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Die Einkommensteuerbescheide für 2004 und 2005 vom 02.02.2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24.03.2010 und in Gestalt der Teil-einspruchsentscheidung vom 24.02.2011 werden nach Maßgabe der Urteilgründe abgeändert.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens entfallen zu 85 % auf den Beklagten und zu 15 % auf die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
4 K 1526/16 E
2Tatbestand
3Der Rechtsstreit befindet sich im zweiten Rechtsgang. Streitig ist zwischen den Beteiligten noch, ob dem Kläger in den Streitjahren (2004 und 2005) Dividenden aus seiner 51 %-igen Beteiligung an der in der Republik Polen ansässigen B. T. Sp. z o. o. (B. T.) zugeflossen sind, obwohl entsprechende Gewinnverwendungsbeschlüsse noch vor Auszahlung der Dividenden rückgängig gemacht wurden.
4Die Kläger werden in den Streitjahren als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte gewerbliche Einkünfte, u. a. im Rahmen einer sog. Betriebsaufspaltung aus der Verpachtung von Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens an die B. K. GmbH, die Anlagen im Bereich der B-Technik entwickelte und produzierte. Darüber hinaus war der Kläger an verschiedenen Unternehmen im Bereich der B-Technik beteiligt, u. a. an den in Polen ansässigen Gesellschaften B. P. Sp. z o. o. (B. P.) und der B. T.
5Die B. P., die in den Streitjahren keine Umsätze mit dem Kläger tätigte, hatte in Polen ihr operatives Geschäft betrieben, bis sie im Jahr 1999 den Geschäftsbetrieb unter Zurückbehaltung der Immobilien an die neu gegründete B. T. veräußerte. Im Zuge der Übertragung des Geschäftsbetriebs verminderte der Kläger seine bislang 51 %-ige Beteiligung an der B. P. durch Übertragung von 2 Prozentpunkten auf den Mitgesellschafter Z. An der B. T. beteiligte sich der Kläger zu 51 % (Mitgesellschafter Z: 49 %).
6Nach dem Gesellschaftsvertrag zur Gründung der B. T. darf diese Gesellschaft eine Abkürzung des Firmennamens „B.-T.“ und ein sie auszeichnendes graphisches Zeichen gebrauchen. Darüber hinaus bestimmt § 8 GV: „Die Patent- und Lizenzrechte sowie technisches Know-how und später die Schutzrechte auf dem Gebiet der Republik Polen bleiben grundsätzlich im Eigentum des ursprünglichen Patent- bzw. Lizenzgebers B. I. K., B. K. GmbH (…) oder B. AG … .“
7Die B. T. verwendete das (graphisch gestaltete) Markenzeichen „B.“ unentgeltlich, dessen Inhaber der Kläger war.
8Auf der Grundlage eines bereits am 01.01.1999 abgeschlossenen Lizenzvertrages zwischen der B. P. und der in der Schweiz ansässigen B. AG, an der der Kläger in den Streitjahren zu 90 % beteiligt war, überließ die B. AG der B. T. die Nutzung von Patenten zur Herstellung von B.-Vorrichtungen. Die B. AG ist eine eigenständige, international tätige Patentverwertungsgesellschaft mit Geschäftsbeziehungen in ganz Europa, die eigene Patente und Lizenzen vertrieb.
9Die B. T. vertrieb in den Streitjahren als selbständige Produktionsgesellschaft von ihr selbst entwickelte Verfahrenstechniken, die nur in Polen zum Einsatzkamen und weder vom Kläger über dessen Einzelunternehmen noch über eine der Gesellschaften der B.-Gruppe verkauft wurden. Zudem vertrieb die B. T. Produkte des Einzelunternehmens des Klägers. Der Kläger veräußerte im Rahmen seines Einzelunternehmens Ersatzteile an die B. T. in geringem Umfang (2004: xxxx € im Verhältnis zum Gesamtumsatz von yyyyyy €; 2005: xxxx € im Verhältnis zum Gesamtumsatz von yyyyyy €).
10Die B. T. fasste am 29.03.2004 (für 2003) und am 23.06.2005 (für 2004) Gewinnverwendungsbeschlüsse, denen zufolge ihr Gewinn zu 75 % (für 2003 ein auf den Kläger entfallender Gewinnanteil von xyxyxy €) bzw. zu 25 % (für 2004 ein auf den Kläger entfallender Gewinnanteil von xzxzx €) an die Gesellschafter verteilt wurde. Dabei wurde die Fälligkeit bestimmt auf den 31.12.2006 (für 2003) bzw. 31.12.2007 (für 2004). Der restliche Gewinn sollte dem Reservekapital zugeführt werden. Zu einer Auszahlung der auf den Kläger entfallenden Beträge kam es jedoch nicht. Denn durch Gesellschafterbeschlüsse vom 30.05.2005 (für 2003) bzw. vom 30.07.2005 (für 2004) änderte die Gesellschafterversammlung die Gewinnverwendungsbeschlüsse dahin, dass jeweils der gesamte Gewinn dem Reservekapital zugeführt werden sollte. Für den Gewinn des Streitjahres 2005 beschlossen die Gesellschafter 2006 von vornherein die Zuführung zum Reservekapital.
11Der für diese Gesellschafterbeschlüsse über die Gewinnverwendung einschlägige Art. 191 des Kodeks spółek handlowych (KSH) – Gesetz über die Handelsgesellschaften – hat folgenden Wortlaut (vgl. FGA, Bl. 112):
12„§ 1. Der Gesellschafter hat den Anspruch auf Beteiligung an dem sich aus dem Jahresabschluss ergebenden und durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung zur Ausschüttung bestimmten Gewinn unter Berücksichtigung von Art. 195 § 1.
13§ 2. Der Gesellschaftsvertrag kann eine andere Art der Gewinnverteilung vorsehen und zwar unter Berücksichtigung von Art. 192-197.“
14§ 3. Sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist, wird der den Gesellschaftern zustehende Gewinn entsprechend zu ihren Anteilen verteilt.“
15Daneben bestimmt Art. 193 KSH (vgl. FGA, Bl. 48 f.):
16„§ 1. Dividendenberechtigt für ein Wirtschaftsjahr sind diejenigen Gesellschafter, die am Tag der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung Gesellschafter waren.
