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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Streitig ist die umsatzsteuerliche Behandlung von Erlösen aus dem Betrieb von Geld-spielautomaten.
3Die Klägerin betreibt mehrere Spielhallen, in denen u. a. Geldspielautomaten mit Geldeinsatz und Gewinnchancen aufgestellt sind. Die Umsatzsteuer bzw. die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen wurden wie folgt festgesetzt und mit Einsprüchen der Klägerin angefochten:
4Umsatzsteuer/Voranmeldungszeitraum |
(jeweilige) erstmalige Festsetzung |
Einspruch |
Änderungsbescheid, der zum Gegenstand des jeweiligen Einspruchsverfahrens wurde |
01/2009 – 08/2009 |
16.11.2009 |
20.11.2009 |
./. |
09/2009 |
27.11.2009 |
27.11.2009 |
./. |
10/2009 |
11.12.2009 |
11.12.2009 |
./. |
11/2009 |
15.01.2010 |
15.01.2010 |
./. |
12/2009 |
12.02.2010 |
12.02.2010 |
./. |
01/2010 |
12.03.2010 |
12.03.2010 |
./. |
02/2010 |
13.04.2010 |
13.04.2010 |
./. |
2011 |
12.06.2013 |
19.06.2013 |
05.12.2014 |
2012 |
02.10.2013 |
23.10.2013 |
./. |
2013 |
14.08.2015 |
25.08.2015 |
./. |
2014 |
04.02.2016 |
11.02.2016 |
./. |
Der Beklagte setzte die Umsatzsteuer 2009 und 2010 jeweils mit Umsatzsteuerjahresbescheid vom 05.12.2014 fest und behandelte diese jeweils als Gegenstand des laufenden Einspruchsverfahrens. In allen Bescheiden für die Streitjahre wurden die Umsätze der Klägerin aus dem Betrieb von Geldspielautomaten vom Beklagten aufgrund von durchgeführten Außenprüfungen als steuerpflichtig zu 19% behandelt. Auf die Prüfungsberichte vom 05.11.2009, 24.10.2014, 23.06.2017 und 12.12.2018 wird Bezug genommen.
6Die Klägerin begründete ihre Einsprüche dahingehend, dass ihre Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten steuerfrei seien. Die Einspruchsverfahren ruhten zunächst im Hinblick auf eine beim Bundesverfassungsgericht unter dem Az. 1 BvR 523/11 anhängigen Verfassungsbeschwerde und beim Bundesfinanzhof anhängigen Nichtzulassungsbeschwerden gegen klageabweisende Urteil der Finanzgerichte Hamburg und Münster (V B 97/15, V B 115/15, V B 17/06). Nachdem über die Verfahren entschieden worden war, nahm der Beklagte die ruhenden Einspruchsverfahren am 10.10.2016 wieder auf.
7Der Beklagte wies die Einsprüche mit seiner Entscheidung vom 02.01.2017 als unbegründet zurück. Nach der Neufassung der nationalen Steuerbefreiung in § 4 Nr. 9 Buchst. b Umsatzsteuergesetz (UStG) könne sich die Klägerin seit dem 06.05.2006 nicht mehr auf die Steuerbefreiung in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) berufen. Die Vereinbarkeit der Neuregelung mit den unionsrechtlichen Vorgaben sei vom EuGH mit seiner Entscheidung in der Rs. Leo-Libera (C- 58/09) bestätigt und vom BFH im Urteil vom 10.11.2010 (XI R 79/07) ebenfalls so entschieden worden. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde sei vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 16.04.2012 nicht zur Entscheidung angenommen worden (Az. 1 BvR 523/11). Der EuGH habe in seinem Urteil vom 24.10.2013 in der Rs. Metropol Spielstätten (C‑440/12) die Zulässigkeit der Umsatzbesteuerung von Glückspiel mit Geldeinsatz bestätigt. Die Nichtzulassungsbeschwerden in den Verfahren mit den Az. V B 97/15, V B 115/15 und V B 17/06 gegen Entscheidungen der Finanzgerichte Hamburg und Münster seien vom BFH zurückgewiesen worden.
8Mit ihrer am 26.01.2017 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
9Der Beklagte erließ am 26.07.2017 und am 05.03.2019 jeweils geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide 2014 (Bl. 51 und 98 der Gerichtsakte).
10Die Klägerin trägt zum einen vor, dass ihre Geldspielautomatenumsätze aus folgenden Gründen nicht zu besteuern seien:
11Ihre Umsätze seien schon nicht umsatzsteuerbar. So hätten der EuGH und der BFH übereinstimmend geurteilt, dass der für einen umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt fehle, wenn die Zahlung des Leistungsempfängers ungewiss sei. Dies sei bei den von ihr betriebenen Geldspielautomaten der Fall. Die Gegenleistung, nämlich die Kasseneinnahmen am Ende eines Zeitraums, würden vom Zufall abhängen. Zudem sei jedes Spiel und der damit jeweils abgeschlossene Spielvertrag einzeln zu betrachten. Bei jedem Spiel sei es wegen der bestehenden Gewinnchance ungewiss, ob sie als Unternehmerin von dem Spieler für das Spiel eine Zahlung und damit ein Entgelt erhalte. Ihre Geldspielautomaten seien nicht so konstruiert, dass diese ihr einen vorhersehbaren Ertrag verschaffen würden. Damit fehle es aber bei jedem Spiel an einem unmittelbaren Zusammenhang und folglich auch an einem umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch. Ihre Einnahmen seien mehr als Gewinne als eine Gebühr für die Bereitstellung der Geldspielautomaten anzusehen. Zudem habe der BFH im Urteil vom 16.09.2015 (Az. X R 43/12) entschieden, dass bei einem reinen Glücksspiel (z.B. Lotterie) keine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliege, weil es an einer Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung fehle.
12Soweit der BFH nun jedoch u.a. mit seiner Entscheidung vom 11.12.2019 (XI R 23/18) die anderslautende Auffassung in dem Urteil des Finanzgerichts Münster vom 30.01.2018 (5 K 419/15) bestätigt habe, gehe er daher zu Unrecht und entgegen der Rechtsprechung des EuGH von einem unmittelbaren Zusammenhang aus. Die Besteuerung könne daher nicht auf die Entscheidungen des BFH vom 11.12.2019 gestützt werden. Denn der BFH sei u.a. nicht auf den Tatsachenvortrag der Antragstellerin in dem Verfahren XI B 121/19 eingegangen. Dies sei eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Weiter habe der BFH seine Entscheidung in unzutreffender Weise auf das Urteil des EuGH in der Rs. Town & County Factors, das einen anderen Sachverhalt betreffe, gestützt. Entgegen der Ansicht des BFH bestünden auch nach dem EuGH-Urteil in der Rs. Bastova erhebliche Zweifel daran, dass Geldspielautomatenumsätze steuerbar seien. Denn danach liege kein Entgelt vor, wenn die Gegenleistung vom Zufall abhinge. Die vom BFH angeführten Ausführungen des Generalanwalts Jacobs in dessen Schlussanträgen zur Rs. Glawe seien auf den von ihm entschiedenen Sachverhalt nicht anzuwenden, denn bei Geldspielgeräten, für welche die Spielverordnung 2006 gelte, sei der Ertrag weder vorhersehbar noch kalkulierbar. Hinsichtlich der Kalkulierbarkeit eines Ertrags unterscheide sich die Tätigkeit der Klägerin nicht von der Tätigkeit eines erfahrenen Rennpferdbetreibers oder eines Berufspokerspielers. Der Ertrag hänge insgesamt von einer Vielzahl einzelner zufälliger Faktoren ab. Darüber hinaus stehe das BFH-Urteil im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Coöperatieve Aardappelenbewaarplaats (C-154/80, Rz. 14).
13Die Besteuerung ihrer Geldspielumsätze verstoße auch gegen den Neutralitätsgrundsatz. Der BFH habe insoweit in seinen Urteilen übersehen, dass die Umsätze der öffentlichen Spielbanken sich gar nicht unionsrechtskonform besteuern ließen. Denn richtigerweise seien bei diesen nicht nur die Kasseneinnahmen am Ende eines Zeitraums, sondern die Spieleinsätze das Entgelt für die von ihnen erbrachte Leistung. Denn anders als die Klägerin unterlägen die öffentlichen Spielbanken mit ihren angebotenen Spielen keinen zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Diese könnten daher über sämtliche Spieleinsätze verfügen. Allerdings sei es tatsächlich unmöglich, eine unionsrechtskonforme Umsatzbesteuerung öffentlicher Spielbanken umzusetzen. Dies habe der Gesetzgeber bei der Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG übersehen. Die danach unzutreffende Besteuerung öffentlicher Spielbanken führe zu einem strukturellen Vollzugsdefizit und einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Steuerbarkeit könne auch nicht mit früheren Urteilen des EuGH begründet werden.
