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Der Schenkungsteuerbescheid auf den 21.03.2013 vom 13.11.2019, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2020, wird dahingehend geändert, dass die Steuer auf 358.367 Euro festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 70 Prozent und der Beklagte zu 30 Prozent.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antrag auf die sog. Optionsverschonung nach § 13a Abs. 8 Erbschaftsteuergesetz in der am 21.03.2013 geltenden Fassung (ErbStG) noch wirksam gestellt werden konnte.
2Mit notariellem Vertrag vom 21.03.2013 (UR-Nr. 1 des Notars K. P. in B-Stadt) übertrug der Vater des Klägers, Herr X. Q., dem Kläger schenkweise mit Wirkung zum 31.12.2012 in seinem Eigentum stehende GmbH-Geschäftsanteile und Beteiligungen an Kommanditgesellschaften. Nach § 2 der Schlussbestimmungen des Vertrags sollte der Übertragungsgeber „eine etwa anfallende Erwerbssteuer“ tragen. Im Einzelnen wurde übertragen:
3ein Kommanditanteil an der V-GmbH & Co. KG und ein zum Sonderbetriebsvermögen dieser Kommanditgesellschaft gehörender Geschäftsanteil an der V-GmbH,
ein Kommanditanteil an der Q-GmbH & Co. KG und ein zum Sonderbetriebsvermögen dieser Kommanditgesellschaft gehörender Geschäftsanteil an der Q-GmbH sowie
ein Kommanditanteil an der R-GmbH & Co. KG und zum Sonderbetriebsvermögen dieser Kommanditgesellschaft gehörende Geschäftsanteile an der R-GmbH und an der S-GmbH.
In der daraufhin beim Vater des Klägers angeforderten, von ihm erstellten und beim Beklagten am 08.10.2013 eingegangenen Schenkungsteuererklärung wurden der Wert des Erwerbs mit insgesamt 14.932.000 Euro sowie Vorerwerbe in Höhe von insgesamt 110.287 Euro erklärt. Unter „Sonstige Angaben“ erklärte der Vater des Klägers, dass der Erwerber die Schenkungsteuer trage. Die amtliche Anlage „Steuerentlastung für Unternehmensvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG)“ wurde nicht ausgefüllt, sondern mit dem Hinweis „s. Anlagen“ durchgestrichen. Bei der in den Anlagen vorgenommenen Ermittlung des schenkungsteuerpflichtigen Betrags wurde zusätzlich zum persönlichen Freibetrag ein Verschonungsabschlag in Höhe von 85 Prozent des Wertes des Erwerbs in Abzug gebracht.
8Am 10.10.2013 forderte der Beklagte beim ZAB (Zentralbearbeiter gesonderte Feststellung des Werts von Anteilen an Kapitalgesellschaften, Betriebsvermögen sowie sonstigen Vermögensgegenständen und Schulden) für die drei Kommanditgesellschaften jeweils die gesonderten Feststellungen des Werts des Anteile am Betriebsvermögen (§ 97 Abs. 1a Bewertungsgesetz (BewG), § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG), der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2a ErbStG), der Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des jungen Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2a ErbStG) sowie der Zahl der Beschäftigten und der Ausgangslohnsumme (§ 13a Abs. 1a ErbStG) an.
9Mit Bescheid vom 23.10.2013 wurde Schenkungsteuer zunächst gegenüber dem Vater des Klägers festgesetzt. Im dagegen geführten Klageverfahren vor dem Finanzgericht Münster (Az. 3 K 1310/15 Erb) konnte der Vater des Klägers erfolgreich nachweisen, dass die Beteiligten im Vorfeld des notariellen Vertrags – ungeachtet der vertraglichen Regelung zur „etwa anfallenden Erwerbssteuer“ – übereingekommen waren, dass der Kläger als Beschenkter auch die Schenkungsteuer tragen sollte. Der Schenkungsteuerbescheid wurde mit Bescheid vom 20.04.2016 aufgehoben.
