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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beschwerde wird nicht zugelassen.
I.
2Die Beteiligten streiten in diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren um die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids, und zwar um die Höhe der in Ansatz gebrachten Säumniszuschläge.
3Auf Antrag der Antragstellerin erteilte der Antragsgegner einen Abrechnungsbescheid datierend auf den 9.11.2021, in dem er einen Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer 2020 i. H. von 4,50 € feststellte. Der Säumniszuschlag ist ausweislich des Abrechnungsbescheids in voller Höhe bezahlt worden. Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden ist, und beantragte Aussetzung der Vollziehung mit der Begründung, dass die Erhebung der Säumniszuschläge verfassungswidrig sei. Mit Verfügung vom 18.1.2022 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.
4Am 21.2.2022 hat die Antragstellerin gerichtliche Aussetzung der Vollziehung beantragt und zur Begründung auf den Beschluss des Finanzgerichts (FG) Münster vom 16.2.2021 12 V 16/21 AO (Sammlung der Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2021, 914, mit Anm. Kaufhold) verwiesen.
5Die Antragstellerin beantragt wörtlich,
6Aussetzung der Vollziehung.
7Der Antragsgegner beantragt,
8den Antrag abzuweisen.
9Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Höhe der Säumniszuschläge bestehen würden.
10II.
111. Der Antrag ist unzulässig.
12Dem Antrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn die mit der betreffenden Rechtsschutzhandlung verfolgten Interessen nach objektivem prozessrechtlichen Werturteil des begehrten Rechtsschutzes fähig, bedürftig und würdig erscheinen (vgl. Reichsgericht, Urteil vom 21. April 1939, Az. VII 231/37; bestätigt durch: BGH, Urteil vom 20. November 1956 VI ZR 238/55, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 1957, 303). Nicht schutzwürdig ist ein Interesse, das nach allgemeiner Anschauung als so gering anzusehen ist, dass es nicht die Inanspruchnahme der staatlichen Rechtsschutzeinrichtungen rechtfertigt (Sozialgericht (SG) Nordhausen, Beschluss vom 27.7.2012 S 12 AS 6845/10, Rn. 2, juris, m. w. N.).
13Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann im vorliegenden Streitfall ein Rechtsschutzbedürfnis nicht aufgezeigt werden. Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin – abweichend von ihrem unzutreffend formulierten Antrag – die Aufhebung – nicht die Aussetzung – der Vollziehung eines Abrechnungsbescheids über einen Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer 2020 i. H. von 4,50 €. Konkret greift die Antragstellerin sogar nur die Verfassungsgemäßheit des in diesem Säumniszuschlag enthaltenen Zinsanteils an, der bislang weder gesetzlich noch durch die Rechtsprechung eine nähere Bestimmung erfahren hat, so dass letztlich von der Antragstellerin selbst nur ein erheblich unter 4,50 € liegender Betrag als rechtswidrig erachtet wird.
14a) Bei objektiver Sicht auf dieses Antragsbegehren ist ein berechtigtes Interesse nicht gegeben. Zwar enthält die anzuwendende Verfahrensordnung keine allgemeine Bagatellgrenze für die Einlegung eines Rechtsbehelfs. Durch die Kleinbetragsverordnung in der Fassung vom 18.7.2016 (KBV) ist jedoch bestimmt, dass die Festsetzungen der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer), Grunderwerbsteuer sowie der Rennwett- und Lotteriesteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KBV) nur geändert oder berichtigt werden, wenn die Abweichung von der bisherigen Festsetzung mindestens 10 € (zugunsten) bzw. 25 € (zulasten) des Steuerpflichten beträgt. Für den Gewerbesteuermessbetrag (§ 2 KBV) liegen diese Grenzen bei 2 € (zugunsten) bzw. 5 € zulasten des Steuerpflichtigen, sodass bei einem durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz in Deutschland von etwa 400 % eine Änderung bei einer Zahllastauswirkung von bis zu 8 € bzw. 20 € ausgeschlossen wird. Für die Feststellung von Einkünften, die Rückforderung von Wohnungsbauprämien und die Kraftfahrzeugsteuer enthalten die §§ 3 bis 5 KBV ähnlich wirkende Vorgaben. Für steuerliche Nebenleistungen – wie im Streitfall der Säumniszuschlag – ist keine allgemeine Bagatellgrenze normiert, unterhalb derer der Steuerpflichtige oder die Finanzverwaltung einen rechtswidrigen Steuerbescheid hinzunehmen haben. Nach Auffassung des erkennenden Senats soll – in Abwesenheit einer normierten Bagatellgrenze für steuerliche Nebenleistungen – mit dieser Entscheidung keine derartige absolute Grenze kraft Richterrechts geschaffen werden. Ein Unterschreiten der Bagatellgrenzen der Kleinbetragsverordnung sieht der Senat jedoch als indiziell an, ob ein Rechtsschutzbedürfnis nach allgemeiner Anschauung als schutzwürdig anzuerkennen ist, was hier nicht der Fall ist.
15b) Darüber hinaus nimmt das Gericht auch die Kosten der Rechtsverfolgung in den Blick, die der Antragsgegner bei einem zulässigen Rechtbehelf dem Antragsteller zu erstatten hätte. Bei Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung wird der Streitwert mit 10 % des auszusetzenden Betrags angesetzt (= 0,45 € – 10 % von 4,50 € – vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6.9.2012 VII E 12/12, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2013, 211, Rn. 4). Bei diesem Streitwert entstehen ersatzfähige Kosten des Beraters in Höhe von 111,96 € (Verfahrensgebühr – 1,6-fache Gebühr nach § 13 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) (Nr. 3200 VV RVG): 78,40 € zuzüglich der Pauschale für Post und Telekommunikation, d.h. 20 % der Gebühren, max. 20,00 € (Nr. 7002 VV RVG): 15,68 € zuzüglich Umsatzsteuer 19 % (Nr. 7008 VV RVG) i. H. von 17,88 €). Bereits mit Urteil vom 4.8.1955 V 539/54 (Die Sozialgerichtsbarkeit – SGb – 1956, 263) hat das Sozialgericht Düsseldorf ausgesprochen, dass in Fallgestaltungen, in denen die Rechtsanwaltsgebühren ein Vielfaches des eingeklagten Anspruchs betragen, die Frage der Verfolgung prozessfremder Zwecke Raum greift. Dem folgend hat das Sozialgericht Düsseldorf darauf erkannt, dass bei einem Klageanspruch in Höhe von 3,90 DM und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 100 DM die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, weil in Ansehung der vielfachen Kosten gegenüber dem geltend gemachten Anspruch eine ca. 25-fache Übersetzung die allgemeine Auffassung die Inanspruchnahme der Sozialgerichte nicht billigt. Dies ist auch hier der Fall, da – selbst bei Ansatz der vollen 4,50 € – die ersatzfähigen Kosten der Rechtsverfolgung gerundet fünfundzwanzigmal so hoch sind wie die zu erstreitende Summe.
16c) Des Weiteren berücksichtigt der erkennende Senat, dass der Prozessbevollmächtigte allein beim FG Münster in einer Vielzahl von Verfahren die Aussetzung der Vollziehung von Abrechnungsbescheiden über Säumniszuschläge verfolgt, mit dem offensichtlichen Interesse, nicht ernsthaft die Aussetzung der Kleinstbeträge zu erreichen, sondern um die Kosten der Rechtsverfolgung erstattet zu bekommen.
172. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
183. Die Beschwerde wird nicht zugelassen. Auch wenn es an einer höchstrichterlichen Klärung mangelt, ob ein Rechtsschutzbedürfnis bei einstweiligen Rechtsschutzverfahren über geringfügige steuerliche Nebenleistungen anzuerkennen ist, hält der erkennende Senat die Spezifika, die für die Entscheidung dieses konkreten Einzelfalls ausschlaggebend gewesen sind für derart besonders, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.