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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer.
2Die Kläger sind Eheleute. Mit notariellem Vertrag vom 04.10.2018 (Urkundenrolle xxx des Notars I. X. mit Amtssitz in P-Stadt) erwarben die Kläger und ihr Sohn, J. B., von der Z-Immobiliengesellschaft mbH mit Sitz in X-Stadt (nachfolgend Z.) eine im Grundbuch von X-Stadt Blatt xxx eingetragene Grundstücksfläche, Gemarkung X-Stadt, Flur xxx, Flurstück xxx zur Größe von 381 m² zu Miteigentum und zwar die beiden Kläger zu einem Anteil von jeweils 3095/10000 und J. B. zu einem Anteil von 3810/10000. Zum Kaufpreis enthält die notarielle Urkunde in § 3 insbesondere folgende Vereinbarung:
3„1.
4Der Kaufpreis für den Kaufgegenstand beträgt 343 € pro Quadratmeter (qm) Grundstücksfläche, für insoweit rechnerisch maßgebliche 381 qm mithin 130.683,00 € (in Worten: …).
5In vorbeziffertem Kaufpreis ist die sog. Erschließung enthalten (vgl. hierzu nachfolgend § 9).
6Zusätzlich zum vorbeschriebenen Grundstückskaufpreis erstattet der Käufer der Verkäuferin die von dieser im Verhältnis zu den jeweiligen Leistungserbringern zu tragenden Kosten für die Herstellung eines Hausanschlussschachtes für Schmutz- und Regenwasser (Mischsystem) auf dem verkauften Grundstück in Höhe von pauschal 2.775 € (vgl. auch insoweit nachfolgend § 9).
7Die gesamte Zahlungsverpflichtung des Käufers gegenüber der Verkäuferin beläuft sich folglich auf 133.458 € (in Worten: …)
8Von dem Kaufpreis entfallen auf
9Frau F. B., geb. V.: 41.305,25 €
10Herr H. B.: 41.305,25 €
11Herr J. B.: 50.847,50 €
12Gegenüber dem Verkäufer haften alle Käufer als Gesamtschuldner.“
13Als Fälligkeitsvoraussetzung für den Gesamtbetrag vereinbarten die Vertragsparteien in § 3 der notariellen Urkunde unter anderem, dass die Stadt X-Stadt bestätigt, dass von der Z. eine Erfüllungsbürgschaft für die zu erbringenden Erschließungsleistungen hinterlegt ist. In diesem Zusammenhang wies der Notar darauf hin, dass hinsichtlich der künftig mit den im Kaufpreis angeforderten Erschließungskosten käuferseitig eine Vorleistung erbracht werde, da der Kaufgegenstand noch nicht erschlossen sei, die Erschließungsleistungen vielmehr wie nachfolgend in § 9 im Einzelnen dargestellt von der Z. erst im Verlauf der nächsten Monate erbracht würden.
14In § 5 der notariellen Urkunde erklärten die Parteien die Auflassung des Grundstücks und bewilligten und beantragten die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch.
15Zum wirtschaftlichen Übergang vereinbarten die Parteien in § 7, dass dieser zum Zeitpunkt der bedingungsfreien Gutschrift des gesamten Kaufpreises auf dem Konto der Verkäuferin erfolgt. Zugleich erteilten die Käufer ihr Einverständnis dazu, dass die Verkäuferin als Erschließungsträgerin bzw. ihre Erfüllungsgehilfen den kaufgegenständlichen Grundbesitz im Zusammenhang mit der bereits begonnen Erschließung des Baugebietes nutzen und gegebenenfalls Randbereiche des Kaufgrundstücks zur höher liegenden Straße auffüllen durften.
16Zur Erschließung vereinbarten die Parteien in § 9 der notariellen Urkunde auszugsweise Folgendes:
17„1.
18Die Verkäuferin hat mit der Stadt X-Stadt einen städtebaulichen Vertrag über die Erschließung der Wohnbaugrundstücke und sonstigen Flächen im Bebauungsplangebiet „Nördlich L-Straße“ geschlossen. Danach hat sich der Erschließungsträger, mithin die Z., verpflichtet, die gesamten Erschließungsmaßnahmen für die sogenannte Ersterschließung des vorgenannten Baugebiets durchzuführen. Diese Maßnahmen umfassen insbesondere
19- die Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen sowie
20- die erstmalige Herstellung der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze, einschließlich Fahrbahnen, inklusive Stellplatzflächen, Geh-/Radwegen, Straßenentwässerung, Straßenbeleuchtung und Straßenbegleitgrün.
21Die in diesem Zusammenhang anfallenden Erschließungskosten werden von der Verkäuferin getragen und sind, wie oben dargelegt, im Kaufpreis enthalten. Eine gesonderte Abrechnung dieser Erschließungskosten erfolgt mithin insgesamt nicht. Zusätzlich zu den vorgenannten Leistungen der Ersterschließung wird die Z., wie oben bereits dargelegt, den Hausanschlussschacht für das kaufgegenständliche Grundstück erstellen, welcher gemäß den Vorgaben des Abwasserbetriebes in unmittelbarer Nähe zum künftigen öffentlichen Straßenraum gesetzt wird. Der Käufer erstattet der Verkäuferin daher pauschal einen Betrag in Höhe der vorbezifferten Kosten von 2.775,00 € für die Herstellung des Hausanschlussschachtes. Eine gesonderte Abrechnung der Herstellungskosten erfolgt nicht. Der Betrag ist, wie bereits erwähnt, zusätzlich zum Kaufpreis im Zeitpunkt von dessen Fälligkeit zu zahlen.
22Die sogenannten Hausanschlusskosten (wie z.B. für Nahwärme, Wasser, Strom, Telekommunikationseinrichtungen) sind nicht im Kaufpreis enthalten und gehen ausschließlich zulasten des Käufers; diese Anschlüsse zu beantragen und auf eigene Kosten herstellen zu lassen, ist Sache des Käufers. Ebenso ist es allein Sache des Käufers, für die Anbindung seines Hausobjektes an den Hausanschlussschacht Sorge zu tragen, d. h. eine entsprechende Schmutz- und Regenwasserleitung zu verlegen und zu unterhalten.
23…
244.
25Mit der Erschließung des Baugebietes (Kanal und Baustraße) wurde bereits begonnen. Die Arbeiten werden voraussichtlich im Frühjahr 2019 abgeschlossen werden, sodass die Grundstücke voraussichtlich im Frühsommer 2019 bebaut werden können. Eine feste Zusage kann jedoch nicht abgegeben werden.“
26Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde vom 04.10.2018 Bezug genommen.
27Am 04.02.2019 wurden die Kläger und ihr Sohn aufgrund der Auflassung vom 04.10.2018 als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen.
28Bereits am 11.01.2018 hatte die Z. mit der Stadt X-Stadt, dem Abwasserbetrieb X-Stadt, der Stadtwerke X-Stadt GmbH sowie der X-Stadt Energieversorgung GmbH einen Städtebaulichen Vertrag nach § 11 Baugesetzbuch (Erschließungsvertrag) geschlossen, in welchem sich die Z. gegenüber der Stadt X-Stadt verpflichtete, das Baugebiet, in welchem das von den Klägern erworbene Grundstück liegt („Nördlich L-Straße“), zu erschließen. In § 11 dieses Vertrages verpflichtete sich die Stadt X-Stadt, die Eigentümer der erschlossenen Grundstücke nicht zur Zahlung von Erschließungsbeiträgen nach dem Baugesetzbuch heranzuziehen, soweit die Z. als Erschließungsträgerin den Erschließungsvertrag ordnungsgemäß erfüllt. In § 14 des Erschließungsvertrages vereinbarten die Parteien zudem, dass die Z. der Stadt X-Stadt als Sicherheit für alle in dem Erschließungsvertrag übernommenen Verpflichtungen eine selbstschuldnerische Bürgschaft eines Kreditinstituts über 1.470.337 € übergibt. Auf den Erschließungsvertrag wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
29Die Erschließungskosten für das Baugebiet „Nördlich L-Straße“ beliefen sich – bezogen auf die erschlossenen Grundstücke – auf 136,01 € je Quadratmeter. Dieser Betrag floss bei der Ermittlung der Grundstückskaufpreise durch die Z. kalkulatorisch ein. Er war den Klägern bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags nicht bekannt.
30Mit drei Grunderwerbsteuerbescheiden vom 23.10.2018 setzte der Beklagte gegenüber den Klägern und ihrem Sohn jeweils Grunderwerbsteuer i.H.v. 2.891 € fest. Als Bemessungsgrundlage berücksichtigte der Beklagte dabei jeweils ein Drittel von 133.358 €, mithin jeweils 44.486 €.