10Mit Schenkungsteuerbescheid vom 20.04.2016 wurde sodann gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer auf den 21.03.2013 in Höhe von 358.367 Euro festgesetzt. Dabei wurde der Wert des Erwerbs ebenso wie die Steuerbefreiung nach §§ 13a, 13b ErbStG in Höhe von 85 Prozent dieses Werts erklärungsgemäß berücksichtigt. Auf die sich anhand des abgerundeten steuerpflichtigen Erwerbs in Höhe von 1.950.000 Euro ergebende Schenkungsteuer wurde die Steuer für die Vorschenkungen in Höhe von 12.133 Euro angerechnet. Der Bescheid war nach § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) vorläufig. In den Erläuterungen wurde darauf hingewiesen, dass die Vorläufigkeit im Hinblick auf die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50) angeordnete Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung in vollem Umfang angeordnet worden sei. Einen Vorbehalt der Nachprüfung enthielt der Bescheid nicht.
11Unter dem 21.12.2018 wurden erstmals Mitteilungen an den Beklagten über die angeforderten Feststellungen bei den drei Kommanditgesellschaften erlassen und entsprechende Bescheide an die Feststellungsbeteiligten bekanntgegeben. Bezüglich der V-GmbH & Co. KG ergingen am 10.10.2019 eine geänderte Mitteilung und ein geänderter Feststellungsbescheid. Darin wurde der Wert des Anteils am Betriebsvermögen mit 17.170.694 Euro sowie die Summen der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens mit 17.461 Euro und des jungen Verwaltungsvermögens mit 0 Euro mitgeteilt. Für die Q-GmbH & Co. KG und die die R-GmbH & Co. KG wurde der jeweilige Wert des Anteils am Betriebsvermögen mit 2.016.245 Euro bzw. 932.550 Euro mitgeteilt; die Summen der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens und des jungen Verwaltungsvermögens betrugen jeweils 0 Euro.
12Daraufhin erließ der Beklagte am 13.11.2019 einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Schenkungsteuerbescheid, in dem er die Schenkungssteuer unter Berücksichtigung eines Wert des Erwerbs von 20.119.489 Euro sowie weiterhin der Steuerbefreiung nach §§ 13a, 13b ErbStG in Höhe von 85 Prozent auf 506.225 Euro erhöhte. Der Bescheid war weiterhin nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig. Ausweislich der Anlage zum Bescheid stand die Vorläufigkeit im Zusammenhang mit der Einhaltung der Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 und 5 ErbStG. Des Weiteren bezog sich die Vorläufigkeit auf die durch den ZAB gesondert und einheitlich festzustellenden Besteuerungsgrundlagen im Rahmen des formellen Feststellungsverfahrens.
13Mit dem dagegen erhobenen Einspruch vom 05.12.2019 beantragte der Kläger die sog. Optionsverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG in Höhe von 100 Prozent. Mit der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2020 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
14Im Klageverfahren begehrt der Kläger weiter die Anwendung des § 13a Abs. 8 ErbStG. Die materiellen Voraussetzungen der Optionsverschonung seien erfüllt. Dem Kläger sei die Optionsverschonung auch noch zu gewähren, da die materielle Bestandskraft des Bescheids aufgrund des erstmaligen Erlasses von Feststellungsbescheiden durchbrochen und eine Änderung des angefochtenen Bescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO möglich sei. Erst nach Erlass der Feststellungsbescheide sei die Wahlmöglichkeit erstmals eröffnet gewesen, da erst zu diesem Zeitpunkt die Verwaltungsvermögensquoten festgestanden hätten. Insoweit verweist der Kläger auf die Verfügung des Bayrischen Landesamts für Steuern vom 07.07.2016 (S 3812b.2.1-13/6 St34, DB 2016, 1609). Im Hinblick auf die für die Gewährung der Optionsverschonung relevanten und notwendigen Angaben zur Verwaltungsvermögensquote habe keine Auswertung der Feststellungsbescheide auf Ebene der Schenkungsteuerveranlagung stattgefunden; lediglich die Werte zum Betriebsvermögen seien ausgewertet worden. Die dem Grundlagenbescheid zugedachte Aufgabe sei jedoch erst dann erfüllt, wenn die Finanzbehörde in der Änderung des Folgebescheids alle Folgerungen aus dem Erlass des Grundlagenbescheids gezogen habe. Da insofern vorliegend eine unvollständige Umsetzung erfolgt sei, könne der angefochtene Bescheid noch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden. Bei Überschreitung der Verwaltungsvermögensquote von 50 Prozent wäre zudem auch die bereits gewährte Regelverschonung entfallen, sodass eine Auswertung in diesem Fall zulasten des Steuerpflichtigen stattgefunden hätte. Entsprechend müsste die Auswertung auch zu seinen Gunsten möglich sein.
