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Der Umsatzsteueränderungsbescheid 2014 vom 20.04.2016 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer um xxx € auf xxx € herabgesetzt wird.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens vor dem EuGH trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
2Streitig ist noch, ob bei Anwendung der Differenzbesteuerung auf Lieferungen von Kunstgegenständen, die vom Kläger zuvor von den Künstlern innergemeinschaftlich erworben wurden, die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb die zu besteuernde Marge mindert.
3Der Kläger ist Kunsthändler. Er betreibt Galerien in mehreren Städten. Im Laufe des Streitjahres bezog der Kläger auch Kunstgegenstände von Künstlern, die im übrigen Unionsgebiet ansässig waren. Diese Lieferungen wurden von den Künstlern in ihren Ansässigkeitsstaaten jeweils als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei behandelt. Der Kläger versteuerte die innergemeinschaftlichen Erwerbe gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 13 a Umsatzsteuergesetz (UStG) mit dem ermäßigten Steuersatz.
4Der Kläger erklärte am 06.02.2014 gegenüber dem Beklagten, dass er die Differenzbesteuerung auch auf Kunstgegenstände i.S.v. § 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStG anwende.
5Der Kläger meldete seine Umsätze für die Voranmeldungszeiträume 2014 jedoch zunächst ohne Berücksichtigung der Differenzbesteuerung an, weil unklar war, in welchen Fällen die sogenannte Pauschalmarge nach § 25a Abs. 3 Satz 2 UStG angesetzt werden durfte. Es erging schließlich das in dieser Frage weiterführende BMF-Schreiben vom 18.12.2014 (BStBl I 2015, 44).
6Im Rahmen einer auf Anregung des Klägers bei ihm durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung wurde festgestellt, in welchen Fällen und mit welchem Ergebnis die Umsätze des Klägers in 2014 nach den Regeln der Differenzbesteuerung zu besteuern seien. Kein Einvernehmen erzielt werden konnte hinsichtlich der Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung auf die Lieferung von Gegenständen, die der Kläger als Wiederverkäufer zuvor innergemeinschaftlich erworben hatte, wenn der im Gemeinschaftsgebiet ansässige Künstler seine Lieferung an den Kläger als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt hatte (Fälle des § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. a UStG). Während der Kläger auch insoweit die Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung bei gleichzeitiger Versagung des Vorsteuerabzugs für gegeben sah, vertrat die Umsatzsteuersonderprüfung die Auffassung, dass die diesbezüglichen Wiederverkäufe des Klägers nach den allgemeinen Vorschriften zu besteuern seien. Dies ergebe bei gleichzeitiger Berücksichtigung der dann abziehbaren Vorsteuer aus innergemeinschaftlichen Erwerben eine um xxx € höhere Umsatzsteuerfestsetzung bezogen auf das gesamte Streitjahr 2014.
7Die Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung erfasste der Beklagte sämtlich im geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2014.
8Mit einem hiergegen gerichteten Einspruch machte der Kläger geltend, dass § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. a UStG unionsrechtswidrig sei. Der Änderungsbetrag wurde hierbei der Höhe nach ausdrücklich nicht angefochten.
9Mit Einspruchsentscheidung vom 22.12.2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Nach geltendem nationalen Recht dürfe die Differenzbesteuerung dann keine Anwendung finden, wenn der Kläger den Liefergegenstand von einem im übrigen Unionsgebiet ansässigen Künstler erworben habe, der die Lieferung seinerseits als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt habe.
10In der am 17.12.2015 beim Beklagten eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung für 2014 erfasste der Kläger die streitbefangenen Umsätze unter Anwendung der Differenzbesteuerung. Es ergab sich ein Erstattungsbetrag zu seinen Gunsten.
11Der Kläger hat am 20.01.2016 Klage erhoben. Er hat zunächst weiterhin geltend gemacht, dass die nationale Regelung in § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht unionsrechtskonform sei und sich auf die unmittelbare Anwendung von Art. 316 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) berufen.
12Der Beklagte hat der Umsatzsteuerjahreserklärung mit einer angemeldeten Steuer von xxx € am 21.01.2016 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zugestimmt und hat dies dem Kläger mit der Abrechnung vom 01.02.2016 mitgeteilt. Sodann hat der Beklagte einen gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuerbescheid 2014 vom 20.04.2016 erlassen, mit dem er die Anwendung der Differenzbesteuerung auf die streitbefangenen Umsätze revidierte und zugleich insoweit den Vorsteuerabzug anerkannte. Der Beklagte hat die Umsatzsteuer auf xxx € festgesetzt. Gegenstand des Klageverfahrens ist gemäß § 68 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) nunmehr der Umsatzsteueränderungsbescheid 2014 vom 20.04.2016.
