Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
2Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer polnischen Kapitalgesellschaft in Deutschland steuerpflichtig ist bzw. ob die in Polen angefallene Steuer auf die inländische Einkommensteuer anzurechnen ist.
3Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt (§§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
4Der Vater der Ehefrau (nachfolgend: Klägerin) war an der polnischen Gesellschaft D Sp.z.o.o. (nachfolgend: D) zu 31,25% (5 von insg. 16 Anteilen zu je 3.200,00 PLN) beteiligt. Die D wies ausweislich des Jahresabschlusses 2010 Aktivvermögen in Höhe von insgesamt 12.002.199,27 PLN (Buchwert) auf. Hiervon entfielen 2.457.455,34 PLN (Buchwert) auf Sachanlagen, davon ca. 122.500 PLN auf Grundstücke und Gebäude (= Jahresabschluss unter Berücksichtigung des „Puffes“ - gemeint wohl „Puffers“, Bl. 56 ff. GA).
5Der weitere vorgelegte Jahresabschluss 2010 (Bl. 53 GA) wies die folgenden Werte auf:
6Summe Aktiva 9.860.897,53 PLN
7davon Sachanlagen 1.649.582,95 PLN
8davon Grdst. und Gebäude 124.468,88 PLN
9Ein Firmenwert war in keinem der vorgelegten Jahresabschlüsse 2010 bilanziert.
10Am 13.04.2011 verstarb der Vater der Klägerin. Die Klägerin wurde dessen Alleinerbin. Aus der geerbten Beteiligung an der D erhielt die Klägerin im Juni 2011 eine Dividende in Höhe von 99.445,00 PLN.
11Mit notariellem Vertrag vom 15.09.2011 veräußerte die Klägerin ihre Anteile an der D zu einem Kaufpreis von 10.833.333,33 PLN. Sie zahlte ausweislich eines dem Gericht vorliegenden Kontoauszugs vom 08.11.2012 auf diesen Betrag in Polen Steuern in Höhe von 2.058.341,80 PLN (nach dem Monatsumrechnungskurs November 2011 umgerechnet 498.134,55 €).
12In Ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 erklärten die Kläger Einnahmen des Ehemanns (nachfolgend: Kläger) aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 37.513,00 € sowie Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 1.100,00 €. Die erhaltene Dividende sowie den Erlös aus der Veräußerung der Beteiligung an der D gaben die Kläger nicht an. Der Beklagte veranlagte die Kläger zunächst erklärungsgemäß und setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 11.03.2013 auf 2.835,00 € fest.
13Aufgrund einer Kontrollmitteilung des Bundeszentralamts für Steuern erhielt der Beklagte Kenntnis von der Dividendenzahlung aus Polen in Höhe von - nach Jahresumrechnungskurs umgerechnet - 24.133,00 €. Er setzte daraufhin mit Änderungsbescheid vom 18.12.2014 die Einkommensteuer für das Jahr 2011 auf 8.868,00 € fest, wobei er die Dividende als Kapitalertrag erfasste. Den Sparer-Pauschbetrag brachte er zunächst nicht in Abzug. Unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags in Höhe von 1.602,00 € setzte der Beklagte mit nochmals geändertem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 vom 21.01.2015 die Einkommensteuer auf nunmehr 8.467,00 € fest.
14Wegen des Verdachts der Einkommensteuerverkürzung durch Nichtangabe der empfangenen Dividendenzahlung eröffnete das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin. Bei Ihrer Vernehmung am 05.03.2015 bestätigte die Klägerin, dass sie im Jahr 2011 aus der - von ihrem Vater geerbten - Beteiligung an der D eine Dividende in bar erhalten habe und dass sie die Gesellschaftsanteile unmittelbar nach der Dividendenzahlung veräußert habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vernehmungsniederschrift vom 05.03.2015 verwiesen.