15Jedenfalls müsse eine Optionsrechtsausübung im gegenläufigen Umfang des Änderungsrahmens möglich sein.
16In der Schenkungsteuererklärung seien zudem keine Angaben etwa zu den Verwaltungsvermögensquoten gemacht worden. Da die Feststellungserklärungen ebenfalls erst im Oktober 2017 abgegeben worden seien, hätte der Kläger bei Bekanntgabe des Bescheides vom 20.04.2016 nicht abgesehen können, ob die Voraussetzungen der Optionsverschonung vorgelegen hätten, zumal der Antrag nicht unter einer Bedingung und nur unwiderruflich hätte gestellt werden können.
17Ferner habe der Beklagte durch den Erlass des Bescheids ohne Vorbehalt der Nachprüfung oder entsprechende Vorläufigkeitsvermerke suggeriert, dass der Optionsantrag nach Erlass der Feststellungsbescheide noch gestellt werden könnte. Insbesondere durch den fehlenden Vorbehalt der Nachprüfung habe der Beklagte bekundet, dass die Schenkungsteuerveranlagung nach Maßgabe der Erklärung umfassend und abschließend geprüft worden sei. Dies sei angesichts der Komplexität des Erwerbs und des Erlasses des ersten Bescheids nur rund zwei Wochen nach Abgabe der Erklärung nur schlüssig, sofern man davon ausgehe, dass die Voraussetzungen für die Begünstigung von Betriebsvermögen durch die Feststellungsbescheide gesondert festgestellt und das Ergebnis im Schenkungsteuerbescheid entsprechend umgesetzt würde.
18Die vom Finanzamt angeführten Urteile des Finanzgerichts Münster vom 13.09.2018 (3 K 3699/16 Erb, 3 K 1727/17 Erb und 3 K 1285/18 Erb) und vom 29.11.2018 (3 K 1728/17 Erb) seien allesamt nicht einschlägig, da die vorliegende Konstellation der Ausübung des Wahlrechts anlässlich der erstmaligen Auswertung eines Grundlagenbescheid in den dortigen Urteilsfällen nicht Gegenstand der Entscheidungen gewesen sei. Sofern in den Urteilen aus dem Jahr 2018 empfohlen worden sei, die Schenkungsteuerbescheide zur Wahrung der Möglichkeit der Antragstellung offen zu halten, habe dem Kläger diese Empfehlung im Jahr 2016 noch nicht bekannt sein können. Ein Rechtsbehelfsverfahren „zum Schein“ wäre vom Beklagten wohl mangels Begründung auch abzuweisen gewesen.