14Darüber hinaus seien ihre Einnahmen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerfrei. Dies folge aus § 6 der Verordnung über öffentliche Spielbanken (SpielbkV) vom 27.07.1938, der nach Art. 125 des Grundgesetzes weiterhin geltendes Bundesrecht sei. Denn danach sei der Betrieb der Spielbanken von den laufenden Steuern wie der Umsatzsteuer befreit. Aus diesem Grund seien auch die Einnahmen aus Glückspiel privater Unternehmer steuerfrei zu stellen. Dieses sei durch das Urteil des EuGH in der Rs. Linneweber/Akritidis (C‑453/05 und C‑462/02) festgestellt worden.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägerinnenvortrags wird auf die Schreiben vom 25.01.2017, 06.03.2017, 21.03.2017, 08.08.2017, 12.07.2018, 01.08.2018, 04.08.2018, 08.05.2019, 02.06.2020, 18.09.2020 (jeweils des Prozessbevollmächtigten zu 1 und des Prozessbevollmächtigten zu 2) und 22.09.2020 Bezug genommen,
16Die Klägerin trägt zum anderen vor, dass das Verfahren aus folgenden Gründen ruhen sollte bzw. auszusetzen sei:
17Dem EuGH seien die in ihrem Schriftsatz vom 18.09.2020 aufgeführten Fragen, auf die Bezug genommen wird (Bl. 147 f. der Gerichtsakte), zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorzulegen.
18Es sei eine Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG in der für den Veranlagungszeitraum 2007 maßgeblichen Neufassung des Umsatzsteuergesetzes mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar ist, als die Durchsetzung des Steueranspruchs wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird.
19Es sei die Entscheidung des BVerfG über eine gegen das Urteil des BFH vom 11.12.2019 (XI R 13/18) erhobene Verfassungsbeschwerde vom 04.05.2020 abzuwarten. So habe der BFH gegen Art. 103 Abs. 1 GG, gegen Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG sowie gegen das Gebot des gesetzlichen Richters gem. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen.
20Es sei ferner die Entscheidung des BFH über eine am 20.04.2020 erhobene Anhörungsrüge gem. § 133a FGO abzuwarten.
21Zudem sei das Ergebnis einer wegen der BFH-Entscheidungen vom 11.12.2019 vorbereiteten Staatshaftungsklage abzuwarten.
22Die Klägerin beantragt,
23in materiell-rechtlicher Hinsicht
24die Umsatzsteuer 2009 um 259.529,21 €,
25die Umsatzsteuer 2010 um 43.351,39 €,
26die Umsatzsteuer 2011 um 148.461,12 €,
27die Umsatzsteuer 2012 um 316.685,16 €,
28die Umsatzsteuer 2013 um 346.686,34 €,
29die Umsatzsteuer 2014 um 403.720,45 €
30zu mindern,
31hilfsweise für den Unterliegensfall, das Klageverfahren ruhend zu stellen oder auszusetzen und dem EuGH zu den schriftsätzlich bereits formulierten Vorlagefragen vorzulegen,
32hilfsweise, das Klageverfahren dem BVerfG zu den schriftsätzlich bereits formulierten Fragen vorzulegen (Art. 100 GG),
33äußerst hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
34Der Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Er nimmt zur Begründung Bezug auf den Inhalt seiner Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass das Urteil des BFH vom 30.08.2017 (XI R 37/14), wie auch der erkennende Senat bereits mit seinem Urteil vom 30.01.2018 (5 K 419/15) entschieden habe, auf die Erlöse aus dem Betrieb von Geldspielautomaten nicht anzuwenden sei.
37In der Sache hat am 24.09.2020 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
39Die geänderten Umsatzsteuerjahresbescheide 2014 sind jeweils Gegenstand des Verfahrens geworden (§ 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
40I. Die Klage hat hinsichtlich der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen keinen Erfolg.
41Die für 2009 bis 2014 festgesetzten Umsatzsteuern (es wird auf die o. g. Bescheide verwiesen) sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
42Mit dem Betrieb der Geldspielautomaten mit Geldeinsatz und Gewinnchance erzielte die Klägerin in den Streitjahren steuerbare und steuerpflichtige Umsätze. Die Umsatzbesteuerung dieser Umsätze steht auch im Einklang mit unionsrechtlichen Vorgaben. Die von der Klägerin insoweit jeweils erhobenen Einwendungen sind hinreichend durch die bisherige Rechtsprechung des BFH und EuGH (vgl. nur zuletzt BFH, Urteile vom 11.12.2019, XI R 13/18, BStBl II 2020, 296 m.w.N.; XI R 23/18, BFH/NV 2020, 615; XI R 26/18, BFH/NV 2020, 616; BFH, Beschluss vom 11.12.2019, XI B 62/19, BFH/NV 2020, 784; EuGH, Urteil vom 24.10.2013, C-440/12, Metropol, HFR 2013, 1166; Urteil vom 10.06.2010, C-58/09, Leo Libera, BFH/NV 2010, 1590), der sich der erkennende Senat unter Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung (FG Münster, Urteil vom 30.01.2018, 5 K 419/15 U, EFG 2018, 872; Beschluss vom 04.12.2019, 5 V 3574/19 U, EFG 2020, 405) aus eigener Überzeugung anschließt, geklärt.
431. Die Klägerin hat durch den Betrieb von Geldspielautomaten in den Streitjahren sonstige Leistungen gegenüber den Spielern im Inland gegen Entgelt erbracht, die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuerbar sind.
44Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss für die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein. Er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch i.S. des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (hier nur BFH, Urteil vom 10.04.2019 – XI R 4/17, BStBl II 2019, 635, Rn. 16 m.w.N.).
45Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Insbesondere stehen die Geldeinsätze der Spieler in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Leistungen der Klägerin. Deren sonstige Leistungen bestehen in der Zulassung zum Spiel mit Gewinnchance (jeweils m.w.N. BFH, Urteil vom 11.12.2019 – XI R 13/18, BStBl II 2020, 296; Urteil vom 30.08.2017 – XI R 37/14, BFH/NV 2017, 1689). Die entgeltliche Gegenleistung der Teilnehmer ist der Spieleinsatz. Insoweit besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung des Einsatzes und der Durchführung des Spiels. Ohne Geldeinwurf findet kein Spiel statt (BFH, Urteil vom 11.12.2019 – XI R 13/18, BStBl II 2020, 296; FG Münster, Urteil vom 30.01.2018 – 5 K 419/15 U, EFG 2018, 872, Rn. 25; Beschluss vom 04.12.2019 – 5 V 3574/19 U, EFG 2020, 405, Rn. 20). Auf die Bauart des jeweiligen Geldspielgerätes kommt es danach nicht an. Aus diesem Grund kann es für die Steuerbarkeit der Geldspielautomatenumsätze der Klägerin dahinstehen, ob die von der Klägerin aufgestellten Geldspielgeräte in den Streitjahren so konstruiert waren, dass sie der Klägerin einen vorhersehbaren Ertrag verschafften und ob die sie aufgrund der Einstellungen des Automaten bis auf wenige Prozentpunkte genau wusste, mit welchem Ertrag sie rechnen konnte. Der Senat brauchte dem insoweit von der Klägerin gestellten Beweisantrag deshalb nicht nachgehen. Es kann insoweit auch als wahr unterstellt werden, dass die Abweichungen bei den vorhersehbaren Kasseneinnahmen höher sind als nur wenige Prozentpunkte. Vielmehr geht der BFH, dem sich der erkennende Senat anschließt, ungeachtet der Zufallsabhängigkeit in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Betrieb von Geldspielautomaten (als sonstige Leistung gegen Entgelt) umsatzsteuerbar ist und der hierfür erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung besteht (BFH, Urteil vom 11.12.2019 – XI R 13/18, BStBl II 2020, 296, Rn. 21 m.w.N.). Für die Frage der Steuerbarkeit kommt es auch nicht auf die Höhe der Gegenleistung an. Es bedarf danach keiner Entscheidung, ob die Gegenleistung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, wie vom erkennenden Senat vertreten, in dem Spieleinsatz besteht oder in dem am Ende eines Monats verbleibenden Kasseninhalt, der später zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 10 UStG herangezogen wird (so nach Auffassung der Klägerin die Ansicht des EuGH im Urteil vom 05.05.1994, C-38/93, Glawe, BStBl II 1994, 548, Rz 9, und des BFH im Urteil vom 11.12.2019 (XI R 13/18, BStBl II 2020, 296, Rn. 23)
46Eine andere Beurteilung erfolgt auch nicht in Ansehung und Würdigung des von der Klägerin angeführten BFH-Urteils vom 16.09.2015 (X R 43/12). In diesem Fall hatte der BFH nicht über das Vorliegen eines umsatzsteuerlichen Leistungsaustausches zu entscheiden.
472. Die steuerbaren Leistungen der Klägerin sind weder nach § 4 Nr. 9 Buchst b UStG noch nach Art. 135 Abs. 1 Buchs. i MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit.
48a) § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG befreit Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Nicht befreit sind jedoch die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder von denen diese Steuer allgemein nicht erhoben wird. Die streitigen Umsätze aus dem Betrieb der Geldspielautomaten unterfallen nicht dem Rennwett- und Lotteriegesetz und sind deshalb nach nationalem Recht auch nicht steuerbefreit.
49Der EuGH und ihm nachfolgend der BFH haben in ständiger Rechtsprechung bereits in zahlreichen Verfahren entschieden, dass § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG in der Fassung ab 06.05.2006 mit Unionsrecht vereinbar ist (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 10.06.2010, C‑58/09, Leo Libera, BFH/NV 2010, 1590; Urteil vom 24.10.2013, C-440/12, Metropol Spielstätten, HFR 2013, 1166; BFH, Urteil vom 11.12.2019 – XI R 13/18, BStBl II 2020, 296, Rn. 54 m.w.N.). Eine Unionsrechtswidrigkeit folgt auch nicht aus § 6 SpielbkV vom 27.07.1938 (RGBl I 1938, 955), weil diese Vorschrift in den Streitjahren insoweit nicht mehr galt, als sie auch eine Befreiung von der Umsatzsteuer vorsieht (BFH, Urteil vom 11.12.2019 – XI R 13/18, BStBl II 2020, 296, Rn. 49 m.w.N.; FG Münster, Urteil vom 16.06.2016, 5 K 998/14 U, EFG 2016, 1558; bestätigt durch BFH, Beschluss vom 22.02.2017 – V B 122/16 –, juris ).
50b) Die Klägerin kann sich für die hier streitigen Umsätze aus der Zeit ab dem 06.05.2006 auch nicht auf eine unmittelbare Anwendung der unionsrechtlichen Befreiung berufen. Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL haben die Mitgliedstaaten die Umsätze aus Wetten, Lotterien und sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden, von der Steuer zu befreien. Ein Einzelner kann sich zwar in Ermangelung fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen (BFH, Urteil vom 17.02.2009 – XI R 67/06, BStBl II 2013, 967, Rn. 35; EuGH, Urteil vom 10.09.2002, C-141/00, Kügler, HFR 2002, 1146). Dem steht hier jedoch entgegen, dass der nationale Gesetzgeber – wie unter I.2.a) ausgeführt – die Richtlinienregelung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSyStRL für die Streitjahre mit der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG unionsrechtskonform umgesetzt hat.
513. Die Besteuerung der Umsätze aus dem Betrieb der Geldspielautomaten verletzt die Klägerin auch nicht in ihren Rechten nach Art. 3. Abs. 1 GG. Es liegt bereits keine Ungleichbehandlung vergleichbarer Umsätze vor. Auch von den öffentlichen Spielbanken wird auf die Geldspielautomatenumsätze Umsatzsteuer erhoben, auch für sie greift die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG nicht. Umsatzsteuerlich erfolgt zudem eine tatsächlich gleiche Belastung. Denn sowohl bei der Klägerin als auch bei öffentlichen Spielbanken werden die Geldspielautomatenumsätze auf Grundlage der Kasseneinnahmen und nicht nach den Geldeinsätzen der Spieler bemessen. Ob bei der Spielbankabgabe die Anrechnung der Umsatzsteuer auf andere Abgaben zu unzulässigen Ungleichbehandlungen führt, bedarf im Streitfall, der die Umsatzsteuer betrifft, keiner Entscheidung. Auf die Schattenüberlegungen der Klägerin, nach denen die öffentlichen Spielbanken entgegen der o.g. ständigen Rechtsprechung des EuGH und des BFH wahlweise zu niedrig (strukturelles Vollzugsdefizit) oder zu hoch (Steuerfreiheit nach § 6 SpielbkV) besteuert werden, kommt es damit für die Frage der Umsatzbesteuerung nicht weiter an. Denn eine unterschiedlich hohe steuerliche bzw. abgabenrechtliche Belastung erfolgt jedenfalls nicht hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Belastung, die sich jeweils auf die gleiche Bemessungsgrundlage unter Anwendung des gleichen Steuersatzes gründet. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Betreiber öffentlicher Spielbanken, würden die Spieleinsätze als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage behandelt werden, die Umsatzsteuer nicht abwälzen können, da mindestens 90-95% der geleisteten Spieleinsätze wieder als Gewinne an die Spielgäste ausgezahlt werden. Dieser Umstand kann als wahr unterstellt werden. Dem entsprechenden Beweisantrag der Klägerin musste der Senat daher nicht nachkommen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob Glücksspielumsätze der mit der Klägerin im Wettbewerb stehenden öffentlichen Spielbanken keinen Beschränkungen durch zwingende gesetzlichen Vorschriften unterliegen, wie sie der EuGH in ständiger Rechtsprechung als Voraussetzung dafür ansieht, dass lediglich die Kasseneinnahme und nicht die vollständigen Spieleinsätze als entgeltliche Gegenleistung bewertet wird. Dem entsprechenden Beweisantrag der Klägerin musste der Senat daher ebenfalls nicht nachkommen. Darüber hinaus handelt es sich dabei um eine Frage der rechtlichen Würdigung und nicht um eine zu beweisende Tatsache.
52Aus diesem Grund fehlt es auch an einer den mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsgrundsatz verletzenden Ungleichbehandlung vergleichbarer Ausgangsumsätze. Die Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten von öffentlichen Spielbanken und von privaten Betreibern wie die Klägerin werden umsatzsteuerlich gleich behandelt.
534. Ob es eine unzulässige Beihilfe darstellt, dass bei öffentlichen Spielbanken die Umsatzsteuer auf die Spielbankabgabe angerechnet wird, ist ebenfalls nicht zu entscheiden (vgl. auch BFH, Beschluss vom 27.06.2017, V B 162/16, BFH/NV 2017, 1336, Rz. 13). Hier ist über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide zu befinden. Die etwaige Rechtswidrigkeit anderer Abgaben ist für die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuer rechtlich unerheblich (vgl. BFH, Urteil vom 11.12.2019, XI R 13/18, BStBl II 2020, 296, Rn. 63; Urteil vom 22.04.2010, V R 26/08, BStBl II 2010, 883, Rz. 17; Beschluss vom 19.10.2009, XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58, Rz. 21 und 22).
54II. Das Verfahren wird weder ruhend gestellt noch ausgesetzt.
551. Das Verfahren wird nicht ruhend gestellt. Das Gericht hat nach § 155 FGO i.V.m. § 251 Zivilprozessordnung (ZPO) das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn der Beklagte hat dem Ruhen des Verfahrens nicht zugestimmt.
562. Das Verfahren wird auch nicht aus den von der Klägerin vorgetragenen Gründen gemäß § 74 FGO ausgesetzt.
57Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
58a) Eine Aussetzung erfolgt vorliegend nicht wegen einer Vorlage entscheidungserheblicher Fragen an den EuGH zur Vorabentscheidung. Denn der Senat sieht die entscheidungserheblichen Fragen hinsichtlich der Umsatzbesteuerung von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Geldeinsatz und Gewinnchancen durch den BFH und den EuGH als geklärt an, so dass eine Vorlage an den EuGH ausgehend von der Rechtsauffassung des erkennenden Senats nicht sachgerecht ist (Art. 267 AEUV).
59b) Das Verfahren ist nicht auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Denn – wie unter I.3. ausgeführt – verstößt die Regelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
60c) Auch allein der Umstand, dass gegen das BFH-Urteil vom 11.12.2019 (XI R 26/18) Verfassungsbeschwerde beim BVerfG (dortiges Az. AR 3311/20) eingelegt worden ist, rechtfertigt keine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens (vgl. BFH, Beschluss vom 21.01.2015 – XI B 88/14, BFH/NV 2015, 864, Rn. 11). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass es sich bei der erhobenen Verfassungsbeschwerde um ein Musterverfahren betreffend die Umsatzbesteuerung von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten handelt. Wie die Klägerin vorträgt, betrifft die Verfassungsbeschwerde eine Rüge des nicht gewährten rechtlichen Gehörs sowie einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter. Insoweit besteht schon keine Vorgreiflichkeit für das vorliegende Verfahren. Zudem sieht, wie unter II.2.a) ausgeführt, der erkennende Senat die entscheidungserheblichen Fragen hinsichtlich der Umsatzbesteuerung von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten durch den BFH und den EuGH jedoch als geklärt an, so dass der gesetzliche Richter – der BFH – im Revisionsverfahren XI R 26/18 auch entschieden hat.
61Der Senat kann darüber hinaus nicht erkennen, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung annehmen wird. Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung (§ 93a Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG). Sie ist zur Entscheidung anzunehmen, soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt. Eine Verfassungsbeschwerde hat regelmäßig keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung, wenn die von ihr aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind. Sie ist ferner anzunehmen, wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist. Verfassungsbeschwerden werden mit dem Aktenzeichen „BvR“ in das Verfahrensregister eingetragen. Eine Eintragung in das Allgemeine Register (Aktenzeichen „AR“), wie es bei der Verfassungsbeschwerde AR 3311/20 vorliegend der Fall ist, erfolgt etwa, weil zum Beispiel eine Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig ist oder unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts offensichtlich keinen Erfolg haben kann (vgl. https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Der-Weg-zur-Entscheidung/ der-weg-zur-entscheidung_node.html). Vorliegend ist eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung noch nicht erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat zudem bereits mit Beschluss vom 07.11.2017 (1 BvR 1006/17) eine Verfassungsbeschwerde gegen eine BFH-Entscheidung (V B 122/16), die die Umsatzsteuerpflicht von Geldspielautomatenumsätzen und die Frage der Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO betraf, nicht zur Entscheidung angenommen, so dass davon auszugehen ist, dass auch das Bundesverfassungsgericht die mit der Besteuerung der Geldspielautomatenumsätze zusammenhängenden Fragen als geklärt ansieht.
62Die Möglichkeit einer Staatshaftungsklage wegen des BFH-Urteils vom 11.12.2019 (Az. XI R 13/18) sowie die erhobene Anhörungsrüge rechtfertigen ebenfalls keine Aussetzung des Verfahrens.
63Der Senat sieht eine weitere Verzögerung des Rechtsstreits durch eine neuerliche Aussetzung der Verhandlung nach § 74 FGO auch nicht als sachgerecht an. Die Klägerin hatte bereits das Ruhen des Einspruchsverfahrens und auch im Klageverfahren das Ruhen und die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Dabei hat sich gezeigt, dass die Klägerin die ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen, die allesamt ihre Auffassung nicht bestätigt haben, nicht akzeptiert hat, sondern jeweils neue Ruhens-/Aussetzungsgründe gefunden hat. Deshalb geht der Senat davon aus, dass ein Abwarten auf die Entscheidung des BVerfG im Verfahren AR 3311/20, auf die Entscheidung über die Anhörungsrüge im BFH-Verfahren XI R 13/18 und auf eine Entscheidung über eine mögliche Staatshaftungsklage, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht einmal erhoben worden ist, im Falle von für die Klägerin unbefriedigenden Ergebnissen ebenfalls nicht zu einer Befriedung bzw. Erledigung dieses Verfahrens führen würde.
64III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
65IV. Die Revision war mangels Vorliegen eines Revisionsgrundes i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.