Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Umsatzsteuerbescheid 2013 vom 12.10.2015 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer um 21.161,44 € gemindert wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens beim Bundesfinanzhof V R 44/17.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
2Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin die in den Rechnungen vom 21.10.2013 gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuern nach § 14c Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) schuldet.
3Der Gegenstand des Unternehmens der Klägerin, die bis zum 24.10.2013 als I GmbH firmierte, waren Bedachungs- und Zimmereiarbeiten sowie der Vertrieb von Anlagen zur Gewinnung von erneuerbaren Energien. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war in den Jahren 2009 bis 2013 Frau L, die ihre Gesellschaftsanteile in 2014 an ihren Ehemann, Herrn S L, übertrug. Frau L war zudem bis Juni 2012 alleinige Geschäftsführerin der Klägerin. Ab Juni 2012 war ihr Ehemann alleiniger Geschäftsführer der Klägerin. Seit September 2019 ist Herr S L Liquidator der sich in Liquidation und Auflösung befindenden Klägerin.
4Herr S L betrieb in 2011 ein Einzelunternehmen. Im Rahmen dessen pachtete er von dem Reitverein W e.V. auf dem Grundstück C-Str. 12 in W (…) Dachflächen zum Betrieb einer Photovoltaik-Anlage. Nach dem Pachtvertrag (§ 6) vom 18.04.2011 sollte die Pachtzeit mit Inbetriebnahme der Photovoltaik-Anlage beginnen und am 31.12.2031 enden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Pachtvertrages Bezug genommen (Bl. 34 ff. der Gerichtsakte).
5Die Klägerin stellte Herrn S L sowohl am 28.04.2011 (Bl. 40 der Gerichtsakte) als auch am 12.07.2011 (Bl. 24 der Gerichtsakte) für die Lieferung und Montage einer Solarstromanlage mit einer Generatorleistung von 239,85 KWp Rechnungen aus, die nicht völlig gleichlautend waren. Für Photovoltaikmodule, Wechselrichter, Montage auf dem Dach und Anschlussarbeiten der Solarstromanlage an das Netz berechnete sie Herrn S L 494.997,63 € zzgl. 94.049,54 € Umsatzsteuer (USt) bzw. 494.853,17 € zzgl. 94.022,10 € USt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Rechnungen Bezug genommen. Die Klägerin stellte Herrn S L in 2011 und 2012 keine weiteren Rechnungen über erbrachte Leistungen im Zusammenhang mit der Solarstromanlage auf den Dachflächen des Reitvereins W e.V. aus.
6Das Unternehmen Elektronik F GmbH (F GmbH) stellte der Klägerin für eine am 29.04.2011 bestellte Lieferung und Montage von zwei Beton-Kompakt-Stationen auf dem Grundstück C-Str. 12 am 09.09.2011 insgesamt 45.596,16 € (netto) in Rechnung. Diese Rechnung wurde am 16.10.2013 storniert und über den gleichen Rechnungsbetrag zzgl. der Umsatzsteuer ausgestellt (Bl. 26 der Gerichtsakte; Sitzungsprotokoll v. 25.06.2020). Auf den Rechnungsbetrag hatte die Klägerin bereits aufgrund von am 03.05.2011 und am 01.08.2011 erteilten Abschlagsrechnungen am 20.05.2011 einen Abschlag von 12.916,80 € (inkl. USt) und am 19.08.2011 einen Abschlag von 25.833,60 € (inkl. USt) gezahlt. Das Unternehmen M GmbH (M GmbH) stellte der Klägerin für ebenfalls auf dem Grundstück C-Str. 12 vom 02.05.2011 bis 20.05.2011 ausgeführte Photovoltaikverkabelungsarbeiten einen Betrag von 34.454,40 € zzgl. 6.563,63 € USt in Rechnung (Bl. 42 der Gerichtsakte). Schließlich stellte das Unternehmen C GmbH (C GmbH) der Klägerin für am 13.05.2011 an die Adresse C-Str. 12 (Reithalle) gelieferte Dachsandwichplatten am 17.05.2011 23.072,42 € zzgl. 4.383,76 € USt in Rechnung (Bl. 44 der Gerichtsakte) sowie für weitere am 27.05.2011 an diese Adresse gelieferte Materialen für den Dachbau am 31.05.2011 8.162 € zzgl. 1.550,78 € USt in Rechnung (Bl. 45 der Gerichtsakte). Die Arbeiten zur Herstellung der von Herrn S L auf den Dachflächen des Reitvereins W e.V. betriebenen Photovoltaikanlage waren im Wesentlichen im September 2011 abgeschlossen.
7Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der Klägerin, die u.a. die Umsatzsteuern 2009 bis 2012 zum Gegenstand hatte, kamen die Prüfer zu der Feststellung, dass Herr S L sich als Einzelunternehmer und Pächter im Rahmen des Pachtvertrages vom 18.04.2011 gegenüber dem Verpächter, dem Reitverein W e.V., zur Erbringung diverser Leistungen (u.a. Verlegung von Zuleitungen, Dacheindeckung, Errichtung einer neuen Trafostation) verpflichtet habe. Diese Leistungen des Herrn S L seien gemäß § 3 des Pachtvertrags das Nutzungsentgelt für die Verpachtungsleistung des Vereins. Die mit diesen Baumaßnahmen zusammenhängenden Rechnungen der Unternehmen F GmbH, C GmbH und M GmbH (insgesamt netto 111.375,97 € zzgl. 21.161,44 € USt) seien über die Klägerin verbucht worden. Eine Weiterbelastung an Herrn S L sei jedoch nicht erfolgt. Da die Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen sei, vertraten die Prüfer die Auffassung, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege und die Umsatzsteuer um 21.161,44 € zu erhöhen sei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Betriebsprüfung vom 25.09.2013 Bezug genommen (vgl. Bl. 4 ff. Hefter).
8Entsprechend der Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am 04.11.2013 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2011 gegenüber der Klägerin und hob den bestehenden Vorbehalt der Nachprüfung auf. Der Bescheid wurde in der Folgezeit bestandskräftig.
9Jeweils mit Rechnung vom 21.10.2013 stellte die Klägerin Herrn S L die Netto-Rechnungsbeträge der Firmen F GmbH, C GmbH und M GmbH in Rechnung (Bl. 28-30 der Gerichtsakte). Für das Streitjahr zog die Klägerin daraus keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen. Die von der Klägerin für Oktober 2013 eingereichte Voranmeldung wies eine festzusetzende Umsatzsteuer von 2.539,52 € aus.
10Anlässlich einer am 28.01.2014 begonnenen Umsatzsteuer-Sonderprüfung, die vom Umfang auf die Prüfung der Rechnungen der Klägerin vom 21.10.2013 an Herrn S L beschränkt war, stellte der Prüfer fest, dass die verdeckte Gewinnausschüttung in 2011 bei der Klägerin als Umsatz im Sinne des § 3 Abs. 1b UStG behandelt worden sei. Hinsichtlich der am 21.10.2013 erteilten Rechnungen vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die bisherige steuerliche Beurteilung des Vorgangs die Umsatzsteuer 2011 betreffend nicht mehr durch eine nachträgliche Rechnungserteilung geändert werden könne. Die in den Rechnungen vom 21.10.2013 ausgewiesene Umsatzsteuer werde deshalb nach § 14c UStG geschuldet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 07.02.2014 Bezug genommen (vgl. Bl. 1 ff. Hefter).
11Der Beklagte erließ daraufhin am 17.02.2014 einen geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für den Monat Oktober 2013, in dem er die Umsatzsteuer um 21.161,44 € erhöhte und nunmehr auf 23.700,96 € festsetzte.
12Im anschließenden Einspruchs- und Klageverfahren, das unter dem Az. 5 K 826/15 U geführt wurde, vertrat die Klägerin unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19.11.2009 (V R 41/08, BFH/NV 2010, 562) die Auffassung, dass die Umsatzsteuer in den Rechnungen vom 21.10.2013 zu Recht ausgewiesen worden sei. Denn es sei zumindest eine nachträgliche Entgeltlichkeitsvereinbarung getroffen worden. Diese führe zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage gem. § 17 UStG. Die abgerechneten Leistungen seien wegen der nachträglich in Rechnungen gestellten Entgelte nunmehr als gegen Entgelt erbracht anzusehen. Die Arbeiten an der Photovoltaikanlage hätten sich aufgrund von gesetzlichen Änderungen und technischen Problemen verzögert, wodurch es wiederum zu einer Verzögerung hinsichtlich der Weiterberechnung an Herrn S L ergeben hätte. Herr S L habe die drei Rechnungen der Klägerin durch zwei Überweisungen am 13.11.2015 bezahlt. Aufgrund dessen sei § 14c UStG nicht einschlägig. Ferner sei im Rahmen der bei ihr durchgeführten Betriebsprüfung der Sachverhalt nicht als teilfertige Arbeiten behandelt worden, sondern als verdeckte Gewinnausschüttung. Im Schlussgespräch sei schließlich besprochen worden, über die noch nicht abgerechneten Leistungen an Herrn S L Rechnungen auszustellen, so dass dessen Anspruch als Leistungsempfänger auf den Vorsteuerabzug nichts entgegenstehen würde (vgl. Bl. 3 und 18 der Gerichtsakte zu 5 K 826/15).
13Während des Klageverfahrens erließ der Beklagte am 12.10.2015 einen Umsatzsteuerbescheid für 2013 mit einer festgesetzten Umsatzsteuer i.H.v. 106.323,32 €. Dieser Betrag enthielt auch die strittige Umsatzsteuer nach § 14c UStG in Höhe von 21.161,44 €. Dieser Bescheid wurde gem. § 68 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens.
14Mit Urteil vom 14.07.2016, das von der damaligen Berichterstatterin als konsentierte Einzelrichterin gemäß § 79a Abs. 3, 4 FGO gesprochen wurde (5 K 826/15, EFG 2018, 72), gab das Finanzgericht Münster der Klage statt. Zwar seien bei Gesamtwürdigung aller Indizien die strittigen Leistungen der Klägerin an Herrn S L in 2011 (ursprünglich) unentgeltlich erfolgt. Allerdings könne zu einer in 2011 unentgeltlich erbrachten Leistung nachträglich in 2013 zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ein zu einem Leistungsaustausch führendes Rechtsverhältnis durch eine wirksame nachträgliche Entgeltabrede begründet werden. Es entstehe keine Steuerschuld aus den in 2013 erteilten Rechnungen nach § 14c UStG, da die Steuer aufgrund der wirksamen nachträglichen Entgeltvereinbarung zu Recht ausgewiesen worden sei.
15Während des sich anschließenden Revisionsverfahrens (V R 44/17) wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr V A zum Insolvenzverwalter bestellt. Er nahm das anhängige Revisionsverfahren auf.
16Mit seinem Urteil vom 22.11.2018 (V R 44/17, BFH/NV 2019, 300) hob der BFH das Urteil des Finanzgerichts Münster auf und wies die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurück. Das Urteil sei aufzuheben, da entgegen des Urteils des Finanzgerichts Münster für 2011 keine steuerbare unentgeltliche Leistung vorliege, für die in 2013 eine nachträgliche Entgeltabrede getroffen werden könne, wenn die Klägerin in 2011 Leistungen bezogen hätte, um sie Herrn S L unentgeltlich zuzuwenden. Allerdings sei die Sache nicht spruchreif. Denn zu der Frage, ob die Klägerin die von ihr bezogenen Leistungen zum Gegenstand einer entgeltlichen oder einer unentgeltlichen Leistungstätigkeit gegenüber Herrn S L mache wollte, habe das Finanzgericht Münster keine Feststellungen getroffen. Daher seien weitere Feststellungen zu den Umständen zu treffen, unter denen die Klägerin im Jahr 2011 für Herrn S L tätig geworden sei. Sollte es zutreffen, dass die hier streitigen Leistungsbezüge Teil eines Gesamtwerks gewesen seien, bei dem die früheren Leistungsteile der Klägerin von dieser zum Gegenstand einer entgeltlichen Leistungserbringung an Herrn S L gemacht worden seien und dass dies so auch für die hier streitigen Leistungsbezüge der Klägerin vorgesehen gewesen sei, hätte die Klägerin auch insoweit eine entgeltliche Leistungserbringung beabsichtigt. Es bliebe dann bei der bereits im Jahr 2011 vorgenommenen Besteuerung, so dass sich die in 2013 erteilten Rechnungen, wie von vornherein beabsichtigt, auf entgeltliche Leistungen bezogen hätten und für das Streitjahr keine Steuerschuld nach § 14c UStG begründen würden.