19Der Kläger beantragt,
20den Schenkungsteuerbescheid auf den 21.03.2013 vom 13.11.2019, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2020, dahingehend zu ändern, dass die Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 1 bis 7 in Verbindung mit § 13b ErbStG nach Maßgabe des § 13a Abs. 8 ErbStG gewährt und die Steuer auf 0 Euro festgesetzt wird.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen,
23hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
24Die materielle Bestandskraft des Bescheids vom 20.04.2016 schränke das Antragsrecht des Klägers ein. Bei Gewährung der Optionsverschonung würde das begünstigte Betriebsvermögen in voller Höhe steuerfrei gestellt, da Wahl- und Antragsrechte nicht teilbar seien, sodass der Änderungsrahmen des § 351 Abs. 1 AO überschritten würde. Eine teilweise Gewährung der Optionsverschonung komme nicht in Betracht. Auch sei der Fall von Konstellationen zu unterscheiden, in denen in einem Feststellungsbescheid zunächst eine Verwaltungsvermögensquote von über 10 Prozent festgestellt worden sei, die erst durch einen Änderungsbescheid unter die 10 Prozent-Grenze des § 13a Abs. 8 ErbStG gefallen sei. In diesen Konstellationen hätte dem jeweiligen Steuerpflichtigen der Optionsantrag vor dem Änderungsbescheid nicht offen gestanden. Eine noch nicht festgestellte Verwaltungsvermögensquote hätte einem Optionsantrag des Klägers hingegen nicht entgegengestanden. Auch seien nach der gesetzgeberischen Intention gewisse Unsicherheiten bei der Antragstellung nach § 13b Abs. 8 ErbStG, die im Übrigen nicht nur die Verwaltungsvermögensquote, sondern etwa auch die Lohnsummen- und Behaltensfristen betreffen würden, hinzunehmen. Dem Kläger sei insoweit vorzuwerfen, dass er den Schenkungsteuerbescheid vom 20.04.2016 habe bestandskräftig werden lassen.
25Für eine Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung habe kein Anlass bestanden, da der Beklagte alle Angaben aus der Schenkungsteuererklärung berücksichtigt habe und die Werte für die Anteile am Betriebsvermögen ohnehin gesondert festzustellen und nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu berücksichtigen waren. Ebenso hätte die Regelverschonung nach dieser Vorschrift rückgängig gemacht werden können, wenn sich aufgrund der Feststellung eine Verwaltungsvermögensquote von über 50 Prozent ergeben hätte. Ein Rückschluss auf eine später noch mögliche Antragstellung habe der Kläger daraus folglich nicht ziehen können.
26Vor dem Hintergrund des Beschlusses des BFH über die Nichtzulassung der Revision vom 05.03.2020 (II B 99/18) könne sich der Kläger auch nicht auf den Vorläufigkeitsvermerk wegen der vom Bundesverfassungsgerichts angeordneten Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung berufen. Auf eine Ungleichbehandlung könne sich der Kläger ebenfalls nicht berufen, da die Entscheidung, einen Vorbehalt der Nachprüfung in den Bescheid aufzunehmen, im Ermessen des Beklagten stünde.
27Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand am 08.06.2021 mit den Beteiligten erörtert. Der Senat hat am 27.10.2021 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll des Erörterungstermins und auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
29Soweit der Beklagte im geänderten Schenkungsteuerbescheid vom 13.11.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2020 im Umfang des Änderungsrahmens von 147.858 Euro gegenüber dem ursprünglichen Bescheid vom 20.04.2016 die Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 1 bis 7 in Verbindung mit § 13b ErbStG nicht nach Maßgabe des § 13a Abs. 8 ErbStG gewährt hat, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig.
301. Zwischen den Beteiligten ist zurecht nicht im Streit, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der sog. Voll- oder Optionsverschonung im maßgeblichen Stichtag erfüllt waren. Insbesondere lag die maßgebliche Verwaltungsvermögensquote bei allen drei Kommanditgesellschaftsanteilen unter 10 Prozent.
