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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Feststellung des Grundbesitzwertes für ein unbebautes Grundstück in E-Stadt auf den Stichtag 25.09.2015.
3Im Zuge komplexer Umstrukturierungsvorgänge innerhalb des Energiekonzerns F. wurde zum Stichtag 25.09.2015 – was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – ein grunderwerbsteuerlich relevanter Tatbestand ausgelöst. An diesem Tag erfolgte die Handelsregistereintragung des Notarvertrags vom 26.08.2015, mit dem der gesamte operative Betrieb der F. Kraftwerke GmbH (insbesondere Kohle-, Gas-, Öl- und Wasserkraftwerke) im Wege der Ausgliederung auf die Klägerin übertragen wurde. Dieser operative Betrieb umfasste umfangreichen Grundbesitz sowie diverse gesellschaftsrechtliche Beteiligungen, denen im Inland belegene Grundstücke zuzurechnen waren. Hierzu zählte das streitgegenständliche unbebaute Grundstück in E-Stadt, Flur xxx, Flurstücke xxx und xxx, Größe 8.177 qm, das als Lagerplatz genutzt wurde.
4Das Finanzamt E-Stadt erließ am 23.06.2016 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer, in welchem es die o.g. Ausgliederung als zu 100 v. H. nach § 6a Grunderwerbsteuergesetz(GrEStG) steuerfrei einstufte und unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 3a GrEStG darauf hinwies, dass das für die Steuerfestsetzung jeweils zuständige Finanzamt die Feststellung des Grundbesitzes veranlassen und der Festsetzung zu Grunde legen werde.
5Der Beklagte setzte daraufhin im Bescheid vom 10.08.2016 die Grunderwerbsteuer auf 0 EUR fest und forderte die Klägerin in der Anlage zu diesem Bescheid auf, die entsprechenden Grundbesitzwerterklärungen zu den einzelnen Grundstücken einzureichen. Die Klägerin legte zwei Feststellungserklärungen vor, eine nach altem Recht, d.h. nach der Rechtslage vor dem Steueränderungsgesetz 2015 (StÄndG 2015 vom 02.11.2015, BGBl. I 2015, 1834) (§ 17 Abs. 3a GrEStG a.F., § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG a.F. i.V.m. §§ 138 ff. Bewertungsgesetz (BewG), und eine nach neuem Recht, d. h. nach der Rechtslage gemäß dem Steueränderungsgesetz 2015 (§ 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG n.F., § 17 Abs. 3a GrEStG n.F., § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG n.F. i.V.m. §§ 157 ff. BewG, § 179 BewG) und beantragte die Wertfeststellung nach alter Rechtslage in Höhe von 274.500 EUR. In der Folgezeit änderte das Finanzamt E-Stadt am 11.01.2017 den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer dahingehend, dass der Vorgang rückwirkend zum 25.09.2015 nicht mehr nach § 6a GrEStG befreit war.
6Der Beklagte legte seinem Bescheid vom 19.03.2018 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 25.09.2015 für Zwecke der Grunderwerbsteuer die neue Rechtslage zugrunde und stellte den Grundbesitzwert anhand eines Bodenrichtwertes von 42 EUR pro qm auf 343.434 EUR fest.
7Den hiergegen eingelegten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 26.07.2018 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass – anders als in anderen Bundesländern – in Nordrhein-Westfalen keine Anweisungen von Oberbehörden vorlägen, die eine Bewertung nach §§ 138 ff. BewG zulassen bzw. anordnen würden. Auch über § 176 Abgabenordnung (AO) sei das Vertrauen auf die Fortgeltung der alten Rechtslage im Streitfall nicht geschützt. Die Norm greife nicht in Fällen, in denen es nicht um die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides gehe, sondern in denen – wie im Streitfall – erstmals ein Steuerbescheid erlassen werde. Ebenso wenig ergebe sich ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin hinsichtlich der Bewertung für Grunderwerbsteuerzwecke aus den von der Finanzverwaltung erteilten verbindlichen Auskünften. Da die Anträge auf verbindliche Auskunft die Grunderwerbsteuer und die ihr zugrunde liegende Grundbesitzbewertung nicht thematisiert hätten, verhielten sich die erteilten verbindlichen Auskünfte hierzu nicht. Die Klägerin genieße auch unter Rückwirkungsgesichtspunkten keinen Schutz in ihrem Vertrauen auf die Fortgeltung der alten Rechtslage bis zur Veröffentlichung der Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum StÄndG 2015 am 23.09.2015. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe bereits in seinem Beschluss vom 7.11.2006 (1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192) die §§ 138 ff. BewG für verfassungswidrig erklärt und ihre Fortgeltung (nur) bis zum 31.12.2008 angeordnet. Diese Entscheidung sei aus formellen Gründen lediglich für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer ergangen, obwohl das betreffende Verfahren der Bewertung von Grundbesitz ebenso für Zwecke der Grunderwerbsteuer maßgebend gewesen sei. Aus dem Umstand, dass das BVerfG in seiner Entscheidung vom 23.06.2015 (1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871) nicht nur ausdrücklich auf diesen Beschluss Bezug genommen, sondern an mehreren Stellen der Entscheidungsbegründung ganze Passagen übernommen habe, sei ersichtlich, dass nach der Überzeugung des BVerfG der Beschluss aus dem Jahr 2006 bereits zu diesem Zeitpunkt auch für Zwecke der Grundbesitzbewertung bei der Grunderwerbsteuer anwendbar gewesen sei. Spätestens im Zeitpunkt der Vorlagebeschlüsse des BFH vom 02.03.2011 (II R 23/10, BStBl. II 2011, 932; II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009) hätte sich der Klägerin aufdrängen müssen, dass ein absolutes Vertrauen in die damalige Rechtslage nicht mehr gerechtfertigt gewesen sei.
8Der Gesetzgeber habe im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009 vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794), indem er den Verweis in § 17 Abs. 3a GrEStG a. F. auf § 138 BewG um dessen Abs. 4 ergänzt habe, nicht zum Ausdruck gebracht, dass die §§ 138 ff BewG für Zwecke der Grunderwerbsteuer fortgesetzt zur Anwendung kommen sollten. Vielmehr zeigten die Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 16/10189, S. 83), dass es ihm dabei um eine redaktionelle Anpassung des GrEStG an die Änderung des BewG durch das Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007 vom 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878) gegangen sei; für die Vergangenheit sollte ein zutreffender Gesetzesverweis gewährleistet sein.
9Die Änderung des Verweises in § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG n.F., der für Bewertungsstichtage ab dem 1.01.2009 gemäß § 23 Abs. 14 GrEStG n.F. die Anwendung des 6. Abschnitts des BewG vorschreibe, stelle eine echte Rückwirkung dar. Mit dem StÄndG 2015 (StÄndG 2015 vom 02.11.2015, BGBl. S. 1834) habe der Gesetzgeber § 8 Abs. 2 GrEStG mit Wirkung zum 06.11.2015 geändert. § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG n.F. bestimme – mit Ausnahme der in Satz 2 der Vorschrift geregelten, vorliegend nicht einschlägigen Fälle –, dass die Änderung in § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden seien, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht würden. Die zum Zeitpunkt der Gesetzesverkündigung des StÄndG 2015 im November 2015 bereits realisierten grunderwerbsteuerbaren Sachverhalte würden damit materiell-rechtlich abweichend von der vormaligen Rechtslage besteuert. Das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot sei jedoch nicht verletzt, denn die Klägerin habe bereits in dem Zeitpunkt, auf den sich die Rückwirkung beziehe, mit einer Änderung rechnen müssen.
10Im Klageverfahren wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Sie vertritt die Auffassung, dass § 23 Abs. 14 GrEStG n.F. verfassungskonform so auszulegen sei, dass er – neben § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG n.F. – um eine weitere Ausnahme dahingehend zu ergänzen sei, dass eine Anwendung von § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. auch dann ausscheide, wenn ein Steuerpflichtiger – wie sie im Streitfall – verfassungsrechtlich im Vertrauen auf die Anwendung von § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. (vor dem StÄndG 2015) geschützt sei. Dementsprechend sei bei der Wertfeststellung maßgebend der Grundbesitzwert nach § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. i.V.m. § 145 BewG und § 139 BewG. Ohne eine solche Ergänzung, die im Wege der Schließung einer verdeckten Gesetzeslücke in § 23 Abs. 14 GrEStG n.F. durch eine teleologische Reduktion des § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG n.F. vorzunehmen sei, verletze die Norm das Rückwirkungsverbot und das allgemeine Gleichbehandlungsgebot. Die Norm sei hinsichtlich der Reichweite der Ausnahme von der zeitlichen Rückwirkung in § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG n.F. zu kurz geraten; der dort gewährte punktuelle Vertrauensschutz sei unzureichend.
11Sie, die Klägerin, habe bis zum Inkrafttreten des StÄndG 2015 am 06.11.2015 ein schutzwürdiges Vertrauen auf der Basis von § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. dahingehend gebildet, dass die Bewertung nach §§ 138 ff. BewG erfolgen würde, und dieses Vertrauen auch bereits durch konkrete Transaktionen in Gang gesetzt.
12Vor Durchführung der streitgegenständlichen grunderwerbsteuerpflichtigen Transaktion, die sich im Rahmen der Gesamttransaktion als Vorbereitungshandlung dargestellt habe, seien intensive Abstimmungen mit der Finanzverwaltung vorgenommen worden, um deren weitestgehend mögliche ertragsteuerliche Neutralität zu gewährleisten. Man habe im März 2015 dem Finanzministerium NRW und am 06.05.2015 dem für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft zuständigen Finanzamt D-Stadt das Konzept der V-Abspaltung vorgestellt. Dort sei am 17.07.2015 ein sehr umfangreicher Auskunftsantrag zur ertragsteuerlichen Behandlung eingereicht worden. Um den Zeitplan einzuhalten und die vorbereitenden Maßnahmen bereits durchführen zu können, habe das Finanzamt D-Stadt am 25.08.2015 eine vorgezogene Auskunft für die hier relevante Transaktion erteilt. Zu diesem Zeitpunkt sei die am 26.08.2015 notariell beurkundete Vereinbarung bereits unterschriftsreif vorbereitet gewesen. Nachdem diese mit Eintragung ins Handelsregister zum 25.09.2015 wirksam geworden sei, sei mit Schreiben vom 07.10.2015 eine Anzeige nach § 19 GrEStG beim Finanzamt E-Stadt erfolgt. De facto seien bereits im Mai 2015 die Teilschritte der hier relevanten Ausgliederung nicht mehr änderbar gewesen, denn ansonsten hätte der gesamte Abspaltungsvorgang neu strukturiert und mit der Finanzverwaltung abgestimmt werden müssen. Spätestens mit Einreichung des Antrags auf verbindliche Auskunft am 17.07.2015 seien ihre Möglichkeiten zur aktiven Einwirkung auf den Sachverhalt der „Kettenausgliederung“ ausgeschöpft gewesen. Dass sie vor dem 06.11.2015, dem Tag des Inkrafttretens des StÄndG 2015, weder einen Grundlagenbescheid noch einen gesonderten Feststellungsbescheid (§ 17 Abs. 3a GrEStG) über die Ersatzbemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 2 GrEStG) erhalten habe und sie in der Konsequenz nicht die Schutzwirkung des § 176 AO (vgl. § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG n.F.) habe in Anspruch nehmen können, habe seit dem 17.07.2015, als sie mit unterschriftsreifen Verträgen auf die Erteilung der verbindlichen Auskunft gewartet habe, außerhalb ihrer Einflusssphäre gelegen. Sie habe, nachdem das Datum der zivilrechtlichen Wirksamkeit des Vorgangs ausschließlich von den internen Abläufen beim Handelsregister abhängig gewesen sei, zur Verfahrensbeschleunigung nichts weiter tun können, als ihrer gesetzlichen Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG nachzukommen. Ab diesem Zeitpunkt (07.10.2015) habe der Erlass jeglicher Bescheide in der Sphäre der Finanzverwaltung gelegen, welche sich zwischenzeitlich entschieden gehabt habe, die Bearbeitung entsprechender Fälle „bis zum Ergehen weiterer Weisungen zurückzustellen“ (siehe OFD NRW, Verf. vom 24.07.2015, S 0338 – 2015/0011/S 3180 – 1999/0023/S 4520 – 1999/0005, DB 2015, 1870 f.). Letztlich unterscheide sich der streitgegenständliche Sachverhalt nur durch Zufälligkeiten im Rahmen administrativer Abläufe von den unter § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG n.F. i.V.m. § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO fallenden Situationen. Das BVerfG habe in seinem Beschluss vom 23.06.2015 (1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871, Rz. 92) zum Ausdruck gebracht, dass es im Kontext der vom Gesetzgeber zu schaffenden Neuregelung zum 01.01.2009 einen Vertrauensschutz auch über § 176 AO hinausgehend für möglich halte, indem es formuliert habe, dass Steuerpflichtige nur belastet werden sollten „soweit nach geltendem Recht zulässig (vgl. insbesondere § 176 AO)“. Dieses komme im Wortlaut des § 23 Abs. 14 GrEStG n.F. indes nicht zum Ausdruck. Es liege eine Situation vor, in der eine zusätzliche Ausnahmeregelung hätte geschaffen werden müssen, ohne dass der Gesetzgeber dies erkannt habe, eine sog. „verdeckte Regelungslücke“, die mittels teleologischer Reduktion bzw. ergänzender Rechtsfortbildung (vgl. BFH-Urteile vom 12.12.2000 VIII R 10/99, BStBl. II 2001, 282, unter B.4.b.; vom 14.12.2006 III R 27/03, BStBl. II 2007, 332, unter II. 4.b.; vom 27.03.2012 I R 62/08, BStBl. II 2012, 745, unter II. 4.b.) zu schließen sei. Ohne diese teleologische Reduktion komme es durch die Anwendung des § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. i.V.m. §§ 151, 157 ff. BewG zu einem Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot und den Gleichheitssatz.
13Die Anwendung des § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. auf den Streitfall stelle eine echte Rückwirkung dar, bei der die belastenden Rechtsfolgen der Norm für einen Sachverhalt gelten sollten, der schon vor dem Zeitpunkt beendet worden sei, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent (gültig) geworden sei (sog. Rückbewirkung von Rechtsfolgen). Eine solche echte Rückwirkung sei grundsätzlich unzulässig, auch in Fällen, in denen der Gesetzgeber – wie im Streitfall – durch das BVerfG (hier: Beschluss des BVerfG vom 23.06.2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871) zur Schaffung einer rückwirkenden Regelung verpflichtet werde. Im Streitfall sei der grunderwerbsteuerliche Tatbestand mit der Handelsregistereintragung vom 25.09.2015 verwirklicht worden, also bevor das StÄndG 2015 am 02.11.2015 vom Bundestag beschlossen, im Bundesgesetzblatt verkündet (05.11.2015) und in Kraft getreten sei (06.11.2015). Unter Berücksichtigung der vom BVerfG in seinen Beschlüssen vom 07.07.2010 (2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1„Rückwirkung im Steuerrecht I“; 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, 61 „Rückwirkung im Steuerrecht II“; 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, 31, „Rückwirkung im Steuerrecht III“) zur sog. unechten Rückwirkung herausgearbeiteten Vertrauenstatbestände, welche a fortiori auch für die sog. echte Rückwirkung zur Anwendung kommen müssten, sei die Klägerin in ihrem Vertrauen auf das Fortbestehen der Rechtslage vor dem StÄndG 2015 schutzwürdig.
14Erstens habe sie bereits durch Abschluss des notariellen Vertrages vom 26.08.2015 eine verbindliche „wirtschaftliche Disposition“ i.S. der vorgenannten verfassungsrechtlichen Rechtsprechung getroffen, bevor die rückwirkende Anwendung der strengen Bewertungsregeln erstmals am 23.09.2015 vom Finanzausschuss des Bundestages im Gesetzgebungsverfahren diskutiert worden sei. Ausreichend für eine solche Disposition sei bereits die (rein schuldrechtliche) Vereinbarung von „speziellen Vertragsabschlüssen von einigem wirtschaftlichem Gewicht“.
15Zweitens sei der relevante Grunderwerbsteuertatbestand durch dessen Eintragung im Handelsregister am 25.09.2015 zivilrechtlich wirksam geworden und habe dadurch bereits einen „gesteigerten Grad der Abgeschlossenheit erreicht“ gehabt, bevor das neue Recht im November 2015 in Kraft getreten sei.
16Eine echte Rückwirkung sei grundsätzlich nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Es liege keine der vom BVerfG anerkannten engen Ausnahmen vor, in denen sich entweder kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts habe bilden können oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig gewesen sei.
17Insbesondere sei keine Situation gegeben, in der die Betroffenen „schon zu dem Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen werde, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten.“ Am 01.01.2009 hätten keine ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. bestanden, weil die Verfassungswidrigkeit weder bei der Einführung der Norm am 01.01.1997 noch am 01.01.2009 offensichtlich gewesen sei. Insbesondere sei das BVerfG erst durch die Vorlagebeschlüsse des BFH vom 02.03.2011 (II R 23/10, BStBl. II 2011, 932; II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009) mit der Frage nach der Verfassungskonformität befasst worden; in den vorinstanzlichen Klageverfahren sei diese Frage nicht einmal ansatzweise aufgeworfen worden.
18Auch der Gesetzgeber habe – nachdem das BVerfG am 07.11.2006 (1 BvL 10/02, BVerfGE 117,1) die vorherige Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer für verfassungswidrig erklärt habe – zum Ausdruck gebracht, dass er von einer fortbestehenden Verfassungskonformität der Bewertungsregelungen für die Grunderwerbsteuer ausgegangen sei und durch die Anpassungen dieser Vorschriften im Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 (ErbStRG vom 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018) und im Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009 vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794) das Vertrauen der Steuerpflichtigen in die Verfassungskonformität des § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. noch bestärkt.
19Demgegenüber seien die beiden Vorlagebeschlüsse des BFH vom 02.03.2011 (II R 23/10, BStBl. II 2011, 932; II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009) für sich genommen nicht geeignet gewesen, die seinerzeit noch geltende Rechtslage als Vertrauensbasis in Frage zu stellen. Hinzu komme, dass der Beschluss des BVerfG vom 23.06.2015 (1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871), in welchem es die Verfassungswidrigkeit von § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. festgestellt habe, der Öffentlichkeit erst durch eine Pressemitteilung vom 17.07.2015 zugänglich gemacht worden sei, d.h. an dem Tag der der Antragstellung beim Finanzamt D-Stadt. In vergleichbaren Fällen erkenne auch die Finanzverwaltung einen Vertrauensschutz bis einschließlich des Tages an, an dem ein Urteil publiziert werde (z.B. BMF-Schreiben vom 27.04.2017, IV C 6 – A 2140/13/10003, BStBl. I 2017, 741). Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 10.04.2018 (1 BvR 1236/11, BStBl. II 2018, 303) bei einer Unternehmensumstrukturierung als entscheidendem Moment für das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Fortbestand der für ihn günstigen Rechtslage auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem die eindeutige Entscheidung zur Durchführung der relevanten Umstrukturierungsschritte getroffen worden sei. Das sei im Streitfall im Mai 2015, spätestens aber am 17.07.2015, geschehen. Sie, die Klägerin, habe zu diesem Zeitpunkt alles ihr Mögliche getan gehabt, um das Projekt der V-Abspaltung endgültig vorzubereiten. Alle gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsprozesse seien durchlaufen und das Gesamtprojekt nicht mehr veränderbar gewesen.
20Die durch § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG n.F. vorgesehene Anwendung des § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. i.V.m. §§ 151, 157 ff. BewG auf den Streitfall würde zudem das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG n.F. behandele nach dem 31.12.2008 realisierte Erwerbsvorgänge, für die bereits vor dem 06.11.2015 ein Steuer- oder Feststellungsbescheid ergangen sei, anders als solche Erwerbsvorgänge, für die bis zum 06.11.2015 – wie im Streitfall – kein solcher Bescheid ergangen sei. Während die erste Gruppe von den niedrigen Werten der §§ 138 ff. BewG profitiere, komme für alle anderen Vorgänge die höhere Bewertung nach der neueren Rechtslage gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. i.V.m. §§ 151, 157 BewG zur Anwendung. Diese Ungleichbehandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt. Dass die Klägerin vor dem 06.11.2015 noch keinen Grunderwerbsteuerbescheid und keinen gesonderten Feststellungsbescheid erhalten hatte, habe außerhalb ihrer Einflusssphäre gelegen. Sie sei gleichermaßen schutzwürdig wie andere Steuerpflichtige, denen vor diesem Datum ein solcher Bescheid bekannt gegeben worden sei. Unterschiedliche Bearbeitungszeiten und etwaige Verzögerungen im Verwaltungsvollzug seinen als Ausdruck reiner Zufälligkeiten keine sachlichen Gründe für eine Abweichung vom Grundsatz der Lastengleichheit.
21Die Klägerin beantragt,
22den Bescheid vom 19.03.2018 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Grunderwerbsteuer auf den 25.09.2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2018 dahingehend zu ändern, dass der Grundbesitzwert auf 274.500 EUR festgestellt wird.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Der Beklagte nimmt Bezug auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Er führt ergänzend aus, ein Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bestehe auch deshalb nicht, weil § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG n.F. eine rückwirkende Anwendung der neuen Regelungen nur insoweit ausschließe, wie § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO einer Änderung von Steuer- und Feststellungsbescheiden, die vor dem 06.11.2015 für Erwerbsvorgänge nach dem 31.12.2008 ergangen seien, entgegenstehe. Für den streitgegenständlichen Erwerbsvorgang seien die Bescheide nach dem 06.11.2015 ergangen.
26Für ein dem Vertrauensschutz des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vergleichbaren Vertrauensschutz sei kein Raum. Insbesondere enthalte § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG n.F. keine verdeckte Regelungslücke, die im Wege einer teleologischen Reduktion zu schließen wäre. Es fehle an einer gesetzlichen Regelungslücke, wenn der Gesetzgeber eine Regelung ganz bewusst auf bestimmte Tatbestände beschränkt habe und andere Tatbestände gezielt unberücksichtigt gelassen habe. Das sei im Streitfall geschehen. Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung des § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. und des § 23 Abs. 14 GrEStG n.F. bewusst die unterschiedliche Handhabung von nach dem 31.12.2008 verwirklichten Erwerbsvorgängen geregelt. Aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses vom 23.09.2015 gehe eindeutig hervor, dass Steuerpflichtige nur insofern Vertrauensschutz genießen sollten, wie der Anwendungsbereich des § 176 AO eröffnet sei, nicht aber in Fällen, in denen noch keine erstmalige Steuerfestsetzung bzw. gesonderte Feststellung für nach dem 31.12.2008 verwirklichte Erwerbsvorgänge vorgelegen habe .
27Dieses Vorgehen entspreche auch den eindeutigen Vorgaben des BVerfG in dessen Beschlüssen vom 23.06.2015 (1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871). Das BVerfG habe darin die gesetzliche Neuregelung des § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. rückwirkend für Stichtage nach dem 31.12.2008 gefordert und bewusst nur für Stichtage vor dem 1.1.2009 eine Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen angeordnet. Es habe in den o.g. Beschlüssen u.a. ausgeführt, dass den Steuerpflichtigen seit mehreren Jahren klar gewesen sein müsste, dass die Bewertungsregelungen der §§ 138 ff. BewG zu erheblichen Ungleichheiten führten. Aus diesem Grund müssten sie sich darauf einstellen, dass sie für die seit dem 01.01.2009 getätigten grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgänge aller Voraussicht nach auf Grundlage des neu zu erlassenden Rechts herangezogen werden (BVerfG-Beschluss vom 23.06.2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871, Rz. 92). Aus der bewussten Entscheidung gegen eine Fortgeltungsanordnung für den Zeitraum nach dem 31.12.2008 werde deutlich, dass das BVerfG eine mögliche Höherbelastung einzelner Steuerschuldner bei nicht abgeschlossenen Steuervorgängen für gerechtfertigt gehalten habe. Diesen Vorgaben des BVerfG sei der Gesetzgeber exakt nachgekommen. Das BVerfG selbst habe in seinem Beschluss vom 23.06.2015 (1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871) für die Grunderwerbsteuer die Grundbesitzbewertung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG ausdrücklich als Alternative zur Grundbesitzbewertung nach §§ 138 ff. BewG benannt.
28Der Beklagte weist ferner darauf hin, dass sich die Klägerin erst mit der Beurkundung der einschlägigen Vertragswerke am 26.08.2015, also nach der Veröffentlichung des Beschlusses des BVerfG vom 23.06.2015 (1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871), die am 17.07.2015 erfolgte, ihrer insoweit maßgeblichen rechtlichen Dispositionsmöglichkeiten begeben habe.
29Im Übrigen hätten die Steuerpflichtigen angesichts der Entwicklung des Bewertungsrechts für erbschaftsteuerliche und grunderwerbsteuerliche Zwecke kein schutzwürdiges Vertrauen in die Weitergeltung der alten Rechtslage haben können. Die Steuerpflichtigen hätten bei Inkrafttreten des ErbStRG 2009 (ErbStRG 2009 vom 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018), das die Bedarfsbewertung anhand von §§ 157 ff. BewG für Stichtage nach dem 01.01.2009 nur für erbschaftsteuerliche, nicht aber für grunderwerbsteuerliche Zwecke geregelt habe, damit rechnen können, dass dies insofern einen Verfassungsverstoß darstelle. Auf der Grundlage des Beschlusses des BVerfG vom 07.11.2006 (BVerfG-Beschluss vom 07.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1) , der die §§ 138 ff. BewG für verfassungswidrig erklärte, habe man – wie später der BFH in seinen Vorlagebeschlüssen vom 02.03.2011 (II R 23/10, BStBl. II 2011, 932; II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009) – davon ausgehen können, dass eine Gesetzesänderung für beide Steuerarten erfolgen müsse. Denn das BVerfG habe angeordnet, dass bei der Bewertung aller Vermögensgegenstände der gemeine Wert als Zielgröße maßgeblich sein müsse.
30In der Vergangenheit sei der Gesetzgeber auch tatsächlich so verfahren, als er durch das Jahressteuergesetz 1997 (JStG 1997 vom 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049) eine neue Bedarfsbewertung sowohl für erbschaft- als auch für grunderwerbsteuerliche Zwecke in das BewG eingeführt habe, nachdem das BVerfG in seinen Entscheidungen vom 22.06.1995 (2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655, und 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671) die Einheitsbewertung für Zwecke der Vermögen- und Erbschaftsteuer für verfassungswidrig erklärt hatte.
31Spätestens im Zeitpunkt der Vorlagebeschlüsse des BFH vom 02.03.2011(II R 23/10, BStBl. II 2011, 932; II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009), in denen der BFH hinsichtlich der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Grunderwerbsteuer seine Überzeugung geäußert habe, dass die §§ 138 ff. BewG in allen Teilbereichen verfassungswidrige Besteuerungsgrundlagen erzeugten, hätte sich den Steuerpflichtigen aufdrängen müssen, dass sie nicht hinreichend sicher auf die damalige Rechtslage vertrauen durften.
32§ 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG n.F. verstoße auch ohne die von der Klägerin angestrebte teleologische Reduktion nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar bestehe bedingt durch § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG n.F. eine Ungleichbehandlung zwischen Steuerpflichtigen, gegenüber denen vor dem 06.11.2015 bereits Steuer- oder Feststellungsbescheide ergangen seien, deren Änderung § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO entgegenstehe, und solchen Steuerpflichtigen, bei denen das nicht der Fall sei. Für diese Ungleichbehandlung liege indes ein sachlich einleuchtender Grund vor. Das BVerfG habe in seinem Beschluss vom 23.06.2015 (1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871) zwingend eine Rückwirkung der neuen Vorschriften gefordert, gleichzeitig schreibe § 176 Abs. 1 Satz 1 AO einen Vertrauensschutz in Fällen vor, in denen das BVerfG die Nichtigkeit eines Gesetzes feststelle. Dem gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum bei § 23 Abs. 14 GrEStG n.F. sei dieser Vertrauensschutz, der letztlich in dem Vorliegen von Steuer- bzw. Feststellungsbescheiden vor dem 06.11.2015 gründe, entzogen.
33Der Finanzverwaltung seien auch keine Verzögerungen im Verwaltungsvollzug unterlaufen, die ursächlich dafür gewesen sein könnten, dass vor dem 06.11.2015 kein Steuer- bzw. Feststellungsbescheid ergangen sei. Der am 25.09.2015 realisierte Erwerbsvorgang sei dem zuständigen Finanzamt E-Stadt am 07.10.2015 angezeigt worden. Das StÄndG 2015 sei bereits am 02.11.2015, mit Wirkung zum 06.11.2015, in Kraft getreten. Angesichts von Umfang und Komplexität des Ausgliederungsvorgangs sei es nachvollziehbar, dass innerhalb der kurzen Zeitspanne noch kein Bescheid auf Grundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. ergangen sei.
34Der Senat hat in der Sache am 11.03.2021 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe
36Die Klage ist unbegründet.
37Der Bescheid vom 19.03.2018 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Grunderwerbsteuer auf den 25.09.2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
381. Der Beklagte hat den Grundbesitzwert des streitgegenständlichen unbebauten Grundstücks zutreffend anhand von § 17 Abs. 3a GrEStG n.F., § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG n.F. i.V.m. §§ 157 ff. BewG, § 179 BewG auf 343.434 EUR festgestellt. Die genannten Vorschriften des GrEStG finden gemäß § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG n.F. in ihrer ab dem 06.11.2015 geltenden Fassung (StÄndG 2015) Anwendung, weil der Erwerbsvorgang, die Ausgliederung, nach dem 31.12.2008 verwirklicht wurde.
392. Die von der Klägerin angestrebte Auslegung des § 23 Abs. 14 GrEStG n.F. dahingehend, dass § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. i.V.m. §§ 138 ff. BewG auf den Streitfall Anwendung finden sollen, ist ausgeschlossen. Selbst wenn man entgegen der Auffassung des erkennenden Senats (vgl. nachfolgend Ziffer 3 der Entscheidungsgründe) davon ausgehen würde, dass § 23 Abs. 14 GrEStG n.F. verfassungswidrig wäre, wäre eine solche Auslegung nicht möglich. Eine (verfassungskonforme) Auslegung ist unzulässig, wenn sie in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers treten würdeoder der mögliche Wortsinn einer Vorschrift unmissverständlich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 02.03.2011 II R 23/10, BStBl. II 2011, 932, Rz. 84 m.w.N.; BFH-Urteil vom 22.04.2020 III R 61/18, BFH/NV 2021, 56). Im Wege der Auslegung darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (vgl. BFH-Urteil vom 14.12.2006 III R 27/03, BStBl. II 2007, 332; BVerfG-Beschluss vom 16.08.2001 1 BvL 6/01, NVwZ-RR 2002, 117).
40Eine solche Situation würde aber eintreten, wenn § 23 Abs. 14 GrEStG n.F. dahingehend ausgelegt würde, dass die alte Rechtslage im Streitfall weiterhin zur Anwendung kommen würde. Der Gesetzgeber des StÄndG 2015 wollte durch die Änderung des § 8 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GrEStG sowie durch die Neueinführung von § 23 Abs. 14 GrEStG die Vorgaben des BVerfG in dessen Beschluss vom 23.06.2015 (1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871) umsetzen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 18/6094, S. 2, 86 f.) und hat dies auch getan. Der Tenor dieses BVerfG-Beschlusses sieht eine Frist bis zum 30.06.2016 vor, innerhalb derer der Gesetzgeber rückwirkend zum 01.01.2009 eine Neuregelung zu treffen hat. Die vom BVerfG ausgesprochene Fortgeltungsanordnung für die als verfassungswidrig erkannte Norm alter Fassung (§ 8 Abs. 2 GrEStG a.F.) ist befristet bis zum 31.12.2008. In den Gründen seines Beschlusses hat das BVerfG erläutert, dass höchstwahrscheinlich eine Höherbewertung des Grundbesitzes durch den Gesetzgeber zu erwarten sei, für eine Weitergeltungsanordnung ab dem 1.1.2009 aber keine Rechtfertigung bestehe (BVerfG-Beschluss vom 23.06.2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871, Rz. 91f.).
41Letztlich würde die von der Klägerin angestrebte Auslegung des § 23 Abs. 14 GrEStG n.F. auch die Entscheidungsgewalt des FG überschreiten, weil sie im Ergebnis zu einer Weitergeltung verfassungswidrigen Rechts führen würde. Die Befugnis für eine Weitergeltungsanordnung verfassungswidrigen Rechts kommt, wie die Verwerfungskompetenz nach Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 80 Abs. 1, 31, 35 BVerfGG, nur dem BVerfG zu (BFH-Urteil vom 27.05.2020 II R 38/18, BFHE 269, 352).
423. Der Senat ist darüber hinaus nicht davon überzeugt, dass die in § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG n.F. angeordnete Anwendung der neuen Bewertungsregelungen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG n.F. i.V.m. §§ 157 ff. BewG, § 179 BewG) auf alle Erwerbsvorgänge ab dem 1.1.2009 verfassungswidrig ist, weder im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Rückwirkungsverbot), noch im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Aus diesem Grunde war das Verfahren nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und keine Entscheidung des BVerfG einzuholen.
43a. Das Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, ist nicht verletzt. Es liegt zwar eine echte Rückwirkung vor – das ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig –, aber diese Rückwirkung ist ausnahmsweise zulässig.
44aa. Eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung ist gegeben, wenn die belastende Rechtsfolge einer Rechtsnorm schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"; vgl. BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, 16 f; BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 12.11.2015, 1 BvR 2961/14, WM 2016, 93). Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm hingegen erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“), liegt eine unechte Rückwirkung vor, die grundsätzlich zulässig ist (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfG-Beschluss vom 10.02.2021, 2 BvL 8/19, juris).
45Die maßgebliche Rechtsfolge steuerrechtlicher Normen ist das Entstehen der Steuerschuld. Im Sachbereich des Steuerrechts liegt eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) daher nur dann vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, m.w.N.).
46Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall entfaltet § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG in der Fassung des StÄndG 2015 eine echte Rückwirkung. Denn gemäß § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG wirkt die am 06.11.2015 in Kraft getretene Vorschrift des § 8 Abs. 2 GrEStG zurück auf alle Erwerbsvorgänge, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht wurden und für die vor dem 06.11.2015 noch keine Steuer- bzw. Feststellungsbescheide ergangen sind (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Für den am 25.09.2015 mit der Handelsregistereintragung des Notarvertrags vom 26.08.2015 (Ausgliederung des operativen Betriebes der F. Kraftwerke GmbH auf die Klägerin) verwirklichten Erwerbsvorgang i.S. des § 1 GrEStG waren vor dem 06.11.2015 für Zwecke der Grunderwerbsteuer keine Steuer- bzw. Feststellungsbescheide ergangen.
47bb. Diese echte Rückwirkung ist ausnahmsweise zulässig.
48Die im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes stehen zwar Gesetzen mit echter Rückwirkung grundsätzlich entgegen. Aber auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestehen von diesem grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze Ausnahmen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08, BVerfG 135, 1).
49So findet das Rückwirkungsverbot im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war. Bei den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten, nicht abschließend definierten Fallgruppen handelt es sich um Typisierungen ausnahmsweise fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage. Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, m.w.N.).
50Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen ist gegeben, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten. Der Vertrauensschutz muss zurücktreten, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung erfordern, wenn der Bürger sich nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durfte oder wenn durch die sachlich begründete rückwirkende Gesetzesänderung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, m.w.N.). So kommt Vertrauensschutz nicht in Betracht, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste, und insbesondere auch dann nicht, wenn das bisherige Recht in einem Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden. Mit der Aufgabe des Gesetzgebers, eine sachgerechte Lösung zu finden und dadurch dem Rechtsfrieden zu dienen, wäre es unvereinbar, wollte man ihm verbieten, systemwidrige und unbillige, erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln begegnende Regelungen durch sachgemäße Vorschriften zu ersetzen (vgl. bereits BVerfG-Beschluss vom 14.11.1961, 2 BvR 345/60, BVerfGE 13, 215).
51Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hatte die Klägerin kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Weitergeltung der alten verfassungswidrigen Rechtslage. Denn bei objektiver Betrachtung war die bisherige Regelung nicht geeignet, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen. Das bisherige Recht, d. h. die Bewertung anhand der Vorschriften des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG a.F. i.V.m. §§ 138 ff. BewG, war in einem so hohen Maße systemwidrig und unbillig, dass jedenfalls in dem Zeitpunkt, auf den sich die Rückwirkung bezog (01.01.2009, vgl. § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG), ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der alten Bewertungsvorschriften bestanden. Der Senat schließt sich insofern den Ausführungen des BVerfG in dessen Beschluss vom 23.06.2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, Rz. 91 f., an. Danach standen seit dem Beschluss des BVerfG vom 07.11.2006 (1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1), der die Bewertungsregelungen im Anwendungszusammenhang mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer betraf, die darin beanstandeten Bewertungsmängel der §§ 138 ff. BewG eindeutig fest. Es handelte sich dabei um dieselben Vorschriften wie für den Bereich der Grunderwerbsteuer. Dementsprechend musste den Steuerpflichtigen nach diesem Beschluss klar sein, dass die als verfassungswidrig erkannten erheblichen Ungleichheiten in der Bewertung mit großer Wahrscheinlichkeit auch für Zwecke der Grunderwerbsteuer zu verfassungswidrigen Bewertungen führten. Allenfalls durften die Steuerpflichtigen – worüber im Streitfall jedoch nicht zu befinden ist – auf eine Fortgeltung der §§ 138 ff. BewG bis zum 31.12.2008 vertrauen, nachdem das BVerfG in seiner Entscheidung vom 07.11.2006 (1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1), eine Weitergeltungsanordnung bis zum 31.12.2008 ausgesprochen hatte. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 23.06.2015 (1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, Rz.. 91 f.) ausdrücklich geäußert, dass der Gesetzgeber angesichts der festgestellten Mängel höchstwahrscheinlich eine Höherbewertung des Grundbesitzes einführen werde, und die Anwendung dieser Vorschriften für den Zeitraum vor Ergehen des Beschlusses, soweit nicht nach einfachgesetzlichem Recht unzulässig, als grundsätzlich unproblematisch erachtet, weil die Steuerpflichtigen sich darauf einstellen könnten, dass sie nach der Neuregelung für die seit dem 01.01.2009 getätigten grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgänge aller Voraussicht nach herangezogen bleiben würden.
52Auch die Klägerin kann als Steuerpflichtige kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Weitergeltung der alten verfassungswidrigen Rechtslage für sich in Anspruch nehmen. Zusätzlich zu den vorstehenden Erwägungen, die alle Steuerpflichtigen betreffen und die sich die Klägerin uneingeschränkt entgegenhalten lassen muss, hat sie auch unter den besonderen Umständen des Streitfalls kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der alten verfassungswidrigen Rechtslage erworben. Soweit die Klägerin dabei auf die durch das BVerfG zur unechten Rückwirkung entwickelten Vertrauensschutztatbestände (BVerfG-Beschlüsse vom 07.07.2010, 2 BvL 14/02 u. a., BVerfGE 127, 1, und 2 BvR 748/05, BVerfGE 127, 61, sowie 2 BvL 1/03, BVerfGE 127, 31) hinweist, die erst recht bei einer echten Rückwirkung zu beachten seien, trifft dies zwar grundsätzlich zu. Jedoch sind diese Grundsätze vom BVerfG für Fälle herausgearbeitet worden, in denen eine verfassungskonforme Regelung zu Lasten der Steuerpflichtigen geändert wurde. Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer verfassungswidrigen Gesetzeslage. Jedenfalls besteht aber im Streitfall unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in die alte Rechtslage. Denn am 26.08.2015, als sie den notariellen Vertrag über die Ausgliederung abschloss, war die ausführliche Pressemitteilung des BVerfG (Nr. 55/2015) vom 17.07.2015 zu dessen Beschluss vom 23.06.2015 (1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11) bereits seit mehr als einem Monat veröffentlicht. Aus ihrem Abschnitt 3 geht ausdrücklich hervor, dass die mit dem Grundgesetz unvereinbare Regelung des § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. („Ersatzbemessungsgrundlage“) ab dem 01.01.2009 nicht mehr anwendbar und vom Gesetzgeber durch eine Neuregelung zu ersetzen war. Der Senat verkennt nicht, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Erwerbsvorgang um eine lediglich vorbereitende Maßnahme im Rahmen eines sehr großen und ebenso komplexen Umstrukturierungsvorganges gehandelt hat. Bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages vom 26.08.2015 war der grunderwerbsteuerlich relevante Vorgang aber rechtlich noch zu stoppen. Dass im Zeitpunkt der Antragstellung auf verbindliche Auskunft am 17.07.2015 alle Verträge vorbereitet waren und sich aus der Warte der Klägerin die nachfolgenden Akte als reine Umsetzung des vorab minutiös Geplanten darstellten, ändert daran nichts. Abgesehen davon, dass sich der Antrag auf verbindliche Auskunft nicht auf Fragestellungen aus dem Bereich der Grunderwerbsteuer bezog, entfaltet eine verbindliche Auskunft i.S. des § 89 Abs. 2 AO, auch wenn vorab umfangreiche Abstimmungen mit den zuständigen Behörden erfolgt sind, erst ab dem Zeitpunkt Bindungswirkung, in dem sie erteilt wird.
53Im Übrigen kann nach Auffassung des Senats auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass bereits bei der Planung der Umstrukturierungsmaßnahmen durch die Klägerin ausweislich der Vorlagebeschlüsse des BFH vom 02.03.2011 (II R 23/10, BStBl. II 2011, 932; II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009) in Zusammenschau mit der Entscheidung des BVerfG vom 07.11.2006 (1 BvL 10/02, BVerfGE 117,1) offenbar war, dass die Bewertung von Grundbesitz für Zwecke der Grunderwerbsteuer nicht unerheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln begegnete.
54b. Die durch § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG vorgesehene Anwendung des § 8 Abs. 2 GrEStG n.F. i. V. m. §§ 151, 157 ff. BewG auf Erwerbsvorgänge ab dem 01.01.2009 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
55Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BVerfG-Beschluss vom 21.06.2006,2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, m.w.N.). Eine Norm verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn durch sie eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG-Beschluss vom 07.05.2013, 2 BvR 909/06, BVerfGE 133, 377).
56Durch § 23 Abs. 14 Sätze 1 und 2 GrEStG werden nach dem 31.12.2008 realisierte Erwerbsvorgänge hinsichtlich der zugrunde zu legenden Bewertungsvorschriften unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob vor dem 06.11.2015 bereits ein Steuer- oder Feststellungsbescheid ergangen ist, der nicht nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden kann.
57Diese Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt, weil hinreichend gewichtige Differenzierungsgründe vorliegen. Die Vergleichsgruppen unterscheiden sich dadurch, dass in der einen zum Stichtag 06.11.2015 bereits eine Einzelfallregelung mit gesteigerter materieller Bestandskraft (keine Änderungsmöglichkeit nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO) auf Basis der alten Rechtslage vorlag, d.h. ein durch einen Verwaltungsakt im Einzelfall geschaffener Vertrauenstatbestand. Demgegenüber fehlt in der zweiten Vergleichsgruppe dieser gesteigerte Vertrauenstatbestand.
58Im Bereich des Steuerrechts steht dem Gesetzgeber grundsätzlich die Befugnis zur Vereinfachung und Typisierung zu. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf der Gesetzgeber grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen. Eine typisierende Gruppenbildung liegt zudem nur vor, wenn die tatsächlichen Anknüpfungspunkte im Normzweck angelegt sind.
59Die Vorteile der Typisierung müssen im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Der gesetzgeberische Spielraum für Typisierungen ist umso enger, je dichter die verfassungsrechtlichen Vorgaben außerhalb des Art. 3 Abs. 1 GG sind (BVerfG-Beschluss vom 07.05.2013, 2 BvR 909/06, BVerfGE 133, 377, m.w.N.).
60Der Gesetzgeber des StÄndG verfolgte mit der Einführung des § 23 Abs. 14 GrEStG das legitime Ziel, den BVerfG-Beschluss vom 23.06.2015 (1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871) umzusetzen, welcher ihn zu einer Neuregelung der Ersatzbemessungsgrundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. den bewertungsrechtlichen Vorschriften ab dem 01.01.2009 verpflichtete. In der Umsetzung dieses Zieles durch § 23 Abs. 14 GrEStG hat er sich im Rahmen seines weiten Spielraums bei der Ausgestaltung eines rechtsstaatlichen und zugleich praktikablen Besteuerungsverfahrens bewegt. In § 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG hat der Gesetzgeber eine generelle rückwirkende Geltungsanordnung für § 8 Abs. 2 GrEStG (und § 17 Abs. 3a GrEStG) zum 01.01.2009 getroffen. Die Regelung des § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG beruht darauf, dass, durch das System des Steuerverfahrensrechts vorgegeben, zu dem auch § 176 Abs. 1 Nr. 1 AO gehört, in bestimmten Fällen eine rückwirkende Änderung von Bescheiden wegen bereits eingetretener Bestandskraft nicht mehr möglich ist. Für diese Fälle, in denen feststeht, dass den nach der alten Rechtslage ergangenen Steuer- bzw. Feststellungsbescheiden wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 AO nicht die neue Rechtslage zugrunde gelegt werden kann, sieht § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG die Vollstreckbarkeit der Steuer vor, d.h. die Vorschrift verhindert, dass Lücken bei der Steuererhebung für grunderwerbsteuerliche Zwecke entstehen könnten. Auf diese Weise wird die rückwirkende Neuregelung in die vorhandene Regelungssystematik und die einfachgesetzlich verankerten Vertrauenstatbestände eingefügt.
61Der Gesetzgeber war vor dem Hintergrund von Art. 3 Abs. 1 GG nicht gehalten, weitere Sonderregelungen, insbesondere für Fälle wie den vorliegenden einzuführen, in denen der Erwerbsvorgang nach dem 01.01.2009 realisiert, aber bis zum 06.11.2015 kein Steuer- bzw. Feststellungsbescheid ergangen ist. Die vom BVerfG geforderte rückwirkende Neuregelung impliziert zwangsläufig, dass nach dem 01.01.2009 abgeschlossene Sachverhalte für Zwecke der Grunderwerbsteuer anders behandelt werden als vor der Neuregelung und dass der betroffene Steuerpflichtige in seinem Vertrauen auf den Fortbestand der alten Rechtslage enttäuscht ist. Anders als die Fälle des § 23 Abs. 14 Satz 2 GrEStG zeichnen sich die wie der Streitfall gelagerten Fälle aber nicht durch einen gesteigerten Vertrauenstatbestand aus, in dem der Staat, beispielsweise durch den Erlass von Bescheiden, bereits das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Weitergeltung der alten Rechtslage mit Regelungswirkung bestätigt hätte. Im Übrigen war das einfache Vertrauen auf die Weitergeltung der alten verfassungswidrigen Rechtslage, wie in den vorstehenden Erwägungen zu Art. 20 Abs. 3 GG dargestellt, nicht schutzwürdig.
624. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
635. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt.
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