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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
2Streitig ist, ob die Leistungen der Klägerin anteilig dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.
3Die Klägerin gehört zu der Firmengruppe A, welche in Deutschland, B-Staat und C-Staat mehr als x Fotostudios mit über x Beschäftigten betreibt. Die Klägerin selbst betreibt mehrere Fotostudios in Deutschland. Die Firmengruppe präsentiert sich und die Leistungen ihrer Fotostudios im Internet unter der Adresse „https://www.A.de/“.
4Zu den Kunden der Klägerin gehören sowohl Privatleute, vornehmlich aus der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen, als auch kleinere bis größere Unternehmen. Die Klägerin erstellt für ihre Kunden Fotografien, welche diesen im Regelfall in ausgedruckter Form ausgehändigt werden. Die ihren Leistungen zugrundeliegenden allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sehen vor, dass bei vollständiger Bezahlung des vereinbarten Preises den Kunden auch die Nutzungsrechte an den überlassenden Fotografien übertragen werden. Die Übertragung der Nutzungsrechte wird dem Kunden grundsätzlich weder gesondert noch zusätzlich in Rechnung gestellt. Vereinzelt wird die Übertragung der Nutzungsrechte auch ausführlich einzelvertraglich vereinbart, insbesondere mit gewerblichen Großkunden.
5Die Klägerin wandte auf ihre Leistungen sowohl den ermäßigten als auch den Regelsteuersatz an. Sie unterschied dabei wie folgt: Auf ihre Umsätze aus Businessfotografien, z.B. Fotos für Firmenhomepages, Imagebroschüren oder Produktfotografien für Webshops, und Umsätze aus der Erstellung von Bewerbungsfotos, soweit nach den Gesamtumständen eine kommerzielle Verwendungsabsicht, z.B. in Gestalt von Onlinebewerbungen, Veröffentlichungen in beruflichen Netzwerken wie XING, Linkedin u.a., des Kunden nahelag, wendete sie den ermäßigten Steuersatz an. Ihre übrigen Umsätze im Zusammenhang mit Passbildern und Hochzeitsfotografien sowie aus Leistungen, die ohne Nachweis einer weiteren Verwendungsabsicht eher dem privaten Bereich zuzuordnen waren, z.B. Paar-, Baby-, Familien- oder Aktfotografien, unterwarf die Klägerin dem Regelsteuersatz.
6Die Klägerin führte in 2018 eine Kundenbefragung durch. Hierfür bat die Klägerin die Kunden, einen von ihr erstellten Fragebogen auszufüllen. Mit diesem konnten die Kunden bestätigen, dass sie „die umfassenden Nutzungsrechte an den durch AB erstellten Bildern benötige[n], da …[sie] die Bilder für einen oder mehrere der nachfolgend aufgeführten Zwecken nutzen werde[n]“. Als Zwecke waren die Veröffentlichung im Internet, der Upload im Rahmen von Online-Bewerbungen, Anlegen eines Bewerberprofils in einer Online-Jobbörse oder sonstige gewerbliche/kommerzielle Nutzung aufgeführt (vgl. Bl. 75 der Gerichtsakte).
7Die Klägerin stellte beim Beklagten am 09.11.2018 einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft, ob die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Grundlage der von den Kunden ausgefüllten Frage- bzw. Bestätigungsbögen aus Sicht des Beklagten rechtmäßig sei. Auf den Inhalt des Antrags (Bl. 45 ff. der Gerichtsakte) sowie seiner Ergänzung (Bl. 77 ff. der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Dieser Antrag wurde vom Beklagten dergestalt beschieden, dass der Beklagte von der Anwendbarkeit des Regelsteuersatzes auf alle von der Klägerin geschilderten Sachverhaltsgruppen ausging. Auf die verbindliche Auskunft vom 24.08.2019 wird ebenfalls Bezug genommen (Bl. 84 ff. der Gerichtsakte).
8Daraufhin führte die Klägerin im Juli 2019 eine Befragung der Kunden, ob diese die Nutzungsrechte für gewerbliche oder kommerzielle Zwecke zu verwenden beabsichtigen, mittels eines leicht geänderten Fragebogens durch (vgl. exemplarisch Bl. 32 ff. der Gerichtsakte).
9Mit ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2019 vom 10.09.2019 erklärte die Klägerin zunächst eine festzusetzende Umsatzsteuer i.H.v. yy € (Bl. 42 der Gerichtsakte). Sie beantragte jedoch am 15.11.2019 eine Minderung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Juli 2019 (Bl. 38 der Gerichtsakte). Nach Auswertung der erhobenen und dokumentierten Kundenangaben für Juli 2019 seien in der bisherigen Umsatzsteuer-Voranmeldung Bruttoumsätze von zzz € zu Unrecht dem Regelsteuersatz unterworfen worden. Insoweit sei vielmehr der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Den Kunden ist für diese Umsätze eine Umsatzsteuer i.H.v. 7 % in Rechnung gestellt worden (Bl. 103 f. der Gerichtsakte). Der Beklagte lehnte den Änderungsantrag am 13.01.2020 ab (Bl. 36 der Gerichtsakte).
10Daraufhin hat die Klägerin am 31.01.2020 Sprungklage erhoben, die dem Beklagten am 04.02.2020 zugestellt worden ist und welcher dieser am 10.02.2020 zugestimmt hat (Bl. 109 der Gerichtsakte).
11Die Klägerin trägt unter Bezugnahme auf ihren Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor, dass es sich bei den von ihr erstellten Fotografien um urheberrechtlich geschützte Werke handele, deren Verwertung grundsätzlich allein ihr als Urheberin zustünde. Dieses Recht könne sie jedoch einem anderen Rechtsträger einräumen. Bei der Einräumung des Verwertungsrechts an erstellten Fotografien handele es sich bei isolierter Betrachtung um eine Leistung, die dem ermäßigten Steuersatz unterliege. Die Finanzbehörden würden in Abschn. 12.7 Abs. 18 Satz 4 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) zu Unrecht pauschal davon ausgehen, dass die Einräumung des Nutzungsrechts stets eine unselbständige Nebenleistung zur Erstellung und Aushändigung ausgedruckter Fotografien darstelle. Die Frage, ob und inwieweit die Einräumung von Nutzungsrechten an Fotografien dem ermäßigten Steuersatz oder dem Regelsteuersatz unterliege, sei bereits Gegenstand mehrerer finanzgerichtlicher Verfahren gewesen (FG Nürnberg, Urteil vom 21.09.2010 – 2 K 921/2008; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.02.2017 – 5 K 5052/15; FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.07.2017 – 4 K 64/16), welche auch in der steuerlichen Fachliteratur kommentiert worden seien. Danach sei für die umsatzsteuerliche Behandlung ihrer Umsätze maßgeblich, ob und inwieweit es sich bei ihren Leistungen um Leistungsbündel, also aus mehreren einzelnen Leistungselementen bestehende einheitliche Leistungen handele, und wie diese umsatzsteuerrechtlich zu behandeln seien. Die Grundsätze zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Leistungsbündeln würden sich aus der einschlägigen EuGH- und BFH-Rechtsprechung ergeben. Aus diesen Grundsätzen folge, dass die Klägerin gegenüber ihren Kunden jeweils nur eine einheitliche Leistung erbringe. So würden z.B. die Erstellung eines Fotos, das Aushändigen einer oder mehrerer gedruckter Ausfertigungen und die Übertragung des Nutzungsrechts als Leistungsbündel umsatzsteuerlich eine einheitliche Leistung darstellen. Für die Frage, ob der Regelsteuersatz oder der ermäßigte Steuersatz auf eine solche einheitliche Leistung anzuwenden sei, sei entscheidend, welches Element die einheitliche Leistung präge. Handele es sich dabei um die jeweilige Übertragung des Nutzungsrechts, sei die einheitliche Leistung insgesamt ermäßigt zu besteuern. Soweit das Aushändigen und damit die umsatzsteuerliche Lieferung der Fotografie den Schwerpunkt bilden würden, fände der Regelsteuersatz Anwendung. Entscheidendes Abgrenzungskriterium sei dabei, worauf es dem Kunden bei objektivierter Betrachtung im Wesentlichen ankomme und er das Entgelt erbringe. Für ihre Leistungen folge daraus, dass ihre Umsätze aus Leistungen an Kunden, welche die Leistungen für eigene gewerbliche oder kommerzielle Zwecke zu verwenden beabsichtigen würden, ermäßigt zu besteuern seien. Denn in diesen Fällen sei aus Sicht der Leistungsempfänger, also der Kunden, die Übertragung der Nutzungsrechte bzw. Verwertungsrechte von essenzieller und wesentlicher Bedeutung. Dementsprechend sei auch die Finanzverwaltung der Ansicht, dass bei Bildjournalisten oder Fotografen auf Sportveranstaltungen die Übertragung der Rechte an den erstellten Bildern im Vordergrund stünde und die Leistungen der ermäßigten Besteuerung unterlägen. Ihre Leistungen seien entgegen der Ansicht des Beklagten im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Würdigung aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers mit den typischen Leistungen eines Bildjournalisten vergleichbar. Der Bedeutung der übertragenden Nutzungsrechte für die Kunden mit gewerblichen bzw. kommerziellen Verwendungsabsichten stehe nicht entgegen, dass diese nicht gesondert mit einem zusätzlichen Preisaufschlag in Rechnung gestellt würden. Dieser Umstand sei allein ihrem zeitgemäßen und kundenorientierten Konzept geschuldet, mit dem es ihr gelungen sei, sich von anderen Fotografen, die sich die Übertragung der Nutzungsrechte vorbehalten würden oder zusätzlich vergüten ließen, abzuheben. Soweit die Kunden die Leistungen jedoch aus überwiegend privaten Verwendungsinteressen in Anspruch nähmen, sei die Übertragung der Nutzungsrechte an den Fotografien immer noch ein wichtiger, gleichwohl aus Sicht der Kunden nicht der prägende Bestandteil der Leistung. Folglich unterlägen die entsprechenden Umsätze dem Regelsteuersatz. Um die danach maßgebliche Verwendungsabsicht zu dokumentieren und nachzuweisen, seien den Kunden im Monat Juli 2019 jeweils ein Dokumentationsbogen vorgelegt worden, welche von den Kunden wiederum ausgefüllt und unterschrieben worden seien. Bei Kunden, die zwar aus kommerziellen Gründen die Leistungen der Klägerin in Anspruch genommen hätten, selber aber nicht Unternehmer i.S.d. des Umsatzsteuergesetzes gewesen seien, sei eine weitergehende Datenerhebung, z.B. Name und Adresse des Kunden, datenschutzrechtlich nicht möglich gewesen. Wie bei der Abgrenzung von Speisen, die zum Verzehr außer Haus oder zum Verzehr im Restaurant veräußert würden, sei die bloße Dokumentation der Angaben der Kunden auch als ausreichend anzusehen.
12Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß (Bl. 29 der Gerichtsakte),
13den Beklagten zu verpflichten, die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juli 2019 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um x € gemindert wird.
14Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
15die Klage abzuweisen.
16Er trägt vor, dass er mit der Klägerin übereinstimme, dass diese gegenüber den Kunden jeweils im umsatzsteuerlichen Sinne eine einheitliche Leistung erbringe. Entgegen der Ansicht der Klägerin würden aber auch im Fall einer gewerblichen oder kommerziellen Verwendungsabsicht der Kunden die entsprechenden Leistungen bzw. Umsätze dem Regelsteuersatz unterliegen. Aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers liege der wesentliche Grund der Inanspruchnahme der klägerischen Leistung in der Erstellung der Fotos und nicht in der Übertragung der Nutzungsrechte. Letzteres stelle jeweils maximal einen gleichwertigen Leistungsbestandteil dar. Die Tätigkeit der Klägerin sei auch nicht mit der Tätigkeit eines Bildjournalisten vergleichbar. Denn dieser produziere typischerweise zunächst ein Bild und biete es erst danach zur weiteren Verwertung an. Hier liege tatsächlich der Schwerpunkt auf der Rechteverwertung. Demgegenüber werde die Klägerin nur nach Auftragserteilung durch den jeweiligen Kunden tätig. Der Inhalt ihrer Leistung umfasse sowohl die Erstellung von professionellen Lichtbildern, die Herrichtung der Umgebung für die Fotoaufnahmen, das Gestalten und Positionieren der Objekte oder Personen, die Beleuchtung, die Verwendung von bestimmten Kameras und die Bearbeitung der Lichtbilder samt Bildoptimierungen. Die AGB der Klägerin sähen bereits seit 2013 vor, dass jeder Kunde auch ohne schriftliche Vereinbarung und ohne Aufpreis bei vollständiger Bezahlung des vereinbarten Preises vollumfänglich die Nutzungsrechte an den von der Klägerin erstellten und ihm überlassenen Lichtbildern erhalte. Dabei handele es sich um eine unselbständige Nebenleistung zur vorgenannten Hauptleistung der Klägerin, nämlich der mit der Erstellung der Fotos verbundenen Handlungen. Den Kunden komme es vor allem auf die Qualität der Fotos und nur sekundär auf die Nutzungsmöglichkeiten an.
17Die Klägerin und der Beklagte haben jeweils auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 124 f. der Gerichtsakte).
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO).
20I. Die Klage hat keinen Erfolg.
21Die Sprungklage ist zulässig. Es bedurfte keines Vorverfahrens, denn der Beklagte hat der Klage innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung zugestimmt, §§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 1 FGO.
22Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Antragsablehnung vom 13.01.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte Änderung. Der ermäßigte Steuersatz ist nicht auf die Umsätze, für die eine vom jeweiligen Kunden ausgefüllte und unterschriebene Bestätigung seiner gewerblichen oder kommerziellen Verwendungsabsicht vorliegt, anzuwenden.
231. Der Steuersatz beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 % der Bemessungsgrundlage (§ 12 Abs. 1 UStG). Die Steuer ermäßigt sich abweichend davon auf 7 % der Bemessungsgrundlage für Umsätze durch die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) ergeben (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG). Begünstigt ist danach die Einräumung (durch vertragliche Bestellung) und Übertragung von Verwertungsrechten, die aus dem Urheberrecht abgeleitet werden, durch den Urheber oder den Nutzungsberechtigten an Dritte (z.B. an Verleger oder Verwertungsgesellschaften). Das Urheberrecht als solches ist grundsätzlich nicht übertragbar (§ 29 Satz 2 UrhG). Die ebenfalls steuerermäßigte Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben (regelmäßig durch Verwertungsgesellschaften), ist u.a. auf Einräumung von Nutzungs- oder Einwilligungsrechten und die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen gerichtet. Durch die Einräumung von Nutzungsrechten (§ 31 Abs. 1 UrhG) wird der Empfänger berechtigt, das Werk neben dem Urheber oder anderen Nutzungsberechtigten (einfaches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 UrhG) oder unter Ausschluss aller anderen Personen (ausschließliches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 3 UrhG) auf die ihm vertraglich eingeräumte Art zu nutzen (vgl. BFH, Urteil vom 25.11.2004 – V R 25/04, V R 26/04, BStBl II 2005, 419).
24Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG setzt voraus, dass der Rechteinhaber dem Leistungsempfänger nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Umsatzes das Recht zur Verwertung des Werks gemäß den Bestimmungen des UrhG (insbesondere durch Vervielfältigung und Verbreitung) einräumt und nicht nur die bestimmungsgemäße Benutzung gestattet. Die Einräumung oder Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte muss Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung sein (BFH, Urteil vom 25.11.2004 – V R 4/04, BStBl II 2005, 415, m.w.N.). Ob das der Fall ist, bestimmt sich im Wesentlichen nach dem Inhalt der Vereinbarungen und im Zusammenhang damit, wofür die Gegenleistung erbracht wird (vgl. BFH, Urteil vom 14.02.1974 – V R 129/70, BStBl II 1974, 261, 262; vom 7.10.1987 – X R 21/80, BFH/NV 1989, 608). Deshalb reicht es nicht aus, wenn im Rahmen eines Umsatzes auch Rechte nach dem Urheberrecht übertragen werden, wenn dies nicht der Schwerpunkt des umsatzsteuerbaren Vorgangs ist (BFH, Urteile vom 3.12.2015 – V R 61/14, BStBl II 2020, 797, mit Hinweis auf BFH, Urteil vom 21.10.2009 – V R 8/08, BFH/NV 2010, 476; Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.02.2017 – 5 K 5052/15, EFG 2017, 958; Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 18.07.2017 – 4 K 64/16, EFG 2018, 155).
25Nach ständiger Rechtsprechung des BFH im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (z.B. BFH-Urteile vom 30.06.2011 – V R 44/10, BStBl II 2011, 1003; vom 21.10.2009 – V R 8/08, BFH/NV 2010, 476; vom 15.01.2009 – V R 9/06, BFH/NV 2009, 863, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung) gelten für die Frage, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, folgende Grundsätze: Jeder Umsatz ist in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Eine einheitliche Leistung liegt danach insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
262. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze erbrachte die Klägerin in den Fällen der streitgegenständlichen Umsätze gegenüber ihren Kunden jeweils eine einheitliche Leistung, deren Schwerpunkt nicht in der (ermäßigt zu besteuernden) Übertragung der Nutzungsrechte an den erstellten Fotos liegt.
27a) Die Fotografien und die insoweit der Klägerin zustehenden Nutzungsrechte, welche sie jeweils bei Bezahlung des Preises auf der Grundlage der AGB an ihre Kunden übertragen hat, fallen unter das Urheberrechtsgesetz (§§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 72 UrhG sowie § 15 ff. UrhG). Dieses ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
28b) Die Klägerin erbringt gegenüber ihren Kunden jeweils eine einheitliche Leistung. Die Tätigkeit der Klägerin umfasst insbesondere, je nach Auftrag des Kunden im Einzelnen variierend, die Verwendung der in den betriebenen Fotostudios vorhandenen besonderen Einrichtungen (z.B. Foto-Hintergründe und Beleuchtungsanlagen), den Einsatz speziell ausgebildeten Personals (Fotografen), die Nutzung von Bildbearbeitungssoftware sowie den Ausdruck der (ausgewählten) Fotos und/oder Überlassung einer oder mehrerer entsprechender Bilddateien. Alle diese einzelnen Elemente greifen ineinander und betreffen aus Sicht eines Durchschnittskunden den einheitlichen Prozess zur Erstellung und zur Verfügungstellung der beauftragten Fotografie(n). Die einzelnen Elemente bilden nach außen hin eine zusammenhängende Leistung, die bei der Klägerin grundsätzlich einheitlich nachgefragt wird. Eine Aufspaltung dieses Prozesses in seine einzelnen Bestandteile wäre wirklichkeitsfremd. Die Klägerin vereinbart mit ihren Kunden auch nur ein einheitliches Entgelt für die Gesamtheit der Einzelleistungen. Auf ihrer Homepage bietet sie ihre Leistungen auch als Paket an. Die Einheitlichkeit der jeweiligen Leistungserbringung der Klägerin ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
29c) Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin liegt nach Auffassung des Senates in der Erstellung der jeweils beauftragten Fotografie(n), und zwar unabhängig von einer privaten oder kommerziellen Verwendungsabsicht des jeweiligen Kunden.
30Die Klägerin betreibt Fotostudios, die speziell auf die Erstellung von Fotos ausgerichtet sind, und die ausweislich der Vielzahl an auf der Homepage der Firmengruppe, der die Klägerin mit ihren Fotostudios angehört, angebotenen Arten an Fotoshootings eine große Bandbreite möglicher Kundenwünsche abdecken. Die Klägerin beschäftigt zu diesem Zweck festangestellte Fotografen. Die Preise für die Kunden orientieren sich insbesondere an der Art des ausgewählten Fotoshootings und des damit verbundenen (zeitlichen) Aufwandes sowie der Anzahl der dem Kunden ausgehändigten Fotos. Den Kunden wird das jeweils einzelne fertige und ggf. unter mehreren Fotos ausgewählte Werk entweder als Ausdruck, ggf. wiederum unter Berücksichtigung besonderer Ausgestaltungswünsche, und/oder als Datei ausgehändigt.
31Der Übertragung der Nutzungsrechte kommt im Vergleich zur Erstellung und Aushändigung der Fotos aus Sicht des Senates demgegenüber eine untergeordnete Bedeutung zu. Die Nutzungsrechte an den erstellten und dem Kunden ausgedruckt oder digital ausgehändigten Fotos gehen wegen der entsprechenden Regelung in den AGB der Klägerin gleichsam automatisch und mit Wirkung ab Bezahlung des für das Fotoshooting bzw. des für zusätzlich ausgehändigte Fotos oder Foto-Dateien geforderten Preises über. Für die Übertragung der Nutzungsrechte fordert die Klägerin kein gesondertes Entgelt. Wenn das Fehlen einer gesonderten Entgeltsvereinbarung ein Indiz für die Unselbständigkeit einer Leistung sein kann (BFH, Urteil vom 19.11.1998 – V R 19/98, BFH/NV 1999, 836), dann spricht dieser Umstand auch dagegen, dass es sich bei der entsprechenden (unselbständigen) Leistung um ein überwiegend prägendes Element einer einheitlichen Leistung handelt. Gleiches gilt für den Umstand, dass sich das für die Leistung der Klägerin geforderte Entgelt nicht vermindert, wenn der Kunde auf die Übertragung der Nutzungsrechte verzichten würde (BFH, Urteil vom 17.04.2008 – V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712).
32Das im Hinblick auf die streitgegenständlichen Umsätze dokumentierte Kundeninteresse an der Übertragung der Nutzungsrechte steht der vorangegangenen Würdigung nicht entgegen. Denn dieses Interesse lässt die Leistungserbringung durch die Klägerin selbst unberührt. Weder in der Art und Weise der Leistungserbringung, bei dem Preis noch hinsichtlich der weiteren vertraglichen Vereinbarungen schlägt sich das dokumentierte Interesse nieder. Die Klägerin hat vielmehr erst selbst mittels der Befragung erfahren, ob der jeweilige Kunde die Nutzungsrechte benötigt oder nicht. Insoweit unterscheidet sich die Dokumentation der Klägerin auch von der im Restaurationsbereich üblichen Dokumentation. Denn dabei wird die unterschiedliche Art der Leistungserbringung dokumentiert, nicht das bloße Kundeninteresse. Es wird dokumentiert, ob die Leistung vor Ort unter zusätzlicher Erbringung von Restaurationsleistungen erbracht wird oder ob die Speisen außer Haus verzehrt werden.
33Soweit die Klägerin zur Begründung darauf hinweist, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung insbesondere die Leistungen von Bildjournalisten (Bildberichterstatter) dem ermäßigten Steuersatz unterliegen (Abschn. 12.7 Abs. 18 Satz 3 UStAE), sieht der Senat aufgrund der vorgenannten Umstände insoweit bereits zwischen der Tätigkeit der Klägerin, dem Betrieb von Fotostudios, und der typischen Tätigkeit eines Bildjournalisten keine ausreichende Vergleichbarkeit, die allein wegen der Übertragung von Nutzungsrechten an Fotos, die kommerziellen Zwecken des Kunden dienen, eine ermäßigte Besteuerung der gesamten damit verbundenen Leistung der Klägerin rechtfertigen würde. Unabhängig davon ist der Senat zudem an der im Umsatzsteuer-Anwendungserlass niedergelegten Rechtsauffassung der Finanzverwaltung nicht gebunden.
34Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin ihr Begehren einer ermäßigten Besteuerung der streitgegenständlichen Umsätze insbesondere auf die Dokumentation der Verwendungsabsicht der Kunden hinsichtlich der übertragenen Nutzungsrechte stützt. Ob und inwieweit in Einzelfällen auf Grund weiterer bzw. abweichender Umstände der Leistungserbringung der Schwerpunkt auf der Übertragung der Nutzungsrechte liegt, war nicht Gegenstand des klägerischen Vorbringens. Weder aus den vorliegenden Akten noch aus den Beteiligtenvorträgen ergeben sich Hinweise auf entsprechende Umstände.
35II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.