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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Streitig ist, ob der Erwerb sämtlicher Anteile an einer GmbH durch eine Kirchengemeinde, der aus der Errichtung dieser Kirchengemeinde durch die Vereinigung verschiedener Kirchengemeinden resultiert, der Grunderwerbsteuer unterliegt und ob er aus verfassungsrechtlichen Gründen von der Grunderwerbsteuer ausgenommen sein muss.
2Die Klägerin ist eine Kirchengemeinde in H-Stadt und hat den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie wurde durch Urkunde des Bischofs von F-Stadt vom 15.08.2007 errichtet. Unter Nr. 1 der Errichtungsurkunde heißt es, nach Anhörung aller unmittelbar Beteiligten und des Priesterrates (gem. can. 515 § 2 Codex Iuris Cononici – CIC –) würden die Propstei bzw. Pfarreien und Kirchengemeinden St. V, St. N, St. L, St. O, St. Q, St. U, St. K und I, St. M und St. C vereinigt; aus ihnen werde die Klägerin neu errichtet (gem. can. 121 CIC). Die genannten Kirchengemeinden hatten ebenfalls den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts. Unter Nr. 3 der bischöflichen Urkunde ist ausgeführt, dass das gesamte Kirchenvermögen (einschließlich aller Forderungen, Verbindlichkeiten und Immobilien), die Kirchenbücher und die Akten der aufgehobenen Pfarreien und Kirchengemeinden der neu errichteten Klägerin (als ausschließlicher Rechtsnachfolgerin) zugeführt würden. Der Regierungspräsident N-Stadt erkannte die bischöfliche Urkunde (gem. § 4 der Vereinbarung über die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden vom 21.11.1960 [Vereinbarung vom 21.11.1960]) durch Urkunde vom 26.09.2007 staatlich an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Amtsblatt für den Regierungsbezirk N-Stadt vom 12.10.2007, Seite 484 f. veröffentlichen Urkunden (die auch im Amtsblatt des Erzbistums F-Stadt veröffentlicht wurden) Bezug genommen.
3Die von der Vereinigung betroffenen Kirchengemeinden St. L und St. C (im Folgenden: „übertragende Gemeinden“) waren Gesellschafter der F katholische caritative Gesellschaft mit beschränkter Haftung (F-GmbH). Die Kirchengemeinde St. L war mit 80 % und die Kirchengemeinde St. C mit 20 % am Stammkapital der F-GmbH beteiligt. Unternehmensgegenstand der GmbH waren die Unterhaltung, die Errichtung, der Erwerb und der Betrieb katholischer caritativer Einrichtungen, wie der Betrieb eines Kinderheims, eines Alten- und Pflegeheims und ähnlicher caritativer Institutionen. Die F-GmbH hatte Grundbesitz. Zudem war sie Alleingesellschafterin der ebenfalls über Grundbesitz verfügenden F-Krankenhaus-GmbH. Einige der Grundstücke lagen nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Sowohl die F-GmbH als auch die F-Krankenhaus-GmbH waren als gemeinnützig anerkannt; sie verfolgten ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke. In dem jeweiligen Gesellschaftsvertrag war das Selbstverständnis der Caritas als einer Wesensfunktion der katholischen Kirche hervorgehoben.
4Zeitlich vor Errichtung der Klägerin hatte die F-GmbH einen Antrag auf verbindliche Auskunft beim Finanzamt H-Stadt A gestellt und mitgeteilt, die Kirchengemeinde St. L beabsichtige, ihre Anteile unentgeltlich auf die Kirchengemeinde St. C zu übertragen. Der Antrag auf verbindliche Auskunft betraf die Frage, ob die Übertragung der Anteile von der Grunderwerbsteuer befreit sei. Das Finanzamt H-Stadt A erteilte der F-GmbH unter dem 26.04.2007 die verbindliche Auskunft, dass dies (gem. § 3 Nr. 2 Grunderwerbsteuergesetz – GrEStG –) der Fall sei.
5Ende August 2011 begann das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung I-Stadt mit einer Außenprüfung bei der Klägerin. Die Außenprüfung betraf die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer sowie die Feststellung der Grundbesitzwerte. Der Prüfer gelangte zu dem Schluss, dass durch den Übergang des Kirchenvermögens auf die Klägerin die Anteile an der F-GmbH zu 100 % in der Hand der Klägerin vereinigt worden seien. Hierdurch sei ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verwirklicht worden. Betroffen seien sowohl die Grundstücke, die sich im Eigentum der F-GmbH befänden, als auch diejenigen, deren Eigentümerin die F-Krankenhaus-GmbH sei. In Anlage 1 zum Betriebsprüfungsbericht werden auf den Blättern 1 bis 8 die Grundstücke der F-GmbH und auf Blatt 9 die Grundstücke der F-Krankenhaus-GmbH aufgelistet. Auf den Betriebsprüfungsbericht vom 13.03.2013 wird ergänzend Bezug genommen.
6Der Beklagte erließ am 18.04.2013 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer. Die Besteuerungsgrundlagen wurden hierin „gem. § 17 GrEStG gesondert festgestellt für die Vereinigung der Anteile durch die Urkunde des Bischofs von F-Stadt vom 15.08.2007 und der Zustimmungsurkunde des Regierungspräsidenten von N-Stadt vom 26.09.2007 am 15.08.2007 (Steuerstichtag)“ und den durch die „Vereinigung der Anteile i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG“ der „F-GmbH, H-Stadt verwirklichten Erwerbsvorgang“. Dem Bescheid als Anlage beigefügt war der Betriebsprüfungsbericht vom 13.03.2013. Unter „A. Feststellungen“ heißt es dazu: „Die Grundstücke, auf die sich der Vorgang bezieht, sowie die Feststellungen dazu ergeben sich aus der Anlage […], die Bestandteil dieses Bescheids ist.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
7Die Klägerin legte Einspruch ein und machte geltend, ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG liege nicht vor. Vielmehr sei § 1 Abs. 3 GrEStG steuersystematisch wegen des Charakters der Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer verfassungskonform zum Schutz des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften aus Art. 140 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV) dahin auszulegen, dass der Übergang von Geschäftsanteilen zwischen Kirchengemeinden aus kircheninternen Gründen nicht den Tatbestand dieser Norm erfülle. Die Anteilsübertragung beruhe auf einer hoheitlichen Maßnahme im Rahmen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, die dem Vollzug einer kirchlichen Organisationsentscheidung diene. Die aus der Zusammenlegung von Kirchengemeinden resultierende Anteilsübertragung betreffe ausschließlich die Erfüllung kirchlicher Zwecke und Aufgaben und damit den grundrechtlich geschützten Bereich des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften. Vor diesem Hintergrund könne eine Grunderwerbsteuerpflicht nur gerechtfertigt sein, wenn „marktgängige“ Rechtsgeschäfte bzw. Vorgänge vorlägen, die nicht zum grundgesetzlich geschützten Binnenbereich einer Religionsgemeinschaft gehörten. Indem Geschäftsanteile an der F-GmbH aufgrund pastoraler Beweggründe durch bischöfliches Dekret verlagert worden seien, sei ein rein kircheninterner Vorgang vollzogen worden, der zum grundgesetzlich geschützten Binnenbereich der katholischen Kirche zähle und einen rein internen Umstrukturierungsvorgang und kein Verkehrsgeschäft am Markt darstelle. § 1 Abs. 3 GrEStG sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass rein kircheninterne (organisatorische) Vorgänge, die auf Kirchenrecht beruhten und letztlich der Verfolgung des Verkündungsauftrags der Kirche dienten, nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG fielen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass sie, die Klägerin, zwar Gesamtrechtsnachfolgerin der zusammengelegten Kirchengemeinden, also auch der Kirchengemeinden St. L und St. C, geworden sei. Jedoch seien diese Zusammenlegung und damit auch die Anteilsvereinigung nicht nach zivilrechtlichen Vorschriften oder überhaupt nach „staatlichem Recht“ erfolgt. Es sei nicht davon auszugehen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers rein kircheninterne Vorgänge einer Grunderwerbbesteuerung hätten zugeführt werden sollen. Vielmehr sollten durch § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG Vorgänge besteuert werden, bei denen mangels Rechtsgeschäft eine Anteilsvereinigung durch eine Anteilsübertragung kraft „staatlichen“ Gesetzes eintrete. Zu berücksichtigen sei insoweit auch, dass eine errichtete Pfarrei nur wegen can. 515 § 3 CIC Rechtspersönlichkeit besitze. Die Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer erfasse nach ihrem Sinn und Zweck solche rein kircheninternen Vorgänge mangels eines am Markt sichtbaren Vorgangs nicht.
8Hilfsweise machte die Klägerin geltend, dass die Übertragung der Anteile nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerfrei sei. Es liege eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) vor. In dem bischöflichen Exekutivakt liege ein tatsächliches Handeln, durch das die zusammengelegten, aufgelösten Kirchengemeinden ihr, der neu errichteten Klägerin, Vermögen zugewandt hätten. Diese Vermögenszuwendung sei auch freiwillig erfolgt. Insbesondere habe sie, die Klägerin, keine Gegenleistung erbracht, die eine Bereicherung ausschließe. Es habe auch dem Willen aller beteiligten Kirchengemeinden entsprochen, dass die Übertragung unentgeltlich erfolgen solle. Dies werde durch den Umstand verdeutlicht, dass im Vorfeld ein umfassender kircheninterner Konsultationsprozess stattgefunden habe. Dass die eigentliche Umsetzung durch den Ortsbischof erfolgt sei, sei demgegenüber unerheblich, da dies nur Ausfluss des verfassungsrechtlich verbürgten Selbstorganisationsrechts der katholischen Kirche sei. Im Übrigen sei im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG der vom Verfassungsgeber bezweckte Schutz der Religionsgemeinschaften ebenfalls zu beachten. Darüber hinaus habe sie, die Klägerin, aufgrund der verbindlichen Auskunft vom 26.04.2007 darauf vertrauen dürfen, dass der Vorgang nicht der Grunderwerbsteuer unterfalle. Zwar weiche der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt von dem Sachverhalt, der der verbindlichen Auskunft zugrunde gelegen habe, ab. Diese Abweichung sei jedoch unwesentlich. Maßgeblich sei vielmehr, dass die Anteile zwischen verschiedenen Kirchengemeinden übertragen worden seien.
9Jedenfalls sei der Vorgang nach § 4 Nr. 1 GrEStG steuerfrei. Diese Vorschrift müsse auch auf Anteilsübertragungen und Anteilsvereinigungen angewendet werden, um eine Ungleichbehandlung der Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 und nach § 1 Abs. 3 GrEStG zu vermeiden. Dies folge letztlich auch aus dem nunmehr eingeführten § 4 Nr. 4 GrEStG. Allerdings betreffe diese Vorschrift nur den Zusammenschluss kommunaler Gebietskörperschaften. Die Zusammenlegung von Kirchengemeinden aufgrund Priestermangels und Rückgangs der Gläubigen habe der Gesetzgeber offenbar nicht im Blick gehabt. Aus Gründen der Steuergerechtigkeit müsse § 4 Nr. 1 GrEStG analog angewendet werden, um sämtliche Erwerbsvorgänge von Religionsgemeinschaften bei der Ausübung ihrer religiösen Zwecke von der Grunderwerbsteuer freizustellen. Schließlich komme auch eine analoge Anwendung des § 6a GrEStG in Betracht.
10Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 14.11.2014 als unbegründet zurück. Er führte aus, der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG sei erfüllt. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege kein Fall mangelnder „Marktgängigkeit“ vor. Es gehe nicht um die Übertragung von Grundstücken, sondern um die Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH. Solche Gesellschaftsanteile seien handelbar. Es sei auch unerheblich, weshalb die Grundstücke aus dem „grundgesetzlich geschützten Binnenbereich einer Religionsgemeinschaft in eine GmbH ausgelagert“ worden seien. Der grundgesetzlich geschützte Bereich einer Religionsgemeinschaft werde jedenfalls durch die Besteuerung der Anteilsvereinigung nicht berührt. Entgegen der Ansicht der Klägerin seien die Kirche und ihre Untergliederungen nicht als rechtliche Einheit (als ein Rechtsträger) anzusehen. Vielmehr seien die Kirchengemeinden rechtlich selbstständig. Eine Anwendung des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG komme nicht in Betracht. Für eine freigebige Zuwendung fehle es am subjektiven Willen der aufgelösten Kirchengemeinden, der Klägerin ohne Verpflichtung etwas zuzuwenden. Die Auflösung und Vereinigung der bisher selbständigen Kirchengemeinden zu einer neuen Kirchengemeinde sei auf Weisung des Bischofs erfolgt. Die aufgelösten Kirchengemeinden seien zur Vermögenshingabe verpflichtet gewesen. Die verbindliche Auskunft vom 26.04.2007 entfalte keine Bindungswirkung. Sie betreffe einen anderen Sachverhalt als den tatsächlich verwirklichen. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 GrEStG lägen ebenfalls nicht vor. Diese Vorschrift betreffe nur den Erwerb von Grundstücken. Unabhängig hiervon würden Betriebe, die eine privatrechtliche Rechtsform aufwiesen, nach den für diese Rechtsform geltenden Vorschriften besteuert, was sich auch aus den Körperschaftsteuerrichtlinien ergebe. Sowohl bei der F-GmbH als auch bei der F-Krankenhaus-GmbH handele es sich um juristische Personen des Privatrechts, so dass es auf den zugrundeliegenden Verkündungsauftrag nicht ankomme. § 4 Nr. 4 GrEStG und § 6a GrEStG seien auf den in Jahr 2007 verwirklichten Erwerbsvorgang bereits in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar.
11Die Klägerin erhob Klage beim Finanzgericht (FG) Münster, die unter dem Aktenzeichen 8 K 3992/14 GrE geführt wurde, und ergänzte ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren wie folgt:
12Der angefochtene Feststellungsbescheid sei vage formuliert, nicht hinreichend bestimmt und zudem unzutreffend. Die Anteilsvereinigung beruhe nicht „auf der Urkunde des Bischofs von F-Stadt vom 15.08.2007 und der Zustimmungsurkunde des Regierungspräsidenten“. Richtigerweise hätte auf die „Vereinigung der Geschäftsanteile aufgrund Gesamtrechtsnachfolge der Klägerin nach Vereinigung der Kirchengemeinden ausweislich der Urkunde des Bischofs von F-Stadt vom 15.08.2007 und der Zustimmungsurkunde des Regierungspräsidenten“ abgestellt werden müssen.
13Die Besteuerung der Anteilsvereinigung infolge des kircheninternen Zusammenschlusses von Pfarreien verstoße gegen das grundrechtlich geschützte Recht der katholischen Kirche auf Selbstbestimmung. Das Selbstbestimmungsrecht umfasse die Organisation der Kirche, insbesondere ihren institutionellen Aufbau, mithin auch die Neuordnung von Pfarreien und die damit einhergehende Übertragung von Vermögenswerten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) könnten sich – neben Pfarreien (Kirchengemeinden) – auch solche Einrichtungen auf das Selbstbestimmungsrecht berufen, die den Auftrag der Kirche wahrnähmen, wenn eine Kirchengemeinde Trägerin der Einrichtung sei und der satzungsmäßige Zweck der Einrichtung und deren Struktur dazu dienten, den kirchlichen Auftrag auszuführen. Dies sei im Hinblick auf die F-GmbH und die F-Krankenhaus-GmbH, die ausschließlich caritativ tätig seien, der Fall. Wenn der Beklagte die Ansicht vertrete, ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche liege nicht vor, weil es sich bei der F-GmbH um eine juristische Person des Privatrechts handele, sei dies unzutreffend. Darüber hinaus werde bei einem Zusammenschluss von Gemeinden zu einer Großpfarrei weder für den Übergang von Grundstücken noch von Gesellschaftsanteilen ein Entgelt gezahlt, so dass die Belastung mit Grunderwerbsteuer „kontraproduktiv“ wirke. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG sei keine hinreichende Rechtsgrundlage für diesen Grundrechtseingriff, sondern vielmehr verfassungskonform auszulegen.
14Wenn der Beklagte in der Einspruchsentscheidung unter Hinweis auf die Körperschaftsteuerrichtlinien darauf abstelle, dass es sich bei der F-GmbH und der F-Krankenhaus-GmbH um juristische Personen des Privatrechts handele, die nach den für diese Rechtsform geltenden Vorschriften besteuert würden, gehe dies fehl. Vielmehr sei grunderwerbsteuerlich die veränderte (wirtschaftliche) Zuordnung der Grundstücke maßgeblich; die Grundstücke würden nach der Anteilsvereinigung ihr, der Klägerin, zugerechnet. Wie bereits ausgeführt, werde durch die Besteuerung in ihr verfassungsrechtlich verbürgtes Selbstbestimmungsrecht eingegriffen, ohne dass dieser Eingriff gerechtfertigt sei.
15Die Ausführungen des Beklagten zu § 3 Nr. 2 GrEStG seien ebenfalls unzutreffend. Der Vermögensübergang im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge erfolge grundsätzlich nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit. Die aufgelösten Kirchengemeinen, deren Vermögen im Wege der Gesamtrechtnachfolge gem. can. 121 CIC auf sie, die Klägerin, übergegangen sei, seien nicht zur Übertragung verpflichtet gewesen. Vor Vereinigung der Kirchengemeinden habe sie, die Klägerin, gar nicht existiert. Zudem sei die Vereinigung in den unterschiedlichen Gremien der betroffenen Kirchengemeinden beraten und beschlossen worden. Die Mitglieder der Gremien hätten in der Vorstellung gehandelt, dass der Vorgang unentgeltlich sei. Die Umsetzung durch bischöfliches Dekret stelle nur den durch Kirchenrecht angeordneten formalen Akt dar, vergleichbar der notariellen Beurkundung bei einer Grundstücksschenkung. Die Ausfertigung der Urkunde habe keine Verpflichtung der Beteiligten begründet. Vielmehr sei der kircheninterne Zusammenschluss freiwillig und die damit einhergehende Vermögensübertragung ohne rechtliche Verpflichtung und damit unentgeltlich erfolgt.
16Im Hinblick auf die erteilte verbindliche Auskunft sei zu beachten, dass deren Bindungswirkung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf sie, die Klägerin, übergegangen und nicht entfallen sei. Sie sei auch Gesamtrechtnachfolgerin der Kirchengemeinde St. C, bei der sich die Anteile nach der ursprünglichen Planung hätten vereinigen sollen. Dass die Empfängerin der Anteile nunmehr eine andere sei (Klägerin statt Kirchengemeinde St. C), sei für die Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG unschädlich.
17Die Auffassung des Beklagten, § 4 Nr. 1 GrEStG sei nicht analog anwendbar, weil die grundbesitzenden Gesellschaften juristische Personen des Privatrechts seien, sei unzutreffend. Grundstücksübertragungen, die die Kirchen im Rahmen der Erfüllung ihrer kirchlichen Aufgaben vornähmen, seien von der Grunderwerbsteuer befreit. Die Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften und Grundstücksübertragungen müssten gleich behandelt werden. Eine andere Handhabung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil kein sachlicher Grund für eine ungleiche Behandlung ersichtlich sei. In diesem Zusammenhang verbiete es sich, auf die Ebene der GmbH zurückzugreifen. Eine Befreiung nach § 4 Nr. 1 GrEStG scheitere auch nicht daran, dass ein Betrieb gewerblicher Art vorliege. Im Rahmen der analogen Anwendung müsse vorliegend danach gefragt werden, ob die Grundstücke der F-GmbH und der F-Krankenhaus-GmbH, würden sie im Eigentum der Kirchengemeinden stehen, einem Betrieb gewerblicher Art dienten. Dies sei nicht der Fall. Indem die betreffenden Einrichtungen (Krankenhaus, Kinder- und Jugendhaus, Alten- und Pflegeheim und Sozial- und Altenwohnungen) betrieben würden, komme der kirchliche Verkündungsauftrag zum Ausdruck.
18Im Verlauf des Klageverfahrens kam es aufgrund der Fusion des ursprünglich beklagten Finanzamts H-Stadt A mit dem Finanzamt H-Stadt B zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel. Der Beklagte nahm auf sein Vorbringen im Einspruchsverfahren Bezug.
19Die Klage wurde mit Urteil vom 07.06.2017 als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin legte die – vom FG zugelassene – Revision ein, die beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen II R 35/17 geführt wurde. Mit Urteil vom 04.03.2020 hob der BFH das Urteil des FG Münster vom 07.06.2017 (8 K 3992/14 GrE), die Einspruchsentscheidung vom 14.11.2014 und den Feststellungsbescheid vom 18.04.2013 auf und führte zur Begründung aus: Der im Feststellungsbescheid angegebene Steuerstichtag (15.08.2007) sei unzutreffend und der Bescheid damit rechtswidrig. Der zutreffende Steuerstichtag sei der 26.09.2007, weil die Klägerin erst zu diesem Zeitpunkt rechtlich wirksam errichtet worden sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
20Am 27.08.2020 erließ der Beklagte einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer auf den Stichtag 26.09.2007. Unter „Erläuterungen“ heißt es: Das Finanzamt sei bei Erlass des Bescheids vom 18.04.2013 davon ausgegangen, dass die Kirchenvereinigung mit Anordnung des Bischofs von F-Stadt vom 15.08.2007 vollzogen worden sei. Dieser Irrtum habe zur Aufhebung des Bescheids durch den BFH geführt. Nach § 174 Abs. 4 Sätze 1 und 2 Abgabenordnung (AO) könnten, da aufgrund irriger Beurteilung des Sachverhalts (Steuerstichtag) der Feststellungsbescheid vom 18.04.2013 auf Grund eines Rechtsbehelfs der Klägerin aufgehoben worden sei, durch Erlass des neuen Feststellungsbescheids die richtigen steuerlichen Folgen gezogen werden. Im Übrigen entsprachen Inhalt und Feststellungen des Bescheids denen im Bescheid vom 18.04.2013. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 27.08.2020 Bezug genommen.
21Die Klägerin legte Einspruch ein und wiederholte im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Verfahren gegen den Bescheid vom 18.04.2013. Ergänzend führte sie aus:
22- Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG sei nicht einschlägig. Auch § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG setze, wie sich aus der amtlichen Überschrift ergebe, einen Erwerbsvorgang voraus. Der Begriff der Anteilsvereinigung müsse ausgelegt werden nach seinem Sinn und Zweck (Verweis auf BFH, Urteil vom 10.08.1988, II R 193/85, BStBl 1988 II 959). Die Vorschrift setze grundsätzlich eine bürgerlich-rechtliche Übertragung der Geschäftsanteile der grundbesitzenden Gesellschaft, zumindest aber den bürgerlich-rechtlichen Erwerb dieser Anteile voraus. Nur ein zivilrechtlicher Erwerb oder ein Erwerb kraft Gesetzes erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen. Das streitgegenständliche bischöfliche Dekret erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen hingegen nicht. Die Vorschrift nehme auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG Bezug und umfasse nur Anteilsvereinigungen, die „sich bei vorausgehendem schuldrechtlichem Geschäft aus der Erfüllung des Verpflichtungsgeschäfts ergäben“. Soweit in einer den Anwendungsbereich erweiternden Auslegung auch Umwandlungsvorgänge erfasst würden, könne das nicht für den Streitfall gelten, weil dies nur für Vorgänge nach staatlichem Recht, nicht aber für innerkirchliche Vorgänge gelten könne. Das bischöfliche Dekret vom 15.08.2007 schaffe als innerkirchlicher Akt keinen bürgerlich-rechtlichen Übertragungsanspruch und führe auch nicht zu einem bürgerlich-rechtlichen Erwerb der Geschäftsanteile. Die Errichtung der Klägerin führe „hinsichtlich der Geschäftsanteile der F-GmbH nicht einmal zu einem Grundbuchberichtigungsanspruch“. Dass die Gesellschafterliste angepasst werden müsse, sei nur der außerkirchliche Nachvollzug einer kircheninternen Organisationsmaßnahme. Ein Rechtsträgerwechsel, der durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV verfassungsrechtlich privilegiert sei, sei nicht von § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erfasst.
23- Allenfalls handele es sich um einen Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG. Die Pfarreien, die zuvor Anteilseigner gewesen seien, seien vor der Übertragung aufgelöst und vereinigt worden. Dies ergebe sich aus dem bischöflichen Dekret: in Punkt 2 werde die Vereinigung geregelt und erst in Punkt 3 die Zuführung des Vermögens zur Klägerin.
24- Die Steuerfreiheit ergebe sich jedenfalls aus der Zusammenschau der Steuerbefreiungen gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG und § 4 Nr. 1 GrEStG bei interpolierender Betrachtung. Der verbindlichen Auskunft vom 26.04.2007 lasse sich entnehmen, dass der tatsächlich beschrittene Weg der Zusammenlegung der Propstei und Pfarreien und Kirchengemeinden durch bischöfliches Dekret und der dadurch verwirklichte Anteilsübergang einen verkürzten Weg darstelle. Ursprünglich sei in einem Zwischenschritt die Übertragung der von der Pfarrei und Kirchengemeinde St. L gehaltenen Beteiligung von 20% am Stammkapital der F-GmbH als freigebige Zuwendung auf die Pfarrei und Kirchengemeinde St. C, die 80% der Geschäftsanteile der F-GmbH hielt, beabsichtigt gewesen. In einem weiteren Zwischenschritt hätten die in der Hand der Pfarrei und Kirchengemeinde St. C vereinigten 100% der Geschäftsanteile der F-GmbH im Wege des durch das bischöfliche Dekret bewirkten innerkirchlichen Organisationsaktes auf die neu errichtete Klägerin übertragen werden sollen, was wiederum möglicherweise als grunderwerbsteuerbar, dann jedoch unzweifelhaft gem. § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG anzusehen gewesen wäre. Auf diesen Anteilserwerb wäre dann der Befreiungstatbestand von § 4 Nr. 1 GrEStG anzuwenden gewesen.
25- Der Bescheid vom 27.08.2020 sei widersprüchlich, weil er auf die Feststellungen des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung I-Stadt vom 13.03.2013 Bezug nehme. Dort werde zum einen (anders als im Bescheid selbst) als Steuerstichtag der 15.08.2007 bestimmt, zum anderen werde auf das Finanzamt H-Stadt A verwiesen, welches nicht mehr existiere. Zum dritten enthalte der Betriebsprüfungsbericht Feststellungen zu den Grundbesitzwerten, obwohl der Bescheid selbst darauf verweise, diese seien gesondert festzustellen.
26Mit Einspruchsentscheidung vom 18.01.2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung entspricht – abgesehen von der ergänzenden Darstellung des Verfahrens ab Erhebung der unter dem Aktenzeichen 8 K 3992/14 GrE geführten Klage – der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2014. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
27Mit der dagegen gerichteten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und dem Verfahren gegen den Bescheid vom 18.04.2013.
28Die Klägerin beantragt,
29den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 27.08.2020 sowie die Einspruchsentscheidung vom 18.01.2021 aufzuheben,
30hilfsweise, die Revision zuzulassen.
31Der Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Die zulässige Klage, über die das Gericht gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Der Feststellungsbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
35Dem Erlass des Bescheids stand nicht der Ablauf der Feststellungsfrist entgegen. Denn nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO ist der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich, wenn die Finanzbehörde in den Fällen des § 174 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AO die steuerlichen Folgen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids zieht. Dies gilt für die gesonderte Feststellung entsprechend (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO).
36Im Streitfall ist § 174 Abs. 4 AO anwendbar. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO können, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt nach § 174 Abs. 4 Satz 2 AO auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. § 174 Abs. 4 AO enthält eine gegenüber den Abs. 1 bis 3 der Vorschrift eigenständige Änderungsnorm, die nicht die Korrektur widerstreitender Festsetzungen betrifft. Dem aufgrund der irrigen Beurteilung aufgehobenen und dem neuen erstmaligen oder Änderungs-Bescheid muss dabei der nämliche Sachverhalt zugrunde gelegen haben bzw. zugrunde liegen (BFH, Urteil vom 23.04.2008, II R 52/06, BFH/NV 2008, 1493). Als nämlicher Sachverhalt in diesem Sinn ist der einheitliche Lebensvorgang anzusehen, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Bezugspunkt des Begriffs ist nicht eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder das einzelne Merkmal, an welches das Gesetz steuerliche Folgen knüpft, sondern der einheitliche, für die Besteuerung maßgebliche Sachverhaltskomplex (BFH, Urteil vom 24.04.2013, II R 53/10, BStBl II 2013, 755 m.w.N.). „Irrige Beurteilung“ eines Sachverhalts bedeutet, dass sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist (BFH, Urteil vom 24.04.2013, II R 53/10, BStBl II 2013, 755 m.w.N; BFH, Urteil vom 23.07.2019, IX R 25/18, BFH/NV 2020, 1). Dies kann zum Beispiel ein Irrtum über den maßgeblichen Zeitpunkt sein (BFH, Urteil vom 26.10.1994, II R 84/91, BFH/NV 1995, 476).
37Nach dieser Maßgabe hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid zu Recht auf § 174 Abs. 4 AO gestützt. Der Bescheid vom 18.04.2013 ist auf Grund der von der Klägerin eingelegten Revision durch den BFH mit Urteil vom 04.03.2020 aufgehoben worden. Der Beklagte (bzw. dem Finanzamt H-Stadt A als Rechtsvorgänger) hat einen bestimmten Sachverhalt, nämlich die Errichtung der Klägerin durch Aufhebung und Vereinigung der kirchlichen Körperschaften durch bischöfliches Dekret vom 15.08.2007 und der Zustimmung des Regierungspräsidenten N-Stadt vom 26.09.2007, irrig beurteilt, nämlich dahingehend, dass Steuerstichtag das Datum des bischöflichen Dekrets war. Dies hat sich nachträglich als unrichtig herausgestellt. Mit dem streitigen Bescheid vom 27.08.2020 werden – innerhalb der Jahresfrist des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO – die richtigen steuerlichen Folgen gezogen, indem der Bescheid nunmehr den 26.09.2007 als Steuerstichtag angibt.