31Gemäß § 13a Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit § 13b Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 ErbStG wird unter anderem für inländisches Betriebsvermögen (§§ 95 bis 97 BewG) beim Erwerb eines Anteils an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ein Verschonungsabschlag in Höhe von 85 Prozent gewährt. Voraussetzung ist nach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG, dass das begünstigte Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG nicht zu mehr als 50 Prozent aus Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG besteht. Zudem darf die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen im Sinne des § 13a Abs. 4 ErbStG über einen Zeitraum von fünf Jahren nach dem Erwerb 400 Prozent der Ausgangslohnsumme im Sinne des § 13a Abs. 1 Satz 3 ErbStG nicht unterschreiten (§ 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Die Behaltensfrist für das begünstigt erworbene Vermögen beträgt fünf Jahre (§ 13a Abs. 5 ErbStG).
32Nach § 13a Abs. 8 ErbStG kann der Erwerber durch unwiderrufliche Erklärung die Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 1 bis 7 ErbStG in Verbindung mit § 13b ErbStG dahingehend modifizieren, dass diese nach Maßgabe des § 13a Abs. 8 Nr. 1 bis 4 ErbStG gewährt wird, sog. Voll- oder Optionsverschonung. In diesem Fall gilt statt des Prozentsatzes für die Begünstigung nach § 13b Abs. 4 ErbStG von 85 Prozent ein Prozentsatz von 100 Prozent, sodass grundsätzlich der gesamte Erwerb des begünstigten Vermögens steuerfrei gestellt werden kann. Die Erhöhung des Verschonungsabschlags von 85 Prozent auf 100 Prozent geht mit einer Verschärfung der Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung einher. So tritt an die Stelle des Prozentsatzes für das zulässige Verwaltungsvermögen von 50 Prozent in § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG ein Prozentsatz von 10 Prozent (§ 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG). Zudem verlängert sich sowohl die Lohnsummenfrist als auch die Behaltensfrist von fünf Jahren auf sieben Jahre und tritt an die maßgebende Lohnsumme von 400 Prozent eine maßgebende Lohnsumme von 700 Prozent (§ 13a Abs. 8 Nr. 1 und 2 ErbStG).
332. Die Gewährung der Optionsverschonung war im Umfang des steuerlichen Änderungsrahmens des Bescheids vom 13.11.2019 aufgrund des im Einspruchsverfahren gegen diesen Bescheid gestellten Antrags auf die Optionsverschonung auch noch möglich (entgegen FG München, Urteil vom 28.04.2021, 4 K 1710/19, EFG 2021, 1491, mit Anmerkung Wojtkowiak). Dem stand die zwischenzeitlich eingetretene Bestandskraft des Bescheids vom 20.04.2016 nicht entgegen, da diese durch den Änderungsbescheid vom 13.11.2019 partiell durchbrochen wurde.
34Es ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, bis wann die Erklärung nach § 13a Abs. 8 ErbStG zur Wahl der Optionsverschonung wirksam abgegeben werden kann. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich, dass der Betriebsnachfolger die Erklärung bis zur formellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung abgeben kann (vgl. BT-Drucksache 16/11107, Seite 10). Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass der Antrag bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft der Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer abzugeben ist (vgl. R E 13a.13 Abs. 2 Satz 2 Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 bzw. R E 13a.21 Abs. 2 Satz 2 Erbschaftsteuerrichtlinien 2019). Auch die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Erklärung bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung wirksam abgegeben werden kann (vgl. BFH, Beschluss vom 05.03.2020 II B 99/18, BFH/NV 2020, 852; FG Münster, Urteil vom 13.09.2018 3 K 3699/16 Erb, juris).
35Der Bescheid vom 20.04.2016, der ohne Vorbehalt der Nachprüfung erlassen und gegen den ein Einspruch unstreitig nicht erhoben wurde, wurde mit dem ungenutzten Verstreichen der Rechtsbehelfsfrist formell und grundsätzlich auch materiell bestandskräftig. Sofern der Bescheid vom 20.04.2016 im Hinblick auf die durch das Bundesverfassungsgericht angeordnete Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung des ErbStG in vollem Umfang vorläufig war und insoweit punktuell nicht in materieller Bestandskraft erwuchs, konnte sich der Kläger jedenfalls hierauf zur Gewährung der Optionsverschonung nicht berufen (BFH, Beschluss vom 05.03.2020 II B 99/18, BFH/NV 2020, 852).
36Die Bestandskraft des Bescheids vom 20.04.2016 wurde indes durch den nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid vom 13.11.2019 durchbrochen. Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerbescheid (Folgebescheid) zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid nach § 171 Abs. 10 AO, dem Bindungswirkung für diesen Bescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Im gegen den Änderungsbescheid geführten Einspruchs- und Klageverfahren konnte die Option zur Vollverschonung noch ausgeübt und der steuererhöhende Änderungsbescheid im gegenläufigen Umfang des Änderungsrahmens geändert werden (ebenso Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13a Rn. 518).
37Die ständige Rechtsprechung des BFH lässt die Ausübung oder Änderung von Antrags- oder Wahlrechten, die dem Grunde nach keiner zeitlichen Begrenzung unterliegen, grundsätzlich so lange zu, wie der entsprechende Steuerbescheid nicht formell und materiell bestandskräftig ist (vgl. etwa BFH, Urteile vom 27.10.2015 X R 44/13, BFHE 252, 94; vom 05.03.2020 II B 99/18, BFH/NV 2020, 852). Die Änderung eines Antrags- oder Wahlrechts ist damit auch dann zuzulassen, wenn und soweit der Bescheid lediglich partiell noch nicht formell und materiell bestandskräftig ist (BFH, Urteil vom 26.04.2018, III R 12/17, BFH/NV 2018, 948). Damit sind auch diejenigen Fälle erfasst, in denen Änderungsbescheide auf der Grundlage einer selbständigen Änderungsvorschrift – etwa §§ 172 ff. AO – die teilweise Durchbrechung der Bestandskraft bewirken (BFH, Urteile vom 09.12.2015 X R 56/13, BFHE 252, 241; vom 05.03.2020 II B 99/18, BFH/NV 2020, 852).
38Wird ein solcher Änderungsbescheid angefochten, können im Rahmen der geänderten Steuerfestsetzung alle tatsächlichen und rechtlichen (nicht bindenden) Einwendungen vorgebracht werden, selbst wenn sie schon gegen den ursprünglichen bestandskräftig gewordenen Bescheid hätten vorgebracht werden können (BFH, Urteil vom 26.04.2018 III R 12/17, BFH/NV 2018, 948). Jedoch folgt aus § 351 Abs. 1 AO, wonach Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, grundsätzlich nur insoweit angegriffen werden können, als die Änderung reicht, dass die Änderung der Antrags- oder Wahlrechtsausübung nur dann möglich ist, wenn die dadurch zu erzielende Steueränderung den durch die partielle Durchbrechung der Bestandskraft gesetzten Rahmen nicht verlässt (BFH, Urteil vom 26.04.2018 III R 12/17, BFH/NV 2018, 948). Die Vorschrift begrenzt die Anfechtbarkeit und damit auch die durch den Einspruch bewirkte Änderbarkeit eines Änderungsbescheids auf den Umfang der Änderung und stellt damit u.a. klar, dass es im Übrigen bei der zuvor eingetretenen Bestandskraft bleibt (BFH, Urteil vom 09.12.2015 X R 56/13, BFHE 252, 241). Entscheidend ist dabei, dass nur die festgestellten oder festgesetzten Beträge, mithin der Tenor des Verwaltungsakts, nicht dagegen die Gründe des Bescheids in Bestandskraft erwachsen (BFH, Urteil vom 26.04.2018 III R 12/17, BFH/NV 2018, 948).
39Die Bestandskraft des Bescheids vom 20.04.2016, die durch den Änderungsbescheid vom 13.11.2019 partiell durchbrochen wurde, steht nach diesen Grundsätzen der erstmaligen Ausübung des Wahlrechts auf Gewährung der Optionsverschonung nicht entgegen. Die dadurch zu bewirkende Steueränderung ist jedoch auf den Umfang der Änderung aus dem Bescheid vom 13.11.2019 begrenzt, sodass es letztlich bei der bestandskräftigen Steuerfestsetzung des Ausgangsbescheids vom 20.04.2016 verbleibt.
40Der Gewährung der Optionsverschonung im gegenläufigen Umfang des Änderungsrahmens des Änderungsbescheids vom 13.11.2019 steht nicht entgegen, dass die Gewährung der Optionsverschonung potentiell – ungeachtet der Bestandskraft des ursprünglichen Bescheids – eine über den nicht bestandskräftigen Betrag der Steuerfestsetzung hinausgehende Steuerminderung bewirken könnte. Denn nach den vorstehenden Grundsätzen erwächst lediglich die Steuerfestsetzung und nicht die Begründung derselben, zu der auch die Höhe der Steuerbefreiung nach den §§ 13a, 13b ErbStG gehört, in Bestandskraft. Die steuerlichen Auswirkungen der Gewährung der Optionsverschonung sind dabei auf den nicht bestandskräftigen Umfang des Änderungsbescheids beschränkt. Gegen diese Vorgehensweise spricht daher auch nicht, dass das Wahlrecht nach § 13a Abs. 8 ErbStG nicht partiell ausgeübt werden kann (FG München, Urteil vom 28.04.2021, 4 K 1710/19, EFG 2021, 1491, mit Anmerkung Wojtkowiak). Die Optionsverschonung wird nicht teilweise gewährt, sondern es werden lediglich deren steuerliche Auswirkungen durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung begrenzt.
41Damit geht nach Auffassung des Senats auch keine Besserstellung des Klägers gegenüber dem bestandskräftigen Bescheid vom 20.04.2016 einher, beispielsweise durch ein mögliches Wiederaufleben eines bereits verbrauchten Freibetrags, der bei einem späteren Erwerb genutzt werden könnte (vgl. (FG München, Urteil vom 28.04.2021, 4 K 1710/19, EFG 2021, 1491, mit Anmerkung Wojtkowiak). Zum einen trat auch hinsichtlich des Freibetrags als Besteuerungsgrundlage keine Bestandskraft ein. Zum anderen entfaltet der für einen Vorerwerb ergangene Steuerbescheid nach dem Gesetz keine Bindungswirkung (etwa im Sinne eines Grundlagenbescheids) für die Steuerfestsetzung für einen nachfolgenden Erwerb (BFH, Urteile vom 17.04.1991 II R 121/88, BFHE 164, 107; vom 09.07.2009 II R 55/08, BFHE 225, 498). Es ist daher im Rahmen einer möglichen Steuerfestsetzung für einen nachfolgenden Erwerb eigenständig zu prüfen, ob ein persönlicher Freibetrag nach § 16 ErbStG bereits durch einen Vorerwerb aufgezehrt wurde. Eine Änderungssperre für den hier angefochtenen Bescheid ergibt sich daraus jedoch nicht.
423. Einer über den Änderungsrahmen hinausgehenden Änderung des Bescheids vom 13.11.2019 steht dessen formelle und materielle Bestandskraft im Umfang der ursprünglichen Steuerfestsetzung aus dem Bescheid vom 20.04.2016 entgegen.
43Sofern der Kläger eine weitergehende Steuerminderung begehrt, kann er sich nicht auf die den Bescheiden vom 20.04.2016 und 13.11.2019 jeweils beigefügten Vorläufigkeitsvermerke berufen.
