Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Ablehnungsbescheid vom 30.08.2017 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 02.11.2017 und des Änderungsbescheides vom 02.10.2018 werden nach Maßgabe der Urteilsgründe abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kindergeldantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts insoweit neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
2Streitig ist, ob und in welcher Höhe der Kläger ab Januar 2015 bis einschließlich November 2017 Anspruch auf Kindergeld hat.
3Der Kläger ist polnischer Staatsbürger und Vater der Kinder L. (geb. 13.10.2001), E. (geb. 22.04.2007) und J. (geb. 17.06.2011). Die Kinder leben bei der Mutter in der polnischen Republik.
4Im Streitzeitraum erbrachte der Kläger als selbständig Tätiger im Inland Leistungen (laut Gewerbeanmeldung vom 03.11.2014 und 02.03.2017: Stemmen und Schlitzen, Abbrucharbeiten, Trockenbau, Hausmeisterservice sowie – nach der ersten Gewerbeanmeldung – Baustellen-Aufräumarbeiten). Ausweislich der teilweise erst im Klageverfahren vorgelegten Kontoauszüge erhielt er im April, Juli und August 2015 für erteilte Rechnungen Kontogutschriften. Die schon im August 2015 eingereichten Rechnungskopien weisen als Leistungszeiträume den 31.01.2015 (Rechnung ohne Datum), den 16.-30.04.2015 (Rechnung vom 30.04.2015) sowie den 04.-29.05.2015 (Rechnungen jeweils vom 20.07.2015) aus. Im Einkommensteuerfestsetzungsbescheid für das Jahr 2015 wurde er nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt. Für 2015 betrug das zu versteuernde Einkommen danach 8.444,00 Euro.
5In 2016 erhielt er im Januar eine Kontogutschrift über eine Rechnung 04/15 vom 20.07.2015 sowie im August, September und Oktober jeweils eine a-conto Zahlung für „Frobelstraße“ sowie im Dezember eine Gutschrift für eine Rechnung Nr. 16/1 vom 24.11.2016. Im Einkommensteuerfestsetzungsbescheid für das Jahr 2016 vom 18.12.2017, der erst im Klageverfahren eingereichten worden war, ging das Finanzamt von der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG aus, weil es einen gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers im Inland unterstellte. Das zu versteuernde Einkommen betrug nach diesem Bescheid 9.478,00 Euro.
6Ausweislich einer Meldebescheinigung der Stadt C vom 15.12.2016 ist der Kläger seit dem 01.06.2015 unter einer inländischen Adresse gemeldet (seit dem 01.09.2016 unter seiner im Rubrum angegebenen Adresse). Nach dem unter dem 24.10.2016 unterzeichneten Wohnungs-Einheitsmietvertrag mietete er ab dem 01.11.2016 unter seiner im Rubrum bezeichneten Adresse mit einer weiteren Person ein Zimmer, eine Kammer nebst Küche und Toilette an.
7Der Kläger beantragte unter dem 12.08.2015 die Kindergeldfestsetzung zu seinen Gunsten für seine drei Kinder. Im Laufe der Bearbeitung dieses Kindergeldantrages forderte die Beklagte weitere Unterlagen an. Unter anderem reichte der Kläger daraufhin Kopien von Kontoauszügen für sein Kontokorrentkonto für den Zeitraum vom 21.11.2014 bis zum 04.01.2016 ein.
8Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13.07.2016 für den Monat November 2014 eine Kindergeldfestsetzung für die drei Kinder des Klägers zu dessen Gunsten ab. Mit weiterem Bescheid vom 13.07.2016 setzte die Beklagte allerdings zu Gunsten des Klägers für seine drei Kinder jeweils für den Monat Dezember 2014 Kindergeld fest. Über den Anspruch ab Januar 2015 könne erst nach Vorlage von Nachweisen zur Steuerpflicht entschieden werden, weshalb eine erneute Antragstellung erforderlich sei.
9Deshalb beantragte der Kläger mit weiterem Kindergeldantrag vom 12.08.2016 die Kindergeldfestsetzung zu seinen Gunsten für seine drei Kinder.
10In Bearbeitung dieses Kindergeldantrages forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 28.12.2016, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, zur Einreichung weiterer Unterlagen auf. Insbesondere sollte der Kläger einen Nachweis über seine einkommensteuerrechtliche Behandlung nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG für die Jahre 2015 und 2016 einreichen.
11In der Folge reichte der Kläger lediglich den Bescheid über die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2015 vom 19.01.2017 sowie einen unter dem 24.10.2016 unterzeichneten Mietvertrag ein.
12Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger auf, die Rechnungen gegenüber seinen Kunden sowie Kopien der Kontoauszüge über den Erhalt der entsprechenden Rechnungsbeträge für die Jahre 2015 und 2016 einzureichen. Daneben verlangte die Beklagte erneut einen Nachweis zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung des Klägers für das Jahr 2016.
13Der Kläger übersandte in der Folge lediglich seine für das Jahr 2016 erstellten Rechnungen sowie die für das Jahr 2016 von ihm erstellte Einkommensteuererklärung. Hinsichtlich der Kontoauszüge für das Jahr 2016 führte er aus, dass diese durch einen Umzug verloren gegangen seien und von ihm bis zum 10.07.2017 nachgereicht würden.
14Nachdem in der Folge weder die von der Beklagten angeforderten noch die vom Kläger angekündigten Unterlagen zur Kindergeldakte gelangt waren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.08.2017 die vom Kläger begehrte Kindergeldfestsetzung ab dem Monat Januar 2015 ab, weil er den Nachweis des Zuflusses der Rechnungsbeträge nicht erbracht habe.
15Hiergegen legte der Kläger mit der bei der Beklagten am 20.09.2017 eingegangenem Schreiben „Widerspruch“ ein. Er habe entgegen der Behauptung der Beklagten die angeforderten Unterlagen eingereicht. Er werde noch einmal sämtliche Unterlagen beschaffen und nachreichen.
16Unter dem 11.10.2017 forderte die Beklagte weitere Unterlagen bis zum 26.10.2017 an (Unterlagen bzw. Nachweise zur selbständigen Tätigkeit des Klägers im Inland, zum Wohnsitz bzw. zum gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, eine Kopie des vollständigen Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2016, Nachweis über den gemeinsamen Haushalt mit den Kindern, Nachweise über die Familienleistungen in der polnischen Republik, einen Fragebogen zur Überprüfung des Anspruchs auf Kindergeld – KG 71 – sowie einen Nachweis über die Erwerbstätigkeit der Kindesmutter in der polnischen Republik – Bestätigung durch den Arbeitgeber).
17Nachdem auch diese Unterlagen nicht eingegangen waren, wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 02.11.2017 den Einspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nachgewiesen. Überdies habe der Kläger keine inländischen Einkünfte nachgewiesen, obschon er für das Jahr 2015 nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagt worden sei. Da der Kläger auf ihr Schreiben vom 11.10.2017 nicht reagiert habe, hätte sie im Einspruchsverfahren nicht feststellen können, dass die Voraussetzungen für eine Kindergeldfestsetzung gegeben seien.
18Mit der daraufhin am 02.12.2017 erhobenen Klage begehrt der Kläger, ihm Kindergeld ab Januar 2015 für seine drei Kinder in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
19Im Laufe des Klageverfahrens setzte die Beklagte nach nochmaliger Prüfung mit Bescheid vom 06.04.2018 unter Bezugnahme auf die bei ihr im Verwaltungsverfahren eingereichten Kontoauszüge 2015 und des Einkommensteuerfestsetzungsbescheides für das Jahr 2015 zu Gunsten des Klägers für seine drei Kinder Differenzkindergeld für die Monate April 2015, Juni 2015 und August 2015 fest.
20Mit Beschluss vom 09.05.2018 wurde das Verfahren des Klägers wegen Kindergeld für die Monate April 2015, Juni 2015 und August 2015 zur gesonderten Entscheidung abgetrennt und nach Erledigung des abgetrennten Verfahrens in der Hauptsache die Kosten des Verfahrens der Beklagten auferlegt.
21Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens setzte die Beklagte mit Bescheid vom 02.10.2018 unter Berücksichtigung der vorgelegten weiteren Unterlagen (Kontoauszüge und Überweisungsbelege zu Gunsten der Stadtwerkte C-Stadt für die Wohnung zu Gunsten des Klägers Kindergeld für seine drei Kinder fest; und zwar ohne Abzug polnischer Familienleistungen in voller Höhe für Januar 2015 und Mai 2015 sowie Differenzkindergeld für Mai 2016 bis Oktober 2016, Dezember 2016 und Januar 2017 bis November 2017. Gleichzeitig erklärte die Beklagte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
22Mit Schreiben vom 24.10.2018 erklärte der Kläger den Rechtsstreit allerdings lediglich in dem Umfang für in der Hauptsache erledigt, in dem die Beklagte offenbar bereit ist, den gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers anspruchsbegründend anzuerkennen. Des Weiteren trug er vor, dass er nicht damit einverstanden sei, dass die Beklagte das polnischen Kindergeld (sogenanntes Familiengeld) auf die deutsche Leistung angerechnet habe. Aus dem Rückforderungsbescheid in polnischer Sprache, den er allerdings aus Kostengründen nicht habe übersetzen lassen, ergebe sich nach Auskunft seines Prozessbevollmächtigten, der der polnischen Sprache mächtig sei, dass seine Frau die erhaltenen Familienleistungen vom 01.01.2015 bis 31.10.2015 zu erstatten habe. Tatsächlich sei dieser Betrag auch von seiner Ehefrau ausweislich der beigefügten Kontoauszüge erstattet worden. Lediglich die Anrechnung der „Erziehungsleistungen“ seit Mai 2016, die in Polen „500+“ heißen, (500 stehe für 500,00 Zloty = 125,00 Euro) für das zweite und dritte Kind werde nicht beanstandet, da dieses einkommensunabhängig gewährt werde. Wie sich aus den nunmehr im Klageverfahren vorgelegten Kontoauszügen für 2015 bis 2017 ergebe, halte er sich jedenfalls mehr als sechs Monate im Jahr in Deutschland auf, um durch Arbeit das Einkommen seiner Familie zu sichern. Dabei arbeite er alleine und ohne Mitarbeiter. Die vergleichsweise geringen Umsätze seien damit zu erklären, dass er eben allein seine Dienstleistung zur Verfügung stelle.
23Der Kläger beantragt sinngemäß,
24unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 30.08.2017 und der Einspruchsentscheidung vom 02.11.2017 sowie der Änderungsbescheide vom 06.08./02.10.2018 die Beklagte zu verpflichten, ihm gegenüber für seine drei Kinder Kindergeld in gesetzlicher Höhe festzusetzen und dabei lediglich „Erziehungsleistungen“ ab Mai 2016 für das zweite und dritte Kind in Höhe von 125,00 Euro (500,00 Zloty) in Anrechnung zu bringen.
25Die Beklagte beantragt sinngemäß,
26die Klage abzuweisen,
27Die vom Kläger beantragte und entsprechend durchgeführte Veranlagung im Besteuerungsverfahren nach § 1 Abs. 3 EStG für das Jahr 2015 stehe der Annahme eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes des Klägers im Inland entgegen. Darüber hinaus sei mit dem (zweiten) Kindergeldänderungsbescheid vom 02.10.2018 für die Monate Januar 2015 und Mai 2015 das Kindergeld in voller Höhe ohne Abzug für polnische Familienleistungen festgesetzt worden.
28Die Monate April 2015, Juni 2015 und August 2015 seien nicht mehr streitgegenständlich. Der Rechtsstreit sei insoweit hinsichtlich dieser drei Monate bereits übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 09.05.2018 sei das Verfahren insoweit abgetrennt worden.
29Aus den nunmehr vorgelegten Rechnungen und Kontoauszügen ergebe sich kein gewöhnlicher Aufenthalt des Klägers im Sinne des § 9 der Abgabenordnung (AO) im Jahr 2015. Eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG scheide daher aus. Im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 14.03.2018 – III R 5/17, BStBl II 2018, 482 bestünde ein Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nur für die Monate, in denen der Steuerpflichtige inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG erziele.
30Bezüglich des Kalenderjahres 2016 habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass polnisches Kindergeld ab dem Monat November 2015 an den polnischen Träger erstattet worden sei. Die Festsetzung unter Anrechnung des polnischen Kindergeldes sei daher nicht zu beanstanden. Außerdem könne aus den vorgelegten Kontoauszügen gerade nicht entnommen worden, dass der Kläger im April 2016 inländische Kontoabhebungen vorgenommen habe, die auf einen Aufenthalt im Inland schon im April 2016 deuteten. Somit könne ein gewöhnlicher Aufenthalt erst ab dem Monat Mai 2016 angenommen werden.
31Bezüglicher der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Einspruchsentscheidung vom 02.11.2017 Bezug genommen.
32Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter an Stelle des Senates einverstanden erklärt, § 79a Abs. 3, 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
33Entscheidungsgründe
34Der Berichterstatter entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.
35Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
36Kalenderjahr 2015
371. Soweit der Kläger mit der Klage noch die Festsetzung des Kindergeldes in voller Höhe für die Monate Januar 2015 und Mai 2015 begehrt, ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Denn durch Bescheid vom 02.10.2018 hat die Beklagte für diese Monate das Kindergeld für die drei Kinder des Klägers ungekürzt zu seinen Gunsten festgesetzt. Eine Beschwer im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO ist daher nicht mehr gegeben.