31Gegen die Grunderwerbsteuerbescheide legten die Kläger jeweils am 26.10.2018 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie jeweils aus, dass der Beklagte eine zu hohe Bemessungsgrundlage angesetzt habe. Der Gesamtkaufpreis für das Grundstück, den Hausanschlussschacht und die Erschließung habe sich auf 133.458 € belaufen. Die Kosten für den Hausanschlussschacht i.H.v. 2.775 € sowie die Kosten für die noch nicht geleistete Erschließung in Höhe von ca. 30.000 € seien aber abzuziehen, sodass für die Grunderwerbsteuer ein Kaufpreis von ca. 100.000 € anzusetzen sei. Zur Ermittlung der Höhe der Erschließungskosten pro Quadratmeter möge sich der Beklagte an die Z. wenden. Überdies werde um Berücksichtigung der im Kaufvertrag vereinbarten Miteigentumsquoten gebeten.
32Mit zwei Bescheiden vom 06.11.2018 half der Beklagte den Einsprüchen der Kläger wegen der geringeren Miteigentumsquote am Grundstück jeweils ab. Die Grunderwerbsteuer setzte er nunmehr auf jeweils 2.684 € fest. Eine Abhilfe im Hinblick auf die Erschließungskosten und die Kosten für den Hausanschlussschacht lehnte der Beklagte ab.
33Zur weiteren Begründung der Einsprüche trugen die (nunmehr vertretenen) Kläger vor, dass die Erschließungskosten nicht Teil der Bemessungsgrundlage seien, da das Grundstück im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht erschlossen gewesen sei und die Verkäuferin deshalb lediglich ein nicht erschlossenes Grundstück habe verkaufen können. Ferner habe es mit dem Kaufvertrag über das Grundstück und dem Erschließungsvertrag über das Baugebiet zwei voneinander getrennte Verträge gegeben. Während der Grundstückskaufvertrag erst am 04.10.2018 geschlossen worden sei, habe die Z. den Erschließungsvertrag mit der Stadt X-Stadt bereits am 11.01.2018 geschlossen. Schon durch die verschiedenen Daten werde die Eigenständigkeit der Verträge deutlich. Ferner habe sich die Z. lediglich gegenüber der Stadt X-Stadt – und nicht gegenüber ihnen, den Klägern, – zur Ersterschließung verpflichtet. Dementsprechend sei in dem notariellen Kaufvertrag auch darauf hingewiesen worden, dass sie auf die Erschließung teilweise eine ungesicherte Vorleistung erbrächten. Eine mittelbare Sicherheit bestehe nur insofern, als die Erschließungsträgerin, die Z., gegenüber der Stadt X-Stadt eine Bürgschaft in Höhe der voraussichtlichen Erschließungskosten hinterlegt habe, was wiederum belege, dass der Erschließungsanspruch ausschließlich gegenüber der Stadt X-Stadt bestanden habe.
34Ihr, der Kläger, Kaufvertrag mit der Z. beziehe sich hingegen ausdrücklich auf ein unerschlossenes Grundstück. Beziehe sich aber die Leistungspflicht des Verkäufers gegenüber den Käufern auf die Übereignung eines nicht erschlossenen Grundstücks, seien die Erschließungskosten nicht Teil der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer. Anders verhalte es sich bei den Kosten für den Hausanschlussschacht. Diesbezüglich habe die Verkäuferin eine Leistungsverpflichtung gegenüber den Klägern übernommen.
35Mit zwei Einspruchsentscheidungen vom 04.04.2019 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück. Im Streitfall seien die Kosten für die Ersterschließung eine Gegenleistung nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) und somit in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Ob Erschließungsbeiträge als sonstige Leistungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien, richte sich im ersten Schritt danach, in welchem Zustand sich das Grundstück im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs befinde, und in einem zweiten Schritt danach, welche Verpflichtungen der Veräußerer übernommen habe. Sei das Grundstück zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht erschlossen, sei zu prüfen, ob der Veräußerer sich verpflichtet habe, ein erschlossenes oder ein nicht erschlossenes Grundstück zu verschaffen. Sei Vertragsgegenstand ein nichterschlossenes Grundstück, sei die vom Erwerber eingegangene Verpflichtung, die Erschließungskosten zu bezahlen, nicht Teil der Gegenleistung. Verpflichte sich der Verkäufer dagegen gegenüber dem Käufer, ein zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht erschlossenes Grundstück im erschlossenen Zustand zu verschaffen, könne der auf die Erschließung entfallende Teil des Kaufpreises Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks sein. Der Erwerber übernehme dann eine Verpflichtung, die allein den Veräußerer treffe, wodurch die Übernahme der Erschließungsbeiträge als sonstige Leistung anzusehen sei.