44Der Vorläufigkeitsvermerk des Bescheids vom 20.04.2016 im Hinblick auf die durch das Bundesverfassungsgerichts angeordnete Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung des ErbStG in vollem Umfang eröffnet nicht die Möglichkeit einer nachträglichen Wahlrechtsausübung auf Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG (BFH, Beschluss vom 05.03.2020 II B 99/18, BFH/NV 2020, 852; FG Münster, Urteil vom 13.09.2018, 3 K 3699/16 Erb, juris).
45Gleiches gilt hinsichtlich des Vorläufigkeitsvermerks des Bescheids vom 13.11.2019. Der Umstand, dass der Bescheid hinsichtlich der Einhaltung der Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 und 5 ErbStG sowie der im Rahmen des formellen Feststellungsverfahrens durch den ZAB gesondert und einheitlich festzustellenden Besteuerungsgrundlagen vorläufig erging, lässt bei verständiger Auslegung (vgl. dazu FG Münster, Urteil vom 14.02.2018, 3 K 565/17 Erb, EFG 2018, 756, mit Anmerkung Frantzmann) nicht den Schluss zu, dass der Beklagte damit bezweckte, dem Kläger die Ausübung des Wahlrechts nach § 13a Abs. 8 ErbStG zu ermöglichen.
46Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Feststellungsbescheide auch vollständig ausgewertet, indem die dort getroffenen Feststellungen im geänderten Schenkungssteuerbescheid übernommen wurden. Die Bescheide enthalten keine unmittelbaren Feststellungen, die dazu führen könnten, dass die Optionsverschonung zwingend zu gewähren wäre, sodass diesen insoweit eine Bindungswirkung im Sinne des § 171 Abs. 10 AO nicht zukommen kann. Es verbleibt vielmehr bei der Möglichkeit der Antragstellung nach § 13a Abs. 8 ErbStG, sofern der Steuerpflichtige nach Erlass der Feststellungsbescheide diese für sinnvoll erachtet. Im Übrigen ist die Antragstellung auch bereits vor Erlass der Feststellungsbescheide – und nicht erst danach – möglich; in diesem Fall muss der Steuerpflichtige aber mit einer rückwirkenden Versagung der Options- und ggfs. auch der Regelverschonung rechnen, sofern die Auswertung der Feststellungsbescheide ergibt, dass die entsprechenden Voraussetzungen der Options- oder Regelverschonung am Stichtag nicht vorgelegen haben. Dieses Risiko hat der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen zugewiesen, die eine weitgehende oder sogar vollständige Verschonung erreichen wollen.
47Dass der ursprüngliche Bescheid ohne einen Vorbehalt der Nachprüfung im Sinne des § 164 Abs. 1 Satz 1 AO erlassen wurde, rechtfertigt schließlich auch kein abweichendes Ergebnis. Nach der Vorschrift steht es im Ermessen der Finanzbehörde, die Steuern, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festzusetzen. Ein Anspruch des Steuerpflichtige auf eine Vorbehaltsfestsetzung besteht nicht (Niedersächsisches FG, Urteil vom 13.12.2005, 13 K 427/05, EFG 2006, 864; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.12.2007, 2 K 2211/06, EFG 2008, 350; FG Köln, Urteil vom 10.06.2009, 7 K 3999/08, EFG 2009, 1712, 1714). Es kann dagegen sogar im Einzelfall ermessensfehlerhaft sein, einen Folgebescheid mit Nachprüfungsvorbehalt zu versehen, nur weil der Grundlagenbescheid noch aussteht, da eine Anpassung an einen Grundlagenbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gewährleistet ist (Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 167. Lieferung August 2021, § 164 AO, Rn. 19). Eine Ungleichbehandlung des Steuerpflichtigen ist ebenfalls nicht erkennbar, da ihm zuzumuten ist, seine Rechte durch Einspruch und gegebenenfalls Klage gegen eine nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steuerfestsetzung durchzusetzen.
484. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
495. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
506. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und – im Hinblick auf das Urteil des FG München vom 28.04.2021 (4 K 1710/19) – zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulassen.