Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung eines sog. Kirchensteuererstattungsüberhanges gemäß § 10 Abs. 4b Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
3Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2015 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Mitglied der Evangelischen Kirche und die Klägerin Mitglied der Römisch-Katholischen Kirche. Der Kläger erzielte im Jahre 2013 u.a. einen Veräußerungsgewinn aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG in Höhe von rund X €, auf den das Teileinkünfteverfahren anzuwenden war. Der steuerpflichtige Teil betrug X €. Mit Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid für 2013 vom 00.00.2014 wurden u.a. evangelische Kirchensteuer in Höhe von X € und römisch-katholische Kirchensteuer in Höhe von X € als Vorauszahlungen für das Jahr 2013 nachträglich festgesetzt. Die Kirchensteuer-Vorauszahlungen wurden im Jahr 2014 vollständig gezahlt. Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 vom 00.00.2014 wurden neben der Einkommensteuer die evangelische und römisch-katholische Kirchensteuern in Höhe von insgesamt X € festgesetzt. Davon entfiel ein Betrag in Höhe von X € auf den Kläger und ein Betrag in Höhe von X € auf die Klägerin. Im Abrechnungsteil des Bescheides wurden die vorausgezahlten Beträge in Höhe von insgesamt X € von den nunmehr festgesetzten Kirchensteuern abgezogen, so dass es zu einer Kirchensteuer-Nachzahlung in Höhe von insgesamt X € kam. Die Frist zur Zahlung endete am 00.00.2015. Am 00.00.2016 erging ein geänderter Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013, der zu weiteren Steuernachzahlungen führte.
4Im Jahr 2014 erzielte der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb, nichtselbständiger Arbeit und Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt rund X €. Die Klägerin erzielte im Jahr 2014 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von rund X €. Die im Jahr 2014 für den Veranlagungszeitraum 2013 gezahlten Kirchensteuern in Höhe von rund X € wurden im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 2014 als Sonderausgabe vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen. Da der Gesamtbetrag der Einkünfte niedriger war als der Betrag der gezahlten Kirchensteuern, ergab sich ein negatives zu versteuerndes Einkommen in Höhe von X €. Die festgesetzte Einkommensteuer für das Jahr 2014 betrug 0,00 €.
5Mit Schreiben vom 00.00.2015 teilte die Gemeinsame Kirchensteuerstelle für die Evangelische Kirche dem Beklagten mit, dass den Klägern im Kalenderjahr 2015 evangelische Kirchensteuer in Höhe von X € erstattet worden sei. Ausweislich der Bescheinigung bezog sich die Kirchensteuerzahlung auf den Veranlagungszeitraum 2013 und den Steuerbescheid vom 00.00.2014. Mit Schreiben vom 00.00.2015 teilte das Bischöfliche Generalvikariat dem Beklagten mit, dass den Klägern im Kalenderjahr 2015 ein Teilbetrag der mit Steuerbescheid des Beklagten vom 00.00.2014 für 2013 festgesetzten römisch-katholischen Kirchensteuer in Höhe von X € im Billigkeitswege erlassen und erstattet worden sei (zusammen insgesamt: X €).
6Die tatsächlichen Kirchensteuererstattungen betrugen nach dem Vortrag der Kläger in der Klagebegründung vom 29.08.2017 und nach dem Vortrag des Beklagten in der Einspruchsentscheidung vom 06.06.2017 für den Kläger X € und für die Klägerin X € (insgesamt: X €).
7Am 00.00.2016 erließ der Beklagte für den Veranlagungszeitraum 2015 einen Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid. In seiner Berechnung für Vorauszahlungszwecke berücksichtigte er gezahlte Kirchensteuern in Höhe von X € als Sonderausgaben sowie erstattete Kirchensteuern in Höhe von X €. Von den gezahlten Kirchensteuern in Höhe von X € zog der Beklagte einen Betrag in derselben Höhe ab, so dass sich insoweit ein Betrag in Höhe von 0,00 € ergab. Weiter setzte der Beklagte in seiner Berechnung einen Hinzurechnungsbetrag in Höhe von X € steuererhöhend an. Hierbei handelt es sich um die Differenz zwischen den erstatteten Kirchensteuern in Höhe von X € und den bereits in Abzug gebrachten Kirchensteuern in Höhe von X €. Der Beklagte ermittelte ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von insgesamt X € und setzte die Vorauszahlungen für das abgelaufene Kalenderjahr wie folgt fest:
8Einkommen- steuer |
Kirchensteuer Ehemann |
Kirchensteuer Ehefrau |
Solidaritäts-zuschlag |
|
1. Kalendervierteljahr |
X € |
X € |
X € |
X € |
2. Kalendervierteljahr |
X € |
X € |
X € |
X € |
3. Kalendervierteljahr |
X € |
X € |
X € |
X € |
4. Kalendervierteljahr |
X € |
X € |
X € |
X € |
In den Erläuterungen zum Bescheid führte der Beklagte aus, die Festsetzung sei geboten gewesen, weil Kirchensteuern im Veranlagungszeitraum 2015 erlassen worden seien.
10Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 01.08.2016 Einspruch ein und stellten einen Erlassantrag bzw. Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung. Zur Begründung trugen sie vor, dass die Einbeziehung des Erstattungsüberhangs in den Gesamtbetrag der Einkünfte im vorliegenden Fall zu sachlich unbilligen Ergebnissen führe, da sich einerseits die Kirchensteuerzahlungen in 2014 aufgrund des hohen negativen zu versteuernden Einkommens (- X €) nicht voll im Rahmen des Sonderausgabenabzugs ausgewirkt hätten und andererseits die in 2014 zu viel gezahlten, jedoch erst in 2015 erstatteten Kirchensteuerbeträge im Erstattungsjahr nachbesteuert würden. Ein solches Ergebnis sei vom Gesetzgeber im Rahmen der Gesetzesänderung des § 10 EStG nicht gewollt gewesen. Die Erhebung von Einkommensteuer sei vorliegend unbillig. Mit weiterem Schreiben vom 21.11.2016 vertieften die steuerlich beratenen Kläger ihre Argumente und substantiierten ihren Vortrag. Zur weiteren Begründung legten die Kläger Berechnungen vor, aus denen sich die steuerlichen Auswirkungen – je nach Berücksichtigung der im Jahr 2015 zugeflossenen Kirchensteuererstattungen – in den Veranlagungszeiträumen 2014 und 2015 ergeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schreiben vom 01.08.2016 und vom 21.11.2016 nebst Anlagen verwiesen.
11Nachdem die Kläger am 00.00.2016 ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 beim Beklagten eingereicht hatten, erließ der Beklagte am 00.00.2016 den streitgegenständlichen Jahres-Einkommensteuerbescheid für 2015. Darin berücksichtigte der Beklagte „gezahlte Kirchensteuer“ in Höhe von X € als Sonderausgaben sowie „erstattete Kirchensteuer“ in Höhe von X €. Von der gezahlten Kirchensteuer in Höhe von X € zog der Beklagte einen Betrag in derselben Höhe ab, so dass sich insoweit ein Betrag in Höhe von 0,00 € ergab. Weiter setzte der Beklagte einen Hinzurechnungsbetrag („Erstattungsüberhang aus Kirchensteuern“) in Höhe von X € steuererhöhend an. Hierbei handelt es sich um die Differenz zwischen den erstatteten Kirchensteuern in Höhe von X € und den bereits in Abzug gebrachten Kirchensteuern in Höhe von X €. Der Beklagte ermittelte ein Einkommen in Höhe von X € und nach Abzug des Kinderfreibetrages ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von insgesamt X €. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Einkommensteuerbescheid vom 00.00.2016 Bezug genommen.
12Mit Einspruchsentscheidung vom 21.04.2017 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Diese Einspruchsentscheidung hob der Beklagte auf Antrag der Kläger am 16.05.2017 wieder auf.
13Mit Einspruchsentscheidung vom 06.06.2017 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger erneut als unbegründet zurück. Im Rubrum war der Streitgegenstand wie folgt bezeichnet: „Bescheid für 2015 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer sowie die gesonderte Feststellung des Zuwendungsvortrags nach § 10b Abs. 1 EStG auf den 31.12.2015“. In der Einspruchsentscheidung führte der Beklagte u.a. aus, dass der Bescheid den Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid vom 00.00.2016 ersetzt habe und zum Gegenstand des laufenden Rechtsbehelfsverfahrens geworden sei.
14In der Sache begründete der Beklagte seine Entscheidung damit, dass die ab dem Veranlagungszeitraum 2012 geltende gesetzliche Regelung des § 10 Abs. 4b Sätze 2 und 3 EStG eindeutig sei und dem Grundsatz des Zufluss- und Abflussprinzips nach § 11 EStG entspreche. Danach sei ein verbleibender Erstattungsüberhang dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen. Die im Gesetz verankerte Verrechnungsmethode sei unter systematischen Gesichtspunkte zu Gunsten und zu Lasten des Steuerpflichtigen belastungsneutral. Der Beklagte verweist insoweit auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 03.08.2016, Aktenzeichen X R 35/15, veröffentlicht in BFH/NV 2010, 1250. Weiter hätten die Kläger im Hinblick auf die hohe Steuerfestsetzung im Jahr 2014 einen Antrag auf Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen noch im Jahr 2013 stellen können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung vom 06.06.2017 Bezug genommen.
15Mit ihrer Klage wenden sich die Kläger weiter gegen die steuererhöhende Berücksichtigung des Erstattungsüberhanges im Streitjahr und begehren eine Korrektur der Rechtsfolge des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG im Wege der teleologischen Reduktion.
16Sie sind der Auffassung, die Vorschrift § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG sei entgegen ihrem Wortlaut im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass ein verbleibender Betrag des sich bei den Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG ergebenden Erstattungsüberhangs nur dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen sei, „soweit“ sich der Erstattungsüberhang im Zahlungsjahr beim Sonderausgabenabzug steuerlich ausgewirkt habe. Denn aus den Gesetzesmaterialien zum Steuervereinfachungsgesetz 2011 ergebe sich, dass der Gesetzgeber eine Steuervereinfachung gewollt habe, nicht aber – wie im Streitfall – eine Steuerverschärfung. Weiter erachte der Gesetzgeber eine Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs nur dann als angezeigt, wenn sich die in der Vergangenheit gezahlten Kirchensteuern im Sonderausgabenabzug tatsächlich ausgewirkt hätten. Der Gesetzgeber habe bei der Abfassung des Gesetzestextes unterstellt, dass sich der Erstattungsüberhang spiegelbildlich in der Vergangenheit, also im Zahlungsjahr, steuerlich ausgewirkt habe bzw. ausgewirkt haben müsse. Nur dann sei das alleinige Ziel der Gesetzesänderung, der Abbau unnötiger Bürokratie, erreicht, ohne dass damit gleichzeitig eine Steuerverschärfung verbunden sei. Ferner sei der Gesetzgeber vor Inkrafttreten des geänderten Gesetzes davon ausgegangen, dass mit der Gesetzesänderung Mindereinnahmen des Fiskus in Höhe von rund X € einhergehen würden. Es sei keine Rede davon gewesen, dass die Steuerpflichtigen mittels Neuregelung „zur Kasse gebeten werden“ sollten.
17An der ursprünglichen Argumentation, dass – wie nach alter Rechtslage – eine Verrechnung des streitrelevanten Erstattungsüberhangs mit gezahlter, bisher nicht verrechneter Kirchensteuer im Zahlungsjahr (hier: 2014) angezeigt sei, halten die Kläger nicht mehr fest.
18Soweit das Finanzgericht eine teleologische Reduktion der Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG ablehne, fordern die Kläger hilfsweise eine verfassungskonforme Rechtsfortbildung in ihrem Sinne und verweisen zur weiteren Begründung auf ein von ihnen eingeholtes Gutachten des Herrn Prof. Dr. R aus 2019, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
19Der Prozessbevollmächtigte der Kläger selbst trägt hierzu zusammenfassend vor, dass der BFH in seinen einschlägigen Entscheidungen die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG bisher nicht umfassend beurteilt habe. Vielmehr seien die Ausführungen des BFH zu der Frage, ob die Vorschrift gegen die Verfassung verstoße, sehr kurz gehalten. Es sei bisher nicht den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgestellten Prüfungsanforderungen entsprechend ausgeführt worden, ob eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) durch einen sachlich-materiellen Grund gerechtfertigt sei. Er sieht einen Zirkelschluss darin, die Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG – ohne eine Binnendifferenzierung vorzunehmen – aus „Gründen der formellen Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen“ als verfassungsgemäß anzusehen. Denn nach Auffassung der Kläger führe die Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen – wie im Streitfall – gerade erst zur tatsächlichen Ungleichbehandlung. Insoweit argumentieren die Kläger sinngemäß dahingehend, dass „Ungleiches“ auch „ungleich“ – und nicht gleich – zu behandeln sei.
20Zudem finden die Kläger, dass bei Anwendung der Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG eine Einzelfallprüfung angebracht sei. Nach Feststellung einer Ungleichbehandlung im Einzelfall sei in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden könne. Dabei stelle sich die Frage, welcher Maßstab für die Rechtfertigung gelte. In Betracht komme eine reine Willkürprüfung bis hin zu einer engeren Verhältnismäßigkeitsprüfung. Der BFH habe bei seinen Erwägungen bisher weder eine Einzelfallprüfung durchgeführt noch einbezogen, dass eine Vielzahl von Steuerpflichtigen durch die Gesetzesänderung benachteiligt seien. Weiter habe der Gesetzgeber eine ganz andere Gruppe von Steuerpflichtigen vor Augen gehabt und dabei übersehen, dass es eine weitere große Personengruppe gebe, die durch die Neuregelung unangemessen nachteilig belastet werde.
