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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten über die vom Beklagten im Rahmen einer Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen, insbesondere die Hinzuschätzung von Umsätzen sowie unentgeltliche Wertabgaben für die private Nutzung eines PKW.
3Der Kläger betreibt seit dem 01.01.2005 eine gewerbliche Unternehmensberatung und ist als selbständiger (Bilanz-)Buchhalter tätig. Gegenstand des Unternehmens ist die Ausführung von Buchführungsdiensten und Schreibarbeiten sowie betriebswirtschaftliche Beratungen. Der Kläger ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG. Bis zum 10.09.2012 wurde das Unternehmen in E (Adresse….) ausgeübt. Zum 11.09.2012 hat der Kläger seinen Wohnort und den Betriebssitz in eine von ihm erworbene fremdfinanzierte Immobilie in G (Adresse….) verlegt.
4Nach den vom Kläger abgegebenen Steuererklärungen und Einnahmen-Überschuss-Rechnungen hat der Kläger in den Streitjahren folgende Umsätze (Erlöse 19%) erzielt:
5Jahr |
Erlöse (netto) |
USt |
Erlöse (brutto) |
2009 |
21.881€ |
4.157,39 € |
26.038,39 € |
2010 |
11.001 € |
2.090,19 € |
13.091,19 € |
2011 |
15.679 € |
2.979,01 € |
18.658,01 € |
2012 |
16.621 € |
3.157,99 € |
19.788,99 € |
2013 |
10.593 € |
2.012,67 € |
12.605,67 € |
Bei einer Durchsuchung am 01.04.2015 stellte das Finanzamt für Steuerfahndung und Steuerstrafsachen E (STRAFA-FA) diverse Buchführungsunterlagen und Kontoauszüge beim Kläger sicher. Insbesondere wurde eine elektronische Rechnungsliste vorgefunden.
7Nach der Rechnungsliste bzw. den Rechnungslisten hatte der Kläger in den Streitjahren folgende (Brutto)Umsätze erzielt:
8Jahr |
Bruttoumsatz lt. Re-Liste |
2009 |
45.683,41 € |
2010 |
30.831,08 € |
2011 |
19.382,85 € |
2012 |
27.353,88 € |
2013 |
13.241,96 € |
Im Rahmen einer beim Kläger ab dem 01.04.2015 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Beklagte nach Abgleich der elektronischen Rechnungsliste mit der Buchführung des Klägers fest, dass in der Buchführung des Klägers nur solche Erlöse gebucht worden waren, die per Banküberweisung beglichen worden waren. Bargeschäfte und Warenverrechnungen waren in der Buchführung nicht enthalten.
10Der Beklagte fasste seine Feststellungen zunächst im Betriebsprüfungsbericht (BP-Bericht) vom 18.12.2015 zusammen. Dabei setzte er die Einnahmen aus den gefundenen Rechnungslisten an und erhöhte diese in den Jahren 2011 bis 2013 noch um einen Sicherheitszuschlag (2011: 14.042 €, 2012: 7.140,00 € und 2013: 19.040 €), da die Einnahmen in den Jahren 2011 bis 2013 nicht zur Deckung des Lebensunterhaltes ausgereicht hätten. Im Einzelnen ging der Beklagte dabei von folgenden Umsätzen aus.
11Jahr |
Umsätze netto |
USt |
Umsätze brutto |
2009 |
41.240,61 € |
7.835,72 € |
49.076,33 € |
2010 |
29.008,39 € |
5.511,59 € |
34.519,98 € |
2011 |
30.757,47 € |
5.843,92 € |
36.601,39 € |
2012 |
30.119,13 € |
5.722,63 € |
35.841,76 € |
2013 |
30.006,92 € |
5.701,31 € |
35.708,23 € |
Diese Feststellungen legte der Beklagte zunächst in nach 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (2009) bzw. § 164 Abs. 2 AO (2010 bis 2013) geänderten Umsatzsteuerbescheiden mit Datum vom 12.02.2016 zugrunde. Diese geänderten Umsatzsteuerbescheide wurden jedoch aufgrund einer Sollstornierung vom 02.02.2016 dem Kläger nicht bekanntgegeben.
