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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Streitig ist für die Jahre 2007 bis 2012, ob die „Personalgestellung“ durch eine gemeinnützig tätige Körperschaft an Trägervereine Offener Ganztagsschulen umsatzsteuerbefreit ist.
3Der Kläger, ein bundesweit organisierter Kinder- und Jugendverband, und der ihm zugehörige Trägerverein „Verein G. e. V.“ sind anerkannte und gemeinnützige Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe C-Stadt. Die „…..“ (Kläger) sind in vielen pädagogischen Tätigkeitsfeldern aktiv. Der Kläger ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftssteuergesetz (KStG) (teilweise) von der Körperschaftsteuer befreit, weil er ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. Abgabenordnung (AO) dient. Seine Steuerpflicht erstreckt sich ausschließlich auf den von der Körperschaft unterhaltenen (einheitlichen) steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
4Der Kläger übernahm ab dem Jahr 2004 die Trägerschaft für die Betreuung in der Offenen Ganztagsschule (OGS) T-Schule und E-Schule, jeweils in C-Stadt. Um die Lehrer und Eltern mit in die Verantwortung zu nehmen, gründete der Kläger für beide zu betreuenden Schulen je einen Förderverein, den „Trägerverein der Offenen Ganztagsgrundschule (OGS) e.V. der T-Schule“ und den „Trägerverein der Offenen Ganztagsgrundschule (OGS) der E-Schule“, die von den jeweiligen Schulkonferenzen mit der Trägerschaft beauftragt wurden. In den Satzungen dieser Trägervereine wurde jeweils in § 8 „Vorstand“ festgeschrieben, dass sich der Vorstand des jeweiligen Vereins zusammensetzt aus dem/der Schulleiter/in als 1. Vorsitzende/n, dem/der Vorsitzenden der Schulpflegschaft oder dessen/deren Stellvertreter/in als 2. Vorsitzende/n und dem/der Geschäftsführer/in des Klägers als Geschäftsführer/in. Weiter heißt es, dass die/der Geschäftsführer/in die laufenden Vereinsgeschäfte führt und sie/er für seine Tätigkeit als Geschäftsführer/in eine angemessene Vergütung erhalten darf.
5Die dem Geschäftsführer des Klägers als Geschäftsführer des jeweiligen Förder-/Trägervereins obliegenden Aufgaben wurden vom jeweiligen Vereinsvorstand beschlossen. Hiernach oblagen dem Geschäftsführer insbesondere folgende Aufgabenbereiche:
6Beantragung und Abrechnung der öffentlichen Mittel (inhaltlich und betragsmäßig),
Erstellung der Verwendungsnachweise und Wirtschaftspläne,
Personalverantwortung gegenüber den eingesetzten Arbeitnehmern (Geschäftsführer),
Politische Außenvertretung und Vertretung gegenüber der Verwaltung,
Planung und Koordination von Arbeitsgemeinschaftsangeboten,
Konzeptentwicklung.
Wegen der Aufgaben im Einzelnen wird auf die für die OGS E-Schule vorgelegte Auflistung Bezug genommen (Gerichtsakte Bl. 69).
14Der Kläger stellte die erbrachten Geschäftsführungsleistungen den jeweiligen Fördervereinen der OGS monatlich in Rechnung, ohne hierin Umsatzsteuer auszuweisen. Anfangs wurden xxx €, später xxx € monatlich und je OGS abgerechnet.
15Da der Kläger die streitigen Leistungen als umsatzsteuerfrei ansah, gab er für die Streitjahre 2007 bis 2012 keine Umsatzsteuererklärungen ab.
16Im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 2012 fiel dem Beklagten auf, dass die Erlöse des Klägers zum Teil auch umsatzsteuerpflichtig sein könnten. Es ergaben sich für ihn Anhaltspunkte für umsatzsteuerpflichtige Umsätze bis zurück ins Jahr 2001. Seitens des Beklagten kam zudem die Frage auf, ob die Steuerbefreiungsvorschriften rechtlich richtig angewendet worden waren. Es bestand der Anfangsverdacht, dass für die Jahre 2001-2012 pflichtwidrig keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben worden waren. Daraufhin wurde am 19.02.2014 gegen den Geschäftsführer ein Strafverfahren eingeleitet. Außerdem wurde mit Prüfungsanordnung vom 19.02.2014 eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Jahre 2001-2013 angeordnet. Der Beklagte ging hierbei davon aus, dass die Festsetzungsfrist wegen der Nichtabgabe von Umsatzsteuererklärungen jeweils zehn Jahre betrage.
17Im Rahmen der am 10.04.2014 begonnenen Umsatzsteuersonderprüfung wurde die Prüfung auf die Jahre 2006-2013 eingeschränkt. Die Prüferin teilte die Umsätze des Klägers für die Jahre 2006-2013 in umsatzsteuerpflichtige (7% / 16% bzw. 19%) und umsatzsteuerfreie Umsätze auf und ermittelte die abziehbaren Vorsteuern. Unter anderem sah die Prüferin die Umsätze aus der Tätigkeit des Geschäftsführers des Klägers für die Fördervereine („Personalgestellung“) als umsatzsteuerpflichtig an und rechnete aus den abgerechneten Entgelten die Umsatzsteuer entsprechend heraus (Umsatzsteuer i.H.v. xxxx € in 2007, xxxx € in 2008, xxxx € in 2009, xxxx € in 2010, xxxx€ in 2011 und xxxx € in 2012). Außerdem einigten der Kläger und der Beklagte sich im Rahmen der Prüfung über die Höhe der zu berücksichtigen Vorsteuern. Zudem wurden weitere Umsätze zu 7 % und zu 19 % ermittelt, die in diesem Verfahren aber nicht streitbefangen sind. Es wird auf den Prüfungsbericht vom 15.01.2015 einschließlich seiner Anlage Bezug genommen.
18Der Beklagte erließ auf Grundlage des Prüfungsberichts erstmalige Umsatzsteuerbescheide am 27.01.2015 für die Jahre 2007-2009 und 2012 sowie am 05.02.2015 für die Jahre 2010 und 2011 und setzte die Umsatzsteuer auf xxxx € (2007), xxxx € (2008), xxxx € (2009), xxxx € (2010), xxxx € (2011) und xxxx€ (2012) fest.
19Der Kläger wandte mit seinen hiergegen gerichteten Einsprüchen ein, dass die hier erbrachte Personalgestellung zwar nicht von § 4 Nr. 25 UStG erfasst sei. Doch berufe er sich unmittelbar auf die unionsrechtliche Befreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL). Die durch die Trägervereine zur Einrichtung bzw. zum Betrieb einer OGS erbrachten Leistungen seien gemäß § 4 Nr. 25 UStG umsatzsteuerfrei. Sofern der Kläger selbst als Träger der OGS fungieren würde, wären die Leistungen der Geschäftsführer bzw. des gestellten Personals als steuerfreie Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe von der nationalen Befreiungsnorm erfasst. Vom Wortlaut des § 4 Nr. 25 UStG seien jedoch solche Leistungen nicht erfasst, welche lediglich dazu dienen würden, dass Leistungen der Jugendhilfe unter bestmöglichen Bedingungen erbracht werden könnten. Dies betreffe die Leistungen des Klägers im Rahmen der Personalgestellung. Da es sich hierbei aber um eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen handele, seien die Voraussetzungen der Steuerbefreiung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL erfüllt. Die vom EuGH aufgestellten Kriterien für die Beurteilung, wann eine Dienstleistung eng mit einer umsatzsteuerbefreiten Hauptleistung verbunden sei, welche der BFH zwischenzeitlich auch übernommen habe, seien vorliegend erfüllt. Danach sei die hier streitige Personalgestellung des Klägers an die jeweiligen Trägervereine der OGS von der Befreiungsvorschrift der MwStSystRL gedeckt. Art. 133 und 134 MwStSystRL würden dem nicht entgegenstehen.
20Mit Einspruchsentscheidung vom 12.01.2017 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Personalgestellung gegen Aufwendungsersatz sei ein steuerbarer Umsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Soweit die Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB VIII durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 69 SGB VIII) oder andere Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht würden, seien sie nach § 4 Nr. 25 UStG steuerfrei. Die Personalgestellung des Klägers stelle jedoch keine der in § 2 Abs. 2 SGB VIII bezeichneten Leistungen dar. Vielmehr habe der Kläger sonstige Leistungen an den Entleiher erbracht, die den begünstigten Personen allenfalls mittelbar zugutegekommen seien.
21Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL berufen. Entgeltliche Personalgestellungen würden keine im sozialen Bereich erbrachten Gemeinwohldienstleistungen darstellen und seien somit keine „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Umsätze“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (BFH-Urteil vom 14.01.2016 V R 56/14, HFR 2016, 644; EuGH-Urteil vom 12.03.2015 Go fair-Zeitarbeit, Rz. 28). Dies gelte auch dann, wenn die aufgrund der Gestellung auszuführende Tätigkeit als Leistung der Sozialfürsorge zu charakterisieren sei und die Gestellung an eine Einrichtung mit sozialem Charakter oder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts erbracht werde (EuGH-Urteil vom 12.03.2015, C-594/13, Go fair-Zeitarbeit, BStBl II 2015, 980, Rz. 28). Die Personalgestellung könne der Jugendhilfe höchstens mittelbar zugutekommen. Der Kläger würde seine Leistungen nicht an die Kinder, sondern an die Trägervereine als Unternehmer erbringen, welche diese Leistungsbezüge benötigen würden, um damit ihrerseits eigene steuerbefreite Ausgangsleistungen erbringen zu können. Außerdem leiste das vom Kläger gestellte Personal nur reine Verwaltungstätigkeiten. Der Bezug zur Kinder- und Jugendbetreuung durch eine (reine) Verwaltungstätigkeit sei jedoch nicht gegeben. Die vom Kläger abgerechneten Verwaltungstätigkeiten würden zudem keine Nebenleistungen zu einer steuerfreien Hauptleistung darstellen. In den Rechnungen, die auf andere Geschäftsunterlagen nicht Bezug nehmen würden, fehle insbesondere der ausdrückliche Hinweis, für welche anderen Leistungen die Verwaltungstätigkeiten Nebenleistungen sein sollten. Die einzig relevanten Dienstleistungen seien jedenfalls nicht die Dienstleistungen, die die beim Kläger angestellten Arbeitnehmer weisungsgebunden in den Fördervereinen erbringen würden, sondern eben die Gestellung dieser Arbeitnehmer.
22Hierauf hat der Kläger Klage erhoben. Übereinstimmend mit dem Beklagten gehe er davon aus, dass es sich bei den streitigen Leistungen an die Trägervereine der Offenen Ganztagsschulen um in Deutschland steuerbare sonstige Leistungen handele. Nicht streitig gestellt werde auch, dass er, der Kläger, die Voraussetzungen des § 4 Nr. 25 UStG in der für 2007 gültigen Fassung sowie der ab 2008 gültigen Fassung nicht erfülle. Er könne sich jedoch sowohl für das Jahr 2007 als auch für die Jahre ab 2008 unmittelbar auf Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL berufen. Es handele sich bei der streitgegenständlichen Leistung um eine „eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistung“ im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL. Er und auch die Trägervereine seien jeweils anerkannte Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne der Vorschrift. Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „engen Verbundenheit einer Dienstleistung mit einer umsatzsteuerbefreiten Hauptleistung“ habe der EuGH u.a. in den Entscheidungen in den Rechtssachen „Stichting Kinderopvang Enschede“ und „Horizon College“ Stellung genommen. Die dort zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL aufgestellten Rechtsgrundsätze seien auf die Vorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL entsprechend anzuwenden, da sich aus dem Wortlaut der Richtlinie keine Anhaltspunkte dafür ergeben würden, dass die vom EuGH entwickelten Rechtsgrundsätze auf den Steuerbefreiungstatbestand des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL beschränkt wären. Insbesondere sei der Telos der Befreiungsnormen der Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und h MwStSstRL identisch. Die Frage, ob die vom Kläger erbrachten Leistungen als „eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen“ anzusehen seien, sei von der Beurteilung des Vorliegens einer Nebenleistung zu Hauptleistung zu unterscheiden.
23Bei den hier streitigen Tätigkeiten handele es sich um essentielle Tätigkeiten dafür, dass die Trägervereine die – unstreitig umsatzsteuerbefreiten – Kinder- und Jugendbetreuungsleistungen überhaupt ausführen könnten. Ohne diese Leistungen (Beantragung öffentlicher Mittel, Planung von Arbeitsgemeinschaftsangeboten etc.) sei die „Hauptleistung“ gar nicht möglich. Die Gestellung des Personals durch den Kläger an den jeweiligen Trägerverein stelle ein notwendiges Mittel dar, damit der jeweilige Trägerverein unter bestmöglichen Bedingungen den „Geschäftsbetrieb“ aufrechterhalten könne. Aufgrund der Unentbehrlichkeit der Leistungen des Klägers für die Kinder- und Jugendbetreuungsleistungen seien sie grundsätzlich als eng mit diesen Leistungen verbundene Dienstleistungen anzusehen. Die Personalgestellung an den jeweiligen Trägerverein sei schließlich auch nicht im Wesentlichen auf die Erzielung zusätzlicher Einnahmen gerichtet und sei nicht in unmittelbarem Wettbewerb zu gewerblichen Unternehmen erfolgt.
24Der Beklagte verkenne zum BFH-Urteil vom 14.01.2016 V R 56/14, dass der BFH dort keine Aussage zur Art und Weise der erbrachten Personalgestellung getroffen habe. Es sei unionsrechtswidrig, bestimmte Dienstleistungen von der Befreiung auszuschließen, ohne diese auf ihre enge Verbundenheit mit den Kinder- und Jugendbetreuungsleistungen hin zu untersuchen. Die Begrifflichkeit „eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbunden“ sei in der MwStSystRL zwar nicht definiert; sie dürfe aber nicht durch nationale Kriterien, wie die Definition einer Personalgestellung, eingegrenzt werden.
25Der Kläger beantragt,
26die Umsatzsteuerbescheide für 2007 bis 2009 und 2012 vom 27.01.2015 und die Umsatzsteuerbescheide für 2010 und 2011 vom 05.02.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.01.2017 dahingehend zu ändern, dass die Bemessungsgrundlage zu 19% wie folgt gemindert wird:
272007 um brutto xxxx €
282008 um brutto xxxx €
292009 um brutto xxxx €
302010 um brutto xxxx €
312011 um brutto xxxx €
322012 um brutto xxxx €
33und die bisher berücksichtigten Vorsteuern für die Streitjahre jeweils im Verhältnis der steuerpflichtigen zu den steuerfreien Umsätzen aufzuteilen,
34hilfsweise, die Revision zuzulassen.
35Der Beklagte beantragt,
36die Klage abzuweisen
37hilfsweise, die Revision zuzulassen.
38Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus: Der Kläger selbst erbringe keine Kinder- und Jugendbetreuungsleistungen, sondern steuerpflichtige allgemeine Geschäftsführungs- und Verwaltungsleistungen. Sowohl die entgeltliche Personalgestellung als auch allgemeine Geschäftsführungs- und Verwaltungsleistungen seien keine mit der Kinder- und Jugendbetreuung eng verbundenen Dienstleistungen.
39Die Sache wurde am 15.07.2019 vor dem Senat mündlich verhandelt. Es wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
40Entscheidungsgründe
41Die Klage ist unbegründet.
42Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
43I. Die Umsatzsteuern der Streitjahre waren bei Erlass der angefochtenen Bescheide noch nicht festsetzungsverjährt. Insbesondere für das Streitjahr 2007 war die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen. Wegen der Nichtabgabe von Umsatzsteuererklärungen begann die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 2007 erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung – AO), mithin am 01.01.2011. Infolge der in 2014 begonnenen Umsatzsteuersonderprüfung wurde der Ablauf der regelmäßig vier Jahre andauernden Festsetzungsfrist gehemmt (§ 169 Abs. 2 Nr. 2, § 171 Abs. 4 AO), so dass der Umsatzsteuerbescheid vom 27.01.2015 noch innerhalb der Festsetzungsfrist erging.
44II. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat der Beklagte die streitbefangenen Umsätze des Klägers, die aus der Gestellung seines Geschäftsführers an die Fördervereine resultieren, zu Recht als umsatzsteuerpflichtig behandelt.
451. Bei den streitigen Umsätzen handelt es sich um steuerbare sonstige Leistungen i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG. Es erfolgten entgeltliche Personalgestellungen an die Trägervereine.
46Die Leistungen des Klägers stellen letztlich eine klassische Personalgestellung dar, die insofern entgegen der Auffassung des Klägers vergleichbar ist mit dem vom BFH am 14.01.2016 entschiedenen Fall V R 56/14, BFH/NV 2016, 792. Denn die Leistungen des Klägers bestanden darin, dass er den Trägervereinen seine/n Geschäftsführer/in für die Ausführung von Geschäftsführungs- und Verwaltungsaufgaben überließ. Der/die Geschäftsführer/in des Klägers füllte auf diese Weise in den beiden Trägervereinen jeweils das Organ der Geschäftsführung aus und nahm dort die entsprechenden Geschäftsführungsaufgaben wahr. Es erfolgten entsprechende Abrechnungen des Klägers mit den Trägervereinen. Dies stellt eine Personalgestellung gegen Entgelt dar. Auch die Gewährung von Aufwendungsersatz für die Durchführung bestimmter Leistungen begründet einen steuerbaren Leistungsaustausch i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG (BFH-Urteile vom 23.07.2009 V R 93/07, BStBl II 2015, 735; vom 14.01.2016 V R 56/14, HFR 2016, 644).
472. Diese Personalgestellung an die Trägervereine ist umsatzsteuerpflichtig.
48a) Eine Steuerfreiheit der vom Kläger erbrachten Leistungen ergibt sich nicht aus dem nationalen Recht.
49aa) Streitjahr 2007
50Mit § 4 Nr. 25 UStG i.d. Fassung bis 31.12.2007 hatte der Gesetzgeber nur ausdrücklich genannte Leistungen der „Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der förderungswürdigen Träger der freien Jugendhilfe“ steuerfrei gestellt. Die in 2007 erbrachten, streitigen Leistungen des Klägers sind hiernach nicht steuerbefreit. Sie fallen weder unter die in Buchstabe a bezeichneten Tätigkeiten (Durchführung von Lehrgängen, Freizeiten, Zeltlagern, Fahrten und Treffen sowie von Veranstaltungen, die dem Sport oder der Erholung dienen) noch unter die in Buchstabe b bezeichneten Leistungen (Beherbergung, Beköstigung und übliche Naturalleistungen, die den Jugendlichen und Mitarbeitern gewährt werden) des § 4 Nr. 25 UStG. Es geht auch nicht um die Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen im Rahmen der Jugendhilfe (§ 4 Nr. 25 Buchst. c UStG).
51bb) Streitjahre 2008 bis 2012
52Nach § 4 Nr. 25 UStG 2005 i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2008 sind u.a. die Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) steuerfrei, wenn diese Leistungen von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Die Leistungen der Klägerin in Form der Personalgestellung, nämlich der Gestellung des Geschäftsführers, stellen keine Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB VIII dar. Nur die Tätigkeit der Trägervereine / Fördervereine fallen unter § 2 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. §§ 22-24 SGB VIII (Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen).
53b) Die streitigen Umsätze des Klägers sind auch nicht in unmittelbarer Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h der MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit (zur grundsätzlichen unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie, z.B. EuGH-Urteil vom 15.11.2012, C-174/11, Zimmermann, HFR 2013, 84, Rz 32, m.w.N.; BFH-Urteil vom 25.04.2013 V R 7/11, BStBl II 2013, 976, Rz 21).
54Der Senat lässt im Streitfall offen, ob § 4 Nr. 25 UStG i.d. Fassung ab 2008 Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL hinreichend umsetzt und damit überhaupt Raum für eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL ist, denn die hier streitigen Leistungen sind auch nicht nach Unionsrecht steuerbefreit.
55Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL (bis 31.12.2006: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG – Richtlinie 77/388/EWG) befreien die Mitgliedstaaten folgende Umsätze von der Steuer: „eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“.
56Begriffe, mit denen die in Art. 132 MwStSystRL aufgeführten Steuerbefreiungen umschrieben sind, sind eng auszulegen, da diese Befreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Die Auslegung dieser Begriffe muss jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht. Diese Regel einer engen Auslegung bedeutet somit nicht, dass die zur Definition der Steuerbefreiungen im Sinne von Art. 132 MwStSystRL verwendeten Begriffe in einer Weise auszulegen sind, die den Befreiungen ihre Wirkung nähme (vgl. EuGH-Urteile vom 14.06.2007, C-434/05, Horizon College, HFR 2007, 808, Rn. 16; vom 25.03.2010, C-79/09, Kommission/Niederlande, juris, Rn. 49; vom 15.11.2012, C-174/11, Zimmermann, HFR 2013, 84, Rn. 22; vom 13.03.2014, C-366/12, Klinikum Dortmund, HFR 2014, 463, Rn. 26 und 27; vom 12.03.2015, C-594/13, go fair-Zeitarbeit, BStBl II 2015, 980, Rn. 17).
57Die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL enthält damit zwei Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, nämlich dass es sich um eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen handelt, sowie, dass es sich bei dem leistenden Unternehmer um Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder eine andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung handelt.
58Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL definiert nicht den Begriff der mit der Kinder- und Jugendbetreuung „eng verbundenen“ Dienstleistung. Jedoch geht schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung hervor, dass sie sich nicht auf Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen bezieht, die keine Verbindung mit der Betreuung von Kindern und Jugendlichen aufweisen (vgl. zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL: EuGH-Urteil vom 14.06.2007, C-434/05, Horizon College, HFR 2007, 808). Leistungen sind darüber hinaus dann nicht eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbunden, wenn sie nicht gegenüber den Kindern und Jugendlichen, sondern gegenüber einem Dritten erbracht werden, der diese benötigt, um die begünstigte Leistung im Bereich der Kinder- und Jugendbetreuung zu erbringen (zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL: BFH, Entscheidungen vom 01.12.2010 XI R 46/08, BFH/NV 2011, 712; vom 08.08.2013 V R 8/12, BFH/NV 2014, 119; vom 18.02.2016 V R 46/14, BFH/NV 2016, 112). Es kommt damit wesentlich auf die Art der erbrachten Leistung und die zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen an. So stellen entgeltliche Personalgestellungen als solche keine im Bereich der Kinder- und Jugendbetreuung erbrachten Gemeinwohldienstleistungen dar und sind somit keine „eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Umsätze“ i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL (zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL vgl. EuGH-Urteil vom 12.03.2015, C-594/13, go fair-Zeitarbeit, BStBl II 2015, 980, Rz 28; BFH-Beschluss vom 22.07.2015 V R 20/12, UR 2015, 877, Rz 3; BFH-Urteil vom 14.01.2016 V R 56/14, BFH/NV 2016, 792, Rz 18; jeweils m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn die aufgrund der Gestellung auszuführende Tätigkeit als Leistung der Kinder- und Jugendbetreuung zu charakterisieren ist und die Gestellung an eine Einrichtung mit sozialem Charakter oder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts erbracht wird (zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL: EuGH-Urteil vom 12.03.2015, C-594/13, go fair-Zeitarbeit, BStBl II 2015, 980, Rz 28). Ebenfalls steuerpflichtig sind allgemeine Geschäftsführungs- und Verwaltungsleistungen (vgl. BFH-Urteile vom 23.07.2009 V R 93/07, BStBl II 2015, 735, Rz 34; vom 07.12.2016 XI R 5/15, BFH/NV 2017, 863, Rn. 24).
59Nach diesen Grundsätzen führte der Kläger im Streitfall keine „eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Umsätze“ i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL aus. Er erbrachte seine Leistungen nicht unmittelbar gegenüber den Kindern der OGS, sondern an einen Dritten, an die jeweiligen Trägervereine. Dementsprechend rechnete der Kläger auch mit den Trägervereinen ab. Nur diese standen in Leistungsbeziehungen zu den Kindern bzw. deren Erziehungsberechtigten. Es handelte sich um eine bloße Personalgestellung gegen Aufwendungsersatz, die keine „eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Umsätze“ i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL darstellen (siehe auch unter II.1.).
60Die im EuGH-Urteil „Horizon College“ dargestellten Grundsätze (EuGH-Urteil vom 14.06.2007, C-434/05, HFR 2007, 808) können der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die EuGH-Entscheidung betraf die Gestellung eines Lehrers von einer Lehreinrichtung an eine andere. Im vorliegenden Streitfall sind die streitigen Leistungen, die der gestellte Geschäftsführer des Klägers bei den Trägervereinen ausgeführt hat, selbst nicht als Leistung der Kinder- und Jugendbetreuung zu charakterisieren und damit keine steuerbefreiten Tätigkeiten; es handelt sich vielmehr um allgemeine Geschäftsführungs- und Verwaltungsleistungen, die einer Steuerbefreiung nicht unterfallen.
61III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
62IV. Gründe für eine Revisionszulassung (§ 115 Abs. 2 FGO) waren nicht gegeben. Der BFH hat in seinem Urteil vom 14.01.2016 V R 56/14, BFH/NV 2016, 792, die Steuerbefreiung für eine Personalgestellung selbst für den Fall versagt, dass die gestellte Person unmittelbar steuerbefreite Leistungen ausführt. Im Streitfall fehlt es im Rahmen der Tätigkeiten als Geschäftsführer bei den Trägervereinen sogar bereits an der Ausführung steuerbefreiter Leistungen des den Trägervereinen gestellten Personals.