36Eine Ausnahme zugunsten der Kläger wäre wiederum dann anzunehmen, wenn die Vertragsparteien neben dem Grundstückskaufvertrag eine rechtlich selbstständige Vereinbarung zur Durchführung der Erschließung getroffen hätten.
37Im Streitfall sei das vertragsgegenständliche Grundstück zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwar noch nicht erschlossen gewesen, Vertragsgegenstand sei aber ein erschlossenes Grundstück gewesen, da sich die Verkäuferin verpflichtet habe, die Erschließung durchzuführen. Dass eine solche Verpflichtung auch gegenüber den Erwerbern bestanden habe, zeige insbesondere die Regelung in § 9 Nr. 1 der notariellen Urkunde. Dort werde geregelt, dass die Käufer die Hausanschlusskosten im Gegensatz zu den Erschließungskosten selbst tragen müssten.
38Es sei auch nicht die Ausnahmekonstellation einschlägig, wonach zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer zwei selbstständige Verträge bestünden. Vorliegend sei der Erschließungsvertrag nicht zwischen den Klägern und der Z., sondern zwischen der Stadt X-Stadt und der Z. geschlossen worden. Dieser Vertrag sei für die Beurteilung, ob die Ausnahmeregelung greife, unbeachtlich.
39Die Kläger haben am 06.05.2019 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, dass es sich bei dem mit Kaufvertrag vom 04.10.2018 erworbenen Grundstück zum Zeitpunkt des Erwerbs noch um ein nicht erschlossenes Grundstück gehandelt habe. Es sei damals noch eine „grüne Wiese“ gewesen. Lediglich in diesem Zustand habe die Verkäuferin das Grundstück verkaufen und sie, die Kläger, es erwerben können. Nur auf dieses unerschlossene Grundstück hätten sich ihr Übereignungsanspruch und die Auflassung bezogen. Sie, die Kläger, hätten gegen die Verkäuferin keinen Anspruch auf Erschließung gehabt.
40Soweit der Beklagte der Ansicht sei, dass Vertragsgegenstand ein erschlossenes Grundstück gewesen sei, sei dies unzutreffend. Die Erschließung sei ausschließlich in dem gesonderten Vertrag zwischen der Verkäuferin und der Stadt X-Stadt geregelt worden. Auch aus § 9 des notariellen Kaufvertrages ergebe sich keine Verpflichtung der Verkäuferin gegenüber ihnen, den Klägern, zur Erschließung des Grundstücks. Die Stadt X-Stadt als Gläubigerin der Erschließungsleistung habe der Z. als beauftragter Erschließungsträgerin gestattet, die ansonsten von der Stadt X-Stadt zu erbringende Gegenleistung unmittelbar von den Grundstückskäufern zu erheben. Dementsprechend habe auch nur die Z. eine Erfüllungsbürgschaft für die Erschließung bei der Stadt X-Stadt hinterlegt. Nur die Stadt X-Stadt könne Ansprüche aus dem Erschließungsvertrag gegen die Verkäuferin durchsetzen, nicht jedoch sie, die Kläger. Die Stadt X-Stadt sei auch aufgrund der Aufstellung des Bebauungsplans für das Gebiet gesetzlich zur Erschließung verpflichtet gewesen. Allein dies ergebe sich auch aus § 9 des Kaufvertrages. Klarstellend werde dort zudem ausgeführt, dass weitere konkrete objektbezogene Ver- und Entsorgungsmaßnahmen alleine Sache der Käufer seien. Ferner ergebe sich aus dem ansonsten überflüssigen Vorbehalt in § 7 Abs. 2 des Kaufvertrages, dass das Erschließungsverhältnis ein vom Kaufvertrag losgelöstes Verhältnis gewesen sei.
41Dass die Erschließungskosten nicht Teil der Bemessungsgrundlage seien, ergebe sich ferner aus folgender Kontrollüberlegung: Hätte die Stadt X-Stadt das Grundstück verkauft und wäre zugleich Erschließungsträgerin gewesen, wäre nach feststehender Rechtsprechung allein das Grundstück ohne Erschließungskosten grunderwerbsteuerlich zu veranlagen gewesen. Dadurch, dass die zuständige Ortsgemeinde, hier die Stadt X-Stadt, ihrerseits den Weg der Übertragung der Erschließung auf einen privaten Dritten gewählt habe, könnten die Käufer nicht schlechter gestellt werden. Die Vereinfachung des Abrechnungsweges durch Vereinnahmung der Erschließungskosten durch die Z. statt durch die Stadt X-Stadt sei üblich und sinnvoll und führe nicht zu einer inhaltlichen Verknüpfung mit dem Übereignungsanspruch aus dem Kaufvertrag.
42Die von der Stadt X-Stadt für die Erschließung des hier betroffenen Baugebietes nach dem Erschließungsvertrag zu erbringende Gegenleistung betrage (wie sie, die Kläger, im Verlauf des Klageverfahrens erfahren hätten) 136,01 € pro Quadratmeter Grundstücksfläche. Für ihr 381 qm großes Grundstück hätten sich die Erschließungskosten damit auf 51.819,81 € belaufen. Um diesen Betrag sei die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer zu reduzieren. Die Bemessungsgrundlage für das gesamte Grundstück betrage somit gerundet 78.863 €.
43Die Kläger beantragen,
44die Grunderwerbsteuerbescheide vom 23.10.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 04.04.2019 dahingehend zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf jeweils 1.586 € festgesetzt wird,
45hilfsweise, die Revision zuzulassen.
46Der Beklagte beantragt,
47die Klage abzuweisen,
48hilfsweise, die Revision zuzulassen.
49Unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung ist der Beklagte der Ansicht, dass bei Abschluss des Kaufvertrages am 04.10.2018 zwar ein noch nicht erschlossenes Grundstück vorgelegen habe. Die Verkäuferin habe sich aber verpflichtet, die gesamten Erschließungsmaßnahmen durchzuführen. Dies ergebe sich aus § 9 des Vertrages. Vertragsgegenstand sei somit ein erschlossenes Grundstück gewesen. Damit seien die von den Klägern an die Z. gezahlten Erschließungskosten Bestandteil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung.
50Der Senat hat die Sache am 18.03.2021 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
52Der Beklagte hat die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer zutreffend mit 44.486 € für die jeweiligen Miteigentumsanteile der Kläger angesetzt. Insbesondere hat der Beklagte zu Recht auch den (kalkulatorisch) auf die Erschließungskosten entfallenden Kaufpreisanteil in die Bemessungsgrundlage einbezogen.
53Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Kaufvertrag, der – wie hier – den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerlichen Sinne kommen nur Leistungen in Betracht, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (z.B. BFH Urteil vom 11.02.2004 II R 31/02, BStBl II 2004, 521).
54Für den Umfang der Gegenleistung ist entscheidend, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde. Ob Erschließungskosten als Gegenleistung zu erfassen sind, ist danach zu beurteilen, ob das Grundstück unerschlossen oder erschlossen bzw. mit der Verpflichtung des Veräußerers, es erschlossen zu verschaffen, Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist. Ein Grundstück ist tatsächlich erschlossen, wenn bereits die Erschließungsanlagen i.S.d. BauGB, z.B. Straßen, Verkehrs- und Grünanlagen (vgl. § 127 Abs. 2 BauGB) vorhanden sind (vgl. BFH-Urteil vom 21.03.2007 II R 67/05, BStBl II 2007, 614, m.w.N).
55Ist ein Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags bereits tatsächlich erschlossen, kann Gegenstand eines solchen Vertrages nur das erschlossene Grundstück sein; der zur Abgeltung der Erschließung neben dem eigentlichen Grundstückskaufpreis gesondert ausgewiesene Betrag gehört in diesem Fall zur Gegenleistung (s. BFH Urteil vom 23.09.2009 II R 20/08, BStBl II 2010, 495). Ist das Grundstück hingegen im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages noch nicht erschlossen, verpflichtet sich jedoch der Veräußerer, das Grundstück dem Erwerber in erschlossenem Zustand zu verschaffen, so ist das Grundstück in diesem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Der auf die Erschließung entfallende Teil des Kaufpreises ist dann Entgelt für den Grundstückserwerb (BFH-Urteile vom 09.05.1979 II R 56/74, BStBl II 1979, 577; vom 15.03.2001 II R 39/99, BStBl II 2002, 93; vom 15.03.2001 II R 51/00, BFH/NV 2001, 1297 und vom 21.03.2007 II R 67/05, BStBl II 2007, 614; vgl. auch Hessisches FG Urteil vom 24.08.2020 5 K 1373/19, EFG 2021, 52, Revision anhängig unter II R 32/20). Ob das erschlossene Grundstück Gegenstand der Übereignungsverpflichtung ist, ist im Wege der Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln (BFH-Urteil vom 21.03.2007 II R 67/05, BStBl II 2007, 614; Loose in Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. 2019, § 9 Rn. 297).
56Im Streitfall ergibt die Auslegung des Kaufvertrages vom 04.10.2018, dass sich die Verkäuferin verpflichtet hat, den Klägern das Grundstück im erschlossenen Zustand zu verschaffen. Zwar war das Grundstück im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht erschlossen. Dennoch richtete sich der kaufvertragliche Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auf die Übereignung eines erschlossenen Grundstücks. Dies ergibt sich insbesondere aus § 3 und § 9 der notariellen Urkunde vom 04.10.2018. In § 3 Ziffer 1. des Vertrages haben die Parteien einen einheitlichen und festen Kaufpreis für den Kaufgegenstand i.H.v. 343 € pro Quadratmeter vereinbart, wobei ausdrücklich festgehalten wurde, dass in diesem Kaufpreis die Ersterschließung enthalten ist. In § 9 der notariellen Urkunde wird ausgeführt, dass die Verkäuferin mit der Stadt X-Stadt einen städtebaulichen Vertrag über die Erschließung des Baugebietes geschlossen hat, in welchem sich die Z. gegenüber der Stadt X-Stadt verpflichtet hat, die Ersterschließung durchzuführen. Vor diesem Hintergrund haben die Kläger mit der Verkäuferin vereinbart, dass die Erschließungskosten von der Z. getragen werden und im Kaufpreis von 343 € pro Quadratmeter enthalten sind. Eine gesonderte Abrechnung der Erschließungskosten sollte nicht erfolgen. Aus § 3 und § 9 des Vertrags ergibt sich somit, dass die Vertragsparteien weder eine reine Abgeltungsvereinbarung hinsichtlich der Erschließungskosten noch eine bloße Vereinbarung zur Übernahme der Erschließungsbeiträge im Sinne einer Ablösevereinbarung getroffen haben, denn die der Z. tatsächlich entstandenen oder entstehenden Erschließungskosten sollten auf den vereinbarten Kaufpreis von 343 € pro Quadratmeter inklusive Erschließung keinen Einfluss haben. Der Auslegung des Kaufvertrages dahingehend, dass Gegenstand ein erschlossenes Grundstück war, steht auch nicht entgegen, dass feststand, dass der wirtschaftliche Übergang gemäß § 7 des Vertrags und der Eigentumsübergang zeitlich vor Fertigstellung der bereits begonnenen Erschließungsmaßnahmen erfolgen würden. Zum einen hat der Notar die Käufer in § 3 des Vertrags ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Käufer in Höhe der Erschließungskosten eine Vorleistung erbringen, da die Erschließung von der Z. entsprechend § 9 des Vertrags noch zu leisten war. Zum anderen haben die Kläger und die Z. als Fälligkeitsvoraussetzung für den Kaufpreis vereinbart, dass die Stadt X-Stadt bestätigt, dass ihr eine Erfüllungsbürgschaft für die durch die Z. zu erbringenden Erschließungsleistungen vorliegt. Damit waren die Kläger jedenfalls mittelbar dahingehend abgesichert, dass die Erschließung ohne eigene Kostenbeteiligung auch dann erfolgen würde, wenn die Z. ihrer Verpflichtung aus dem Erschließungsvertrag mit der Stadt X-Stadt nicht nachgekommen wäre. Für eine vereinbarte Pflicht der Verschaffung eines erschlossenen Grundstücks spricht ferner, dass die Parteien kein gesondertes Rücktrittsrecht für den Fall der Nichterschließung vereinbart haben. Im Falle der Nichterschließung wäre vielmehr die kaufvertragliche Hauptleistungspflicht der Verschaffung eines Grundstücks im erschlossenen Zustand nicht erfüllt worden, sodass es eines gesonderten Rücktrittsrechts nicht bedurfte.