17Nach der erfolgten Zurückverweisung ist im September 2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin aufgehoben worden (Bl. 48 der Gerichtsakte). Sie führt den Rechtsstreit weiter.
18Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin nunmehr vor, dass die am 21.10.2013 gegenüber Herrn S L abgerechneten Leistungen zu einem Gesamtwerk gehören würden, welches die Klägerin gegenüber Herrn S L gegen Entgelt zu erbringen gehabt habe. Dieses Gesamtwerk habe in der Errichtung einer funktionstüchtigen Solarstromanlage auf den von Herrn S L angemieteten Dachflächen bestanden. Sowohl die Lieferung und Montage von Solarmodulen, welche Herrn S L am 28.04.2011 bzw. am 12.07.2011 in Rechnung gestellt worden seien, als auch die von den Firmen F GmbH, C GmbH und M GmbH erbrachten Leistungen würden zu diesem Gesamtwerk gehören. Es sei auch von vornherein vereinbart gewesen, dass diese Leistungen von Herrn S L vergütet werden. So sei im Rahmen der Betriebsprüfung nicht festgestellt worden, dass sie, die Klägerin, teilfertige Bauten habe bilanzieren müssen. Ferner ergebe sich aus der Rechnung vom 28.04.2011 bzw. 12.07.2011, dass eine Generatorleistung vereinbart worden sei. Davon seien auch die von den Unternehmen F GmbH, C GmbH und M GmbH erbrachten Leistungen umfasst. Schließlich erfordere eine Solarstromanlage in der Größe, die mit Herrn S L vereinbart worden sei, eine Trafostation, wie sie von der Firma F GmbH errichtet worden sei. Sie, die Klägerin, sei auch stets davon ausgegangen, dass die Leistungen der drei Firmen zum Gegenstand des von ihr an Herrn S L zu erbringenden Gesamtwerks gehören würden.
19Sie beantragt,
20den Umsatzsteuerbescheid 2013 vom 12.10.2015 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 21.161,44 € gemindert wird.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen,
23hilfsweise im Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
24Er trägt nunmehr vor, dass die von der Klägerin von den Unternehmen F GmbH, M GmbH und C GmbH bezogenen Leistungen unentgeltlich an Herrn S L geleistet werden sollten. Dafür spreche zum einen, dass erst zwei Jahre nach Leistungserbringung und nach Abschluss der Betriebsprüfung die Rechnungen hierüber gestellt worden seien. Es liege zum anderen kein Gesamtwerk vor. Vielmehr sei zwischen der am 28.04.2011 bzw. 12.07.2011 abgerechneten Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage auf der einen Seite und den Arbeiten der Firmen F GmbH, M GmbH und C GmbH auf der anderen Seite zu unterscheiden. Letztere beträfen nämlich den Anschluss an das Stromnetz sowie Dacharbeiten. Es stelle sich auch die Frage, warum die Leistungen dieser drei Firmen nicht bei der Stellung der Rechnung am 12.07.2011 mitberücksichtigt worden seien. Diese Arbeiten seien auch nicht in der Auftragsbestätigung vom 28.04.2011 aufgeführt gewesen. Der Vortrag, dass diese Arbeiten zum Gegenstand eines einheitlichen Gesamtwerks gehören würden, sei ferner erstmalig im Revisionsverfahren vorgetragen worden. Darüber hinaus seien im Pachtvertrag mit dem Reitverein W die Trafostation, die Verkabelung sowie die Dachsanierung eigenständig geregelt.
25Die Gerichtsakte zum Verfahren im ersten Rechtsgang (Az. 5 K 826/15) und die BFH-Akte V R 44/17 sind beigezogen worden.
26Die Sache ist am 25.06.2020 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
28I. Die Sache ist durch den Senat und nicht durch den konsentierten Einzelrichter (§ 79a Abs. 3, 4 FGO) zu entscheiden. Zwar haben die Beteiligten im ersten Rechtsgang die Zustimmung zur Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter erklärt. Eine Entscheidung im zweiten Rechtsgang nach Zurückverweisung durch den BFH ist aber nicht mehr von der früher erklärten Einverständniserklärung umfasst (Stalbold in Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 152. Lieferung, § 79a Rn. 67; Thürmer in H/H/Sp, § 79a FGO Rz. 117 Fn. 3; Stapperfend in Gräber, 8. Aufl. 2015, § 79a FGO Rz. 26). Für den zweiten Rechtsgang liegt keine Einverständniserklärung der Beteiligten gemäß § 79a Abs. 3, 4 FGO vor.
29II. Die zulässige Klage hat Erfolg.
30Die Klägerin führt ihre ursprünglich erhobene Anfechtungsklage nach Beendigung des zwischenzeitlichen Insolvenzverfahrens durch Vollzug der Schlussverteilung vom 19.09.2019 (§ 200 Insolvenzordnung) fort. Zwar hat der Insolvenzverwalter das zum Zeitpunkt der Eröffnung der Insolvenz anhängige Revisionsverfahren aufgenommen. Die Sache ist jedoch durch den BFH nicht rechtskräftig entschieden, sondern an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen worden.
31Die Klage ist begründet.
32Der Umsatzsteuerbescheid 2013 vom 12.10.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass die Klägerin die in den Rechnungen vom 21.10.2013 gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet.
331. Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Unionsrechtlich beruhen diese Vorschriften auf Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).
34Der Regelfall einer steuerbaren Leistung setzt nach § 1 Abs. 1 Nr. Satz 1 UStG eine Lieferung oder sonstige Leistung, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, voraus. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des BFH werden Leistungen nach den übereinstimmenden Regelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG und in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL gegen Entgelt erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert einen unmittelbaren Zusammenhang begründet, so dass die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. BFH, Urteil vom 13.02.2019, XI R 1/17, BFH/NV 2019, 793 m.w.N.).
352. Die vorgenannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Senat ist nicht überzeugt, dass die Klägerin bei Bezug der Leistungen von den Unternehmen F GmbH, M GmbH und C GmbH in 2011 die Absicht hatte, diese Leistungen an Herrn S L unentgeltlich weiterzuleisten. Er hält es ebenso für möglich, dass die Absicht bestand, die Aufwendungen für diese Leistungen Herrn S L in Rechnung zu stellen. Es liegen für beide Möglichkeiten objektive Anhaltspunkte vor, die sich nach Auffassung des Senates in der Summe gleichwertig gegenüberstehen.
36a) Für eine von Anfang an bestandene Absicht der Klägerin, die von den Firmen F GmbH, M GmbH und C GmbH bezogenen Leistungen für eine entgeltliche Leistung an Herrn S L zu verwenden, spricht zum einen, dass die Klägerin Herrn S L für die Lieferung und Montage der Solarmodule eine Rechnung stellte. Der Rechnungsbetrag von 494.853,17 € entspricht rund 80% der für die Photovoltaikanlage angefallenen Herstellungskosten. Danach liegt es nahe, dass auch die restlichen Kosten für die Errichtung der Photovoltaikanlage auf den Dachflächen des Reitvereins W e.V. Herrn S L in Rechnung gestellt werden sollten. Darüber hinaus folgt aus den insoweit schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Liquidators der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass die Photovoltaikanlage nur mithilfe der von den Firmen F GmbH, M GmbH und C GmbH erbrachten Leistungen in einen betriebsbereiten Zustand versetzt und von Herrn S L zur Stromgewinnung betrieben werden konnte.
37b) Die vorgenannten Gründe schließen allerdings nicht aus, dass die Klägerin gleichwohl (zumindest bei Leistungsbezug) die Absicht hatte, die von den Unternehmen F GmbH, M GmbH und C GmbH bezogenen Leistungen unentgeltlich an Herrn S L zu erbringen bzw. weiterzuleisten. Denn die Klägerin hat ihre Leistungen aus der Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage auf der einen Seite mit ihrer Rechnung vom 12.07.2011 gegenüber Herrn S L abgerechnet, während die im April und Mai 2011 von den Firmen M GmbH und C GmbH bezogenen Leistungen Herrn S L auch nach Fertigstellung der Photovoltaikanlage über zwei Jahre nicht in Rechnung gestellt wurden. Die Firma F GmbH vollendete ihre Leistung zwar erst im August 2011, aber die bereits im Mai 2011 geleisteten Anzahlungen wurden Herrn S L ebenfalls erst über 2 Jahre später in Rechnung gestellt. Ferner spricht für die Absicht, die Leistungen unentgeltlich an Herrn S L weiterleisten zu wollen, der unmittelbare zeitliche Zusammenhang der Rechnungsstellung mit dem Ende der Betriebsprüfung für die Jahre 2009 bis 2012. Denn dies lässt den Rückschluss zu, dass die vom Prüfer getroffenen Feststellungen den Anlass für die Rechnungsstellung darstellten und nicht eine von vornherein bestandene Entgeltabrede.
38Eine entgeltliche Beauftragung der Klägerin durch Herrn S L zur Erbringung der von den Unternehmen F GmbH, M GmbH und C GmbH bezogenen Leistungen folgt auch nicht aus der in den Rechnungen vom 28.04.2011 bzw. 12.07.2011 aufgeführten Leistungsbeschreibung. Denn die darin aufgeführten Leistungen wurden bereits mit diesen Rechnungen abgerechnet. Die in den Rechnungen angegebene „Generatorleistung von 239,85 KWp“ betrifft die Gesamtleistung der gelieferten und montierten Solarmodule bzw. der gesamten Photovoltaikanlage, nicht aber Art und Umfang anderer Arbeiten wie die Lieferung von Dachmaterialien, das Verlegen von Kabeln oder die Errichtung von Trafostationen.
39c) Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass die Klägerin erst im Rahmen des Revisionsverfahrens vorgetragen habe, dass die Leistungen von den Unternehmen F GmbH, M GmbH und C GmbH gegen Entgelt an Herrn S L weitergeleistet werden sollten, spricht dieses aus Sicht des Senates im Ergebnis weder für die eine noch für die andere der vorgenannten Möglichkeiten einer inneren Tatsache. Der Hinweis führt zwar zu den Fragen, ob und warum die Klägerin nicht von vornherein auf die bestehende Absicht der entgeltlichen Leistungserbringung abgestellt hat. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die Klägerin wie der Betriebsprüfer sowie auch die Berichterstatterin im ersten Rechtsgang die Ansicht vertraten, dass es auf die Frage der Entgeltlichkeit bzw. Unentgeltlichkeit nicht weiter ankomme, da im Fall der Unentgeltlichkeit eine nachträgliche Entgeltabrede möglich sei. Die Frage nach einem von vornherein vereinbarten Entgelt wurde erst maßgebend, nachdem der BFH im Revisionsverfahren für den vorliegenden Sachverhalt die Möglichkeit einer nachträglichen Entgeltabrede für eine (ursprünglich) unentgeltliche Leistung verneinte.
403. Die fehlende Überzeugung des Senates hinsichtlich der Absicht einer unentgeltlichen Weiterleistung der von den Unternehmen F GmbH, M GmbH und C GmbH bezogenen Leistungen geht zu Lasten des Beklagten. Denn er trägt die Feststellungslast für die steuerbegründenden Tatsachen, also für den Tatbestand des § 14c Abs. 2 UStG. Der Senat hält es aus den vorgenannten Gründen zumindest für möglich, dass die Klägerin mit den Rechnungen vom 21.10.2013 über die von ihr in 2011 an Herrn S L weitergeleisteten Leistungen aufgrund einer von Anfang an bestandenen Entgeltabrede abrechnete, auch wenn der Senat von dieser Möglichkeit aus den genannten Gründen ebenfalls nicht überzeugt ist.
414. Die Revision war mangels Vorliegens eines Revisionsgrundes i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen. Streitig war im zweiten Rechtsgang allein eine Tatsachenfrage.
42Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.