17§ 2. Die Satzung der Gesellschaft kann die Gesellschafterversammlung berechtigen, einen bestimmten Tag zu bestimmen, auf den eine Liste derjenigen Gesellschafter erstellt wird, die zum Empfang der Dividende für das Wirtschaftsjahr(Dividendentag) berechtigt sind.
18§ 3. Der Dividendentag soll in einem Zeitraum von zwei Monaten ab dem Tag der Beschlussfassung liegen, von dem in Art. 191 § 1. KSH gesprochen wird.
19§ 4. Die Dividende soll am im Gesellschafterbeschluss bestimmten Tag ausgezahlt werden. Enthält der Gesellschafterbeschluss einen solchen Tag nicht, wird die Dividende an dem Tag ausgezahlt, den der Vorstand bestimmt.“
20Zwar galt Art. 193 § 4 KSH noch nicht in den Streitjahren. Es handelt sich allerdings um eine klarstellende Regelung, mit der die schon bisher geltende Rechtslage gesetzlich festgeschrieben wurde.
21In den für die Streitjahre erstellten Bilanzen seines Einzelunternehmens behandelte der Kläger nur die Beteiligung an der B. P., nicht jedoch diejenige an der B. T. als Betriebsvermögen. Dividendenerträge der B. T. erfasste er weder in den Gewinnermittlungen noch gaben die Kläger sie in ihren Einkommensteuererklärungen als Kapitaleinnahmen an.
22Indes war der Beklagte im Nachgang zu einer Außenprüfung der Meinung, durch die Überlassung u. a. des Markenrechts („B.“) an die B. T. sei eine Betriebsaufspaltung begründet worden. Deshalb und wegen der Funktion der B. T. als Vertriebsgesellschaft sei die Beteiligung notwendiges Betriebsvermögen im Einzelunternehmen des Klägers. Aufgrund der unentgeltlichen Überlassung des Markenrechts sei in allen Streitjahren eine Gewinnkorrektur nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen in der für die Streitjahre geltenden Fassung (AStG a. F.) anzusetzen (zzzzz € für 2004, yyyyy € für 2005 und xxxxx € für 2006). Im Übrigen seien auf der Grundlage der Gewinnverwendungsbeschlüsse der B. T. für 2004 und für 2005 Betriebseinnahmen sowie für 2005 Wechselkursgewinne und -verluste zu berücksichtigen, wobei für die Dividenden das Halbeinkünfteverfahren greife. Zunächst erließ der Beklagte unter dem 02.02.2010 für die Streitjahre Einkommensteuerbescheide, in denen er die Gewinnkorrekturen nach § 1 Abs. 1 AStG a. F. sowie – erst ohne Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens – die Gewinnausschüttungen und die hiermit in Zusammenhang stehenden Wechselkursgewinne bzw. -verluste steuererhöhend berücksichtigte (2004: Gewinnanteil für 2003: xyxyxy €; 2005: Kursgewinn für Gewinnanteil 2003: xxyyy € zuzüglich Gewinnanteil für 2004: xzxzx € abzüglich Kursverlust für Gewinnanteil 2004: ./. zzz € ergibt insgesamt zzxxx €).
23Gegen diese Einkommensteuerbescheide legten die Kläger Einspruch ein (Eingang beim Beklagten: 11.02.2010).
24Weil der Beklagte die Dividendenanteile versehentlich nicht nach dem Halbeinkünfteverfahren zur Hälfte steuerfrei gestellt hatte, änderte er die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre mit Änderungsbescheiden vom 24.03.2010 entsprechend ab. Nach Erlass dieser Änderungsbescheide wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger mit Teileinspruchsentscheidung vom 24.02.2011 ab, in der er insbesondere von einer Betriebsaufspaltung zwischen der B. P. und der B. T. ausging. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Teileinspruchsentscheidung verwiesen.
25Im ersten Rechtsgang folgte der Senat mit Urteil vom 14.02.2014 4 K 1053/11 E (Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 921) im Kern der Auffassung des Beklagten, schränkte die Einkommenskorrektur allerdings der Höhe nach unter Hinweis auf zivilrechtliche Maßgaben einer Schadensersatzbemessung ein.
26Diese Entscheidung hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 21.01.2016I R 22/14 (BFHE 253, 82, BStBl II 2017, 336) auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung für 2004 und 2005 an das Finanzgericht (FG) zurück. Ein einkommenserhöhender Ansatz auf Grundlage von § 1 Abs. 1 AStG a. F. scheide für 2004 bis 2006 aus. Entgegen der Entscheidung des FG habe der Kläger der B. T. kein Markenzeichen überlassen. Dies ergebe sich weder aus dem GV noch aus den sonstigen Umständen des Streitfalls. Mangels entsprechender Überlassung fehle es an der für eine Betriebsaufspaltung notwendigen sachlichen Verflechtung. Daher sei der Rechtsstreit für das Jahr 2006 entscheidungsreif: Die Einkommensteuer für 2006 sei ohne einkommenserhöhenden Ansatz nach § 1 Abs. 1 AStG a. F. festzusetzen. Für die Streitjahre 2004 und 2005 habe das FG allerdings noch dahingehend weitere Feststellungen zu treffen, ob eine Betriebsaufspaltung nicht auch auf der Grundlage des von der B. AG der B. T. überlassenen Patents anzunehmen sein könne oder die Beteiligung an der B. T. nicht auf der Grundlage „enger Geschäftsbeziehungen“ zum notwendigen Betriebsvermögen des gewerblichen Einzelunternehmens des Klägers zu rechnen sei. Aber auch wenn die Beteiligung an der B. T. nicht zum Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des Klägers zu rechnen sein sollte, würde in den Streitjahren ein Zufluss von Kapitalerträgen nach den Grundsätzen der Zuflussfiktion in Betracht kommen. Das FG habe jedoch keine ausreichenden Feststellungen zur (zeitpunktbezogenen) Zahlungsfähigkeit getroffen.