13Mit Beschluss vom 11.05.2017 hat der Senat das Verfahren entsprechend § 74 FGO ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gem. Art. 267 Abs. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
141. Ist Art. 316 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden: MwStSystRL) dahingehend auszulegen, dass steuerpflichtige Wiederverkäufer die Differenzbesteuerung auch auf die Lieferung von Kunstgegenständen anwenden können, die ihnen vom Urheber oder von dessen Rechtsnachfolger, bei denen es sich nicht um Personen i.S.v. Art. 314 MwStSystRL handelt, innergemeinschaftlich geliefert wurden?
2. Falls die Frage 1 bejaht wird: Erfordert es Art. 322 Buchst. b MwStSystRL, dem Wiederkäufer das Recht auf Vorsteuerabzug aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb der Kunstgegenstände zu versagen, auch wenn es keine nationale Vorschrift gibt, die eine entsprechende Regelung enthält?
Das Verfahren ist beim EuGH unter dem Aktenzeichen C-264/17 geführt worden. Der Generalanwalt ... hat seine Schlussanträge am 13.09.2018 gestellt (Gerichtsakte Bl. 111 ff.). Der EuGH hat mit Urteil vom 29.11.2018 über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden (Gerichtsakte Bl. 129 ff.) und die Vorlagefragen wie folgt beantwortet:
191. Art. 316 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass ein steuerpflichtiger Wiederverkäufer für die Anwendung der Differenzbesteuerung auf eine Lieferung von Kunstgegenständen optieren kann, die er zuvor im Rahmen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolgern erworben hat, obwohl diese nicht zu den in Art. 314 der Richtlinie aufgeführten Personengruppen gehören.
2. Ein steuerpflichtiger Wiederverkäufer kann nicht sowohl für die Anwendung der in Art. 316 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Differenzbesteuerung auf eine Lieferung von Kunstgegenständen, die er zuvor im Rahmen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung erworben hat, optieren als auch in Fällen, in denen ein Vorsteuerabzug nach Art. 322 Buchst. b der Richtlinie, der nicht in nationales Recht umgesetzt wurde, ausgeschlossen ist, Anspruch auf einen solchen Abzug erheben.
Trotz der EuGH-Entscheidung vom 29.11.2018 besteht zwischen den Beteiligten weiterhin Streit, da der Beklagte im Rahmen der auf die streitbefangenen Umsätze anzuwendenden Differenzbesteuerung die angefallene Erwerbsteuer nicht margenmindernd bei der Ermittlung des Einkaufspreises berücksichtigen möchte.
23Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die im Rahmen der Differenzbesteuerung nicht abziehbaren Umsatzsteuern aus den innergemeinschaftlichen Erwerben, die sich – dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig –auf xxx € belaufen, margenmindernd als Teil des Einkaufspreises zu berücksichtigen seien. Dies entspreche der Systematik. Es könne nicht maßgebend sein, ob die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb vom Verkäufer oder vom Käufer geschuldet werde. Dass der Gesetzgeber in § 25a Abs. 2 Nr. 2 UStG von der Umsatzsteuer des Lieferers spreche, hänge damit zusammen, dass er unionsrechtswidrig nicht berücksichtigt habe, dass die Differenzbesteuerung auch beim innergemeinschaftlichen Erwerb der Kunstgegenstände Anwendung finde. Der innergemeinschaftliche Erwerb sei jedoch nur die Kehrseite der Lieferung und führe zur Verlagerung der Steuerschuld auf den Erwerber. Die nicht abziehbare Umsatzsteuer gehöre damit in gleicher Weise zum Einkaufspreis. Zwar habe der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen – ohne dass hierzu der EuGH Stellung genommen habe – geäußert, dass auch nach Unionsrecht eine systemwidrige, vom Richtliniengeber zu schließende Regelungslücke bestehe, da nach dem Wortlaut des Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL die gesamte Gegenleistung maßgebend sei, die der Lieferer von dem Käufer erhalten habe oder erhalten solle. Allerdings habe der Generalanwalt hier nicht berücksichtigt, dass Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL auf die Begriffsbestimmung zum Einkaufspreis in Nr. 1 der Richtlinienregelung verweise, wonach zur Gegenleistung auch die unmittelbar mit dem Umsatz zusammenhängenden „Zuschüsse, Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben“ gehören würden. Die Mehrwertsteuer, die auf den innergemeinschaftlichen Erwerb zu zahlen sei, sei eine unmittelbar mit dem Umsatz zusammenhängende Steuer im Sinne der Richtlinie. Dies ergebe auch ein Vergleich mit der Regelung über die Steuerbemessungsgrundlage in Art. 78 Satz 1 Buchst. a MwStSystRL, in der es ausdrücklich „mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst“ heiße. Dass im Rahmen des Art. 312 Nr. 1 MwStSystRL die Ausnahmeregelung für die Mehrwertsteuer fehle, die mithin als Steuer zum Preis gehöre, sei konsequent, weil bei der Differenzbesteuerung die Differenz aus den Bruttowerten einschließlich Umsatzsteuer gebildet und aus der Differenz dann die Umsatzsteuer herausgerechnet werde (Art. 315 Abs. 2 MwStSystRL).
24Soweit der Beklagte den Hauptzweck der Sonderregelung des Art. 316 MwStSystRL in der Begrenzung administrativer Belastungen sehe, entspreche dies nicht dem objektiven Gehalt der Regelung. Die Vorschrift sei erkennbar mit den Steuersatzermäßigungen für Kunstgegenstände verknüpft: Art. 98 MwStSystRL sehe u.a. vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen auf die Lieferung von Kunstgegenständen der ermäßigte Steuersatz anzuwenden sei. Art. 316 MwStSystRL knüpfe nahtlos an diese Sonderregelung an und gewähre das Optionsrecht zur Differenzbesteuerung nur im Falle von Vorlieferungen, die vom Urheber bzw. dessen Rechtsnachfolgern oder Nichtwiederverkäufern unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausgeführt worden seien. Mit der Option zur Differenzbesteuerung bleibe dem Wiederverkäufer beim Weiterverkauf der Vorteil erhalten, der sich aus der ermäßigten Besteuerung des Vorumsatzes ergebe. Es gehe also um die Begünstigung, die sich daraus ergebe, dass im Falle der Option nur die vom Wiederverkäufer erzielte Handelsspanne mit dem allgemeinen Steuersatz besteuert werde.
25Der Kläger beantragt,
26den Umsatzsteueränderungsbescheid 2014 vom 20.04.2016 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um xxx € auf xxx € herabgesetzt wird,
27hilfsweise, für den Unterliegensfall, das Verfahren auszusetzen und erneut dem EuGH vorzulegen,
28hilfsweise, die Revision zuzulassen.
29Der Beklagte beantragt,
30den Umsatzsteueränderungsbescheid 2014 vom 20.04.2016 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf xxx € herabgesetzt wird und die Klage im Übrigen abzuweisen,
31hilfsweise, für den Unterliegensfall, das Verfahren auszusetzen und erneut dem EuGH vorzulegen,
32hilfsweise, die Revision zuzulassen.
33Der Beklagte führt nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 29.11.2018 zur weiteren Begründung aus: Da sich der Kläger vorliegend auf die Anwendung der Differenzbesteuerung nach den Regelungen der MwStSystRL berufe, sei die Bemessungsgrundlage auch entsprechend den Regelungen in den Art. 312 ff. MwStSystRL zu ermitteln. Im Rahmen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die streitbefangenen differenzbesteuerten Umsätze des Klägers sei der „Nettoeinkaufspreis“ ohne Berücksichtigung der vom Kläger für den innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Umsatzsteuer vom „Bruttoverkaufspreis“ abzuziehen. Denn der „Einkaufspreis“ werde in Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL als die gesamte Gegenleistung definiert, die der Lieferer von dem Steuerpflichtigen Wiederverkäufer erhalte. Dies würde sich für in demselben Mitgliedstaat erworbene und innergemeinschaftlich erworbene Kunstgegenstände unterschiedlich auswirken. Im Fall eines innergemeinschaftlichen Erwerbs sei die Steuer hierauf nicht vom Einkaufspreis im Sinne von Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL umfasst, was zu einer Doppelbesteuerung führe, welche die Differenzbesteuerung nach dem Erwägungsgrund der Richtlinie gerade vermeiden wolle. Allerdings fehle eine entsprechende Regelung zu Art. 317 Satz 2 MwStSystRL, wonach bei der Berechnung der Handelsspanne beim Erwerb aus dem Drittland auch die für die Einfuhr geschuldete Mehrwertsteuer zu dem vom Verkaufspreis abzuziehenden Einkaufspreis gehöre. Für den Fall des innergemeinschaftlichen Erwerbs des Wiederverkäufers fehle eine ähnliche Bestimmung, so dass die Zwecke der Differenzbesteuerung nicht vollständig erreicht werden könnten. Diese vermeintliche Lücke könne nicht schlicht durch Auslegung bzw. durch eine analoge Anwendung geschlossen werden, da nach Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL der Einkaufspreis ausdrücklich die Gegenleistung sei, die der „Lieferer“ vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer erhalte. Eine Änderung der Rechtsfolge könne nur vom Richtliniengeber beschlossen werden. Wolle ein Steuerpflichtiger die Doppelbesteuerung seiner Handelsspanne vermeiden, könne er von der Anwendung der Differenzbesteuerung absehen und die normale Mehrwertsteuerregelung mit vollem Recht auf Vorsteuerabzug wählen. Der Hauptzweck der Anwendung der Differenzbesteuerung in den in Art. 316 MwStSystRL genannten Fällen sei nicht in der Vermeidung einer Doppelbesteuerung zu sehen, welche schon durch die normale Mehrwertsteuerregelung vermieden werde, sondern in der Begrenzung administrativer Belastungen, die mit der unterschiedlichen Besteuerung der einzelnen vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer angebotenen Gegenstände einhergehen würden. Entscheide sich ein Steuerpflichtiger aus diesem Grund für die Anwendung der Differenzbesteuerung, bedürfe es auch keines „Schutzes“ durch die Versagung des Rechts auf Anwendung dieser Besteuerung.
34Die Sache ist am 07.11.2019 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Es wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe
36I. Der Senat sieht es nicht als sachgerecht an, das Verfahren erneut auszusetzen (§ 74 FGO) und dem EuGH vorzulegen. Im vorliegenden Fall hat der Senat keine Zweifel an der Auslegung der Vorschriften der MwStSystRL zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage (siehe hierzu unter II.2.). Insbesondere sieht der Senat diesbezüglich keine Regelungslücke in der MwStSystRL (siehe hierzu unter II.2.d)).
37II. Die Klage ist begründet.
38Der Umsatzsteueränderungsbescheid 2014 vom 20.04.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die Anwendung der Differenzbesteuerung auf die streitbefangenen Umsätze aus der Weiterveräußerung von Kunstgegenständen, die der Kläger zuvor von den Künstlern innergemeinschaftlich erworben hatte, zu Unrecht versagt. Im Weiteren erkennt der Beklagte bei nunmehr zugestandener Anwendung der Differenzbesteuerung die vom Kläger auf die innergemeinschaftlichen Erwerbe geschuldete Umsatzsteuer zu Unrecht nicht margenmindernd als Bestandteil der Einkaufspreise an.
391. Nach Ergehen des EuGH-Urteil vom 29.11.2018, Rechtssache C-264/17, HFR 2019, 69 (Gerichtsakte Bl. 129 ff.), gehen die Beteiligten mittlerweile übereinstimmend davon aus, dass die Differenzbesteuerung vorliegend auch auf die Weiterveräußerungen von Kunstgegenständen, die der Kläger zuvor von den Künstlern innergemeinschaftlich erworben hatte, im Wege der unmittelbaren Berufung auf Art 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL Anwendung findet und diesbezüglich kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht (Art. 322 Buchst. b MwStSystRL). Auch der Senat sieht die Anwendung der Differenzbesteuerung unter Beachtung der Ausführungen des EuGH vorliegend für gegeben an. Bei den vorliegenden streitbefangenen Lieferungen handelt es sich – das ist zwischen den Beteiligten unstreitig – um Lieferungen von Kunstgegenständen i.S.v. Art. 311 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Anhang IX Teil A MwStSystRL an einen steuerpflichtigen Wiederverkäufer i.S.v. Art. 311 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL. Die Kunstgegenstände sind dem Kläger – hierüber besteht zwischen den Beteiligten ebenfalls kein Streit – von den Urhebern selbst oder von dessen Rechtsnachfolgern geliefert worden. Außerdem hat der Kläger den Vorsteuerabzug aus den streitbefangenen innergemeinschaftlichen Erwerben nicht gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG in Anspruch genommen, was der Anwendung der Differenzbesteuerung gemäß Art. 322 Buchst. b MwStSystRL entgegengestanden hätte.
402. Bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage der streitbefangenen Umsätze im Rahmen der Differenzbesteuerung gehört die vom Kläger gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5, § 1a, § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG geschuldete Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb zum Einkaufspreis des jeweiligen Kunstgegenstands und vermindert so die der Besteuerung zu unterwerfende Handelsspanne.
41a) Infolge der vorliegend anzuwendenden Differenzbesteuerung im Wege der unmittelbaren Berufung auf Art 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL regelt sich die Bemessungsgrundlage ebenfalls nach den Regelungen der MwStSystRL, zumal § 25a UStG keinen Anwendungsbereich der Differenzbesteuerung auf zuvor innergemeinschaftlich erworbene Kunstgegenstände vorsieht.
42Art. 317 Satz 1 MwStSystRL regelt zur Steuerbemessungsgrundlage, dass sich diese im Anwendungsbereich des Art. 316 MwStSystRL nach Art. 315 MwStSystRL ermittelt. Art. 317 Satz 2 MwStSystRL trifft eine Sonderregelung nur für den Anwendungsfall des Art. 316 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL (selbst eingeführte Kunstgegenstände), der hier jedoch nicht einschlägig ist.
43Art. 315 MwStSystRL regelt wiederum, dass die Steuerbemessungsgrundlage die vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer erzielte Differenz (Handelsspanne), abzüglich des Betrags der auf diese Spanne erhobenen Mehrwertsteuer ist. Die Differenz (Handelsspanne) des steuerpflichtigen Wiederverkäufers entspricht dem Unterschied zwischen dem von ihm geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis des Gegenstands.
44Art. 312 MwStSystRL bestimmt die Begriffe „Verkaufspreis“ und „Einkaufspreis“ wie folgt:
45„[…]
461. „Verkaufspreis“ ist die gesamte Gegenleistung, die der steuerpflichtige Wiederverkäufer vom Erwerber oder von einem Dritten erhält oder zu erhalten hat, einschließlich der unmittelbar mit dem Umsatz zusammenhängenden Zuschüsse, Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben sowie der Nebenkosten wie Provisions-, Verpackungs-, Beförderungs- und Versicherungskosten, die der steuerpflichtige Wiederverkäufer dem Erwerber in Rechnung stellt, mit Ausnahme der in Artikel 79 genannten Beträge;
472. „Einkaufspreis“ ist die gesamte Gegenleistung gemäß der Begriffsbestimmung unter Nummer 1, die der Lieferer von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer erhält oder zu erhalten hat.“
48b) Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL bestimmt den „Einkaufspreis“ zunächst als gesamte Gegenleistung, die der Lieferer vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer erhält oder zu erhalten hat. Zur weitergehenden Bestimmung des Begriffs „Einkaufspreis“ verweist Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL auf Art. 312 Nr. 1 MwStSystRL. Dieser Verweis wäre nahezu obsolet, wenn man den Verweis unvollständig nur auf den ersten Passus in Art. 312 Nr. 1 MwStSystRL „… ist die gesamte Gegenleistung, die der steuerpflichtige Wiederverkäufer vom Erwerber oder von einem Dritten erhält oder zu erhalten hat“ beziehen würde. Das würde lediglich bedeuten, dass als Gegenleistung auch die von Dritten an den Lieferer geleisteten Beträge anzusehen ist. Dies hätte in Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL lediglich des kurzen Zusatzes „oder von einem Dritten“ bedurft, den der Richtliniengeber – hätte er Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL nur insoweit „erweitern“ wollen – noch in die Vorschrift des Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL selbst aufgenommen hätte. Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL verweist vielmehr auf die gesamte Regelung des Art. 312 Nr. 1 MwStSystRL, damit auch insbesondere auf den danach folgenden Passus „…einschließlich der unmittelbar mit dem Umsatz zusammenhängenden Zuschüsse, Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben…“. Als unmittelbar mit dem Umsatz zusammenhängend ist auch die auf den innergemeinschaftlichen Erwerb anfallende Mehrwertsteuer anzusehen. Dass auch die Mehrwertsteuer eine „Steuer“ im Sinne der Richtlinie ist, erschließt sich aus Art. 78 Satz 1 Buchst. a MwStSystRL, wonach „Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst“ in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Unmaßgeblich ist insoweit, dass diese Erwerbsteuer unmittelbar dem deutschen Fiskus geschuldet wird und der Lieferer selbst, der die Lieferung als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt hat, vom Wiederverkäufer diese Steuer nicht erhält. Denn es ist allein dem Bestimmungslandprinzip geschuldet, dass bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung der Erwerber und nicht der Lieferer die Steuer schuldet.
49c) Dieses Ergebnis, wonach auch im Fall der Anwendung der Differenzbesteuerung nach Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL betreffend des Weiterverkaufs von zuvor innergemeinschaftlich vom Künstler erworbenen Kunstgegenständen der Einkaufspreis die an den Lieferer gezahlte Gegenleistung zuzüglich der Erwerbsteuer ist, ist auch systemgerecht. Denn bei der innergemeinschaftlichen Lieferung handelt es sich unter mehrwertsteuerrechtlichen Gesichtspunkten um eine normale, steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen (siehe hierzu Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-264/17 vom 13.09.2018, Celex-Nr. 62017CC0264, juris, Gerichtsakte Bl. 119 R, Rn. 38 f.). Der einzige Unterschied besteht darin, dass aufgrund der Befreiung nach Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL und der gleichzeitigen Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL die Steuerhoheit vom Verkaufsstaat auf den Erwerbsstaat übergeht. Mithin ist die Befreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen in Wirklichkeit keine Steuerbefreiung, wie sie Art. 136 MwStSystRL vorsieht, sondern eine Übertragung der Steuerhoheit auf einen anderen Mitgliedstaat. Aus der Sicht der Steuerpflichtigen ändert sich durch diese Befreiung wenig. Der Verkäufer liefert die Gegenstände zu einem Preis, der „keine Steuer“ enthält, und ist nicht zur Abführung der Steuer an den Fiskus verpflichtet, behält jedoch das Recht, die Vorsteuer auf die Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen, die für die Zwecke seiner innergemeinschaftlichen Lieferung verwendet wurden (Art. 169 Buchst. b MwStSystRL). Der Käufer wiederum zahlt die Steuer nicht an den Verkäufer im Rahmen des Kaufpreises, wie dies bei Lieferungen innerhalb desselben Mitgliedstaats der Fall ist, sondern an den Fiskus. Zugleich erwirbt er jedoch auch das Recht, diese Steuer als Vorsteuer abzuziehen, vorausgesetzt natürlich, dass er die erworbenen Gegenstände für die Zwecke seiner steuerpflichtigen Tätigkeit verwendet bzw. dass er keine Differenzbesteuerung anwendet. Dementsprechend stellt sich die dargestellte Auslegung des Art. 312 Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 MwStSystRL des erkennenden Senats für den Bereich der Differenzbesteuerung auch im Vergleich zu den Fällen, bei denen der Erwerb des Wiederverkäufers innerhalb eines Mitgliedstaats erfolgt ist, als systemgerecht dar.
50Die ausdrückliche Regelung in Art. 317 Satz 2 MwStSystRL, wonach dem Einkaufspreis bei der Einfuhr von Gegenständen durch den steuerpflichtigen Wiederverkäufer die für die Einfuhr geschuldete Mehrwertsteuer hinzuzurechnen ist, war notwendig, da auf vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer von außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems selbst eingeführte Kunstgegenstände keine Steuer i.S.d. MwStSystRL auf einer früheren Vermarktungsstufe entrichtet worden ist. Der gezahlte Kaufpreis enthält keine Mehrwertsteuer i.S.d. MwStSystRL (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-264/17 vom 13.09.2018, Celex-Nr. 62017CC0264, juris, Gerichtsakte Bl. 119 R, Rn. 27, 40). Die Einfuhrumsatzsteuer kann nicht als eine „unmittelbar mit dem Umsatz zusammenhängende Steuer“ angesehen werden.
51d) Es besteht keine Regelungslücke in der MwStSystRL, die vom Richtliniengeber geschlossen werden müsste. Denn wie ausgeführt ist der Wortlaut der Richtlinienbestimmungen entgegen der Auffassung des Beklagten und des Generalanwalts in der vorliegenden Sache (Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-264/17 vom 13.09.2018, Celex-Nr. 62017CC0264, juris, Gerichtsakte Bl. 119 R, Rn. 49 ff.) nicht so zu verstehen, dass im Fall der Anwendung der Differenzbesteuerung nach Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL betreffend des Weiterverkaufs von zuvor innergemeinschaftlich vom Künstler erworbenen Kunstgegenständen der in die Berechnung der Handelsspanne eingehende Einkaufspreis nicht um die vom Kläger gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5, § 1a, § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG geschuldete Erwerbsteuer zu erhöhen ist, weil diese nicht zur Gegenleistung gehören würde, die der Lieferer (der Künstler) vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer (dem Kläger) erhalten habe. Es würden sich je nach Fallgestaltung bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage vom Richtliniengeber nicht gewollte unterschiedliche Auswirkungen ergeben, die auch mit der Systematik der Richtlinie nicht konform gehen würden:
52Erfolgt der Erwerb im Anwendungsbereich des Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL innerhalb eines Mitgliedstaats, umfasst die Gegenleistung des steuerpflichtigen Wiederverkäufers an den Lieferer auch den vom Lieferer gezahlten und in Rechnung gestellten Vorsteuerbetrag, soweit die Lieferung nicht von der Steuer befreit ist. Der Preis, zu dem der steuerpflichtige Wiederverkäufer die Gegenstände anschließend verkauft, entspricht dem Einkaufspreis (einschließlich Mehrwertsteuer) zuzüglich seiner Handelsspanne. Die Handelsspanne enthält folglich nicht die vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer bezahlte Mehrwertsteuer, obwohl diese Steuer sich auf den Endpreis der von ihm verkauften Gegenstände auswirkt (Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-264/17 vom 13.09.2018, Celex-Nr. 62017CC0264, juris, Gerichtsakte Bl. 119 R, Rn. 51).
53Führt der steuerpflichtige Wiederverkäufer Kunstgegenstände von außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems selbst ein (Art. 316 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL), wurde keine Steuer i.S.d. MwStSystRL auf einer früheren Vermarktungsstufe entrichtet, so dass eine solche nicht im Preis dieser Gegenstände enthalten ist (Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-264/17 vom 13.09.2018, Celex-Nr. 62017CC0264, juris, Rn. 27). Da der gezahlte Kaufpreis keine Mehrwertsteuer i.S.d. MwStSystRL enthält, führt der steuerpflichtige Wiederverkäufer die Mehrwertsteuer auf die Einfuhr an den Fiskus ab. Bei Anwendung der Differenzbesteuerung ist der zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage für die Berechnung der Handelsspanne zugrunde zu legende Einkaufspreis gemäß Art. 317 Satz 2 MwStSystRL um die auf die Einfuhr geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer zu erhöhen. Auch hier enthält die der Differenzbesteuerung zu unterwerfende Handelsspanne nicht die vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer bezahlte Mehrwertsteuer, obwohl diese Steuer sich auf den Endpreis der von ihm verkauften Gegenstände auswirkt.
54Anders würde es sich nach der Auffassung des Beklagten und den Ausführungen des Generalanwalts aber im Fall eines innergemeinschaftlichen Erwerbs im Anwendungsbereich des Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL auswirken, bei dem der steuerpflichtige Wiederverkäufer dem Lieferer den Preis ohne Mehrwertsteuer bezahlt, da die innergemeinschaftliche Lieferung gemäß Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL von der Steuer befreit ist. Der steuerpflichtige Wiederverkäufer ist gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i MwStSystRL, § 1 Abs. 1 Nr. 5, § 1a, § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG verpflichtet, die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb zu entrichten, und ist bei Anwendung der Differenzbesteuerung gemäß Art. 322 Buchst. b nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (EuGH-Urteil vom 29.11.2018, Rechtssache C-264/17, HFR 2019, 69). Der steuerpflichtige Wiederverkäufer rechnet auch hier den Steuerbetrag dem Preis des Gegenstands hinzu, wenn er ihn verkauft. Wäre der Betrag der Erwerbsteuer jedoch entsprechend der Auffassung des Beklagten nicht vom Einkaufspreis im Sinne von Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL umfasst, würde er in diesem Fall folglich die nach Art. 315 Abs. 2 MwStSystRL bemessene Handelsspanne des steuerpflichtigen Wiederverkäufers erhöhen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-264/17 vom 13.09.2018, Celex-Nr. 62017CC0264, juris, Rn. 52).
55Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung – die sich wie ausgeführt nach Auffassung des erkennenden Senats aus der Richtlinie tatsächlich nicht ergibt – würde den mit der Differenzbesteuerung verfolgten Zielen zuwiderlaufen. Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (EuGH-Urteil vom 29.11.2018, C-264/17, HFR 2019, 69, Gerichtsakte Bl. 129 ff.; EuGH-Urteil vom 21.09.2017, Aviva, C-605/15, EU:C:2017:718, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ihre Auslegung muss mit den Zielen im Einklang stehen, die mit der Regelung verfolgt werden, und den Erfordernissen der steuerlichen Neutralität entsprechen (EuGH-Urteil vom 29.11.2018, C-264/17, HFR 2019, 69, Gerichtsakte Bl. 129 ff., Rn. 23, mit Hinweis auf EuGH-Urteil vom 21.03.2013, PFC Clinic, C-91/12, HFR 2013, 458, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
56Würde die vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb entrichtete Mehrwertsteuer der Steuerbemessungsgrundlage seiner Verkaufsumsätze hinzugerechnet, würde dies zu einer Doppelbesteuerung („Steuer auf die Steuer“) und auch zu Wettbewerbsverzerrungen durch Ungleichbehandlungen zwischen Steuerpflichtigen führen. Mit der Differenzbesteuerung bezweckte der Richtliniengeber aber ausweislich des 51. Erwägungsgrunds der MwStSystRL insbesondere, u.a. auf dem Gebiet der Kunstgegenstände Doppelbesteuerungen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen Steuerpflichtigen zu vermeiden (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 29.11.2018, C-264/17, HFR 2019, 69, Gerichtsakte Bl. 129 ff., Rn. 35). Auch die mit der Mehrwertsteuerrichtlinie verfolgten allgemeinen Ziele (Erwägungsgründe der Richtlinie 4 und 7), dass mit ihr ein Mehrwertsteuersystem geschaffen werden soll, durch das die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälscht und der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr nicht behindert werden (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 29.11.2018, C-264/17, HFR 2019, 69, Gerichtsakte Bl. 129 ff., Rn. 32), würde nicht erreicht. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität würde in Frage gestellt, da steuerpflichtige Wiederverkäufer, die gleichartige Umsätze – Erwerb und Wiederverkauf von Kunstgegenständen – tätigen, hinsichtlich der Erhebung der Mehrwertsteuer, nämlich der Bemessung des Umsatzes, ungleich behandelt würden, je nachdem, ob die Gegenstände aus dem Inland geliefert wurden, aus dem Drittland eingeführt wurden oder mittels einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Eingangslieferung erworben wurden (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 29.11.2018, C-264/17, HFR 2019, 69, Gerichtsakte Bl. 129 ff., Rn. 32); insbesondere wäre der Fall des Erwerbs aus dem Drittland steuerlich besser gestellt als der Fall des Erwerbs aus dem Unionsgebiet. Eine solche Differenzierung würde zu gravierenden Wettbewerbsverzerrungen führen und der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr würde behindert.
57Die Auffassung des Beklagten, wonach der in die Steuerbemessungsgrundlage eingehende Einkaufspreis nicht um die vom Kläger gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5, § 1a, § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG geschuldete Erwerbsteuer zu erhöhen ist, würde damit bedeuten, dass die MwStSystRL gegen die Grundsätze, auf denen das Mehrwertsteuersystem beruht, verstößt. Der Beklagte hat mit der Annahme einer Regelungslücke den Wortlaut der Richtlinienbestimmungen jedoch – wie ausgeführt – nicht vollumfänglich berücksichtigt.
58Der Senat geht davon aus, dass auch der Richtliniengeber den Fall, dass der steuerpflichtige Wiederverkäufer die Kunstgegenstände zuvor aus einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, als durch die MwStSystRL geregelt ansah. Im Gegensatz zu dem speziell geregelten Fall, dass der steuerpflichtige Wiederverkäufer Kunstgegenstände selbst eingeführt hat (Art. 317 Satz 2 MwStSystRL), hat er es offenbar nicht für nötig gehalten, diesen Fall ausdrücklich zu regeln. Anderenfalls hätte er erst recht für den Fall des innergemeinschaftlichen Erwerbs durch den Wiederverkäufer geregelt, dass dem Einkaufspreis die Erwerbsteuer hinzuzurechnen ist. Der Senat ist überzeugt, dass der Richtliniengeber nicht sehenden Auges den Fall des Erwerbs aus dem Drittland steuerlich besser gestellt hätte als den Fall des Erwerbs aus dem Unionsgebiet.
59III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
60IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
61V. Die Revision war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO).