Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags vom 03.12.2019 in Höhe von xxx € wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verspätungszuschlags.
3Wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung 2016 schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen des Klägers mit gem. § 164 Abs. 1 unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenem Einkommensteuerbescheid 2016 vom 30.08.2018 (Bl. 4 f der Gerichtsakte in dem Verfahren 5 K 1426/19). Festgesetzt wurde dabei eine Einkommensteuer in Höhe von xxx € (Abzug vom Arbeitslohn xxx €, verbleibender Betrag: xxx €), ein Solidaritätszuschlag in Höhe von xxx € (Abzug vom Arbeitslohn xxx €, verbleibender Betrag xxx €) und Zinsen in Höhe von xxx €, so dass sich eine Gesamtnachzahlung in Höhe von xxx € ergab. Zugleich setzte der Beklagte einen Verspätungszuschlag in Höhe von xxx € fest.
4Gegen die Einkommensteuerfestsetzung sowie die Festsetzung des Verspätungszuschlags legte der Kläger am 29.09.2018 Einspruch ein (Bl. 15 f. der Einkommensteuerakte). Zur Begründung führte er hinsichtlich der Festsetzung des Verspätungszuschlags aus, es könne nicht sein, dass der Beklagte von ihm einen Verspätungszuschlag verlange, obwohl er am „Ende des Tages“ nach Abgabe der Steuererklärung Geld vom Finanzamt zurückbekomme.
5Mit Einspruchsentscheidung vom 03.04.2019 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers sowohl hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung als auch hinsichtlich der Festsetzung des Verspätungszuschlags als unbegründet zurück und hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf (Bl. 6 ff. der Gerichtsakte in dem Verfahren 5 K 1426/19). In Bezug auf die Festsetzung des Verspätungszuschlags führte der Beklagte aus, dass die Versäumnis nicht entschuldbar sei, wenn – wie im Streitfall – bereits in den Vorjahren (2013, 2014 und 2015) Verspätungszuschläge festgesetzt worden seien. Gründe für die verspätete Abgabe seien nicht vorgetragen worden und auch nach Aktenlage nicht erkennbar. Auch der Höhe nach sei der Verspätungszuschlag nicht zu beanstanden, da dieser nur 2,89% der festgesetzten Steuer betrage. Der Beklagte habe ferner sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Ein Entschließungsermessen bestehe in den Fällen der Nichtabgabe der Steuererklärung nicht. Auch das Auswahlermessen habe der Beklagte ordnungsgemäß ausgeübt. Auch wenn der Verspätungszuschlag mit xxx € deutlich über dem Zinsvorteil (xxx €) liege, sei die Festsetzung aufgrund des in der Vergangenheit gezeigten Abgabeverhaltens des Steuerpflichtigen gerechtfertigt. Auch unter dem Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei die Zuschlagsfestsetzung vor dem Hintergrund der in den Jahren 2013 bis 2015 erzielten Einkünfte nicht zu beanstanden. Darüber hinaus sei die Steuererklärung im Zeitpunkt der Schätzung des Besteuerungsgrundlagen und der Festsetzung des Verspätungszuschlags bereits 15 Monate überfällig gewesen. Nach den internen Erlassen der Finanzverwaltung NRW werde die Dauer der Fristüberschreitung mit 0,5% der festgesetzten Steuer pro Monat berücksichtigt, zudem werde der Verspätungszuschlag auf 50% der Abschlusszahlung begrenzt. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall eingehalten worden.
6Mit seiner am 06.05.2019 erhobenen Klage (Az: 5 K 1426/19) verfolgt der Kläger sein Begehren gerichtlich weiter. Im laufenden Klageverfahren hat der Kläger eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2016 eingereicht (Bl. 23 ff. der Gerichtsakte in dem Verfahren 5 K 1426/19).
7Mit Beschluss vom 12.11.2019 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (Bl. 77 der Gerichtsakte in dem Verfahren 5 K 1426/19).
8Im Laufe des Klageverfahrens hat der Beklagte am 03.12.2019 einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2016 erlassen (Bl. 90 ff. der Gerichtsakte in dem Verfahren 5 K 1426/19). Die Einkommensteuerfestsetzung setzte der Beklagte auf xxx € herab und den Solidaritätszuschlag auf xxx €. Es ergab sich dementsprechend eine Einkommensteuererstattung in Höhe von xxx € und eine Erstattung des Solidaritätszuschlags in Höhe von xxx €. Zugleich setzte der Beklagte den Verspätungszuschlag nunmehr auf xxx € fest.
9Mit Beschluss vom 24.03.2020 hat der Einzelrichter den Rechtsstreit wegen Verspätungszuschlag 2016 zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt (Bl. 120 der Gerichtsakte in dem Verfahren 5 K 1426/19).
10Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
11die Festsetzung des Verspätungszuschlags aufzuheben.
12Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
15Mit Schreiben vom 26.03.2020 (Bl. 2 der Gerichtsakte) hat der Einzelrichter den Beteiligten mitgeteilt, dass er beabsichtige, über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Verspätungszuschlags in Höhe von nunmehr nur noch xxx € nach § 94a FGO (Streitwert unter 500 €) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Der Einzelrichter hat die Beteiligten zugleich darauf hingewiesen, dass auf Antrag eines Beteiligten mündlich verhandelt werden muss (§ 94a Satz 2 FGO) und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme und ggf. zur Stellung eines Antrags auf mündliche Verhandlung bis zum 08.04.2020 gegeben. Danach werde ggf. eine Entscheidung ergehen.
16Der Kläger hat hieraufhin mit Schreiben vom 07.04.2020 (beim Gericht eingegangen am 08.04.2020) mitgeteilt, dass nach seinem Verständnis kein Verspätungszuschlag festgesetzt werden dürfe und er deshalb beantrage, von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags abzusehen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die Klage, über die der Einzelrichter gem. § 94a FGO durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat Erfolg.
19I. Der Einzelrichter konnte seine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 94a FGO treffen.
20Gem. § 94a Satz 1 FGO kann das Gericht sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, fünfhundert Euro nicht übersteigt. Das Gericht entscheidet dabei durch Urteil (§ 94a Satz 3 1. Halbsatz FGO). Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden (§ 94a Satz 2 FGO).
21Das Gericht ist dabei verpflichtet, die Beteiligten vor seiner Entscheidung darauf hinzuweisen, dass eine Entscheidung nach § 94a FGO im schriftlichen Verfahren beabsichtigt ist, eine Frist zum weiteren Sachvortrag zu setzen sowie einen rechtlich nicht vertretenen Beteiligten auf die Möglichkeit des Antrags auf mündliche Verhandlung hinzuweisen (Wendl in Gosch, FGO, § 94a Rdn. 19; BFH, Urt. vom 06.06.2016 – III B 92/15, BStBl. II 2016, 844).
22Im Streitfall beträgt der Streitwert lediglich xxx €, der Einzelrichter hatte den Beteiligten zudem eine Frist zur weiteren Stellungnahme sowie zur Stellung eines Antrags auf mündliche Verhandlung gesetzt und die Beteiligten darauf hingewiesen, dass danach ggf. eine Entscheidung ergehen werde.
23Die Beteiligten haben innerhalb der gesetzten Frist keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
24II. Die angefochtene Festsetzung des Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer 2016 mit Bescheid vom 03.12.2019, die gem. § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist (BFH, Urt. vom 08.09.1994 – IV R 20/93, BFH/NV 1995, 520), ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
25Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags liegen zwar vor, jedoch hat der Beklagte sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
261. Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint (§ 152 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Verspätungszuschlag darf gem. § 152 Abs. 2 Satz 1 AO 10 Prozent der festgesetzten Steuer oder des festgesetzten Messbetrages nicht übersteigen und höchstens 25.000 € betragen.
27Diese Tatbestandsvoraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags liegen im Streitfall vor. Der Kläger hat seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2016 nicht innerhalb der gesetzlichen Abgabefristen, sondern erst während des laufenden Gerichtsverfahrens abgegeben. Es ist ferner weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass die Säumnis entschuldbar sein könnte. Der festgesetzte Verspätungszuschlag in Höhe von xxx € liegt auch deutlich unter der Grenze von 10% der festgesetzten Steuer in Höhe von xxx €.
282. Bei der Bemessung des Verspätungszuschlags sind neben seinem Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung anzuhalten, die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs, die aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (§ 152 Abs. 2 Satz 2 AO).
29Die Entscheidung nach § 152 Abs. 2 Satz 2 AO stellt eine Ermessensentscheidung dar, die nur in den Grenzen des § 102 FGO überprüfbar ist. Wegen der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen gemäß § 102 FGO, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lässt, muss die Ermessensentscheidung der Verwaltung im Verwaltungsakt begründet werden (§ 121 Abs. 1 AO). Dabei müssen die bei der Ausübung des Verwaltungsermessens angestellten Erwägungen aus der Entscheidung erkennbar sein, andernfalls ist sie rechtswidrig (vgl. BFH, Urt. vom 11.03.2004 - VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579; BFH, Urt. vom 17.01.2017 – VIII R 52/14, BStBl. II 2018, 740).
30Im Falle der Herabsetzung der festgesetzten Steuer, auf die sich der Verspätungszuschlag bezieht, hat der Betroffene einen Rechtsanspruch auf wiederholte Prüfung (BFH, Urt. vom 29.03.1979 – V R 69/77, BStBl. II 1979, 641). Die Finanzbehörde ist von Amts wegen verpflichtet, eine vollständig neue Ermessensentscheidung (§ 5 AO) zu treffen, denn durch die Herabsetzung der Steuerschuld haben sich die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Umstände geändert, so dass die Festsetzung des Verspätungszuschlags rechtswidrig geworden ist (Cöster, in: Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 152 Rdn. 108). Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Betroffenen mitzuteilen und zu begründen (BFH, Urt. vom 08.09.1994 – IV R 20/93, BFH/NV 1995, 520; Cöster, in: Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 152 Rdn. 108).
31Im Streitfall hat der Beklagte zwar in Bezug auf die ursprüngliche Festsetzung des Verspätungszuschlags umfangreiche Ermessenserwägungen in der Einspruchsentscheidung vom 03.04.2019 angestellt. Nach Herabsetzung der Einkommensteuer 2016 hat der Beklagte zwar zugleich die Festsetzung des Verspätungszuschlags angepasst. Aus dem geänderten Einkommensteuerbescheid vom 03.12.2019 ergibt sich jedoch nicht, welche Ermessenserwägungen der Neufestsetzung des Verspätungszuschlags zugrunde gelegen haben. Es fehlt mithin an der für eine Ermessensentscheidung gem. § 121 Abs. 1 AO erforderlichen Begründung (Gersch, in: Klein, AO, § 5 Rdn. 13).
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
33Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
34Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe vorliegt. Die Entscheidung wendet die höchstrichterliche Rechtsprechung auf den Einzelfall an.