigkeit der beiden Handlungen zu entnehmen.
41b) § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO soll verhindern, dass durch eine späte Einreichung der Steuererklärung, -anmeldung oder Anzeige die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit (ggf. gezielt) verkürzt wird (BFH, Urteile vom 29.01.2003 I R 10/02, BFHE 20, 1; vom 06.07.2005 II R 9/04, BFHE 210, 65; vom 06.06.2007 II R 54/05, BFHE 217, 393). Diesen Sicherungszweck – und damit die Verlängerung der vom Gesetzgeber grundsätzlich für ausreichend gehaltenen Vierjahresfrist – verknüpft § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit der Erfüllung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter bzw. der für ihn zum Handeln Verpflichteten auferlegten Handlungspflicht (BFH, Beschluss vom 07.12.1999 II B 79/99, BFHE 190, 220). Diese Handlungspflicht erstreckt sich nach dem Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gleichermaßen auf die Einreichung einer Anzeige als auch – nach Aufforderung durch das Finanzamt – auf die Einreichung einer Steuererklärung.
42Dabei verkennt der Senat nicht, dass dem Kläger zugutezuhalten ist, dass er sich durch die Anzeige der Schenkung gesetzeskonform verhalten wollte und hat. Zutreffend weist er zwar darauf hin, dass bei der hier vertretenen Auffassung selbst dann, wenn der Steuerpflichtige die Anzeige unverzüglich innerhalb der in § 30 ErbStG geregelten Frist von drei Monaten tätigt, eine faktische Anlaufhemmung von bis zu sieben Jahren möglich wäre, wenn die Finanzverwaltung erst nach drei Jahren tätig wird und zur Abgabe der Steuererklärungen auffordert. Die Verjährungsfrist würde in diesem Fall – unter Außerachtlassung der schenkungssteuerspezifischen Anlaufhemmung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO – genauso lange betragen, wie sie unter Anwendung des Auffangtatbestands („spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist“) bei pflichtwidrig unterlassener Anzeige betragen würde. Dieses Ergebnis, welches vor dem Hintergrund des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nur bedingte Allgemeingültigkeit besitzt, ist jedoch angesichts der unterschiedlichen Zwecksetzungen der Anzeige einerseits und der Steuererklärung andererseits hinzunehmen.
43c) Sofern das Finanzamt nach Erstattung der Anzeige zur Einreichung einer Steuererklärung gemäß § 31 Abs. 1 ErbStG auffordert, rechtfertigt sich nämlich eine (weitere) Anlaufhemmung aufgrund der unterschiedlichen Zwecksetzungen der Anzeige (§ 30 Abs. 1 und 2 ErbStG) einerseits und der Steuererklärung (§ 31 ErbStG) andererseits (BFH, Urteil vom 27.08.2008 II R 36/06, BFHE 222, 83). Für diesen Fall kann § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht entnommen werden, dass der Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung im Hinblick auf die Anlaufhemmung keine Bedeutung zukommen soll.
44aa) Die Anzeigepflicht soll – lediglich – die möglichst vollständige Erfassung aller Erwerbe sicherstellen und dient in erster Linie dazu, dem Finanzamt die Prüfung zu erleichtern, ob und wen es im Einzelfall zur Abgabe einer Steuerklärung aufzufordern hat. Demgegenüber hat die Steuererklärung ein Verzeichnis der zum Nachlass gehörenden Gegenstände und die sonstigen für die Feststellung des Gegenstands und des Werts des Erwerbs erforderlichen Angaben zu enthalten (§ 31 Abs. 2 ErbStG) und soll so die Erbschaftsteuer- bzw. Schenkungsteuerfestsetzung ermöglichen (BFH, Urteile vom 16.10.1996 II R 43/96, BFHE 181, 351; vom 10.11.2004 II R 1/03, BFHE 208, 33).
45bb) Diesen unterschiedlichen Zwecksetzungen der Anzeige bzw. der Steuererklärung ist bei der Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO dadurch Rechnung zu tragen, dass bei einer ordnungsgemäßen Erstattung der Anzeige erst die dem Finanzamt nachfolgend durch die Einreichung der angeforderten Steuererklärung vermittelte Kenntnis zur (endgültigen) Beendigung der Anlaufhemmung führt. Nach den Wertungen des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO rechtfertigt sich der Beginn der Festsetzungsfrist nicht schon deshalb, weil das Finanzamt den Steuerpflichtigen bereits aufgrund der Anzeige zur Abgabe einer Steuererklärung auffordern und diese Aufforderung (etwa durch Anwendung von Zwangsmitteln, §§ 328 ff. AO) auch ggf. durchsetzen kann. Die Rechtsprechung zum Begriff der Kenntnis im Sinne des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO, wonach die Finanzbehörde schon aufgrund der Anzeige regelmäßig die Schenkungsteuer – gegebenenfalls im Wege der Schätzung (§ 162 AO) – festsetzen oder von den Möglichkeiten des § 165 Abs. 1 Satz 1 und 4 AO Gebrauch machen könne (BFH, Urteil vom 06.06.2007 II R 54/05, BFHE 217, 393), kann nicht auf die Auslegung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO übertragen werden (BFH, Urteil vom 27.08.2008 II R 36/06, BFHE 222, 83). Dem steht der von § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO abweichende Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, der ausdrücklich auf die Einreichung einer Steuererklärung abstellt, entgegen.
463. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
474. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.