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Auf die Erinnerung werden in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U gegenüber der Erinnerungsführerin keine Kosten erhoben.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Aufwendungen werden nicht erstattet.
I.
2Die Erinnerungsführerin wendet sich gegen die Kostenrechnung in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U.
3In dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U hatte die … kanzlei A im Namen der Erinnerungsführerin und des Herrn B Klage wegen Einkommensteuer 2016 bis 2018 und Umsatzsteuer 2018 gegen das Finanzamt C erhoben. Als gemeinsame Adresse der Eheleute hatten die Prozessbevollmächtigten die Anschrift „xxx“ angegeben. Eine Prozessvollmacht hatte die Kanzlei in dem Verfahren nicht vorgelegt. Die Kostenrechnungen konnten den Klägern unter den angegebenen Adressen nicht bekanntgegeben werden, der Kostenbeamte des Finanzgerichts stellte daraufhin am 20.07.2020 eine EMA-Anfrage. Die Anfrage ergab, dass die Klägerin unter der Adresse „yyy“ und der Kläger unter der Adresse „zzz“ gemeldet war.
4Nachdem innerhalb der vom damaligen Berichterstatter gesetzten Ausschlussfristen nach § 65 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie § 75 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum 18.08.2020 kein Sachvortrag der Kläger erfolgt war, wies der damalige Berichterstatter die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.08.2020 als unzulässig ab und legte den Klägern die Kosten des Verfahrens gem. § 135 Abs. 1 FGO (als Gesamtschuldnern) auf.
5Mit Datum vom 15.10.2020 ergingen zunächst hälftige Kostenrechnungen über jeweils 292 € an beide Kläger, die Erinnerungsführerin und Herrn B (Verfahrenskosten bei einem Streitwert in Höhe von 5.000 €).
6Die zentrale Zahlstelle der Justiz teilte dem Finanzgericht Münster am 16.10.2020 mit, dass Herr B amtsbekannt pfandlos sei.
7Mit Datum vom 15.12.2020 erging eine zweite Rechnung (Zweitschuldnerrechnung) an die Erinnerungsführerin über die gesamten Verfahrenskosten in Höhe von 589 € (584 € Verfahrenskosten und 5 € Mahngebühr).
8Mit Schreiben vom 28.12.2020 wandte sich die Erinnerungsführerin an das Finanzgericht und teilte mit, dass sie keine Klage vor dem Finanzgericht Münster eingereicht habe. Sie habe auch keinen Rechtsanwalt/keine Rechtsanwältin mit der Einleitung des Klageverfahrens beauftragt. Sie werde seit dem Jahr 2015 von ihrem geschiedenen Ehemann getrennt veranlagt und habe auch eine eigene Steuernummer. Für die Jahre 2016 bis 2018 habe sie stets gesonderte Steuerbescheide erhalten. Von dem Klageverfahren habe sie erstmals mit Zustellung der Kostenrechnung erfahren. Gleichzeitig legte sie ausdrücklich Erinnerung ein und bat um Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
9Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
10in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U ihr gegenüber keine Kosten zu erheben.
11Der Erinnerungsgegner hat der Erinnerung im Verfahren 9 Ko 3642/20 GK nicht abgeholfen. Zur Begründung hat er ausgeführt: „Mit der Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) können Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst richten, d.h. gegen Ansatz und Höhe einzelner Kosten oder gegen den Streitwert. Vorliegend mache der Erinnerungsführer derartige Einwendungen nicht geltend.“
12Am 07.01.2021 teilte die zuständige Sachbearbeiterin beim Finanzamt C, Frau D, dem Einzelrichter auf dessen Nachfrage telefonisch mit, dass die im Verfahren 9 K 1137/20 E, U streitgegenständlichen Bescheide nur an den Kläger gerichtet gewesen seien. Auch das Einspruchsverfahren sei nur vom Kläger betrieben worden (siehe Telefonvermerk, Bl. 39 der Gerichtsakte in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U).
13Mit Schreiben vom 07.01.2020 hat der Einzelrichter die …kanzlei A in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U aufgefordert, bis zum 28.01.2021 für das Verfahren 9 K 1137/20 E, U eine Vollmacht für beide Kläger vorzulegen (Bl. 39 der Gerichtsakte in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U).
14Eine Prozessvollmacht der Erinnerungsführerin hat die Kanzlei hieraufhin nicht vorgelegt.
15Der Einzelrichter hat die Gerichtsakten der Verfahren 9 Ko 3643/20 GK und 9 K 1137/20 E, U beigezogen.
16II.
17Die Erinnerung hat Erfolg.
181. Gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 GKG, das gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 GKG auf Verfahren vor Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nach der FGO anzuwenden ist, entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind (§ 66 Abs. 1 Satz 1 GKG), über die Erinnerung gegen den Kostenansatz durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.
19Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Senats ist der Berichterstatter Einzelrichter i.S.d. § 66 GKG.
202. Die Erinnerung ist begründet.
21a) Zwar kann die Kostengrundentscheidung, also die Frage, ob die Kosten zu Recht einem Beteiligten auferlegt wurden, im Erinnerungsverfahren nicht geprüft werden (BFH, Beschluss vom 03.07.2006 – VI E 3/06, BFH/NV 2006, 1697; BFH, Beschluss vom 30.09.2020 – VIII E 1/20, juris).
22b) Es liegt jedoch ein Fall der unrichtigen Sachbehandlung gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG vor.
23Die Rüge einer unrichtigen Sachbehandlung stellt nach zutreffender Auffassung eine im Rahmen der Erinnerung zulässige Einwendung gegen den Kostenansatz dar (BGH, Beschluss vom 22.07.2019 – III ZR 625/16, ZInsO 2019, 1786 m.w.N.; BFH, Beschluss vom 22.10.1991 – VIII E 5/91, BFH/NV 1992, 329; Laube, in: Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, GKG, § 66 Rdn. 82; Zimmermann, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, § 21 Rdn. 14).
24Gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Liegen diese Voraussetzungen vor, hat das Gericht zwingend von der Erhebung der vermeidbaren Kosten abzusehen (Zimmermann, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, § 21 Rdn. 3).
25Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die unrichtige Sachbehandlung ein erkennbares Versehen oder schwere offensichtliche Verstöße des Gerichts gegen eindeutige Vorschriften bei der Entscheidung voraus (BFH, Beschluss vom 30.09.2020 – VIII E 1/20, juris m.w.N.).
26Die Erinnerungsführerin war nicht Kostenschuldnerin des Verfahrens 9 K 1137/20 E, U (vgl. BFH, Beschluss vom 30.09.2020 – VIII E 1/20, juris m.w.N.; Zimmermann, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, § 66 Rdn. 14). Ihr hätten die Kosten des Verfahrens im Gerichtsbescheid vom 20.08.2020 auch offensichtlich und eindeutig nicht auferlegt werden dürfen.
27Nach der Rechtsprechung des BFH trägt der vollmachtlose Vertreter die Kosten des Verfahrens, wenn der Beteiligte das vollmachtlose Auftreten nicht veranlasst hat (Loose, in: Tipke/Kruse, FGO, § 62 Rdn. 67 m.w.N.).
28Die Erinnerungsführerin macht zu Recht geltend, dass sie dem Prozessbevollmächtigten, der die Klage im Verfahren 9 K 1137/20 E, U eingelegt hat, keine Vollmacht erteilt habe. Die Kanzlei A hat im Verfahren 9 K 1137/20 E, U auch nachträglich auf die Aufforderung des Berichterstatters keine Prozessvollmacht vorgelegt.
29Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erinnerungsführerin das vollmachtlose Auftreten veranlasst hat. Nach der telefonischen Auskunft des Finanzamts C vom 07.01.2021 haben die Erinnerungsführerin und Herr B in den Streitjahren des Verfahrens 9 K 1137/20 E, U getrennt gelebt und sind auch getrennt veranlagt worden. Ferner sind die im Verfahren 9 K 1137/20 E, U angefochtenen Bescheide nur gegenüber dem Kläger ergangen und auch das Einspruchsverfahren ist nur vom Kläger durchgeführt worden. Es sind daher schon keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, warum die Erinnerungsführerin die Kanzlei A mit der Prozessführung beauftragt haben sollte.
30Dem steht nicht entgegen, dass das Gericht bei Auftreten einer Person i.S.d. § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO als Bevollmächtigter den Nachweis durch eine schriftliche Vollmacht grundsätzlich nicht verlangen kann, § 62 Abs. 6 Satz 4 2. Halbs. FGO (Leipold, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, § 62 Rdn. 39). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn begründete Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen, in diesen Fällen besteht die Notwendigkeit, den Nachweis der Vollmacht zu verlangen (Leipold, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, § 62 Rdn. 39).
31Solche begründeten Zweifel lagen jedoch im Streitfall vor, da die angefochtenen Bescheide nur den Ehemann der Erinnerungsführerin (den Kläger) betrafen. Ungeachtet dessen hätten sich auch daraus Zweifel an der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung ergeben müssen, dass die Eheleute nicht unter der vom Prozessbevollmächtigten in der Klageschrift angegebenen Adresse, sondern unter zwei unterschiedlichen (von der angegebenen Adresse abweichenden) Anschriften gemeldet waren.
32c) Der Einzelrichter weist ergänzend darauf hin, dass auch die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht. Die Klägerin hatte im vorliegenden Fall unverschuldet keine Kenntnis davon, dass die Kanzlei ohne jegliche Veranlassung durch sie eine Klage in ihrem Namen einlegt.
333. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).