13Mit Datum vom 27.05.2019 erging ein geänderter BP-Bericht. Der Beklagte setzte hierin die nach der Rechnungsliste als zugeflossen ausgewiesenen und noch nicht erfassten Zahlungseingänge als zusätzliche Umsätze an (Tz. 2.4.4 des geänderten BP-Berichts vom 27.05.2016). Sicherheitszuschläge nahm der Beklagte in diesem geänderten BP-Bericht nicht mehr vor. Im Einzelnen erhöhte der Beklagte die Betriebseinnahmen und die Umsatzsteuer in den Streitjahren 2009 bis 2013 gegenüber den USt-Erklärungen wie folgt:
14Jahr |
Betriebseinnahmen (Brutto) |
Umsatzsteuer |
2009 |
19.644,44 € |
3.136,51 € |
2010 |
17.739,66 € |
2.832,38 € |
2011 |
723,73 € |
115,55 € |
2012 |
10.732,28 € |
1.713,56 € |
2013 |
636,13 € |
101,57 € |
Der Beklagte führte im Betriebsprüfungsbericht aus, für die Unvollständigkeit der erklärten Einnahmen spreche auch der Umstand, dass der Kläger unter Berücksichtigung der vom statistischen Bundesamt veröffentlichten Daten zum Konsumverhalten privater Haushalte zur Deckung des Lebensbedarfes seiner dreiköpfigen Familie mindestens über monatliche Einnahmen in Höhe von 2.000 € und nach dem Erwerb der fremdfinanzierten Immobilie Adresse…. in G im Jahr 2012 über Einnahmen in Höhe von 3.000 € verfügt haben müsse (Tz. 2.4.1 des geänderten BP-Berichts vom 27.05.2016). In den Streitjahren habe der Kläger jedoch nur folgende Überentnahmen getätigt (Anlage 1 zum BP-Bericht vom 27.05.2016):
16Jahr |
Entnahmen |
Einlagen |
Überentnahmen |
2009 |
31.623,93 € |
29.734,34 € |
1.889,59 € |
2010 |
20.856,52 € |
5.035,63 € |
15.820,89 € |
2011 |
20.834,95 € |
21.908,14 € |
1.073,19 € |
2012 |
58.147,26 € |
29.035,29 € |
29.111,97 € |
2013 |
18.220,10 € |
6.701,02 € |
11.519,08 € |
Die gebuchten (Über-)Entnahmen reichten jedoch nicht aus, um diesen Bedarf zu decken. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 1 zum BP-Bericht vom 27.05.2016 verwiesen. Soweit der Kläger vorgetragen habe, seinen Lebensbedarf durch ein am 20.02.2009 aufgenommenes Darlehen in Höhe von 10 Millionen „Währung“ (umgerechnet ca. 44.800 €) gedeckt zu haben, so sei die tatsächliche Durchführung des Darlehens nicht nachgewiesen worden. Der Vortrag, dass das Darlehen durch die Mutter des Klägers über eine Bank in O-Land abgewickelt worden sein solle und die Auszahlung bei Heimatbesuchen in bar erfolgt sei, sei weder durch Kontoauszüge, Auszahlungsnachweise oder Zollanmeldungen über die Einfuhr von Bargeld nachgewiesen worden.
18Die private PKW-Nutzung (50%) wurde umsatzsteuerlich als unentgeltliche Wertabgabe berücksichtigt (Tz. 2.6. des geänderten BP-Berichts vom 27.05.2016). Die Umsatzsteuer wurde dabei wie folgt erhöht:
19Jahr |
Umsatzsteuer |
2009 |
313,41 € |
2010 |
428,27 € |
2011 |
391,00 € |
2012 |
657,58 € |
2013 |
434,31 € |
Mit nach 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (2009) bzw. § 164 Abs. 2 AO (2010 bis 2013) geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom 01.08.2016 (2013) und vom 11.08.2016 (2009-2012) setzte der Beklagte die vorgenannten Prüfungsfeststellungen um.