27Im Nachgang zu diesem BFH-Urteil hat der Beklagte zu den Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre keine Änderungsbescheide erlassen.
28Im zweiten Rechtsgang machen die Kläger geltend, dem Kläger seien in den Streitjahren keine Dividenden aus seiner Beteiligung an der B. T. zugeflossen.
29Die Beteiligung an der B. T. und mithin die Forderungen aus den in den Streitjahren beschlossenen Gewinnausschüttungen seien nicht als Betriebsvermögen im Einzelunternehmen des Klägers zu aktivieren, weil es an einer Betriebsaufspaltung fehle und die Beteiligung auch kein notwendiges Betriebsvermögen im Einzelunternehmen sei.
30Eine Betriebsaufspaltung zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers und der B. T. liege nicht vor. Insoweit fehle es an einer sachlichen Verflechtung. Der Kläger habe weder – wie vom BFH zutreffend entschieden – das Markenzeichen B. noch Patente noch sonstige geschützte Erfindungen als Betriebsgrundlage an die B. T. überlassen.
31Auch fehle es an einer Betriebsaufspaltung zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers und der B. P. Hier mangele es schon an einer persönlichen Verflechtung, weil der Kläger an der B. P. nur zu 49 % beteiligt gewesen sei und hier mithin keine beherrschende Stellung gehabt habe. Der zwischen der B. P. und der B. AG geschlossene Lizenzvertrag über die Vorrichtung betreffe die B. T. schon deshalb nicht, weil sie keine Vertragspartnerin des Lizenzvertrages sei. Weil zudem die B. T. keine entsprechenden Vorrichtungen in den Streitjahren verkauft habe, hatte sie nach dem Lizenzvertrag auch keine Lizenzzahlungen an die B. AG zu zahlen. Zwar habe die B. T. aufgrund entsprechender vertraglicher Regelung die Gelegenheit gehabt, den zwischen der B. P. und der B. AG geschlossenen Lizenzvertrag zu übernehmen, allerdings von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.
32Überdies seien durch den Lizenzvertrag zwischen der B. P. und der B. AG auch nicht mittelbar wesentliche Betriebsgrundlagen durch den Kläger an die B. T. überlassen worden. Damit fehle es auch aus diesem Grund an einer sachlichen Verflechtung. Auch greife nicht die Rechtsprechung des BFH, nach der eine sachliche Verflechtung durch die mittelbare Überlassung von Wirtschaftsgütern über eine bloße Zwischengesellschaft in Betracht komme (BFH-Urteil vom 28.11.2001 X R 50/97, BFHE 197, 254, BStBl II 2002, 363). Im Streitfall gebe es keine Zwischengesellschaft. Weder seien die eigenständigen B. P. und B. T. Zwischengesellschaften noch sei die B. AG bezogen auf die B. P. und die B. T. als Zwischengesellschaft zu qualifizieren. Denn die B. AG sei eine eigenständige, international tätige Patentverwertungsgesellschaft.
33Im Übrigen sei die Beteiligung des Klägers an der B. T. kein notwendiges Betriebsvermögen im Einzelunternehmen des Klägers. So gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Beteiligungen das Einzelunternehmen des Klägers in erheblichen Maße gefördert habe. Insbesondere fehle es an engen Geschäftsbeziehungen zwischen dem Kläger und der B. T. Wirtschaftlich habe die Beteiligung das Einzelunternehmen schon deshalb nicht stärken können, weil die B. T. ein Krisenunternehmen gewesen sei. Dies zeige sich schon daran, dass diese Gesellschaft zu keinem Zeitpunkt die Ausschüttungen habe realisieren können. Auch geschäftlich habe das Einzelunternehmen des Klägers aus der Beteiligung an der B. T. aufgrund unterschiedlicher Zwecke und Geschäftsbereiche keinen Nutzen ziehen können, der über den Verkauf von Ersatzteilen vom Kläger an die B. T. hinausginge.
34Des Weiteren seien dem Kläger in den Streitjahren auch keine Dividenden aufgrund der sog. Zuflussfiktion zugeflossen.
35Zwar habe bei der B. T. kein dauerndes Unvermögen bestanden, sofort zu erfüllende Verbindlichkeiten im Wesentlichen zu zahlen. Insoweit könnten auch keine Nachweise über den Zeitpunkt der Beschlussfassung erbracht werden. Allerdings sei vorliegend wegen des für die Dividenden maßgeblichen Gesellschaftsrechts der Republik Polen (polnisches Gesellschaftsrecht) auch nach der Zuflussfiktion nicht davon auszugehen, dass dem Kläger in den Streitjahren Dividendenansprüche zugeflossen seien. Nach dem maßgeblichen polnischen Gesellschaftsrecht sei wegen der Aufhebung der Ausschüttungsbeschlüsse vor ursprünglicher Fälligkeit niemals ein Anspruch entstanden, den der Kläger hätte geltend machen oder einklagen können. Die Zuflussfiktion beziehe sich aber nur auf die vorgezogene Fälligkeit. Der Anspruch selbst werde nicht fingiert. Er müsse (zu einem späteren Fälligkeitszeitpunkt) bestehen. Anders als im deutschen Gesellschaftsrecht werde der Fälligkeitszeitpunkt aber nach dem polnischen Gesellschaftsrecht durch Gesetz festgelegt. Weil Art. 193 § 4 KSH den Tag der Auszahlung der Dividende vom Gesellschafterbeschluss – hilfsweise von einer entsprechenden Vorstandsentscheidung – abhängig mache, bestehe im polnischen Recht eine nach deutschen Rechtsgrundsätzen nicht vorgesehene Fälligkeitsregelung. Hierzu habe das Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Wrocław (= Breslau) mit Urteil vom 22.06.2005 I SA/Wr 2848/03 ausgeführt, dass das im Gesellschafterbeschluss genannte Datum – egal wie weit dieses in der Zukunft liege – als Zeitpunkt der Forderung zur Auszahlung des Gewinnanspruchs gelte. Die Belassung des Gewinnes bis zu diesem Datum in der Gesellschaft führe zu keinen zivilrechtlichen Forderungen der Gesellschafter, sodass der Gesellschaft dann keine Erträge aus einer unentgeltlichen Überlassung entstehen würden. Diese Fälligkeitsregelung nach polnischem Recht könne nicht in Anwendung deutscher Rechtsgrundsätze dahingehend ausgehebelt werden, dass der in Anwendung des polnischen Gesetzes im Gesellschafterbeschluss bestimmte Auszahlungstag keine Geltung haben könne. Ansonsten würde die polnische handelsrechtliche Bestimmung durch deutsches Recht dahingehend „überschrieben“ werden, dass der Tag des Gesellschafterbeschlusses als Auszahlungstag den Tag der Beschlussfassung festzulegen habe. Damit würde der gesetzlichen polnischen Regelung des Art. 193 § 4 Satz 1 KSH die Geltung abgesprochen, weil bereits die Beschlussfassung über die Dividendenauszahlungen als „späterer Fälligkeitszeitpunkt“ anzusehen wäre. Eine solche Behandlung und Interpretation ausländischer gesetzlicher Vorschriften stehe der Bundesrepublik Deutschland (BRD) auch nicht zu Besteuerungszwecken zu.
36Ferner habe der Kläger in den späteren Gesellschafterversammlungen auch nicht deshalb auf die Ausschüttungen seiner Gewinnanteile verzichtet, weil er die Ausschüttungen als beherrschender Gesellschafter „in der Hand gehabt habe“. Er habe vielmehr aus unternehmerischen Gründen verzichten müssen. Denn die Gesellschaft sei – wie Z in der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2014 ausweislich Seite 5 (Mitte) des entsprechenden Protokolls im ersten Rechtsgang bekundet habe – liquiditätsmäßig nicht in der Lage gewesen, diese Gewinnausschüttungen vorzunehmen. Dies lasse sich zwar mittlerweile nicht mehr anhand von Bankunterlagen belegen, ergebe sich aber ganzoffensichtlich schon daraus, dass für die Streitjahre eine Ausschüttung erst Jahre später vorgesehen gewesen sei. Ein solch langes Hinauszögern der Fälligkeitszeitpunkte spreche eindeutig dafür, dass die B. T. nicht anders gekonnt habe. Gleiches folge daraus, dass die Aufhebungsbeschlüsse gerade keinen neuen Fälligkeitstermin, sondern die Zuweisung des gesamten Gewinns in das Reservekapital beinhalten würden. Dem würde ein beherrschender Gesellschafter nur zustimmen, wenn das nicht zur Sicherung von Existenz und Fortbestehen der Gesellschaft geboten wäre. Einem Gesellschafter nütze seine beherrschende Stellung nichts, wenn die Gesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage sei, seine Gewinnanteile zu bedienen.
37Zudem sei die Gesellschaft zu den ursprünglichen Fälligkeitszeitpunkten 31.12.2006 und 31.12.2007 nicht mehr zahlungsfähig gewesen. Eine Zahlungsunfähigkeit sei nämlich bereits dann gegeben, wenn sie sich diese Auszahlung nicht leisten könne, weil sie das Geld für ihr weiteres wirtschaftliches Überleben benötige. Dann liege es nicht im Ermessen des beherrschenden Gesellschafters, als Tag der Auszahlung den Tag der Beschlussfassung zu bestimmen. Ein beherrschender Gesellschafter habe größtes Interesse daran, dass seine Gesellschaft weiterarbeiten könne. Gerade bei wirtschaftlicher Betrachtung sei die Sicherung der weiteren Existenz der Gesellschaft für den beherrschenden Gesellschafter der entscheidende Gesichtspunkt bei der Ausübung des Ermessens, nicht jedoch der Eigennutz. Da sich die mangelnde Zahlungsfähigkeit bereits frühzeitig abgezeichnet habe, seien die Ausschüttungsbeschlüsse auch schon entsprechend vorher rückgängig gemacht worden.
38Im Übrigen bedürfe die Zuflussfiktion – obgleich sie grundsätzlich anzuerkennen sei – hinsichtlich ihrer Grenzen der Modifizierung. Die Einschränkung der Zuflussfiktion der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei nicht nur in den bisher anerkannten Konstellationen entgegenstehender Satzungsvorschriften sowie Zahlungsunfähigkeit i. S. des Insolvenzrechts, sondern auch dann geboten, wenn – wie hier – die Ausschüttungen im Zeitpunkt der Beschlussfassung wegen der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft wirtschaftlich nicht möglich seien und ihr Erhalt unwahrscheinlich sei. In einer solchen wirtschaftlichen Situation versage das tragende Fundament der Zuflussfiktion, es liege im Ermessen eines beherrschenden Gesellschafters, nach Gutdünken den Fälligkeitszeitpunkt zu bestimmen. Ansonsten ermöglichte die Fiktion eine mit Gesetz und Recht nicht mehr zu vereinbarende Besteuerung. Denn die Besteuerung richte sich generell nicht nach fiktiven, sondern nach tatsächlich verwirklichten Sachverhalten. Wo eine Fiktion den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt verdränge und den fiktiven Sachverhalt der Besteuerung unterwerfe, bedürfe es nicht von der Hand zu weisender, schwerwiegender und überzeugender Gründe. Solche lägen im Streitfall aber nicht vor.
39Die Kläger beantragen,
40die Einkommensteuerbescheide für 2004 und 2005 vom 02.02.2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24.03.2010 und in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 24.02.2011 dahingehend abzuändern, dass keine Dividendenerträge aus der Beteiligung an der B. T. Sp. z o. o. und kein Lizenzentgelt für die Nutzung des Markennamens B. durch die B. T. Sp. z o. o. angesetzt werden,
41hilfsweise die Revision zuzulassen.
42Der Beklagte beantragt,
43die Klage abzuweisen.
44Er meint, die Anteile des Klägers an der B. T. seien notwendiges Betriebsvermögen beim Einzelunternehmen des Klägers. Dies folge aus der 51 %-igen Beteiligung des Klägers an dieser Gesellschaft, die als Teil der international agierenden B.-Gruppe gegründet worden und auf demselben Geschäftsfeld wie der Kläger mit seinem Einzelunternehmen tätig sei. Aufgrund dieser Umstände stärke die Beteiligung des Klägers an der B. T. die Position seines Einzelunternehmens. Auch könne eine Betriebsaufspaltung wegen der mittelbaren Überlassung des Patents von der B. AG an die B. T. angenommen werden.
45Aber selbst wenn die Beteiligung an der B. T. nicht als Betriebsvermögen des Klägers anzusehen sein sollte, seien die Gewinnausschüttungen für die Streitjahre wegen seiner Stellung als beherrschender Gesellschafter der B. T. zugeflossen. Z habe am 14.02.2014 ausgesagt, erst im Jahr 2008 oder 2009 seien die ursprünglichen Gewinnausschüttungsbeschlüsse für die Streitjahre rückgängig gemacht worden. Sollte die B. T. bereits in den Jahren der ursprünglichen Beschlussfassungen zahlungsunfähig gewesen sein, würde eine derart späte Aufhebung der Beschlüsse keinen Sinn haben.
46Der Senat hat am 17.01.2020 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
47Entscheidungsgründe
48Die Klage ist teilweise begründet.
49Die Einkommensteuerbescheide für 2004 und 2005 vom 02.02.2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24.03.2010 und in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 24.02.2011 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –), soweit der Beklagte für die Streitjahre Hinzurechnungsbeträge nach § 1 Abs. 1 AStG a. F. angesetzt hat (1.). Im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der B. T. erzielte der Kläger in den Streitjahren keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb (2.), sondern dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende Einkünfte aus Kapitalvermögen, bei denen entgegen der Auffassung des Beklagten keine Kursgewinne bzw. -verluste zu berücksichtigen sind (3.).
501. Eine Hinzurechnung nach § 1 Abs. 1 AStG a. F. kommt – was mittlerweile zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig ist – nicht in Betracht. Insoweit verweist der Senat auf das ihn insoweit bindende BFH-Urteil vom 21.01.2016 I R 22/14 (BFHE 253, 82, BStBl II 2017, 336, unter I.).
512. Entgegen der Auffassung des Beklagten erzielte der Kläger im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der B. T. keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung (EStG).
52a) Die Beteiligung an der B. T. ist nicht über die Grundsätze der Betriebsaufspaltung zum Betriebsvermögen des Klägers in dessen Einzelunternehmen geworden.
53aa) Zu verneinen ist die vom BFH in seinem Urteil vom 21.01.2016 I R 22/14 (BFHE 253, 82, BStBl II 2017, 336) angesprochene Frage, ob eine Betriebsaufspaltung zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers und der B. T. aufgrund der von der B. AG über die B. P. an die B. T. überlassenen Patente begründet wurde.
54Für die Annahme einer Betriebsaufspaltung durch eine sog. mittelbare Nutzungsüberlassung (BFH-Urteil vom 24.09.2015 IV R 9/13, BFHE 251, 227, BStBl II 2016, 154, Rz 23) müsste der Kläger jedenfalls Inhaber der von der B. AG an die B. P. überlassenen Patentrechte sein (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.2001 X R 50/97, BFHE 197, 254, BStBl II 2002, 363, Rz 2: „der Erblasser war Eigentümer eines bebauten Grundstücks“; Rz 11: „Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht Einigkeit darüber, dass das Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage … darstellte“ und mithin die Grundlage einer sachlichen Verflechtung bildete).
55Hieran fehlt es. Denn Inhaberin der von der B. AG an die B. T. überlassenen Patente war die B. AG als eigenständige, international tätige Patentverwertungsgesellschaft. Das Einzelunternehmen des Klägers war damit – wie es jedoch für eine mittelbare Nutzungsüberlassung erforderlich wäre – in Bezug auf die überlassenen Patente kein Besitzunternehmen (vgl. BFH-Urteil vom 24.09.2015 IV R 9/13, BFHE 251, 227, BStBl II 2016, 154, Rz 24).
56bb) Auch sonst überließ der Kläger keine Patente oder sonstigen Wirtschaftsgüter aus seinem Einzelunternehmen an die B. T., sodass eine Betriebsaufspaltung zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers und der B. T. auch insoweit nicht angenommen werden kann.
57cc) Zudem scheidet eine Betriebsaufspaltung zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers und der B. P. aus, weil der Kläger an der B. P. zu 49 % und mithin nicht beherrschend beteiligt war. Selbst wenn also die vom Beklagten in seiner Teileinspruchsentscheidung angenommene Betriebsaufspaltung zwischen der B. P. und der B. T. bestehen würde und deshalb die Anteile der B. T. dem Betriebsvermögen der B. P. zuzuordnen wären, wäre das Betriebsvermögen der B. P. mangels persönlicher Verflechtung nicht dem Einzelunternehmen des Klägers zuzurechnen.
58b) Entgegen der Auffassung des Beklagten gehört die Beteiligung auch nicht zum notwendigen Betriebsvermögen des Klägers.
59Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 12.06.2019 X R 38/17, BFHE 265, 182, BStBl II 2019, 518, m. w. N.) dann notwendiges Betriebsvermögen, wenn sie entweder dazu bestimmt ist, die gewerbliche (branchengleiche) Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern (vgl. dazu unter aa), oder wenn sie dazu dient, den Absatz von Produkten des Steuerpflichtigen zu gewährleisten (s. dazu unter bb).
60Beide Alternativen sind im Streitfall nicht einschlägig.
61aa) Die gewerbliche Tätigkeit des Einzelunternehmens des Klägers wurde durch die Beteiligung an der B. T. nicht entscheidend gefördert.
62Eine „entscheidende Förderung“ setzt nämlich voraus, dass der Steuerpflichtige (hier: Kläger) seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft (hier: B. T.) zum Wohle seines Einzelgewerbebetriebs einsetzt. Dies ist regelmäßig erst dann gegeben, wenn zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Einzelgewerbetreibenden eine intensive und nachhaltige Geschäftsbeziehung besteht, die sich für den Einzelgewerbetreibenden als erheblich vorteilhaft erweist und dieser Vorteil seine Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen einer derartigen Geschäftsbeziehung wird die Kapitalbeteiligung erst recht zum Zwecke der Förderung des Einzelgewerbetreibenden eingesetzt, wenn diesem hierdurch fremdunübliche Vorteile verschafft werden (BFH-Urteil vom 12.06.2019X R 38/17, BFHE 265, 182, BStBl II 2019, 518, Rz 36).
63Wie die Kläger zutreffend ausgeführt haben, war die Beteiligung an der B. T. für den Kläger nicht erheblich vorteilhaft. Die B. T. hat – nach dem bisher unwidersprochenen Vortrag des Klägers – keine Gewinne an den Kläger ausgeschüttet. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ginge der darin liegende Vorteil nicht über denjenigen aus einer sonstigen Beteiligung hinaus und wäre mithin nicht erheblich vorteilhaft.
64Soweit zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers und der B. T. in den Streitjahren Umsätze durchgeführt wurden, hat dies – wie von den Klägern zutreffend geltend gemacht – allein die Lieferung von Ersatzteilen vom Kläger an die B. T. betroffen. Gemessen an den Gesamtumsätzen des Klägers waren diese Umsätze geringfügig (2004: xxxx € / yyyyyy € x 100 = 1,40 %; 2005: xxxx € / yyyyyy € x 100 = 1,20 %).
65Auch sonst ergab sich für das Einzelunternehmen des Klägers kein erheblicher Vorteil aus der Beteiligung an der B. T., weil diese eine selbständig tätige Produktionsgesellschaft war, die in den Streitjahren in der Republik Polen tätig war und von ihr (der B. T.) entwickelte Verfahrenstechnik anbot und vertrieb. Dabei veräußerte die B. T. die Verfahrenstechnik nur in der Republik Polen und mithin an kein anderes Unternehmen der B.-Gruppe.
66bb) Des Weiteren gewährleistete die Beteiligung des Klägers an der B. T. nicht entscheidend den Absatz der Produkte des Klägers, weil der Kläger lediglich in geringem Umfang (s. o.) Ersatzteile in die Republik Polen lieferte.
673. Allerdings hat der Kläger aus seiner Beteiligung an der B. T. in den Streitjahren dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt, für die das Besteuerungsrecht nach dem deutsch-polnischen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen 1972/2003 (DBA-Polen) bei der BRD liegt (a) und die wegen der Zuflussfiktion bereits in den Streitjahren zu versteuern sind (b). Durch die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2004, mit der der Beklagte allein den auf den Kläger entfallenden Gewinnanteil von xyxyxy € ohne Kursgewinne und -verluste zur Hälfte versteuert, werden die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt. Allerdings ist die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2005 insoweit zu beanstanden, als der Beklagte Kursgewinne und -verluste in Ansatz brachte und damit einen Betrag von mehr als (auf den Kläger für das Streitjahr 2005 entfallende Dividende in Höhe von xzxzx € x ½ =) zzxxx € der Besteuerung unterwirft (c).
68a) Die Dividenden der B. T. sind Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, für die das Besteuerungsrecht nach Art. 10 DBA-Polen bei der BRD liegt und für die eine Anrechnung nach Art. 24 DBA-Polen mangels entsprechender (tatsächlicher) Quellenbesteuerung in der Republik Polen ausscheidet.
69b) Entgegen der Auffassung der Kläger gelten die Dividenden aufgrund der Zuflussfiktion als dem Kläger in den Streitjahren zugeflossen.
70Die Zuflussfiktion greift im Streitfall auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass auf die Gewinnausschüttungsansprüche des Klägers polnisches Gesellschaftsrecht anzuwenden war.
71aa) Bei beherrschenden Gesellschaftern – der Kläger zählt aufgrund seiner 51 %-igen Beteiligung an der B. T. unstreitig zu diesem Personenkreis – ist der Zufluss eines Vermögensvorteils nicht erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen. Denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen. Diese Zuflussregel gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet (BFH-Urteil vom 02.12.2014 VIII R 2/12, BFHE 248, 45, BStBl II 2015, 333, Rz. 14).
72bb) Demnach ist auch unter Berücksichtigung des polnischen Gesellschaftsrechts ein Zufluss in den Streitjahren anzunehmen.
73(1) Denn zwischen dem polnischen Gesellschaftsrecht und dem deutschen Gesellschaftsrecht bestehen hinsichtlich des Dividendenanspruchs des Gesellschafters einer GmbH einerseits und einer Sp. z o. o. andererseits keine entscheidungserheblichenUnterschiede.
74(a) Der Anspruch des Gesellschafters einer GmbH auf Auszahlung des Gewinns entsteht nach deutschem Gesellschaftsrecht mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Gewinns. Er wird nach allgemeiner Meinung mit dem Gewinnverteilungsbeschluss sofort fällig, wenn nicht die Satzung der GmbH Vorschriften über Gewinnabhebungen oder Auszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt enthält. Diese Rechtslage rechtfertigt es, bei einem beherrschenden Gesellschafter einen späteren Zuflusszeitpunkt der Gewinnanteile nur dann anzunehmen, wenn die Satzung bindende Regelungen über eine spätere Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs enthält. Denn wenn in der Satzung jegliche Regelungen fehlen oder diese nur eine Ermächtigung zur freien Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes durch die Gesellschafterversammlung enthält, dann hat der beherrschende Gesellschafter einer zahlungsfähigen GmbH es in der Hand, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs zu bestimmen. Er kann damit wirtschaftlich bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über seinen Gewinnanteil verfügen. Das Hinausschieben der Fälligkeit ist unter diesen Umständen bereits als Verfügung über den Gewinnanteil zu beurteilen. Deshalb sind die Gewinnanteile dem beherrschenden Gesellschafter in einem solchen Fall im Zeitpunkt der Beschlussfassung i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen (BFH-Urteile vom 17.11.1998 VIII R 24/98, BFHE 187, 292, BStBl II 1999, 223, Rz. 14; vom 02.12.2014 VIII R 2/12, BFHE 248, 45, BStBl II 2015, 333, Rz. 16).
75(b) Im Vergleich zur vorgenannten Rechtslage lassen sich im polnischen Gesellschaftsrecht zur Entstehung und zur Fälligkeit des Gewinnanspruchs eines Gesellschafters keine solchen Unterschiede feststellen, die eine abweichende Behandlung rechtfertigen würden.
76Wie im deutschen Gesellschaftsrecht auch entsteht der Dividendenanspruch des Gesellschafters einer Sp. z o. o. durch entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung (vgl. Art. 191 § 1 KSH). Zwar bedarf es anders als nach dem deutschen Gesellschaftsrecht nach Art. 193 § 3 KSH der expliziten Bestimmung eines Fälligkeitszeitpunktes, die im deutschen Recht bloß fakultativ ist (vgl. Kersting in Baumbach/Hueck, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 29 Rz 49; Ekkenga in Münchener Kommentar GmbHG, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 29 Rz 90; Verse in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 29 GmbHG Rz 79, m. w. N.).
77Hier wie dort liegt aber bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung wirtschaftlich bereits eine Verfügung über den Gewinnanteil vor. Denn die Regelung des Art. 193 § 3 KSH rechtfertigt es, beim beherrschenden Gesellschafter einen Zuflusszeitpunkt im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses anzunehmen. Das polnische Gesellschaftsrecht enthält eine Ermächtigung zur freien Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes durch die Gesellschafterversammlung, sodass es der beherrschende Gesellschafter einer zahlungsfähigen Sp. z o. o. in der Hand hat, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs nach seinem Ermessen zu bestimmen (vgl. BFH-Urteil vom 02.12.2014 VIII R 2/12, BFHE 248, 45, BStBl II 2015, 333, Rz. 16).
78Art. 193 § 3 KSH entspricht damit dem Fall im deutschen Recht, dass eine Satzung nur eine Ermächtigung zur freien Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes durch die Gesellschafterversammlung enthält und in dem die Rechtsprechung des BFH einen Zufluss bereits im Zeitpunkt des Gesellschafterbeschlusses bejaht (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 17.11.1998 VIII R 24/98, BFHE 187, 292, BStBl II 1999, 223, Rz 14: „Denn wenn … [die Satzung] nur eine Ermächtigung zur freien Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes durch die Gesellschafterversammlung enthält, dann hat der beherrschende Gesellschafter einer zahlungsfähigen GmbH es in der Hand, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs zu bestimmen.“).
79Die Festlegung der Fälligkeit im Gesellschafterbeschluss gem. Art. 193 § 3 KSH ist wie das Hinausschieben der Fälligkeit beim Beschluss von den Gesellschaftern einer GmbH nach deutschem Recht bereits als Verfügung über den Gewinnanteil zu beurteilen.
80(c) Der Senat sieht sich bestätigt durch die von den Klägern zu den Akten gereichte Übersetzung des Urteils des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts in Wrocław (= Breslau) vom 22.06.2005 I SA/Wr 2848/03 (FGA, Bl. 105 ff.). In diesem Urteil führt das Gericht unter Bezugnahme auf Art. 191 KSH aus, „dass erst mit der Fassung des einschlägigen Beschlusses über die Gewinnverwendung klar wird, ob der Gewinn an die Gesellschafter ausgeschüttet oder für sonstige Zwecke, wie z. B. Investitionen bzw. weitere fakultative Fonds bestimmt wird. Die Entscheidung über die Gewinnverteilung hängt lediglich von der Gesellschafterversammlung ab. Gleichzeitig, wie auch die ihm vorausgegangenen Regelungen, gibt das KSH keine Frist an, nach deren Ablauf die Ausschüttung `des Gewinns´ in Form einer Dividende erfolgen sollte.“ (FGA, Bl. 112 f.). Zwar stimmt das Gericht an anderer Stelle einer Literaturansicht zu, wonach der Gesellschafter seine Befugnisse über die Dividendenauszahlung durch Gesellschafterbeschluss bis zum darin bestimmten Tag wirksam ausschalte (FGA, Bl. 117). Ein beherrschender Gesellschafter hat es in der Diktion des BFH aber gleichwohl maßgeblich „in der Hand“, den Gesellschafterbeschluss auch zum Fälligkeitszeitpunkt entscheidend zu beeinflussen, was – wie ausgeführt – den Zufluss bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung begründet. Die Entscheidung des polnischen Gerichts macht darüber hinaus deutlich, dass die Beschlussfassung zugunsten Gewinnausschüttung auch vor dem Hintergrund des polnischen Rechts der maßgebliche Akt zur Entscheidung über die Gewinnverwendung ist.
81(d) Aus den vorgenannten Gründen räumt auch das polnische Gesellschaftsrecht einem danach beherrschenden Gesellschafter die Befugnis ein, eine Gewinnausschüttung als solche maßgeblich herbeizuführen, sodass ein Zufluss bereits aufgrund des entsprechenden Gewinnverwendungsbeschlusses gerechtfertigt ist, ohne dass eine spätere Fälligkeit hierfür maßgeblich ist.
82(aa) Damit waren die Dividendenansprüche des Klägers auch eindeutig, unbestritten und fällig.
83Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand der Kläger, es habe deshalb keine Fälligkeit bestanden, weil die ursprünglichen Beschlüsse über die Dividendenauszahlungen später, aber noch vor Eintritt der Fälligkeit durch die weiteren Beschlüsse wieder aufgehoben wurden, greift nicht durch. Denn aufgrund der ursprünglichen Gewinnverwendungsbeschlüsse sind gerade Fälligkeitstermine bestimmt worden. Der maßgebliche Dispositionsakt liegt gerade in der Entscheidung der vom Kläger dominierten Gesellschafterversammlung zugunsten einer Gewinnausschüttung. Abgesehen davon bezieht sich jene Rechtsprechung des BFH (nur) auf Ansprüche des Gesellschafters gegen die Gesellschaft im Allgemeinen („Vermögensvorteil“), wohingegen es für den Zufluss von Gewinnanteilen – im Fall freier Disponibilität – auf den Fälligkeitszeitpunkt gerade nicht ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 02.12.2014 VIII R 2/12, BFHE 248, 45, BStBl II 2015, 333, Rz. 14 und 16).
84(bb) Aus diesem Grund wäre entgegen der Auffassung der Kläger eine Einschränkung der Zuflussfiktion auch nicht deshalb geboten, wenn – wie die Kläger behaupten – die spätere Änderung der Auszahlungsverfügung durch Gesellschafterversammlungen auf wirtschaftlichen Gründen beruhen würde.
85Denn die Entscheidung darüber, ob Verbindlichkeiten – wie hier die Forderungen des Klägers gegen die B. T. – in einer wirtschaftlich angespannten Situation nachrangig gegenüber anderen bedient werden, ist – gleich, ob fremd- oder eigennützig – Ausdruck der Ausübung bereits bestehender wirtschaftlicher Verfügungsmacht des beherrschenden Gesellschafters über einen Anspruch. Konnte der beherrschende Gesellschafter aber über den Anspruch wirtschaftlich disponieren, rechtfertigt schon und gerade dies die Fiktion eines entsprechenden vorherigen Zuflusses.
86Deshalb ist – anders als es die Kläger meinen – auch bei wirtschaftlich angespannten Situationen weder eine Einschränkung der Zuflussfiktion aus Gründen einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch eine Modifikation des Merkmals der Zahlungsunfähigkeit geboten.
87(2) Die Dividendenansprüche des Klägers waren zudem auch gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft gerichtet, weil für eine Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses – worauf die Kläger selbst hinweisen (FGA, Bl. 158) – weder Nachweise vorliegen noch dies sonst ersichtlich ist.
88(3) Dem Zufluss stehen die späteren Beschlüsse über die Aufhebung der ursprünglichen Gewinnverwendungsbeschlüsse auch sonst nicht entgegen.
89(a) So ist das „Behaltendürfen“ nicht Merkmal des Zuflusses i. S. des § 11 Abs. 1 EStG (BFH-Urteile vom 02.12.2014 VIII R 2/12, BFHE 248, 45, BStBl II 2015, 333, Rz 19; vom 12.11.2014 X R 39/13, BFH/NV 2015, 486, Rz. 23).
90(b) Die Rechtsfolge der Zuflussfiktion wird durch die Aufhebung der ursprünglichen Gewinnverwendungsbeschlüsse mittels Gesellschafterbeschlüssen vom 30.05.2005 (für 2003) bzw. vom 30.07.2005 (für 2004) unter gleichzeitiger Zuweisung des gesamten Gewinns in das Reservekapital auch nicht – als (jedenfalls teilweise) gegenteilige Rechtshandlung – neutralisiert.
91Zum einen gilt die Zuflussfiktion schon nicht für den umgekehrten Fall, dass eine Gesellschaft einen Anspruch gegen einen beherrschenden Gesellschafter hat. In einem solchen Fall liegt gerade keine die Zuflussfiktion rechtfertigende „Beherrschungssituation“ vor. Der beherrschende Gesellschafter beherrscht die Gesellschaft, die beherrschte Gesellschaft aber nicht den beherrschenden Gesellschafter. Die beherrschte Gesellschaft hat es insbesondere regelmäßig nicht in der Hand, sich Beträge, die ihr der beherrschende Gesellschafter schuldet, auszahlen zu lassen. Dementsprechend kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass der beherrschten Gesellschaft (hier: B. T.) Forderungen gegen den beherrschenden Gesellschafter (hier: Kläger) bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit zugeflossen sind (BFH-Urteil vom 14.04.2016 VI R 13/14, BFHE 253, 384, BStBl II 2016, 778, Rz 22 f.).
92Zum anderen knüpft die Besteuerung an verwirklichte Sachverhalte an, nicht an die einem Steuerpflichtigen offenstehenden bloßen Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. BFH-Urteil vom 15.12.1992 VIII R 27/91, BFH/NV 1993, 599, Rz 38, m. w. N.). Der verwirklichte Sachverhalt, nämlich der Dividendenzufluss aufgrund der entsprechenden Gesellschafterbeschlüsse, ist mithin der Besteuerung zugrunde zu legen (vgl. § 38 AO). Aufgrund der späteren Gesellschafterbeschlüsse legte der Kläger vielmehr einen Vermögenswert ein, der ihm zuvor zugeflossen war.
934. Zutreffend hat der Beklagte die Dividenden nach dem Halbeinkünfteverfahren behandelt.
94Nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG sind u. a. steuerfrei die Hälfte der Dividenden i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – die Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft besteht (von Beckerath in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 3 Rz 126).
95Soweit der Beklagte aber für die dem Privatvermögen des Klägers zuzuordnende Beteiligung (vgl. dazu unter 2.) in Bezug auf die Forderung Kursgewinne bzw. -verluste berücksichtigt hat, ist dies unzutreffend. Denn erst mit der Einführung der Abgeltungsteuer im Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) für Veranlagungszeiträume ab 2008 sollte eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden, wofür die traditionelle quellentheoretische Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgegeben wurde (BFH-Urteil vom 24.10.2017 VIII R 13/15, BFHE 259, 535, HFR 2018, 134, Rz 11).
965. Die Kostenentscheidung, die auch die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2006 betrifft, beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO nach dem Verhältnis des Unterliegens und Obsiegens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
976. Die Berechnung der Einkommensteuer für die Streitjahre wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
987. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Denn es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung unter Anwendung allgemein anerkannter Rechtsprechungsgrundsätze.