21Schließlich wehren sich die Kläger gegen den Vorhalt, sie hätten die Rechtsfolgen im Streitfall verhindern bzw. abmildern können, indem sie bereits in früheren Veranlagungsjahren Kirchensteuern hätten vorauszahlen können. Im Streitfall gehe es nicht darum, wie eine Steuerbelastung hätte vermieden werden können, sondern darum, ob die Anwendung des Gesetzes nach dessen Wortlaut verfassungskonform sei. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass die Kläger nur eingeschränkt auf den Abfluss der zu zahlenden Kirchensteuern und den Zufluss der erlassenen Kirchensteuern hätten einwirken können. Zudem sei die Erstattung der Kirchensteuern kein Ausdruck gesteigerter Leistungsfähigkeit und somit keine Einkunftsart, die besteuert werden dürfe. Diese Umstände seien bei der Frage, in welchem Umfang Kirchensteuererstattungen, die im Wege der Kirchensteuerkappung bzw. des Erlasses entstanden seien, das Einkommen erhöhen dürften, zu würdigen.
22Das Regelungssystem von Kirchensteuerzahlung (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) und Kirchensteuererstattung (§ 10 Abs. 4b Satz 3 EStG) weise letztlich eine einseitig profiskalisch hinkende Symmetrie auf. Diese könne weder durch das Prinzip der Abschnittsbesteuerung noch durch Vereinfachungsgedanken gerechtfertigt werden, da die Vereinfachung nicht zweifelsfrei gegeben sei und die mit der Typisierung einhergehenden Belastungsausschläge ohne Abmilderung als eine unverhältnismäßige Ungleichbehandlung anzusehen seien. Dieser verfassungswidrige Zustand könne durch Zulassung eines im gesonderten Verfahren festzustellenden Vortrags, des sog. „Kirchensteuerzahlungsüberhangs“, beseitigt werden. Dieses verfassungskonforme Ergebnis könne das Finanzgericht auch im Wege der verfassungskonformen Rechtsfortbildung in eigener Kompetenz verwirklichen.
23Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Kläger Bezug genommen.
24Die Kläger beantragen,
25den Einkommensteuersteuerbescheid für das Jahr 2015 vom 00.00.2016 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 06.06.2017 dahingehend zu ändern, dass dem Gesamtbetrag der Einkünfte kein Erstattungsüberhang aus Kirchensteuern hinzugerechnet und das zu versteuernde Einkommen auf X € herabgesetzt wird,
26hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
27Der Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Der Beklagte verbleibt bei seiner Auffassung und verweist zur Begründung auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung sowie auf den Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG.
30Das Verfahren hat zunächst im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren mit dem Aktenzeichen IX R 34/17 geruht.
31Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen.
32Der Senat hat die Sache am 07.07.2020 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
33E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
34A. Die zulässige Klage ist unbegründet.
35I. Sie betrifft die Einkommensteuerfestsetzung und nicht (mehr) die Einkommensteuer-Vorauszahlung für das Streitjahr. Der Einkommensteuerbescheid hat gemäß § 365 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO), darauf weist der Beklagte in der Einspruchsentscheidung ausdrücklich hin, den Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid ersetzt (vgl. Urteil des Finanzgerichts --FG-- Münster vom 17.01.2012 1 K 1936/09 E, EFG 2012, 916; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 365 AO, Rz. 28).
36II. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 vom 00.00.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 06.06.2017 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
37Zu Recht hat der Beklagte den Kirchensteuererstattungsüberhang in Höhe von X € mit den Kirchensteuerzahlungen im Streitjahr verrechnet und die die Zahlungen übersteigenden Erstattungsbeträge als „negative Sonderausgaben“ berücksichtigt mit der Folge, dass sich das Einkommen erhöhte.
381. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG sind erfüllt. Danach ist ein verbleibender Betrag des sich bei den Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG ergebenden Erstattungsüberhangs dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen.
39Bei Anwendung der Vorschrift ihrem Wortlaut nach ist im vorliegenden Streitfall im Streitjahr dem Gesamtbetrag der Einkünfte ein Betrag in Höhe von X € hinzuzurechnen. Denn im Streitjahr wurden den Klägern Kirchensteuern i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG in Höhe von insgesamt X € (= X € + X €) im Billigkeitswege erlassen und erstattet. Da die Kläger im Streitjahr Kirchensteuern in Höhe von X €, die als Sonderausgaben berücksichtigt wurden, gezahlt hatten, ergab sich nach Saldierung der geleisteten mit den erstatteten Kirchensteuern ein sog. Erstattungsüberhang in Höhe von X €. Die Berücksichtigung des Hinzurechnungsbetrages führt nach den Berechnungen der Kläger im Streitfall im Vergleich zu einer Nichtberücksichtigung zu einer steuerlichen „Mehrbelastung“ in Höhe von ca. X € und bei Einbeziehung der „Mindersteuer“ aus 2014 zu einer „Mehrbelastung“ in Höhe von X €.
40Dass der Wortlaut der Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG die steuererhöhende Berücksichtigung des streitrelevanten Kirchensteuererstattungsüberhangs im Streitjahr vorsieht, stellen die Kläger nicht in Frage. Sie begehren jedoch eine Korrektur dieser gesetzlichen Rechtsfolge im Wege der teleologischen Reduktion.
412. Auf die steuererhöhende Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs als Rechtsfolge des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG kann – anders als die Kläger meinen – im Streitjahr als dem Jahr des Zuflusses nicht verzichtet werden.
42Eine Korrektur im Wege der teleologischen Reduktion ist abzulehnen (dazu b.).
43a. Ausgangslage ist die gesetzlich vorgesehene Verrechnung von Zahlungen und Erstattungen im Sonderausgabenbereich. Voraussetzung für eine solche Verrechnung ist nach der Rechtsprechung lediglich, dass es sich – wie im vorliegenden Streitfall – um gleichartige Sonderausgaben handelt. Die unterschiedlichen steuerlichen Auswirkungen der Sonderausgaben im Zahlungs- und Erstattungsjahr sind bei der Beurteilung der Gleichartigkeit unbeachtlich (BFH-Urteil vom 03.08.2016 X R 35/15, BFH/NV 2016, 1704). Zur alten Rechtslage hat der BFH bereits entschieden, dass die notwendige wirtschaftliche Belastung von als Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen sich wegen einer Erstattung erst in dem Jahr mindert, in dem sie dem Steuerpflichtigen tatsächlich dauerhaft zugeflossen ist. Dabei ist es unerheblich, auf welcher Rechtsgrundlage die Erstattung beruht und/oder ob sie materiell zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist (BFH in BFH/NV 2016, 1704; vgl. auch BFH-Urteile vom 26.11.2008 X R 24/08, BFH/NV 2009, 568, und vom 23.02.2005 XI R 68/03, BFH/NV 2005, 1304). Die Verrechnung im Erstattungsjahr hängt auch nicht davon ab, ob sie auch im Zahlungsjahr möglich gewesen wäre oder wie sich der Sonderausgabenabzug im Zahlungsjahr ausgewirkt hat (BFH-Beschluss vom 19.01.2010 X B 32/09, BFH/NV 2010, 1250).
44Gegen diese Rechtsgrundsätze wenden sich die Kläger im vorliegenden Fall auch nicht. Die Kläger sind mit einer Verrechnung der im Streitjahr gezahlten Kirchensteuer in Höhe von X € mit einem Teilbetrag der Kirchensteuererstattung in gleicher Höhe einverstanden. Vielmehr geht es ihnen um die steuerliche Behandlung des „Erstattungsüberhangs“ aus Kirchensteuern, der im angefochtenen Einkommensteuerbescheid in Höhe von X € ausgewiesen wird und sich im Zahlungsjahr (2014) steuerlich nicht ausgewirkt hat, da das zu versteuernde Einkommen durch die Kirchensteuerzahlungen negativ war (- X €).
45b. Eine teleologische Reduktion des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG – wie von den Klägern begehrt – dahingehend, dass die Vorschrift nur Anwendung finden soll, „soweit“ sich der Erstattungsüberhang im Zahlungsjahr beim Sonderausgabenabzug (hier: 2014) steuerlich ausgewirkt hat, schließt der Senat aus.
46aa. Eine teleologische Reduktion ist dann angezeigt, wenn eine wortlautgemäße Auslegung einer Vorschrift zu sinnwidrigen Ergebnissen führen würde und der Schluss gerechtfertigt ist, dass der gesetzgeberische Wille planwidrig umgesetzt wurde (vgl. BFH-Urteil vom 01.03.2005 VIII R 25/02, BFHE 209, 275, BStBl II 2005, 436). Dagegen ist es nicht Aufgabe einer teleologischen Reduktion, rechtspolitische Fehler zu korrigieren, d.h. das Gesetz zu verbessern, obwohl es sich – gemessen an seinem Zweck – noch nicht als planwidrig unvollständig oder zu weitgehend erweist (vgl. BFH-Urteile vom 20.03.2003 IV R 42/00, BFHE 202, 438, BStBl II 2003, 798; vom 13.07.1989 V R 110-112/84, BFHE 158, 157, BStBl II 1989, 1036; vom 24.01.1974 IV R 76/70, BFHE 111, 329, BStBl II 1974, 295).
47bb. Danach sind die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion im Streitfall nicht gegeben.
48Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, die Wiederaufrollung der Steuerfestsetzungen von Vorjahren zu vermeiden (vgl. BT-Drucks 17/5125 vom 21.03.2011, S. 37) und den Steuervollzug dadurch zu vereinfachen (vgl. BFH-Urteil vom 12.03.2019 IX R 34/17, BFHE 264, 201, BStBl II 2019, 658) wird auch dann erreicht, wenn – wie im Streitfall – die Kirchensteuererstattungen erheblich höher ausfallen als die im Jahr der Erstattung gezahlten Kirchensteuerbeträge. Die Rechtsfolge der vom Gesetzgeber eingeführten Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG kann gerade erst dann eintreten, wenn ein solcher Erstattungsüberhang entsteht. Der Gesetzgeber sieht den Bedarf der Vereinfachung gerade in den Fällen, in denen es zu einem sog. Erstattungsüberhang kommt.
49Bereits aus diesem Grund scheidet eine teleologische Reduktion der Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG – wie von den Klägern begehrt – aus, da sie dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspräche.
50cc. Es ist den Gesetzesmaterialien auch nicht positiv zu entnehmen, dass der Gesetzgeber auf die steuerliche Berücksichtigung eines Erstattungsüberhangs verzichten will, soweit sich in den Vorjahren die gezahlte Kirchensteuer nicht steuerlich ausgewirkt hat.
51Es entspricht dem Zweck der Vorschrift, nicht zu rechtfertigende Steuervorteile zu verhindern. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH dürfen Sonderausgaben nur berücksichtigt werden, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist (vgl. z.B. BFH in BFH/NV 2016, 1704; BFH-Urteile vom 07.07.2004 XI R 10/04, BFHE 207, 28, BStBl II 2004, 1058; vom 28.05.1998 X R 7/96, BFHE 186, 521, BStBl II 1999, 95, m.w.N.; vom 24.04.2002 XI R 40/01, BFHE 199, 167, BStBl II 2002, 569). An einer endgültigen Belastung fehlt es, wenn Sonderausgaben erstattet werden. Das gilt auch, wenn erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums geklärt wird, ob Sonderausgaben erstattet werden. Steuervorteilte können entstehen, wenn im Erstattungsjahr keine gleichartigen Sonderausgaben (hier: Kirchensteuern) angefallen sind und Sonderausgabenerstattungen, die somit nicht verrechnet werden können, unbesteuert bleiben (vgl. BFH in BFHE 207, 28, BStBl II 2004, 1058, und in BFHE 181, 144, BStBl II 1996, 646. Dasselbe gilt, wenn im Erstattungsjahr die gezahlten (gleichartigen) Sonderausgaben niedriger sind als die Erstattung. Auch in diesen Fällen fehlt es an einer endgültigen wirtschaftlichen Belastung im Zahlungsjahr (BFH in BFHE 207, 28, BStBl II 2004, 1058). Der oben genannte Zweck – Beschränkung der Sonderausgaben auf die endgültige Belastung – wird gemäß § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG dadurch erreicht, dass Kirchensteuererstattungen, die im Erstattungsjahr nicht mit gleichartigen Zahlungen ausgeglichen werden können, wie negative Sonderausgaben zu behandeln sind (vgl. Jachmann-Michel, jurisPR SteuerR 38/2019 Anmerkung zum BFH-Urteil vom 23.09.2019 IX R 34/17, BFHE 264, 201, BStBl II 2019, 658).
52Aus dem Ziel und Zweck, Steuervorteile zu verhindern, kann nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass Steuernachteile ebenfalls nicht gewollt sind. Bei einem solchen Schluss handelt es sich noch nicht einmal um einen Umkehrschluss, sondern vielmehr um eine Erweiterung des Gesetzeszwecks.
53dd. Soweit die Kläger auf die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung verweisen, wonach eine „Hinzurechnung angezeigt ist, da sich in der Vergangenheit gezahlte Kirchensteuern im Sonderausgabenabzug ausgewirkt haben“ (BT-Drucks 17/5125 vom 21.03.2011, S. 37), und weiter daraus folgern, dass der Gesetzgeber eine Hinzurechnung eben nur dann wolle, wenn bzw. soweit sich der Erstattungsüberhang im Zahlungsjahr steuerlich über den Sonderausgabenabzug ausgewirkt hat, schließt sich der erkennende Senat dieser Argumentation nicht an.