38Der angefochtene Feststellungsbescheid ist auch hinreichend bestimmt. Insbesondere ergeben sich, anders als die Klägerin meint, keine Widersprüche aus der Bezugnahme auf den Betriebsprüfungsbericht. Denn offensichtlich – und davon geht auch die Klägerin in ihrem übrigen Vortrag aus – ist als Steuerstichtag nicht das im Betriebsprüfungsbericht genannte Datum (15.08.2007), sondern der 26.09.2007 benannt, ist des Weiteren der Bescheid nicht vom Finanzamt H-Stadt A erlassen worden und sind schließlich keine Grundbesitzwerte festgestellt worden. Insofern ist dem Bescheid eindeutig zu entnehmen, dass den im Bescheid selbst (und nicht den im als Anlage beigefügten Betriebsprüfungsbericht) getroffenen Feststellungen Vorrang zukommt. Einem anderen Verständnis läge jeweils eine nicht vertretbare Auslegung des Bescheids zugrunde: Wie aus dem eindeutigen Wortlaut und der Bezugnahme auf das Urteil des BFH ersichtlich, sollte Stichtag nunmehr der 26.09.2007 sein; wie aus dem Briefkopf des Bescheids ersichtlich, ist dieser vom Beklagten erlassen und nicht vom (nicht mehr existenten) Finanzamt H-Stadt A; wie aus der Bezeichnung des Bescheids und dem Hinweis auf die von den zuständigen Finanzämtern vorzunehmende Feststellung der Grundbesitzwerte ersichtlich, sollten in dem Bescheid keine Feststellungen zu den Grundbesitzwerten getroffen werden.
39Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG vorliegt. Anders als die Klägerin meint, kommt eine Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG nicht in Betracht.
40Nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG unterliegt der Übergang unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 vom Hundert der Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft auf einen anderen, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorausgegangen ist, der Grunderwerbsteuer. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 vom Hundert der Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer. Die Tatbestände des § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG sind solche der Anteilsübertragung. In diesen Fällen wird der Erwerb des Grundstücks vom Übertragenden fingiert (vgl. BFH, Urteil vom 02.04.2008, II R 53/06, BStBl. II 2009, 544). Demensprechend schuldet auch der Übertragende (wie in den Fällen der Übertragung des Grundstücks selbst) die Grunderwerbsteuer nach § 13 Nr. 1 GrEStG. Bei der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG hält der Übertragende hingegen Anteile von weniger als 95 %, der Erwerber erhält die (mindestens) 95 % der Anteile also nicht „en bloc“ von einem Übertragenden; Steuerschuldner ist in diesem Fall gemäß § 13 Nr. 5 GrEStG nur der Erwerber. Nach dieser Maßgabe kommt eine Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG von vorneherein nicht in Betracht, weil es keinen Übertragenden gab, der (mindestens) 95 % der Anteile hielt. Anders als die Klägerin meint, führt die Reihenfolge der Regelungen im bischöflichen Dekret nicht dazu, dass zunächst von einer Vereinigung der Übertragenden und einer anschließenden Übertragung von 100 % der Anteile en bloc auszugehen ist. Es ist nicht ersichtlich, wer hier als Übertragender anzusehen wäre. Vielmehr erfolgten die Aufhebung der übertragenden Gemeinden, die Errichtung der Klägerin und die Anteilsübertragung uno actu, ohne dass in einem (gedanklichen) Zwischenschritt eine weitere Körperschaft als Übertragende bestanden hätte. Im Übrigen ist auch der BFH im Urteil vom 04.03.2020 davon ausgegangen, dass nur die Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG in Betracht kommt.
41Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG liegen vor. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG unterliegt, wenn zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört, der Grunderwerbsteuer die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile an der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen ist. Zum Vermögen der F-GmbH gehörten die im Feststellungsbescheid (über die Bezugnahme auf die Anlage 1 zum beigefügten Betriebsprüfungsbericht) aufgeführten Grundstücke. Durch die mit der Vereinigung der aufgehobenen übertragenden Gemeinden verbundene Neuerrichtung der Klägerin und dem Übergang des Vermögens der übertragenden Gemeinden auf die Klägerin, haben sich alle Anteile an der F-GmbH bei der Klägerin vereinigt. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Begriff der „Anteilsvereinigung“ nicht so auszulegen, dass der streitige Erwerb von diesem Begriff nicht umfasst wird, weil der Erwerb auf einem bischöflichen Dekret beruht. Wie die Klägerin selbst ausführt, ist zivilrechtlich eine Änderung des Gesellschafterbestands eingetreten. Die übertragenden Gesellschaften gibt es rechtlich nicht mehr; im staatskirchenrechtlichen, kirchenrechtlichen und zivilrechtlichen Einklang ist die Klägerin alleinige Gesellschafterin der F-GmbH. Ob dieser Zustand (nur) eine kircheninterne Neuorganisation „nachvollzieht“, ist unerheblich. Entscheidend ist allein, dass ein rechtswirksamer Anteilserwerb erfolgt ist, der dazu führt, dass die Klägerin mindestens 95 % der Anteile hält.
42Die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist weder verfassungswidrig noch zwingt eine verfassungskonforme Auslegung zu einer Einschränkung ihres Anwendungsbereichs dahingehend, dass Vorgänge wie der vorliegende nicht grunderwerbsteuerpflichtig sind. Die Klägerin vertritt hierzu die Ansicht, § 1 Abs. 3 GrEStG sei zum Schutze des aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV resultierenden Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften verfassungskonform (einschränkend) dahin auszulegen, dass der Übergang von Gesellschaftsanteilen zwischen Kirchengemeinden aus kircheninternen Gründen auf Grund einer kirchlichen Organisationsmaßnahme den Tatbestand nicht erfülle. Eine derartige einschränkende Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Eine Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG auf Fälle wie den vorliegenden beeinträchtigt das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften nicht. Nach Art. 137 Abs. 3 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Hieraus folgt, dass Grunderwerbsteuer entsteht, wenn die Religionsgesellschaft (Religionsgemeinschaft) von ihrem Recht, ihre Angelegenheiten ohne staatliche Einmischung zu ordnen und zu verwalten Gebrauch macht, und es hierdurch im Hinblick auf ein Grundstück zu einem Rechtsträgerwechsel kommt. Die Grunderwerbsteuer knüpft – ihrem Charakter als Rechtsverkehrsteuer entsprechend – an einen Rechtsträgerwechsel (Grundstückswechsel zwischen verschiedenen Rechtsträgern) an. Dabei sind Aspekte der Gemeinnützigkeit oder der Gemeinwohlorientierung nicht von Bedeutung (vgl. BFH, Beschluss vom 09.04.2009, II B 95/08, BFH/NV 2009, 1148). Zu einem solchen Rechtsträgerwechsel ist es hier gekommen. Die Klägerin hat durch die staatliche Anerkennung den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangt. Durch diese Anerkennung ist die Errichtung der Klägerin „für den staatlichen Bereich rechtlich wirksam“ geworden (vgl. § 1 der Vereinbarung vom 21.11.1960). Sie konnte dementsprechend (durch Rechtsgeschäft oder kraft Organisationsakt) Gesellschaftsanteile erwerben und als Gesellschafterin in das Handelsregister eingetragen werden. Durch den Übergang der Gesellschaftsanteile an der F-GmbH ist es zu einem Rechtsträgerwechsel im Hinblick auf die dieser Gesellschaft gehörenden Grundstücke gekommen. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG fingiert insoweit – wovon die Klägerin zutreffend ausgeht – einen Erwerb der Grundstücke von der Gesellschaft. Das aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV resultierende Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften bewirkt nicht, dass Rechtsträgerwechsel, die sich innerhalb der Religionsgemeinschaft vollziehen, also zwischen Rechtsträgern erfolgen, die ausschließlich dem jeweiligen Zweck der Religionsgemeinschaft zu dienen bestimmt sind, aus dem Anwendungsbereich der grunderwerbsteuerlichen Erwerbstatbestände ausscheiden (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 17.05.2006, II R 46/04, BStBl. II 2006, 720: Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, wenn eine katholische Kirchengemeinde einer caritativen kirchlichen Einrichtung in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins ein Erbbaurecht bestellt). Dies ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bereits deshalb nicht geboten, weil ein kirchlicher Rechtsträger, der (auf Antrag) staatlich anerkannt wird, nunmehr – auch – den staatlichen Regeln unterliegt. Dies gilt auch für das Steuerrecht.
43Der Erwerbsvorgang ist nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG oder § 4 Nr. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.
44Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind der Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes von der Besteuerung ausgenommen. Im Streitfall liegen weder ein Grundstückserwerb von Todes wegen noch eine Grundstücksschenkung vor. Die Klägerin weist insoweit zwar zu Recht darauf hin, dass die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG auch dann zu gewähren ist, wenn Gegenstand einer freigebigen Zuwendung ein Anteil an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft ist und durch die Übertragung des Anteils der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 (oder Nr. 2) GrEStG erfüllt wird (BFH, Urteil vom 23.05.2012, II R 21/10, BStBl. II 2012, 793). Zudem können Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen untereinander Vermögen freigebig übertragen, da sie – im Gegensatz zu Trägern öffentlicher Verwaltung – nicht an staatliche haushaltsrechtliche Vorschriften gebunden sind (BFH, Urteil vom 17.05.2006, II R 46/04, BStBl. II 2006, 720). Es fehlt jedoch an einer freigebigen Zuwendung. Die Anteile an der F-GmbH sind der Klägerin nicht freigebig zugewendet worden. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. In objektiver Hinsicht ist erforderlich, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Zuwendungsempfängers auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung objektiv unentgeltlich ist, und in subjektiver Hinsicht der Wille des Zuwendenden zur Freigebigkeit, der gegeben ist, wenn sich der Zuwendende der Unentgeltlichkeit seiner Leistung bewusst ist (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 04.03.2015, II R 19/13, BFH/NV 2015, 993; BFH, Urteil vom 12.07.2016, II R 42/14, BStBl. II 2016, 868). Voraussetzung für die Annahme einer freigebigen Zuwendung ist dementsprechend, dass ein Zuwendender gegenüber einem Zuwendungsempfänger eine (diesen bereichernde) Leistung erbringt. Hieran fehlt es. Die übertragenden Gemeinden haben der Klägerin die Anteile an der F-GmbH nicht zugewandt.
45Der Übergang der Anteile ist vielmehr Resultat der Vereinigung der Kirchengemeinden und der damit verbundenen Neuerrichtung der Klägerin. Der aus der Vereinigung der Kirchengemeinden resultierende Vermögensübergang lässt sich nicht als (unentgeltliche) Leistung der vereinigten Kirchengemeinden qualifizieren. Die Kirchengemeinden haben der Klägerin objektiv nichts zugewandt. Ihr Vermögen ist vielmehr nach can. 121 CIC auf die Klägerin übergangen, nachdem der Bischof von F-Stadt die Entscheidung getroffen hatte, die Kirchengemeinden zu vereinigen und die Klägerin neu zu errichten. Dass die entsprechenden Gremien der Kirchengemeinden zuvor angehört wurden und – wie die Klägerin vorbringt – mit der Errichtung der Klägerin und dem Übergang des Vermögens einverstanden waren, führt nicht dazu, dass man eine Leistung annehmen könnte. Ob Kirchengemeinden errichtet, aufgehoben oder verändert werden, „ist allein Sache des Diözesanbischofs“ (can. 515 § 2 CIC). Der Bischof trifft die Entscheidung. Er ist verantwortlich. Dass er die von den Kirchengremien „beschlossene“ Vereinigung der Kirchengemeinden – wie die Klägerin geltend macht – lediglich umsetzt, trifft nicht zu.
46Ebenso wenig liegt eine freigebige Zuwendung des Diözesanbischofs vor. Denn die Klägerin ist nicht auf dessen Kosten bereichert worden.
47Aus der der F-GmbH unter dem 26.04.2007 erteilten verbindlichen Auskunft folgt nichts Gegenteiliges. Das Finanzamt H-Stadt A hatte der F-GmbH auf ihren Antrag hin die verbindliche Auskunft erteilt, dass die geplante unentgeltliche Übertragung der Gesellschaftsanteile (von 20 %) von der Kirchengemeinde St. L auf die Kirchengemeinde St. C, die bereits 80 % der Anteile hielt, nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit sei. Diese – inhaltlich zutreffende – Auskunft bezieht sich nicht auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt, nämlich den Übergang der Gesellschaftsanteile infolge der mit der Neuerrichtung der Klägerin verbundenen Vereinigung (u.a.) der übertragenden Gemeinden.
48Eine Steuerfreiheit ergibt sich auch nicht aus § 4 Nr. 1 GrEStG. Hiernach ist der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts von der Besteuerung ausgenommen, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder aus Anlass von Grenzänderungen von der einen auf die andere juristische Person übergeht und nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient. Es ist umstritten, ob § 4 Nr. 1 GrEStG überhaupt auf die sog. fingierten Erwerbsvorgänge des § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG Anwendung findet. Die wird teils abgelehnt, weil § 4 Nr. 1 GrEStG nur von „Grundstücken“ und nicht (wie § 4 Nr. 4 GrEStG) auch von Gesellschaftsanteilen spricht (Viskorf in Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. 2018, § 4 Rn. 13). Nach anderer Auffassung soll § 4 Nr. 1 GrEStG im Grundsatz auf alle Steuertatbestände des § 1 GrEStG anwendbar sein; § 4 Nr. 4 GrEStG enthält nach diesem Verständnis keine Erweiterung um die dort genannten Tatbestände, sondern eine Beschränkung auf diese (Klink in GrEStG-eKommentar, § 4 Rn. 4). Nach einer vermittelnden Ansicht kommt eine Anwendung auf die fingierten Erwerbsvorgänge allenfalls dann in Betracht, wenn der Erwerb von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts fingiert wird. Da der – im Streitfall einschlägige – Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG den Erwerb von der Gesellschaft fingiert, soll § 4 Nr. 1 GrEStG nicht anwendbar sein; denkbar sei hingegen eine Anwendung bei den Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG (Nienhaus in Behrens/Wachter, GrEStG, 1. Aufl. 2018, § 4 Rn. 26; so wohl auch Heine in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 4 GrEStG Rn. 4, 22).
49Der Senat hält es für zutreffend, dass § 4 Nr. 1 GrEStG jedenfalls dann nicht zur Anwendung gelangt, wenn der Erwerb des Grundstücks von der grundbesitzhaltenden Gesellschaft fingiert wird. Damit kommt die Vorschrift im Streitfall nicht zur Anwendung, da es sich – wie dargelegt – entgegen der Auffassung der Klägerin um einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG und nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG handelt.
50Da § 4 Nr. 1 GrEStG ausdrücklich von Grundstücksübertragungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts spricht, kommt eine Anwendung auch nicht deshalb in Betracht, weil ausschließlich juristische Personen des öffentlichen Rechts (mittelbare) Gesellschafter der F-GmbH waren. Insbesondere kommt keine analoge Anwendung des § 4 Nr. 1 GrEStG auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG in Betracht. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Die ursprünglich auf den Übergang von Grundstücken zwischen Reich, Ländern, Gemeinden und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts beschränkte Vorschrift (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1940, RGBl. I 1940, 585) wurde durch Art. 15 Nr. 2 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl. I 1999, 402) auf alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts (also auch Stiftungen und Anstalten) erweitert. Da der Gesetzgeber jedenfalls zum Zeitpunkt dieser Erweiterung die Verwaltungspraxis juristischer Personen des öffentlichen Rechts kannte, juristische Personen des Privatrechts zu errichten und mit der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben zu betrauen, hat er die Regelung dieser Sachverhalte nicht übersehen, sondern die Steuerbefreiung bewusst nicht gewährt (vgl. zum Ganzen BFH, Urteil vom 09.11.2016, II R 12/15, BStBl. II 2017, 211).
51Eine Steuerfreiheit ergibt sich schließlich auch nicht aus einer interpolierenden Betrachtung der Befreiungstatbestände des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG und des § 4 Nr. 1 GrEStG. Zwar kann sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, eine Steuerbefreiung aus der Zusammenschau zweier Befreiungsvorschriften ergeben, die im Wortlaut der Einzelvorschriften, je für sich allein betrachtet, nicht zum Ausdruck kommt (BFH, Urteil vom 20.12.2011, II R 42/10, BFH/NV 2012, 1177; BFH, Beschluss vom 11.08.2014, II B 131/13, BFH/NV 2015, 5). Eine Steuerbefreiung aufgrund einer solchen interpolierenden Betrachtungsweise kann sich insbesondere ergeben, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Weg darstellt und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls steuerfrei wären (BFH, Beschluss vom 11.08.2014, II B 131/13, BFH/NV 2015, 5 m.w.N.).
52Im Streitfall wäre zwar die unentgeltliche Übertragung von 20 % der Anteile an der F-GmbH von der Kirchengemeinde St. L auf die Kirchengemeinde St. C, die bereits 80 % der Anteile hielt, nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit gewesen. Die Klägerin geht auch zu Recht davon aus, dass – wenn diese Übertragung erfolgt wäre – ein nachfolgender Übergang der Anteile im Zuge der Neuerrichtung der Klägerin den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG verwirklicht hätte. Es kann allerdings dahinstehen, ob dieser Erwerbsvorgang dann nach § 4 Nr. 1 GrEStG steuerfrei gewesen wäre. Denn der verwirklichte Erwerbsvorgang stellt sich nicht als abgekürzter Weg des skizzierten zweistufigen Vorgehens dar. Der verwirklichte Erwerbsvorgang weist keine Verknüpfung zur nicht verwirklichten Anteilsübertragung auf. Dass die Übertragung, wie die Einholung der verbindlichen Auskunft zeigt, ursprünglich beabsichtigt war, ist unerheblich. Die interpolierende Betrachtungsweise dient nicht dazu, nicht verwirklichte Sachverhalte nachträglich zu fingieren. Weil zwischen der ursprünglich beabsichtigten Übertragung und dem verwirklichten Erwerbsvorgang kein rechtlicher Bezug besteht, kann die nicht verwirklichte Anteilsübertragung – ebenso wenig wie die denkbare umgekehrte Übertragung von 80 % der GmbH-Anteile von der Gemeinde St. C auf die Gemeinde St. L – nicht Grundlage einer interpolierenden Betrachtung sein. Zudem wäre, wenn die Anteilsübertragung (nur) mit Blick auf die Steuerfreiheit bei der nachfolgenden Neuorganisation vorgenommen worden wäre, zu prüfen gewesen, ob § 42 AO eingreift.
53Eine Steuerfreiheit nach den §§ 4 Nr. 4, 6a GrEStG kommt in Betracht. § 4 Nr. 4 GrEStG gilt nur für Erwerbsvorgänge, die nach dem 06.06.2013 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 11 GrEStG). § 6a GrEStG gilt nur für Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.12.2009 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 8 Satz 1 GrEStG). Steuerstichtag im Streitfall ist der 26.09.2007.
54Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
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