21Hiergegen legte der Kläger am 02.09.2016 Einspruch ein. Es sei kein Abschlag für Irrtum, Forderungsverluste etc. gemacht worden. Im Übrigen sei eine Excel-Tabelle veränderlich und dessen bewusste oder unbewusste Veränderung durch das Finanzamt nicht auszuschließen. Hinsichtlich der unterstellten Lücke in der Finanzierung des privaten Lebensbedarfs verweist der Kläger auf die im streitigen Zeitraum aufgenommenen Fremdmittel. Sofern die private KfZ-Nutzung ohne Umsatzsteuer erklärt worden sei, sei diese Behandlung nach § 3 Abs. 9a UStG zutreffend, denn erst der Vorsteuerabzug beim Erwerb begründe den Tatbestand der unentgeltlichen Wertabgabe. Anderenfalls seien Vorsteuern auf Leistungen, die ein Unternehmer von anderen Unternehmern für sein Unternehmen bezogen habe, grundsätzlich abzugsfähig.
22Mit Einspruchsentscheidung vom 19.07.2017 wies der Beklagte die Einsprüche des Klägers als unbegründet zurück. Aufgrund der Unvollständigkeit der Buchführungsunterlagen, insbesondere der Aufzeichnung von Bareinnahmen sei das Finanzamt befugt gewesen, die Einnahmen zu schätzen. Im Streitfall sei die Schätzung der Barerlöse anhand der vom Kläger selbst gefertigten Liste ermittelt und zugeschätzt worden. Da nur nach der Liste tatsächlich zugeflossene Einnahmen hinzugeschätzt worden seien, sei ein Abschlag für Irrtümer und Forderungsverluste ausgeschlossen. Auch spätere Manipulationen durch das Finanzamt seien nicht vorgenommen worden, insbesondere weise das Änderungsdatum der Liste noch heute den 01.04.2015, 10:33 Uhr (Tag der Durchsuchung) aus. Der Kläger habe die bisherigen Lücken in der Finanzierung seines privaten Lebensunterhaltes auch nicht durch aus O-Land stammende Darlehen seiner Mutter erklären können, da er seiner gesteigerten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nicht nachgekommen sei. Insbesondere sei die tatsächliche Durchführung des Darlehensvertrages und die Einführung des Bargeldes nach Deutschland nicht nachgewiesen worden. Auch die private PKW-Nutzung sei umsatzsteuerlich zu Recht berücksichtigt worden. Der Kläger wende zwar zu Recht ein, dass fälschlicherweise Umsatzsteuer auf laufende Kosten einer privaten KfZ-Nutzung eines Fahrzeugs berechnet werde, das nicht dem Unternehmen zu geordnet sei. Der Kläger habe aber aus dem Unterhalt dieses Fahrzeugs, welches er nicht dem Unternehmen zugeordnet habe, zu Unrecht den vollen Vorsteuerabzug aus den KfZ-Kosten gebucht. Dieser sei im Verhältnis der unternehmerischen zur nichtunternehmerischen Nutzung – im Streitfall 50% – rückgängig zu machen, so dass sich betragsmäßig keine Änderung der festgesetzten Umsatzsteuer ergebe. In der Einspruchsentscheidung machte der Beklagte die bisherige Versteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe rückgängig und kürzte nunmehr statt dessen den Vorsteuerabzug entsprechend um 50%.
23Mit seiner am 18.08.2019 bei Finanzgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
24Der BP-Bericht enthalte lediglich angebliche Beispiele von Aufzeichnungen des Klägers in der Datei, ohne diese selbst abzubilden bzw. abzudrucken. Hierdurch sei es nicht möglich zu überprüfen, ob und inwiefern die angeblich nicht erfassten Betriebseinnahmen tatsächlich in der Datei abgebildet seien. Die vom Beklagten angegebenen Daten des Statistischen Bundesamts zum Konsumentenverhalten privater Haushalte seien auf Mitbürger mit Migrationshintergrund nicht übertragbar. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Mitbürger aus Entwicklungsländern häufig mit wesentlich geringeren monatlichen Einnahmen auskämen als Privathaushalte im bundesweiten Durchschnitt. Die vom Beklagten behauptete Lücke in der Finanzierung des privaten Lebensunterhaltes liege daher nicht vor, so dass er auch nicht verpflichtet sei, die Aufnahme und Durchführung der Darlehnsgewährung nachzuweisen. Auch eine Kürzung der Vorsteuer für den PKW des Klägers komme nicht in Betracht. Beabsichtige der Kläger, das Wirtschaftsgut zu 100% zu nutzen, so könne er die Eingangsumsatzsteuer in voller Höhe als Vorsteuer abziehen. Eine Kürzung komme nach der EuGH-Rechtsprechung nur bei nachgewiesener betrügerischer Absicht des Unternehmens, das betreffende Wirtschaftsgut wider besseren Wissens nicht in dem behaupteten Umfang betrieblich nutzen zu wollen und sich durch die gezogene Vorsteuer so einen unrechtmäßigen Vorteil zu verschaffen, in Betracht. Hiervon könne im Streitfall jedoch keine Rede sein. Auch eine Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG (analog) scheide aus, da der Kläger keine steuerfreien Umsätze erziele. Zur Frage der Raumkosten (Tz. 2.5. des BP-Berichtes) fehlten in der Einspruchsentscheidung sowie in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden jeglicher Vortrag.
25Der Kläger beantragt,
26die in den Umsatzsteuerbescheiden 2009 bis 2013 vom 01.08.2016 (2013) und vom 11.08.2016 (2009-2011) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.07.2017 und vom 04.11.2019 (2012) festgesetzte Umsatzsteuer wie folgt herabzusetzen:
272009: um 3.449,92 €
282010: um 3.260,65 €
292011: um 506,55 €
302012: um 2.371,14 €-504,27 €= 1.866,87 €
312013: um 535,88 €
32Der Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Der Kläger verkenne, dass der PKW, den er nicht dem Unternehmensvermögen zugeordnet habe, nur zu 50% unternehmerisch genutzt werde und ihm deshalb nur zu 50% der Vorsteuerabzug aus den laufenden PKW-Kosten zustehe. Die Feststellungen zu den Raumkosten (Tz. 2.5 des BP-Berichts) hätten keine Auswirkungen in Bezug auf die Umsatzsteuer, sondern nur den steuerlichen Gewinn gehabt.
35Mit Beschluss vom 24.09.2019 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (Bl. 98 der Gerichtsakte).
36Mit Schreiben vom 15.10.2019 (Bl. 115 der Gerichtsakte) hat der Einzelrichter den Beklagten darauf hingewiesen, dass sich im Jahr 2012 nach der Rechnungsliste 2012 Bruttoumsätze in Höhe von 27.353,88 € ergäben. Im Umsatzsteuerbescheid vom 11.08.2016 seien aber Umsätze in Höhe von netto 25.640 € (brutto: 30.511,60 €) zugrunde gelegt worden.
37Der Beklagte hat daraufhin mitgeteilt, dass er einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2012 erlassen und die Nettoumsätze auf 22.986 € herabsetzen wird (Bl. 116 ff. der Gerichtsakte. Die Steuerfestsetzung werde sich dadurch um 504,27 € vermindern.
38In der Sache hat am 04.11.2019 eine mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter stattgefunden. In dieser mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den angekündigten Umsatzsteueränderungsbescheid 2012 erlassen, in dem er die Nettoumsätze auf 22.986 € herabgesetzt hat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
39Der Einzelrichter hat die Akten des Verfahrens 8 K 3075/17 E beigezogen.
40E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
41Die Klage hat keinen Erfolg.
42Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2009-2011 vom 11.08.2016 und der Umsatzsteuerbescheid 2013 vom 01.08.2016 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.07.2017 sowie der Umsatzsteueränderungsbescheid 2012 vom 04.11.2019 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
431. Der Einzelrichter folgt in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. FGO i.V.m. § 162 AO) der Hinzuschätzung des Beklagten. Die vom Beklagten vorgenommene Hinzuschätzung ist nicht überhöht. Vielmehr hat der Beklagte trotz der gravierenden Buch- und Kassenführungsmängel auf die zusätzliche Festsetzung eines Sicherheitszuschlags verzichtet.
44Die Finanzbehörde hat gemäß § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) u.a. dann eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, wenn die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können, sie also nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen oder sonst nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden (BFH, Beschluss vom 12.07.2017 – X B 16/17, BFHE 257, 523).
45Zwar berechtigen formelle Mängel der Aufzeichnungen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Ergebnisses der Gewinnermittlung anzuzweifeln. Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber den gesamten Aufzeichnungen die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH, Beschluss vom 12.07.2017 – X B 16/17, BFHE 257, 523).
46§ 4 Abs. 3 EStG selbst enthält keine Regelungen über den formellen Mindestinhalt der Aufzeichnungen, die bei dieser Gewinnermittlungsart zu führen sind.
47Allerdings ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG jeder Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Umsatzsteuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus den Aufzeichnungen müssen die vereinbarten - bzw. in den Fällen des § 20 UStG die vereinnahmten - Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen zu ersehen sein (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 5 UStG). Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen (§ 63 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung). Dabei darf der Unternehmer das Entgelt und den Steuerbetrag in einer Summe --statt des (Netto-)Entgelts allein-- aufzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStDV). Am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums hat der Unternehmer u.a. die Summe der Entgelte zu errechnen und aufzuzeichnen, § 63 Abs. 3 Satz 3 UStDV (BFH, Beschluss vom 12.07.2017 – X B 16/17, BFHE 257, 523).
48Gemäß § 146 Abs. 1 AO in der in den Streitjahren noch geltenden Fassung sind die erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen "täglich" festgehalten werden (BFH, Beschluss vom 12.07.2017 – X B 16/17, BFHE 257, 523).
49Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln. Ob ggf. nur unwesentliche formelle Buchführungsmängel vorliegen unterliegt dabei den Regeln der freien Beweiswürdigung (BFH, Beschluss vom 14.08.2018 – XI B 2/18, BFH/NV 2019, 17 m.w.N.).
50Im Streitfall hat der Kläger trotz Tätigung von erheblichen Barumsätzen keine Kassenaufzeichnungen geführt. Damit ist die Buchführung formell mangelhaft. Die vollständige Nichtaufzeichnung von Kasseneinnahmen stellt dabei nach Auffassung des Einzelrichters einen schwerwiegenden Buchführungsmangel dar.
51Die im Rahmen der Durchsuchung aufgefundene Rechnungsliste belegt auch, dass die Buchführung materiell nicht ordnungsgemäß ist, sondern der Kläger eine Vielzahl von erzielten (Bar)Einnahmen nicht erklärt hat. Die in den Excel-Listen mit Rechnungsnummer, Rechnungsbetrag, Rechnungsdatum, Zahlungsbetrag und Zahlungsdatum sowie teilweise zusätzlich mit Kommentaren zur Zahlungsweise unterlegten Zahlungen übersteigen die vom Kläger erklärten umsatzsteuerpflichtigen Betriebseinnahmen erheblich. Der Beklagte hat lediglich die Differenzen zwischen den Jahressummen nach den Rechnungslisten und den erklärten Betriebseinnahmen hinzugeschätzt. Der Kläger ist dieser Hinzuschätzung auch nicht substantiiert entgegengetreten. Seine pauschale Behauptung bzw. Vermutung, der Beklagte habe die Rechnungslisten möglicherweise manipuliert, ist durch keinerlei Anhaltspunkte belegt. Auch seinen pauschalen Vortrag im Schreiben vom 06.02.2019, dass ihm beispielhaft die unter Ziff. 5 seines Schreibens genannten Beträge nicht oder nicht im Jahr 2009 zugeflossen seien, hat der Kläger nicht substantiiert. Diesem Vortrag steht auch entgegen, dass die vorgefundene Rechnungsliste nicht nur Rechnungsdaten, sondern auch die entsprechenden Zahlungsdaten ausweist. Das Finanzamt hat insbesondere auch für jedes Jahr die abweichenden Zahlungsdaten laut Rechnungsliste berücksichtigt und die Beträge im jeweiligen Zuflussjahr berücksichtigt.
52Bereits aus diesem Grund war im Streitfall die vorgenommene Hinzuschätzung rechtmäßig, so dass die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Bargeldverkehrsrechnung nicht mehr entscheidungserheblich war. Der Beklagte hat seine Hinzuschätzung – anders als im ursprünglichen BP-Bericht vom 18.12.2015 – auch der Höhe nach allein auf die vorgefundene Rechnungsliste gestützt und keine zusätzlichen Sicherheitszuschläge im Hinblick auf die durchgeführte Bargeldverkehrsrechnung mehr durchgeführt.
53Soweit der Beklagte im Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 11.08.2016 zu Unrecht von Umsätzen in Höhe von 25.640 € ausgegangen ist, so hat er diesen Fehler mit Erlass des geänderten Umsatzsteuerbescheides vom 04.11.2019, der gem. § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, korrigiert und nur noch die Umsätze laut Rechnungsliste angesetzt.
542. Soweit der Beklagte den Vorsteuerabzug aus den laufenden KfZ-Kosten nur zu 50% anerkannt hat, so ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden.
55Ein Unternehmer kann einen Gegenstand in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen. Ein Vorsteuerabzug kommt dann nicht in Betracht. Ebenfalls hat er keine unentgeltliche Wertabgabe für die private Nutzung oder eine spätere Entnahme zu versteuern, auch der spätere Verkauf ist nicht steuerbar (Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rdn. 293). Ohne (rechtzeitige) Zuordnungsentscheidung verbleibt der Gegenstand im Privatvermögen, das gilt auch hinsichtlich des unternehmerisch genutzten Teils (BFH, Urt. vom 15.12.2011 – V R 48/10, BFH/NV 2012, 808; Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rdn. 293).
56Werden Leistungsbezüge im Unternehmen teilweise für steuerpflichtige und teilweise für steuerpflichtige oder nicht wirtschaftliche Tätigkeiten verwendet, so ist die Vorsteuer bei Leistungsbezug aufzuteilen. Hierfür gilt § 15 Abs. 4 UStG bei der gemischten steuerpflichtigen und steuerfreien Nutzung und § 15 Abs. 4 UStG entsprechend bei der gemischt steuerpflichtigen und nichtwirtschaftlichen Verwendung (BFH, Urt. vom 03.03.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74; FG Münster, Urt. vom 16.05.2019 - 5 K 3053/16, juris; Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rdn. 257, 860 f.).
57Der Kläger hat nicht den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten des PKW geltend gemacht und das Fahrzeug unstreitig nicht dem Unternehmensvermögen zugeordnet. Der Kläger hat im Rahmen der Betriebsprüfung vorgetragen, dass das Fahrzeug zu 50% unternehmerisch genutzt werde. Dem ist der Beklagte gefolgt und hat den Vorsteuerabzug in analoger Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG zugelassen.
583. Soweit sich der Kläger mit seiner Klage auch gegen (teilweise) Nichtanerkennung des Betriebsausgabenabzugs für die Raumkosten wendet (Tz. 2.5. des Betriebsprüfungsberichtes vom 27.05.2016), so ist der Kläger bereits nicht beschwert. Denn für die Umsatzsteuer hat der Beklagte insoweit keine Konsequenzen aus diesen Feststellungen gezogen.
594. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Beklagte war nur zu einem geringen Teil (504,27 € / 10.124,14 € = 4,9%) unterlegen.
60…