54Denn mit seiner Formulierung ordnet der Gesetzgeber die „gezahlte Kirchensteuer im Sonderausgabenabzug“ nicht einem einzelnen oder bestimmten Zahlungsjahr in der Vergangenheit zu, sondern spricht lediglich allgemein von „der Vergangenheit“. Die Formulierung könnte daher – wofür es indes ebenso wenig Anhaltspunkte gibt wie für die von den Klägern befürwortete Auslegung – auch dahingehend ausgelegt werden, dass bei der Beurteilung der Auswirkung in der Vergangenheit sämtliche vergangene Veranlagungsjahre, in denen sich jemals Kirchensteuerzahlungen steuerlich ausgewirkt haben, einzubeziehen sind. Die Kläger betrachten vorliegend insoweit ausschließlich das Zahlungsjahr 2014, in dem sich mehr als die Hälfte der gezahlten Kirchensteuern nicht steuerlich ausgewirkt hat. Eine Berücksichtigung der Erstattungen im Zuflussjahr ist im vorliegenden Streitfall – wie auch übertragen auf andere Fälle – jedoch zur Kompensation aller gezahlten Kirchensteuerbeträge, die sich als Sonderausgaben steuerlich in der Vergangenheit ausgewirkt haben, geeignet. Es ist dabei unerheblich, auf welcher Rechtsgrundlage die Erstattung beruht und/oder ob sie materiell zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist (vgl. BFH in BFH/NV 2016, 1704 m.w.N.; BFH in BFHE 207, 28, BStBl II 2004, 1058).
55Eine solche Auslegung würde der Gesetzesbegründung zumindest nicht widersprechen. Denn in der Begründung findet sich die Formulierung: „Übersteigen die vom Steuerpflichtigen erhaltenen Erstattungen die entsprechenden geleisteten Aufwendungen, sind die Aufwendungen insoweit mit Null anzusetzen, und es ergibt sich ein Erstattungsüberhang“. Mit dieser Formulierung sollte lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass die Aufwendungen und Erstattungen sich auf dasselbe Jahr, in dem die Verrechnung erfolgt, beziehen und „gleichartig“ sind (vgl. BFH in BFH/NV 2016, 1704 unter II.1. b. ee.). Soweit die Gesetzesbegründung – worauf die Kläger zutreffend hinweisen – im Bereich der Vorsorgeaufwendungen bei einem verbleibenden Erstattungsüberhang weiterhin von einer Anwendung des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO und einer Berücksichtigung im (bestimmten) Zahlungsjahr „der entsprechenden Aufwendungen“ ausgeht, steht dies dem oben Gesagten nicht entgegen. Denn die unterschiedliche Behandlung der Sonderausgaben (Vorsorgeaufwendungen einerseits und Kirchensteuer andererseits) sowie die Differenzierung in den Rechtsfolgen beruht darauf, dass die Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3a EStG, die von § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG nicht erfasst werden, nur begrenzt mit Höchstbeträgen als Sonderausgaben abziehbar sind, während Kirchensteuer (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) grundsätzlich in vollem Umfang als Sonderausgabe abziehbar ist (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 05.12.2019 14 K 3341/15 E, EFG 2020, 352 m.w.N.).
56ee. Schließlich wurden im Streitfall die im Jahr 2014 gezahlten Kirchensteuern in Höhe von insgesamt rund X € im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 00.00.2016 bei den Sonderausgaben in vollem Umfang in Abzug gebracht. Jedoch hat sich der Abzug steuerlich nicht in vollem Umfang steuermindernd ausgewirkt, weil der Gesamtbetrag der Einkünfte lediglich X € betrug. Die Einkommensteuer wurde auf 0,00 € festgesetzt. Das zu versteuernde Einkommen hätte ohne Ansatz der im Jahr 2014 gezahlten Kirchensteuern X € betragen. Damit hat sich die Kirchensteuerzahlung zumindest teilweise steuerlich ausgewirkt. Dieses Ergebnis wird von der Begründung des Gesetzes gedeckt.
57III. Der Senat teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger im Ergebnis nicht.
58Zwar werden nach Auffassung des Gerichts die Kläger bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation gegenüber Steuerpflichtigen, die nur über regelmäßige, nicht stark schwankende Einkünfte verfügen, benachteiligt (dazu 1. und 2.). § 10 Abs. 4b Satz 3 ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art 3 Abs. 1 GG jedoch vereinbar, da an den Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung keine erhöhten Anforderungen zu stellen sind (dazu 3.a.) und ein hinreichender Rechtfertigungsgrund in der Vereinfachung des Steuervollzugs zu sehen ist (dazu 3.b.).
591. Die Kläger rügen in nachvollziehbarer Weise, dass das Regelungssystem der Berücksichtigung der Kirchensteuerzahlung nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG und der Kirchensteuererstattung nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG eine einseitig profiskalisch hinkende Symmetrie aufweise. Kirchensteuerzahlungen sind nach § 2 Abs. 4 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Sie könnten daher die Bemessungsgrundlage nur mindern, wenn überhaupt ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte bestehe. Erstattungsüberhänge könnten sich hingegen sowohl bei einem positiven als auch bei einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte steuererhöhend bzw. steuerbegründend auswirken. Nur in dem besonderen Ausnahmefall eines hohen negativen Gesamtbetrags der Einkünfte könne sich die Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs nicht auswirken. Abgesehen von diesem Ausnahmefall werde der potentielle Steuervorteil in der Vergangenheit damit systembedingt zu Lasten des Steuerpflichtigen überkompensiert. Die Asymmetrie sei darin begründet, dass Kirchensteuererstattungen sich unbegrenzt steuererhöhend auswirken könnten, während Kirchensteuerzahlungen nur durch den Gesamtbetrag der Einkünfte betragsmäßig begrenzt absetzbar seien.
60Auf den vorliegenden Streitfall als zu prüfenden Einzelfall bezogen weisen die Kläger darauf hin, dass die Anwendung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG zu einer krassen Überkompensation zu Lasten der Kläger geführt habe. Hierin könne – wie der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – ein vom Gesetzgeber nicht gewollter „Schaden“ zu sehen sein, der vorliegend besonders hoch ausfalle, weil der Kläger im Jahr 2013 einen ungewöhnlich hohen steuerrelevanten Veräußerungsgewinn erzielt habe (rund X €), und entsprechend hohe Kirchensteuern (rund X €) festgesetzt und gezahlt worden seien, was im Ergebnis zu einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von rund X € ohne steuerliche Auswirkung geführt habe.
61In dieser Sachverhaltskonstellation sei eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zu sehen, weil eine Überkompensation im Erstattungsjahr wie im Streitfall auch andere Personen mit stark schwankenden Einkünften, also insbesondere mit Einkünften aus selbstständiger Arbeit und Gewerbebetrieb treffe. Gerade bei dieser Gruppe trete im Falle der Veräußerung oder Aufgabe der Einkunftsquelle eine Zusammenballung von Einkünften auf. Mithin sei diese Gruppe von den Wirkungen des Erstattungsüberhangs durch gravierende Steuerbelastungen besonders betroffen.
622. Dieser Betrachtungsweise schließt sich der erkennende Senat insoweit an, als im Streitfall eine Ungleichbehandlung bei Anwendung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG zu Tage tritt.
63a. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.
64aa. Der allgemeine Gleichheitssatz bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit und das Gebot, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. In Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet er den Staat, das Einkommen des Bürgers jedenfalls insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 19.11.2019 2 BvL 22/14 bis 27/14, DStR 2020, 93, Juris). Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (z.B. BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 110, 412 <431>; 116, 164 <180>; 122, 210 <230>; 126, 268 <277>; 145, 106 <141 f. Rn. 98>; 148, 147 <183 Rn. 94>).
65bb. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 105, 73 <111>; 107, 27 <45 f.>; 112, 268 <279>; 122, 210 <230>; 126, 268 <277>; 133, 377 <407 Rn. 74>; 138, 136 <180 Rn. 121>; 145, 106 <142 Rn. 98>). Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 110, 274 <291>; 112, 164 <174>; 116, 164 <180>; 122, 210 <230>; 126, 268 <277>; 133, 377 <407 Rn. 74>; 138, 136 <180 f. Rn. 121 f.>; 141, 1 <38 f. Rn. 93>; 145, 106 <142 Rn. 98>; 148, 147 <184 Rn. 94 f.>). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 124, 199 <220>; 129, 49 <68>; 130, 240 <253>; 132, 179 <188 Rn. 30>; 133, 59 <86 Rn. 72>; 135, 126 <143 Rn. 52>; 141, 1 <38 Rn. 93>; 145, 106 <142 Rn. 98>; 148, 147 <183 f. Rn. 94>). Die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen steigen bis hin zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung, insbesondere wenn und soweit sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (vgl. BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 122, 210 <230>; 126, 268 <277>; 138, 136 <181 Rn. 122>; 139, 285 <309 Rn. 71>; 141, 1 <39 Rn. 94>; 145, 106 <145 Rn. 105>; 148, 147 <184 Rn. 95>).
66cc. Art. 3 Abs. 1 GG bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der gebietet, die Belastung mit Finanzzwecksteuern an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten (BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 137, 350 <367 Rn. 43>; 148, 217 <244 Rn. 106>). Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen hin angelegt ist (BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 43, 108 <120>; 61, 319 <343 f.>; 66, 214 <223>; 82, 60 <86>; 89, 346 <352>; 127, 224 <248>; 145, 106 <142 f. Rn. 99>).
67dd. Bei der Auswahl des Steuergegenstandes belässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum (BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 127, 1 <27>; 139, 285 <309 Rn. 72>; 145, 106 <143 f. Rn. 102>; 148, 147 <184 f. Rn. 96>). Unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung der betroffenen Steuerpflichtigen muss die Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes folgerichtig im Sinne von belastungsgleich erfolgen (BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 84, 239 <271>; 93, 121 <136>; 99, 88 <95>; 99, 280 <290>). Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung (folgerichtigen Umsetzung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes) bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 105, 73 <125>; 137, 350 <366 Rn. 41>; 138, 136 <181 Rn. 123>; 141, 1 <40 Rn. 96>; 145, 106 <144 Rn. 104>; 148, 147 <184 Rn. 96>; ständige Rechtsprechung).
68b. Nach diesen Maßstäben ergibt sich aus § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG eine Ungleichbehandlung. Denn die Regelung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG bewirkt, dass Steuerpflichtige, die über schwankende oder unregelmäßige, außerordentliche Einkünfte verfügen, gegenüber Steuerpflichtigen, die über regemäßige, nicht oder gering schwankende Einkünfte wie z.B. Lohn verfügen, benachteiligt sein können, wie der vorliegende Fall zeigt. Die an das Einkommen anknüpfende Kirchensteuer fällt in der zuerst genannten Gruppe im Jahr des Zuflusses der außerordentlich hohen Einkünfte ebenfalls hoch aus, während die Kirchensteuer in den Vorjahren bzw. nachfolgenden Veranlagungsjahren in der Regel geringer ausfällt. Dies kann im Falle einer zeitversetzten Kirchensteuerkappung aufgrund der Anwendung des Zufluss-/Abflussprinzips im Sonderausgabenbereich sowie aufgrund der geltenden Abschnittsbesteuerung Ergebnisse wie im Streitfall zur Folge haben, während ein solches Ergebnis bei der zuletzt genannten Gruppe, für die die sog. Kirchenlohnsteuer erhoben wird (Arbeitsnehmer, die keine außergewöhnlichen Sonderlohnzahlungen erhalten), nicht oder nicht in dem Ausmaß wie bei der ersten Gruppe eintreten kann. Beim zuletzt genannten Personenkreis können Kirchensteuererstattungen mit gezahlter Kirchensteuer im Sonderausgabenbereich in der Regel entweder vollständig verrechnet werden, so dass sich die gezahlte Kirchensteuer steuerlich in vollem Umfang auswirkt, oder die Kirchensteuer hat sich bei einem Kirchensteuererstattungsüberhang in der Regel im Zahlungsjahr vollständig steuerlich ausgewirkt, weil ein positives zu versteuerndes Einkommen verblieb.
69§ 10 Abs. 4b Satz 3 EStG behandelt Steuerpflichtige mit unterschiedlichen Einkünften gleich. Dies führt dazu, dass Steuerpflichtige, die über schwankende oder unregelmäßige, außerordentliche Einkünfte verfügen, gegenüber Steuerpflichtigen, die über regemäßige, nicht oder gering schwankende Einkünfte wie z.B. Lohn verfügen, stärker belastet werden können.
70c. Von zumindest einer stärkeren Belastung bestimmter Steuerpflichtiger geht auch der BFH aus, hält jedoch § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG aufgrund der „Belastungsneutralität“ für verfassungsgemäß (vgl. BFH in BFHE 264, 201, BStBl II 2019, 658). Zur früheren Rechtslage hat der BFH bereits entschieden, dass es für die Gegenrechnung der Erstattung nicht darauf ankommt, ob sich die erstatteten Beträge im Zahlungsjahr steuerlich ausgewirkt haben (BFH-Beschluss vom 19.01.2010 X B 32/09, BFH/NV 2010, 1250; BFH-Urteil vom 06.07.2016 X R 6/14, BFHE 254, 341, BStBl II 2016, 933; vgl. auch BFH in BFH/NV 2016, 1704). Zwar könne es dazu kommen, dass sich Kirchensteuerzahlungen steuerlich nicht auswirken, obwohl eine tatsächliche und endgültige wirtschaftliche Belastung vorliege. Die Verrechnungsmethode sei jedoch unter systematischen Gesichtspunkten „belastungsneutral“, denn sie könne auch zu dem entgegengesetzten Ergebnis führen. Diese Erwägungen sind auf die neue Rechtslage übertragbar (BFH in BFHE 264, 201, BStBl II 2019, 658; ebenso Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10 EStG Rz 413).
713. Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die oben dargestellte Ungleichbehandlung im Streitfall grundrechtsrelevant ist und – wovon der erkennende Senat in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation ausgeht – den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) berührt, oder ob möglicherweise bereits eine etwaige Ungleichbehandlung i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund einer unter systematischen Gesichtspunkten betrachteten „Belastungsneutralität“ der Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG zu verneinen ist (vgl. BFH in BFH in BFHE 264, 201, BStBl II 2019, 658). Die von den Klägern gerügte differenzierte Belastung durch § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG ist jedenfalls gerechtfertigt (dazu b).
72a. An den die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Grund sind nach Auffassung des erkennenden Senats keine hohen Anforderungen zu stellen.
73Bei der Prüfung, welcher Rechtfertigungsmaßstab – Wahl zwischen Willkürprüfung und strengerem Verhältnismäßigkeitsmaßstab, wobei die Übergänge fließend sind (vgl. Hey in StuW 2015, S. 3, 6 m.w.N.) – anzuwenden ist, betrachtet der erkennende Senat § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG als die Steuerpflichtigen im Streitfall nicht übermäßig belastend. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:
74aa. Zum einen wird das Ausmaß der Belastung der Kläger durch die Berücksichtigung der erstatteten Kirchensteuern als negative Sonderausgaben dadurch reduziert, dass die Erstattung auf einem Billigkeitserlass beruht und die Erstattung den Klägern tatsächlich zugeflossen ist. Die im Streitjahr festgesetzte Einkommensteuer und Nebensteuern konnten die Kläger aus dem erstatteten Betrag ohne Weiteres begleichen, ohne dass – wie etwa im Falle einer Betriebsaufgabe unter Aufdeckung stiller Reserven – andere Vermögenswerte für die Steuerzahlung realisiert werden müssten. Die Kläger haben insoweit auch keinen Anspruch darauf, dass die erstatteten Beträge, die ihnen im Wege des Billigkeitserlasses gewährt wurden, vollständig und endgültig bei ihnen verbleiben und bereits aufgrund der Billigkeitsmaßnahme steuerfrei zu belassen sind.
75Das Ausmaß der Benachteiligung im Streitjahr wird weiter dadurch abgemildert, dass nicht nur die Kirchensteuerzahlungen im Zahlungsjahr 2014 als abziehbare Sonderausgabe zu einer erheblichen Steuerersparnis geführt haben, und die Einkommensteuer auf 0,00 € festgesetzt wurde, sondern auch dadurch, dass die für das Streitjahr 2015 neu festgesetzten Kirchensteuern – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – im Zahlungsjahr wieder als Sonderausgabe steuermindernd zu berücksichtigen sind. Die im Abrechnungsteil des angefochtenen Einkommensteuerbescheids vom 00.00.2016 aufgeführten und bis zum 00.00.2017 nachzuzahlende Kirchensteuer betragen rund X €.
76bb. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die die Kläger belastenden Kirchensteuerzahlungen im Jahr 2014 darauf beruhen, dass der Kläger im Jahr 2013 einen außergewöhnlich hohen Gewinn aus § 17 EStG erzielt hatte. Aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 vom 00.00.2016 ergibt sich, dass darin steuerfreie Teileinkünfte in Höhe von X € enthalten waren. Die Kläger sind durch die Steuerfreistellung dieses Betrages, insbesondere auch gegenüber Lohnsteuerpflichtigen, die den Klägern als Vergleichsgruppe gegenüber gestellt sind, zusätzlich begünstigt. Das Ausmaß der Benachteiligung der Kläger ist insoweit weiter reduziert. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber die betroffenen Teileinkünfte im Rahmen seines Gestaltungsspielraums aus bestimmten Gründen steuerfrei belässt, die mit dem Sonderausgabenbereich nichts zu tun haben. Denn bei der Prüfung, inwieweit das Ausmaß der Benachteiligung gemindert ist, sind nach Ansicht des erkennenden Senats alle Kriterien mit einzubeziehen, die den Einzelfall prägen.
77cc. Dementsprechend ist weiter die Besonderheit zu beachten, dass den Klägern steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung standen, mit denen das steuerlich belastende Ergebnis im Streitfall hätte verhindert oder zumindest weiter abgemildert werden können.
78Ein Eingriff des Gesetzgebers mit geringerer Intensität ist dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige über „belastungsmindernde“ Ausweichmöglichkeiten verfügt. Dies gilt zumindest dann, wenn das in Frage kommende Verhalten zweifelsfrei legal ist, keinen unzumutbaren Aufwand für den Steuerpflichtigen bedeutet und ihn auch sonst keinem nennenswerten finanziellen oder rechtlichen Risiko aussetzt (vgl. Hey in Tipke/Kruse, Steuerrecht, 22. Auflage 2015, § 3 Rz. 127; BVerfG-Beschlüsse vom 15.01.2008 1 BvR 2/04, BVerfGE 120, 1, 51 ff.; vom 17.11.2009 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1, 33 f.; zur Möglichkeit der Kirchensteuer-Vorauszahlung vgl. auch BFH-Beschluss vom 24.03.2015 X B 4/15, BFH/NV 2015, 952).
79Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die hier eröffnete Gestaltungsoption zur Vermeidung der Kirchensteuererstattungswirkung erfüllt. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass die Kläger bereits im Jahr 2013 Kirchensteuer-Vorauszahlungen an den Beklagten hätten leisten können. Dabei ist nicht Voraussetzung, dass der Vorauszahlungsbetrag bereits die volle, später festzusetzende endgültige Kirchensteuer umfasst. Die Zahlung von Vorauszahlungen ist grundsätzlich auch risikolos und ohne großen Aufwand möglich. Die Verweisung hierauf ist den Klägern auch zumutbar. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger nicht über entsprechende liquide Mittel verfügten, sind nicht ersichtlich und wurden von den Klägern auch nicht vorgetragen. Eine Vorauszahlung ist selbst dann möglich, wenn eine förmliche Festsetzung nicht vorliegt (BFH in BFH/NV 2015, 952; BFH-Urteile vom 07.11.2001 XI R 24/01, BFHE 197, 175, BStBl II 2002, 351; vom 16.10.2002 XI R 51/01, BFH/NV 2003, 597; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10 Rz. 41 m.w.N.). Im Streitfall datiert der erste Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid für 2013 vom 17.04.2014 und wurde somit nur wenige Monate nach Ablauf des Jahres 2013 erlassen.
80b. Für die Entscheidung des Gesetzgebers, nicht verrechnete Kirchensteuererstattungsüberhänge im Erstattungsjahr als negative Sonderausgaben steuererhöhend zu berücksichtigen, gibt es hinreichend sachliche Gründe.
81aa. Der Gesetzgeber darf bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 84, 348 <359>; 113, 167 <236>; 126, 268 <278 f.>; 133, 377 <412 Rn. 86>; 145, 106 <145 Rn. 106>). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (vgl. BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 11, 245 <254>; 78, 214 <227>; 84, 348 <359>; 122, 210 <232>; 126, 268 <278>; 133, 377 <412 Rn. 86>; 145, 106 <145 f. Rn. 106>).
82Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 82, 159 <185 f.>; 122, 210 <232>; 126, 268 <279>; 133, 377 <412 Rn. 87>). Begünstigungen oder Belastungen können in einer gewissen Bandbreite zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden (BVerfGE 111, 115 <137>). Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen (BVerfGE 122, 210 <232 f.>; 126, 268 <279>; 132, 39 <49 Rn. 29>; 133, 377 <412 Rn. 87>). Insbesondere darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (vgl. BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 116, 164 <182 f.>; 122, 210 <232 f.>; 126, 268 <279>; 132, 39 <49 Rn. 29>; 133, 377 <412 Rn. 87>; 137, 350 <375 Rn. 66>; 145, 106 <146 Rn. 107>). Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und das Ausmaß der Ungleichbehandlung gering ist (BVerfG in DStR 2020, 93 mit Verweis auf BVerfGE 63, 119 <128>; 84, 348 <360>; 126, 233 <263 f.>; 133, 377 <413 Rn. 88>; 145, 106 <146 f. Rn. 108>).
83Erwägungen der Vereinfachung des Verwaltungsvollzugs können ebenfalls die Ungleichbehandlung stützen (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 10.04.2018 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217; vom 23.06.2015 1 BvL 13/11 und 14/11, BVerfGE 139, 285).
84bb. Ein sachlicher Grund ist vorliegend darin zu sehen, dass es sich bei der Regelung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG um eine solche verfassungsrechtlich zulässige Typisierung zur Vereinfachung des Steuervollzugs handelt. Der Gesetzgeber hat keinen atypischen Fall als Leitbild gewählt, sondern ist vom Regelfall ausgegangen, wonach sich die später erstattete Kirchensteuer im Jahr der Zahlung (voll) ausgewirkt hat. Ob diese Voraussetzung im Einzelfall tatsächlich erfüllt ist, braucht nicht ermittelt zu werden. Es ist demgegenüber nicht die Regel, dass Steuerpflichtige – wie im Streitfall – jährlich stark schwankende Einkünfte erzielen. Der Gesetzgeber ist zu Recht von der Gruppe der Lohnsteuerpflichtigen ausgegangen. Dies räumen auch die Kläger ein, soweit sie sich auf das Gutachten von Herrn Prof. Dr. R beziehen. Dieser führt auf Seite 13 seines Gutachtens aus, dass Lohnsteuerpflichtige mit besonders hohen Einkünften, wie nichtselbständige Führungskräfte, etwa Vorstände, in der Masse der Lohnsteuerpflichtigen „untergingen“. Aber auch bei Personen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und Vermietung und Verpachtung kommt es nur ausnahmsweise zu geballten Einkünften, die eine Kirchensteuerkappung mit entsprechenden Kirchensteuererstattungsüberhängen auslösen können. Auch hierzu führt Herr Prof. Dr. R in seinem Gutachten aus, dass solche Einkünfte gerade im Fall der Veräußerung oder Aufgabe der Einkunftsquelle einträten. Mögen die Auswirkungen im Einzelfall erheblich sein, der Senat sieht diese Gruppe im Verhältnis zur Gruppe der Lohnsteuerpflichtigen, die der Gesetzgeber vor Augen hatte, als noch klein an. Auch unter den Personen, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit oder Vermietung und Verpachtung erzielen, ist die Gruppe der Personen groß, die über Jahrzehnte hinweg über regelmäßige und nicht erheblich schwankende Einkünfte verfügen. Soweit im Rahmen einer Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe die geballten Einkünfte zu einer – gegenüber den Lohnsteuerpflichtigen – ungleich höheren Steuerbelastung führen, sieht der Gesetzgeber privilegierende Regelungen nach §§ 16 Abs. 4, 18 Abs. 3 Satz 2, 14 Satz 2, 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG vor. Damit wird die Belastung der betroffenen Steuerpflichtigen abgemildert, was dazu führt, dass an den die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Grund – wie bereits dargestellt – geringere Anforderungen gestellt werden können.
85Im Streitfall konnten die Kläger die oben genannten Steuerbegünstigungen indes nicht in Anspruch nehmen, weil die sachlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Hier greift jedoch – wie bereits dargestellt – die einkommensteuerrechtliche Begünstigung des Teileinkünfteverfahrens.
86cc. Weiter entspricht es dem legitimen Zweck der Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG, dass Kirchensteuererstattungen, die im Erstattungsjahr nicht mit gleichartigen Zahlungen ausgeglichen werden können, wie negative Sonderausgaben zu behandeln sind (Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 38/2019 Anmerkung zum BFH-Urteil vom 12.13.2019 – IX R 34/17; Krüger in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 10 Rn. 7). Es ist Sonderausgaben wesensimmanent, dass sie beim Fehlen hinreichender positiver Einkünfte keine steuerlichen Auswirkungen haben (BFH-Beschluss vom 24.03.2015 in BFH/NV 2015, 952). Ein Gebot, dass Erstattungsüberhänge mit früheren Zahlungen zu verrechnen sind, ergibt sich hieraus nicht.
87dd. Der erkennende Senat sieht in dem Ziel der Gesetzesänderung, den Steuervollzug zu vereinfachen, einen hinreichenden Rechtfertigungsgrund für eine ungleiche Belastungsfolge wie im Streitfall. Der Senat schließt sich damit der Rechtsauffassung des BFH sowie den Ausführungen des Finanzgerichts Düsseldorf in seinem Urteil vom 05.12.2019 (Aktenzeichen 14 K 3341/15 E, EFG 2020, 352, Revision eingelegt: Aktenzeichen des BFH: X R 1/20) an. Nach der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf ist Zweck der Neuregelung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG, die Wiederaufrollung der Steuerfestsetzungen der Vorjahre weitgehend zu vermeiden und ferner zu verhindern, dass der Steuerpflichtige Änderungen für zurückliegende Veranlagungszeiträume nachvollziehen muss (vgl. BT-Drucks 17/5125 vom 21.03.2011, S. 37, BT-Drucks. 54/11 vom 04.02.2011, S. 28). Hierin liegt ein legitimer rechtfertigender Grund.
88ee. Schließlich sind Maßnahmen, die gleich geeignet sind und die Steuerpflichtigen – wie die Kläger im Streitfall – weniger belasten, nicht ersichtlich. Die von den Klägern vorgeschlagene Lösung in Form der Zulassung eines „Vortrags des Kirchensteuerzahlungsüberhangs“ ist nicht geeignet, die vom Gesetzgeber bezweckte Vereinfachung zu erreichen. Denn durch die Zulassung eines solchen Vortrags im Wege eines Feststellungsbescheides würde ein (weiterer) Fall der stets aufwändigen veranlagungszeitraumübergreifenden Bearbeitung geschaffen. Neben der Frage der Bindungswirkung zwischen Feststellungs- und Einkommensteuerbescheid sowie Fragen zum Antragsverfahren, erforderte ein solches Feststellungsverfahren zusätzlichen Beobachtungsaufwand, etwaige Anpassungen bei Änderungen der Bescheide sowie Rechtsunsicherheiten mangels etwaiger Bestandskraft der Bescheide. Aus diesen Gründen kommt die von den Klägern vorgeschlagene Lösung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht als weniger belastendes milderes Mittel in Betracht.
89B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
90C. Die Revision wird nicht zugelassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und dient auch nicht der Fortbildung des Rechts (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO), da die Frage, ob ein Erstattungsüberhang im Zeitraum des Zuflusses der Erstattung berücksichtigt werden kann, bereits höchstrichterlich entschieden ist und das Gericht von dieser Entscheidung nicht abweicht.