57Dass die Z. sich im Kaufvertrag vom 04.10.2018 verpflichtet hat, den Klägern ein Grundstück im erschlossenen Zustand zu verschaffen, deckt sich überdies mit den Vereinbarungen im Erschließungsvertrag vom 11.01.2018. Im Erschließungsvertrag hat sich die Z. gegenüber der Stadt X-Stadt zur Erschließung des Baugebiets verpflichtet. Als Sicherheit für die von ihr übernommenen Verpflichtungen hat die Z. der Stadt X-Stadt eine Bankbürgschaft übergeben. Vor diesem Hintergrund konnte sich die Z. gegenüber den Grundstückskäufern des Baugebiets – kaufvertraglich – verpflichten, die Grundstücke im erschlossenen Zustand zu verschaffen, da sie ohnehin zur Erschließung des Baugebiets verpflichtet war. Ferner konnte die Z. aufgrund des Erschließungsvertrages die ihr durch die Erschließung entstandenen Kosten als Kalkulationsposten in die Berechnung des vereinbarten Kaufpreises einbeziehen, da sich die Stadt X-Stadt im Erschließungsvertrag verpflichtet hatte, gegenüber den Grundstückserwerbern keine Erschließungsbeiträge festzusetzen.
58Im Streitfall liegt auch nicht die vom Beklagten als Ausnahme bezeichnete Konstellation vor, in der die Erschließungskosten nicht Teil der Bemessungsgrundlage sind, weil die Erschließung des Grundstücks Gegenstand einer eigenständigen vertraglichen Verpflichtung ist, die selbständig neben der Kaufpreisvereinbarung besteht (vgl. BFH-Urteil vom 21.03.2007 II R 67/05, BStBl II 2007, 614). Die Kläger und die Z. haben keine eigenständige vertragliche Verpflichtung über die Erschließung geschlossen, welche neben dem Kaufvertrag bestand. Insbesondere existierte neben der Kaufpreisvereinbarung i.H.v. 343 € pro Quadratmeter keine verselbständigte Entgeltvereinbarung über die Erschließung. Die im Kaufpreis von 343 € pro Quadratmeter enthaltenen Erschließungskosten wurden in dem Vertrag weder gesondert ausgewiesen noch bestand eine gesonderte Fälligkeitsvereinbarung oder Abrechnungsverpflichtung. Auf den bereits am 11.01.2018 abgeschlossenen Erschließungsvertrag zwischen der Stadt X-Stadt und der Verkäuferin kann insoweit nicht abgestellt werden, denn an diesem waren die Kläger nicht beteiligt. Aus diesem ergibt sich, was zwischen den Prozessbeteiligten zu Recht unstreitig ist, kein eigener Anspruch der Kläger gegen die Z. auf Erschließung ihres Grundstücks.
59Der Beklagte hat ferner zu Recht, was zwischen den Beteiligten inzwischen auch unstreitig ist, die Kosten für den Hausanschlussschacht für Schmutz- und Regenwasser (Mischsystem) i.H.v. 2.775 € in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen. Ergibt sich aus dem Grundstückskaufvertrag, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrages unbebaute Grundstück in (teilweise) bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 08.03.2017 II R 38/14, BStBl II 2017, 1005; vom 03.03.2015 II R 9/14, BStBl II 2015, 660). Im Streitfall hat sich die Z. verpflichtet, den Kläger das Grundstück mit dem – von ihr herzustellenden – Hausanschlussschacht zu verschaffen.
60Mit den Teilabhilfebescheiden vom 06.11.2018 hat der Beklagte zudem den Gesamtkaufpreis einschließlich der Kosten für den Hausanschlussschacht i.H.v. insgesamt 133.458 € zutreffend auf die von den Klägern erworbenen Miteigentumsanteile in Höhe von jeweils 3095/10000 aufgeteilt und der Besteuerung jeweils 41.305 € zugrunde gelegt.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
62Die Revision wird – auch mit Blick auf das unter dem Aktenzeichen II R 32/20 anhängige Revisionsverfahren – nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zugelassen.
63xxx xxx xxx