382. Für die Monate April, Juni und August das Jahres 2015 ist aufgrund der Abhilfebescheide der Beklagten der Rechtsstreit in der Hauptsache durch die Beteiligten für erledigt und mit Beschluss des Gerichtes vom 09.05.2018 abgetrennt worden. Bezüglich dieser Monate hat die Klage daher keinen Erfolg.
393. Für die übrigen Monate des Jahres 2015 ist die Klage unbegründet.
40Der Kläger ist als Staatsbürger der polnischen Republik ein freizügigkeitsberechtigter Ausländer. Als solcher hat er – beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen – Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG oder ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird, § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b EStG. Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b EStG besteht bei einem Gewerbetreibenden allerdings nur für die Monate, in denen er inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt, das heißt im Inland gewerblich tätig wird (vgl. BFH-Urteil vom 14.03.2018 – III R 5/17, BStBl. II 2018, 482, Rz. 23).
41a) Für die übrigen Monate des Jahres 2015 hat der Kläger weder im Inland einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt zur Überzeugung des Gerichtes nachweisen können.
42Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird, § 8 AO. Hiernach setzt ein Wohnsitz eine Wohnung, d.h. eine stationäre Räumlichkeit voraus, die auf Dauer zum Bewohnen geeignet ist. Dies wiederum erfordert eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Inhabers entsprechende Bleibe. Eine nur vorübergehende oder notdürftige Unterbringungsmöglichkeit reicht allerdings nicht aus, ebenso nicht eine bloße Schlafstelle in Betriebsräumen. Innehaben der Wohnung bedeutet, dass der Berechtigte tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit– wenn auch in größeren Abständen – aufsucht. Die Nutzung muss zu Wohnzwecken erfolgen; eine Nutzung zu ausschließlich beruflichen oder geschäftlichen Zwecken reicht nicht aus, ebenso nicht ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßiger aufeinanderfolgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken. Schließlich muss das Innehaben der Wohnung unter Umständen erfolgen, die darauf schließen lassen, dass die Person die Wohnung beibehalten wird. Ein angemietetes Zimmer kann nur dann der Wohnsitz einer natürlichen Person im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 AO sein, wenn es sich hierbei um eine auf Dauer zum Bewohnen geeignete Räumlichkeit handelt, die der Betreffende – wenn auch in größeren Zeitabständen – mit einer gewissen Regelmäßigkeit tatsächlich zu Wohnzwecken nutzt. Ob diese Voraussetzungen bei einem Gewerbetreibenden vorliegen, lässt sich im Allgemeinen nicht aus der Höhe der im Inland erzielten Einkünfte folgern (vgl. BFH-Urteil vom 08.05.2014 – III R 21/12, BStBl. II 2015, 135).
43aa) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger in 2015 im Inland einen Wohnsitz hatte.
44Aus der unter dem 01.06.2016 ausgestellten „Wohnungsgeberbescheinigung nach § 19 des Bundesmeldegesetzes“ folgt kein Wohnsitz des Klägers in 2015 im Inland. Zwar wird hierin ein „Einzug in E-Straße 11, C-Stadt“ und „In die vorgenannte Wohnung ist/sind am 01.09.2015 folgende Personen/en eingezogen, B. T.“. Allerdings ergibt sich aus den weiteren Eintragungen dieser Bescheinigung, dass der Wohnungsgeber nicht Eigentümer der Wohnung ist. Des Weiteren ist vom Aussteller der Bescheinigung handschriftlich hinzugefügt worden, dass die Wohnungsanschrift ein Gästehaus ist und daher keine Mietverträge ausgestellt werden. Das Gericht kann daher nicht feststellen, ob diese Schlafstelle den Anforderungen eines Wohnsitzes im Sinne des § 8 AO genügt.
45bb) Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt, § 9 Satz 1 AO. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt, § 9 Satz 2 AO.
46Die vom Kläger für das Jahr 2015 vorgelegten Rechnungen über seine Leistungen als Gewerbetreibender lassen nicht den Schluss zu, dass er sich zu Beginn des Jahres 2015 im Inland unter Umständen aufgehalten hatte, die damals erkennen ließen, dass er sich im Inland nicht nur vorübergehend aufhalten würde. Denn die Rechnungen, die unter der Adresse T-Straße in X-Stadt ausgestellt sind, geben als Leistungszeiträume den 31.01.2015, 16.04. bis 30.05.2015 und den 04.05. bis 15.15.2015 an. Bei der Kürze dieser Leistungszeiträume kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger sich nur zur Erbringung der Leistung im Inland aufgehalten hat und daher nur vorübergehend im Inland verweilte.
47Unabhängig vom Vorgenannten hat der Kläger sich im Jahre 2015 auch nicht in einem zeitlichen Zusammenhang mehr als 6 Monate im Inland aufgehalten.
48b) Soweit der Kläger nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig im Jahr 2015 behandelt worden ist, hat die Beklagte für die Monate, in denen der Kläger Einkünfte erzielt hat, nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b den Kindergeldanspruch anerkannt und entsprechend festgesetzt.
49Kalenderjahr 2016
50Zutreffend hat die Beklagte festgestellt, dass der Kläger ab Mai 2016 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Soweit sie die inländischen Kontoabhebungen bzw. -einzahlungen des Klägers als Indiz dafür hat ausreichen lassen, dass der Kläger sich im Inland nicht nur vorübergehend aufhalten werde, ist dieses nicht zu beanstanden. Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes ist allerdings auch ein gewöhnlicher Aufenthalt im November gegeben. Dieses gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger ab 01.11.2016 zusammen mit einer weiteren Person eine Wohnung im Inland anmietete und wie sich aus den belegten Mietzahlungen und Überweisungen an die Stadtwerke C-Stadt ergibt, auch ständig genutzt hat. Insoweit hat er – jedenfalls – ab 01.11.2016 auch einen Wohnsitz im Inland, § 8 AO.
51Der Beklagten wird daher aufgegeben, auch für den Monat November 2016 gegenüber dem Kläger Kindergeld für seine drei Kinder festzusetzen.
52Höhe des Kindergeldes für Mai 2016 bis November 2017
531. Polnische Familienleistungen „500+“
54Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird Kindergeld insoweit nicht gezahlt, als ein Anspruch auf Leistungen für Kinder im Ausland besteht und diese Leistungen dem Kindergeld vergleichbar sind. Vorliegend hat der Kläger für das zweite und dritte Kind monatlich ab Mai 2016 in Polen „Erziehungsleistungen“ von jeweils 125,00 Euro (500,00 Zloty) pro Kind und Monat erhalten.
55Das von der Beklagten festzusetzende Kindergeld ist im Zeitraum Mai 2016 bis November 2017 bezüglich des zweiten und dritten Kind jeweils um diese Beträge zu mindern. Dies wird vom Kläger auch nicht mehr bestritten.
562. Polnische Familienleistungen Mai bis Dezember 2016
57Zu Unrecht hat die Beklagte allerdings bei der bisherigen Festsetzung des Kindergeldes für Mai 2016 bis Dezember 2016 die reguläre Familienbeihilfe, die in Polen nur einkommensabhängig gezahlt wird, in Anrechnung gebracht. Das zu versteuernde Einkommen des Klägers betrug in 2016 9.478,00 Euro und lag daher oberhalb der Grenze von 7.040,00 Euro (5 x 504,00 Zloty für 12 Monate zum Kurs von 4,2952 Zloty pro Euro). Anhaltspunkte dafür, dass für 2016 dem Kläger oder seiner Ehefrau gleichwohl diese polnische Familienleistung ausbezahlt wurde, liegen nicht vor.
58Für Mai 2016 bis Dezember 2016 ist daher das Kindergeld insoweit ungekürzt festzusetzen.
593. Polnische Familienleistungen Januar bis November 2017
60Zu Recht hat die Beklagte bei der Kindergeldfestsetzung für Januar 2017 bis November 2917 die „regulären“ polnischen Familienleistungen bezüglich aller drei Kinder in Abzug gebracht.
61Dass der Kläger für Januar 2017 bis November 2017 keinen Anspruch auf die reguläre polnische Familienbeihilfe aufgrund seines Einkommens hat, hat er nicht dargelegt. Nach den vorgelegten Kontoauszügen kann die Überschreitung der Einkommensgrenze nicht festgestellt werden. Dort sind lediglich Gutschriften im Zusammenhang mit seiner gewerblichen Tätigkeit von 6.308,00 Euro (1.300,00 Euro vom Mitbewohner T. für Rechnung L. J. M., 1.508,00 Euro Rechnung 2/17 vom 27.06.2017, insgesamt 3.500,00 Euro für Rechnung Nr. 4 K. Q.) festzustellen.
62Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
63xxx