15Mit Einkommensteuerbescheid vom 27.04.2016 änderte der Beklagte daraufhin die Steuerfestsetzung für das Jahr 2011 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und setzte die Einkommensteuer auf nunmehr 693.919,00 € fest. Bei den Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb setzte er einen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG in Höhe von 1.575.099,00 € an, den er unter Beachtung des Jahresumrechnungskurses wie folgt ermittelte:
16Veräußerungspreis |
10.833.333 PLN |
2.629.067,00 € |
Anschaffungskosten |
3.902,00 € |
|
Veräußerungsgewinn |
2.625.165,00 € |
|
davon steuerpflichtig nach Teileinkünfteverfahren (60%) |
1.575.099,00 € |
Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid legten die Kläger Einspruch ein. Sie führten u.a. Zweifel dahingehend an, ob im Hinblick auf den Veräußerungsgewinn überhaupt eine Steuerpflicht in Deutschland bestehe. Es sei nicht auszuschließen, dass das Aktivvermögen der Gesellschaft überwiegend aus unbeweglichem Vermögen bestehe, insbesondere im Hinblick auf Grundstücke, technische Anlagen und den Firmenwert, sodass Art. 13 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (nachfolgend: DBA Polen) anzuwenden sein könne. Insoweit seien auch nicht die Buchwerte, sondern die wohl erheblich höheren Verkehrswerte zugrunde zu legen. Zudem sei in jedem Fall die in Polen gezahlte Steuer anzurechnen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden oder, hilfsweise, der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile entsprechend zu mindern.
18Mit Einspruchsentscheidung vom 07.12.2017, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, änderte der Beklagte die Steuerfestsetzung für das Jahr 2011 dahingehend, dass er die Steuerfestsetzung auf 658.590,00 € herabsetzte. Die Änderung beruhte darauf, dass er sowohl im Hinblick auf den Veräußerungspreis (nunmehr 2.497.368,00 €) als auch im Hinblick auf die empfangene Dividende (nunmehr 25.048,00 €) den jeweiligen Monatsumrechnungskurs (September 2011 bzw. Juni 2011) und nicht mehr den Jahresumrechnungskurs zugrunde legte. Den Veräußerungsgewinn ermittelte er nunmehr wie folgt:
19Veräußerungspreis |
10.833.333 PLN |
2.497.368,00 € |
Anschaffungskosten |
3.902,00 € |
|
Veräußerungsgewinn |
2.493.466,00 € |
|
davon steuerpflichtig nach Teileinkünfteverfahren (60%) |
1.496.080,00 € |
Diese Berechnung des Gewinns der Höhe nach ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
21Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Er war im Wesentlichen der Auffassung, dass Deutschland nach Art. 13 Abs. 5 DBA Polen das alleinige Besteuerungsrecht für den Gewinn aus der Veräußerung der Gesellschaftsanteile habe. Insoweit könne auch dahingestellt bleiben, ob der Veräußerungsgewinn in Polen der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterlegen habe. Auch die von den Klägern angeführte Ausnahmeregel des Art. 13 Abs. 2 DBA Polen sei nicht einschlägig, da das Aktivvermögen der D nicht überwiegend aus unbeweglichem Vermögen bestanden habe. Insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter (Firmenwert) und Betriebsvorrichtungen zählten nämlich gerade nicht dazu. Etwas anderes ergebe sich auch nicht, wenn man statt der Buchwerte die Verkehrswerte zugrunde lege. Mangels Anwendbarkeit des Art. 13 Abs. 2 DBA Polen komme auch die in Art. 24 DBA Polen vorgesehene Anrechnungsmethode zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung nicht zur Anwendung. Die in Polen gezahlte Pauschalsteuer könne auch nicht bei den Veräußerungs- oder Anschaffungskosten in Abzug gebracht werden. Im Ergebnis sei die in Polen erfolgte Besteuerung unter Beachtung der Besteuerungsgrundsätze des DBA Polen nicht zulässig gewesen.
22Hiergegen haben die Kläger Klage erhoben. Sie sind weiterhin der Auffassung, dass Deutschland nach dem DBA Polen nicht das Besteuerungsrecht für den streitgegenständlichen Veräußerungserlös zustehe. Insoweit seien die Ausnahmeregelungen des Art. 13 Abs. 2 und Abs. 3 DBA Polen anwendbar. Jedenfalls seien aber die in Polen gezahlten Steuern nach Art. 24 DBA Polen anzurechnen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Zur Höhe des für die veräußerten Gesellschaftsanteile erzielten Kaufpreises weisen die Kläger darauf hin, dass das Käufer-Unternehmen (Firma L) aufgrund einer Notlage zur Vermeidung von hohen vertraglichen Strafzahlungen bereit gewesen sei, einen deutlichen Aufschlag zu zahlen, der den tatsächlichen Verkehrswert um ein Vielfaches überstiegen habe.
23Im Klageverfahren haben die Kläger die Stellungnahme eines Sachverständigen vorgelegt, welcher zu dem Ergebnis kommt, dass unter Aufdeckung der stillen Reserven der Anteil des unbeweglichen Vermögens (2.054.879,79 PLN) am gesamten Aktivvermögen der D (11.259.782,35 PLN) lediglich 18% betrage, wenn man den Firmenwert nicht zum unbeweglichen Vermögen zählt. In der Stellungnahme wird weiter ausgeführt, dass es nach Auskunft zweier deutsch-polnischer Steuerrechtsexperten jedenfalls nicht auszuschließen sei, dass nach polnischem Recht der Firmenwert zum unbeweglichen Vermögen gezählt werde, auch wenn ihnen diese Zuordnung nicht bekannt sei. So zählten nach Auskunft der befragten Steuerrechtsexperten immaterielle Werte in der Regel zu den beweglichen Wirtschaftsgütern. Der Sachverständige geht in seiner Stellungnahme sodann davon aus, dass der Wert des Aktivvermögens der D über den Verkaufspreis abgebildet werde. Dies setze voraus, dass der eigene, originäre Firmenwert mit in das Aktivvermögen aufzunehmen sei. Zur Ermittlung des Firmenwertes der D weist der Sachverständige darauf hin, dass die für eine detaillierte Ertragswertermittlung eines KMU (kleines oder mittleres Unternehmen) erforderlichen Informationen nicht vorlägen. Unter Anwendung des EBIT-Multiplikators für die Branchen „Gas, Strom, Wasser“ sowie „Umwelttechnologie und erneuerbare Energien“ (7,0) ließe sich aber jedenfalls überschlägig ein Ertragswert in Höhe von 20.500.000,00 PLN und somit ein Firmenwert in Höhe von 7.150.000,00 PLN ermitteln. Zähle man den Firmenwert zum unbeweglichen Vermögen der D, sei es „auf Basis der vorliegenden Unterlagen … demnach möglich“, dass der Anteil des unbeweglichen Vermögens am Aktivvermögen 50% überschreite. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme des Sachverständigen vom 01.10.2020 verwiesen.
24Die steuerliche Erfassung der Dividende ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
25Die Kläger beantragen,
261. zum Beweis der Tatsache, dass das Aktivvermögen der D Sp.z.o.o. am 15.09.2011 im Sinne des Art. 13 Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland Polen überwiegend unmittelbar oder mittelbar aus unbeweglichem Vermögen bestand, ein Sachverständigengutachten durch das Gericht einzuholen,
2. den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011, zuletzt geändert am 27.04.2016 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.12.2017 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb kein Veräußerungsgewinn angesetzt wird,
3. hilfsweise, die gezahlte polnische Steuer in Höhe von umgerechnet 498.134,55 € auf die Einkommensteuer 2011 anzurechnen,
4. weiterhin hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Er wiederholt zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen aus der Einspruchsentscheidung. Im Hinblick auf die von den Klägern genannte Vorschrift des Art. 13 Abs. 3 DBA Polen weist er ergänzend darauf hin, dass die Klägerin allein durch die Beteiligung an der D keine Betriebsstätte in Polen begründet habe. Zur Ermittlung des Ertragswerts der D durch den von den Klägern beauftragten Sachverständigen weist der Beklagte darauf hin, dass der zur Berechnung des Firmenwerts verwendete Multiplikator für Energieversorger nicht einschlägig sei. Vielmehr habe es sich bei der D eher um ein Bau- oder Handwerksunternehmen gehandelt.
37In der Sache hat am 20.10.2022 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
38Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
39E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
40A. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011, zuletzt geändert am 27.04.2016, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.12.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung). Der Beklagte hat bei den Einkünften der Klägerin aus Gewerbetrieb zu Recht einen Veräußerungsgewinn in Höhe von umgerechnet 1.496.080,00 € angesetzt und die in Polen gezahlte Steuer in Höhe von umgerechnet 498.134,55 € nicht auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet.
41I. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens ein Prozent beteiligt war. Veräußerungsgewinn im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist dabei nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.
42Der von der Klägerin erzielte Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der D erfüllt die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Der Beklagte hat auch, was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist, den Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens zutreffend ermittelt. Dabei hat er insbesondere für die Währungsumrechnung letztlich den Monatsumrechnungskurs und nicht den Jahresumrechnungskurs zugrunde gelegt.
43II. Deutschland hat nach Art. 13 Abs. 5 DBA Polen das alleinige Besteuerungsrecht für den Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der D.
44Das DBA Polen ist vorliegend anwendbar, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Veräußerung in Deutschland, d.h. in einem Vertragsstaat, ansässig war (Art. 1 und Art. 4 Abs. 1 DBA Polen) und das Abkommen für die hier streitige Einkommensteuer gilt (Art. 2 DBA Polen).
45Nach Art. 13 Abs. 5 DBA Polen können Gewinne aus der Veräußerung des in den vorstehenden Absätzen 1 bis 4 nicht genannten Vermögens nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Veräußerer ansässig ist.
461. Die Klägerin als Veräußerin der Gesellschaftsanteile war zum Zeitpunkt der Veräußerung im Jahr 2011 in Deutschland ansässig.
472. Die Regelungen des Art. 13 Abs. 1 bis 4 DBA Polen sind im Streitfall nicht einschlägig. Insbesondere können sich die Kläger nicht erfolgreich auf die Anwendbarkeit des Art. 13 Abs. 2 und 3 DBA Polen berufen.
48a) Die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 DBA Polen liegen nicht vor.
49Nach Art. 13 Abs. 2 DBA können Gewinne aus der Veräußerung von Aktien, Anteilen und sonstigen Rechten an einer Gesellschaft, deren Aktivvermögen überwiegend unmittelbar oder mittelbar aus unbeweglichem Vermögen in einem Vertragsstaat oder aus Rechten an diesem unbeweglichen Vermögen besteht, in diesem Staat besteuert werden.
50aa) Es ist nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht nachgewiesen, dass das Aktivvermögen der D zum Zeitpunkt der Anteilsveräußerung im September 2011, überwiegend, d.h. zu mehr als 50% (vgl. Bernhardt, Piekielnik, Das neue Doppelbesteuerungsabkommen mit Polen, IStR 2005, 366, 368), unmittelbar oder mittelbar aus unbeweglichem Vermögen bestanden hat.
51Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DBA Polen hat der Begriff „unbewegliches Vermögen“ die Bedeutung, die ihm nach dem Recht des Vertragsstaats zukommt, in dem das Vermögen liegt, d.h. hier nach dem Recht Polens. Der Ausdruck umfasst dabei nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA Polen in jedem Fall das Zubehör zum unbeweglichen Vermögen, das lebende und tote Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, die Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten, Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen sowie Rechte auf veränderliche oder feste Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen natürlichen Ressourcen; See- und Binnenschiffe und Luftfahrzeuge gelten nicht als unbewegliches Vermögen.
52Ausweislich der von den Klägern eingeholten Stellungnahme eines Sachverständigen vom 01.10.2022 betrug zum Zeitpunkt der Anteilsveräußerung - unter Aufdeckung der stillen Reserven - der Anteil des unbeweglichen Vermögens (2.054.879,79 PLN) am gesamten Aktivvermögen der D (11.259.782,35 PLN) lediglich 18%, wenn man den Firmenwert nicht zum unbeweglichen Vermögen zählt.
53Der erkennende Senat weist zunächst darauf hin, dass er keine gewichtigen Anhaltspunkte dafür sieht, dass der Firmenwert als immaterielles Wirtschaftsgut nach polnischem Recht bzw. nach polnischer Rechtspraxis im Jahr 2011 zum unbeweglichen Vermögen gezählt wurde. Die beiden im Sachverständigengutachten zitierten deutsch-polnischen Steuerrechtsexperten haben hierzu lediglich ausgeführt, dass ihnen eine Zuordnung des Firmenwerts zum unbeweglichen Vermögen nicht bekannt sei, sie diese jedoch auch nicht gänzlich ausschließen wollten. In der Regel seien immaterielle Werte aber den beweglichen Wirtschaftsgütern zuzuordnen. Auch die beispielhafte Aufzählung unbeweglichen Vermögens in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA Polen weist eher darauf hin, dass hierzu im Wesentlichen Grundstücke zählen. Zieht man – hilfsweise – deutsche Rechtsgrundsätze heran, so können beweglich oder unbeweglich nur materielle, nicht aber immaterielle Wirtschaftsgüter wie ein Firmenwert, sein (vgl. etwa Bundesfinanzhof – BFH, Urteil vom 18.05.2011 X R 26/09, BStBl II 2011, 865, m.w.N.).
54Letztlich kann die Frage, ob der Firmenwert im Streitjahr nach polnischem Recht bzw. polnischer Rechtspraxis zum unbeweglichen Vermögen gezählt wurde, im Streitfall aber dahinstehen. Das Gericht ist somit auch nicht verpflichtet, selbst nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO entsprechende Feststellungen zum polnischen Recht zu treffen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 08.02.2017 I R 55/14, BFH/NV 2017, 1588). Denn es steht nach Auffassung des erkennenden Senats nicht fest, ob die D zum Zeitpunkt der Anteilsveräußerung überhaupt einen – dem Aktivvermögen zuzuordnenden – Firmenwert hatte und, falls dies der Fall sein sollte, wie hoch dieser gewesen ist. Somit ist unklar, ob – bei Zuordnung des Firmenwertes zum unbeweglichen Vermögen – die maßgebliche 50%-Schwelle überhaupt überschritten worden wäre.
55In den beiden vorgelegten Jahresabschlüssen der D für das Jahr 2010 war kein Firmenwert bilanziert. Dies deutet darauf hin, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Veräußerung der Gesellschaftsanteile gegebenenfalls gar keinen aktivierbaren Firmenwert aufwies.
56Auch aus der von den Klägern vorgelegten Stellungnahme des Sachverständigen lässt sich nicht hinreichend substantiiert entnehmen, ob bzw. in welcher Höhe die D einen dem Aktivvermögen zuzuordnenden Firmenwert aufwies. Zunächst ist es nach Auffassung des erkennenden Senats nicht zwingend, dass die Differenz zwischen dem Wert der Summe der einzelnen Wirtschaftsgüter und dem erzielten Verkaufspreis den Firmenwert der D abbilden muss. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kläger selbst vortragen, dass für die Gesellschaftsanteile ein deutlicher Aufschlag, d.h. ein überhöhter Kaufpreis, gezahlt worden ist. Weiter kommt auch der Sachverständige in seiner Stellungnahme nur zu dem Ergebnis, dass sich jedenfalls überschlägig ein Firmenwert in Höhe von 7.150.000,00 PLN ermitteln lasse, sodass es – zähle man den Firmenwert zum unbeweglichen Vermögen – „auf Basis der vorliegenden Unterlagen … möglich“ sei, dass der Anteil des unbeweglichen Vermögens am Aktivvermögen 50% überschreite. Dabei weist er selbst darauf hin, dass eine detaillierte Ertragswertberechnung nicht möglich sei, da die entsprechenden Informationen nicht vorlägen. Auch der verwendete EBIT-Multiplikator für die Branchen „Gas, Strom, Wasser“ sowie „Umwelttechnologie und erneuerbare Energien“ erscheint dem Gericht nicht ganz passend. Im Ergebnis basiert die Stellungnahme folglich selbst auf einer unzureichenden Informationsbasis und kommt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Die Höhe des ermittelten Firmenwertes ist somit letztlich spekulativ.
57Aufgrund der erhöhten Mitwirkungs- und Vorlagepflicht der Kläger im Hinblick auf den für die Ermittlung des Aktivvermögens der D maßgeblichen Auslandssachverhalt (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO), gehen die verbleibenden Zweifel zu Lasten der Kläger. Denn beschafft ein Kläger Beweismittel zu ausländischen Sachverhalten gemäß § 90 Abs. 2 AO (verschuldet oder unverschuldet) nicht, darf das Finanzgericht den ihm vorliegenden Sachverhalt ohne Berücksichtigung des ausländischen Beweismittels nach freier Überzeugung würdigen. Es kann in diesem Fall grundsätzlich auch zum Nachteil des Klägers von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Klägers und seiner Verantwortung für die Aufklärung des ausländischen Sachverhaltes eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. BFH-Beschluss vom 12.02.2019 VIII B 89/18, BFH/NV 2019, 578).
58bb) Das Gericht ist auch weder berechtigt noch verpflichtet, seinerseits ein Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache, dass das Aktivvermögen der D Sp.z.o.o. am 15.09.2011 im Sinne des Art. 13 Abs. 2 DBA Polen überwiegend unmittelbar oder mittelbar aus unbeweglichem Vermögen bestanden hat, einzuholen. Denn nach allgemein anerkanntem Völkerrecht darf kein Staat und damit auch kein Gericht hoheitliche Befugnisse außerhalb seiner eigenen Staatsgrenzen ausüben und insbesondere im Ausland auch keine Sachaufklärungsmaßnahmen treffen (Grundsatz der formellen Territorialität, § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO). Vor diesem Hintergrund hat die Klage mit dem Klageantrag zu 1. keinen Erfolg.
59b) Die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 3 DBA Polen liegen im Streitfall ebenfalls nicht vor.
60Nach dieser Vorschrift können Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte ist, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat hat, oder das zu einer festen Einrichtung gehört, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für die Ausübung einer selbständigen Arbeit im anderen Vertragsstaat zur Verfügung steht, einschließlich derartiger Gewinne, die bei der Veräußerung einer solchen Betriebsstätte (allein oder mit dem übrigen Unternehmen) oder einer solchen festen Einrichtung erzielt werden, im anderen Staat besteuert werden.
61Die Klägerin hatte keine Betriebsstätte oder feste Einrichtung in Polen. Insbesondere hat die – im Privatvermögen gehaltene – Beteiligung der Klägerin an der D keine Betriebsstätte in Polen begründet (vgl. Kaeser, in: Wassermeyer, DBA, OECD-MA 2017, Art. 5 Rn. 250).
62III. Da Deutschland nach Art. 13 Abs. 5 DBA Polen das alleinige Besteuerungsrecht für den Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der D hat, kommt eine Anrechnung der in Polen gezahlten Steuer nach Art. 24 Abs. 1 DBA Polen nicht in Betracht.
63B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
64C. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Es handelt sich um die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall.