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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
2Der Rechtsstreit befindet sich im zweiten Rechtsgang.
3Streitig ist, ob der Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommen-steuer auf den 31.12.2007 nach § 173 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und dabei einen vom Kläger nachträglich geltend gemachten Verlust i.S. des § 17 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen.
4Der Kläger war mit zuletzt 75 % am Stammkapital der 1988 gegründeten R-GmbH (nachfolgend: R-GmbH) beteiligt. Im Jahr 1999 wurde die R-GmbH aufgelöst und der Kläger zum alleinvertretungsberechtigten Liquidator bestellt. Nach Durchführung der Liquidation wurde die R-GmbH am 00.00.2007 aus dem Handelsregister gelöscht. Der Kläger erzielte aus der Auflösung der R-GmbH einen Verlust gem. § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von X €, der materiell rechtlich im Veranlagungszeitraum 2007 zu erfassen gewesen wäre.
5Am 09.03.2009 übersandte der Kläger seinem damaligen steuerlichen Berater, welcher auch für die steuerlichen Angelegenheiten der R-GmbH zuständig war, dem Zeugen L, eine E-Mail, in der er u.a. auf die für ihn noch ungeklärte Frage einer zeitlich zutreffenden steuerrechtlichen Berücksichtigung des Auflösungsverlustes hinwies. Zu den Einzelheiten wird auf den Ausdruck der E-Mail vom 09.03.2009 verwiesen (vgl. Bl. 63 der Akte 8 K 2198/11 F).
6Unter dem 18.03.2009 erstellte der damalige steuerliche Berater des Klägers, der Zeuge L --seinerzeit im Rahmen seiner Tätigkeit für die Rechtsanwälte Notare Wirtschaftsprüfer Steuerberater A (nachfolgend: Sozietät A)-- so wie jedes Jahr persönlich für diesen die Einkommensteuererklärung 2007 sowie die Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages auf den 31.12.2007 unter Verwendung eines Computerprogrammes der DATEV, welches die Steuererklärungsvordrucke elektronisch bereitstellt und mit dem die Steuererklärungen nach Vornahme der entsprechenden Eingaben ausgedruckt werden. Eine elektronische Übermittlung der Erklärungsdaten an die Finanzverwaltung erfolgte nicht. Die in Papierform erstellten Erklärungen für das Streitjahr 2007 enthielten u.a. Angaben zu den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit als Unternehmensberater, zu Einkünften aus Gewerbebetrieb betreffend einer Beteiligung des Klägers an einer GmbH & Co. KG, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung. Neben den entsprechenden Anlagen GSE, EÜR, KAP und 2 x V waren mittels des DATEV-Programms erstellte besondere Anlagen zur Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung sowie zur Ermittlung der Vorsorgeaufwendungen Bestandteil der Erklärungen. Ferner erfolgte im Mantelbogen in Zeile 54 unter der Überschrift „Verlustabzug“ die Erklärung, dass ein verbleibender Verlustabzug nach § 10d EStG zum 31.12.2006 festgestellt wurde (Zum 31.12.2006 war der verbleibende Verlustvortrag zur Einkommensteuer für den Kläger zunächst auf X € festgestellt worden). Angaben zu einem Verlust aus der Auflösung der R-GmbH enthielten die von dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers erstellten Steuererklärungen 2007 demgegenüber nicht. Als Empfangsbevollmächtigte war die Sozietät A in den Steuererklärungen 2007 aufgeführt.
7Bei der Erstellung der vorgenannten Steuererklärungen 2007 ging der damalige steuerliche Berater des Klägers so vor, dass er zunächst die Erklärungsformulare am PC aufgerufen und dann anhand seiner Vorbereitungen die aktuellen Werte dort eingetragen hat. Dabei hat er, entgegen seiner Absicht, den zuvor von ihm ermittelten Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG bezüglich der R-GmbH in Höhe von X € nicht in die Anlage GSE eingetragen hat, wobei er diese Eintragung „schlicht vergessen“ hat. Das DATEV-Programm hat sodann die Einkommensteuer 2007 ähnlich wie in einem Einkommensteuerbescheid berechnet (DATEV-Prüfberechnung, vgl. Bl. 82 der Gerichtsakte) und der damalige steuerliche Berater des Klägers hat anhand dieser Prüfberechnung überprüft, ob die berechnete Einkommensteuer 2007 in Höhe von 0 € entsprechend seiner Vorbereitungen zutreffend war. Dabei kam der damalige steuerliche Berater des Klägers zu dem Ergebnis, dass die Prüfberechnung mit den von ihm in die Steuerformulare eingetragenen Zahlen übereinstimmte. Er ging aufgrund der erheblichen Verlustvorträge des Klägers davon aus, dass die Einkommensteuer 2007 mit 0 € festzusetzen sei. Dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers viel im Rahmen der Überprüfung anhand der DATEV-Prüfberechnung nicht auf, dass der Auflösungsverlust gem. § 17 Abs. 4 EStG aufgrund der unterlassenen Eintragung in die Steuererklärungsformulare in der Prüfberechnung nicht auftauchte.
8Schließlich wurden die in einem Formular zusammengefasste Einkommensteuererklärung 2007 und die Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 vom damaligen steuerlichen Berater des Klägers ausgedruckt und dem Kläger zur Unterschrift zugeleitet. Die vom Kläger unter dem 18.03.2009 unterschriebenen Steuererklärungen gingen beim Beklagten am 08.04.2009 in Papierform ein. Eine Übermittlung der Steuererklärungen 2007 auf elektronischem Wege erfolgte nicht. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die in der Einkommensteuerakte befindlichen Steuererklärungen verwiesen (vgl. Blatt 122-144).
9Die vom Kläger im zweiten Rechtsgang auf Anforderung des Gerichts in Kopie vorgelegte Handakte des damaligen steuerlichen Beraters des Klägers enthält neben einem Duplikat-Ausdruck der streitbefangenen Steuererklärungen u.a. unter dem Datum 18.03.2009 die DATEV-Prüfberechnung (Bl. 82 der Gerichtsakte) sowie einen steuerlichen Mehrjahresvergleich für die Jahre 2005 bis 2007 (Bl. 83 der Gerichtsakte). In der DATEV-Prüfberechnung und in dem Mehrjahresvergleich wird der Gesamtbetrag der Einkünfte 2007 auf X € beziffert. In gleicher Höhe wird ein Verlustabzug nach § 10d EStG ausgewiesen. Angaben oder Hinweise zu dem streitbefangenen Auflösungsverlust enthält die vorgelegte Handankte nicht. Zu den Einzelheiten wird auf Blatt 80 – 117 der Gerichtsakte verwiesen.
10Unter dem 12.06.2009 erließ der Beklagte einen an die Sozietät A adressierten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2007, in dem es den Angaben des Klägers in seiner Einkommensteuererklärung folgte und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Verlustvortrages gem. § 10d EStG in Höhe von X € --der auf einem zum 31.12.2006 festgestellten verbleibenden Verlustvortag zur Einkommensteuer in Höhe von X € beruht-- auf 0 € festsetzte. Gleichzeitig erließ der Beklagte einen ebenfalls an die Sozietät A adressierten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007, in dem die Besteuerungsgrundlagen aus dem Einkommensteuerbescheid berücksichtigt wurden. Der verbleibende Verlustvortrag wurde auf X € (X € ./. X €) festgestellt.
11Der damalige steuerliche Berater des Klägers, der Zeuge L, hatte vom Kläger den Auftrag erhalten, die Steuerbescheide vom 12.06.2009 zu prüfen. Diese Prüfung nahm der damalige steuerliche Berater des Klägers nicht selbst vor, sondern leitete den Prüfauftrag an seine damalige Mitarbeiterin, Frau H (Dipl. Betriebswirtin), weiter. Dieser Mitarbeiterin lag für die Prüfung der Steuerbescheide die in Kopie vorgelegte Handakte des damaligen steuerlichen Beraters des Klägers vor. Hinsichtlich des Inhalts der bei der Prüfung der Steuerbescheide vom 12.06.2009 vorliegenden Handakte wird auf Blatt 80-117 der Gerichtsakte verwiesen.
12Die Steuerbescheide vom 12.06.2009 wurden bestandskräftig. Unter dem 14.05.2010 erließ der Beklagte an den Kläger adressierte Änderungsbescheide betreffend die Einkommensteuer 2007 und den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007. Diese Änderungsbescheide wurden ebenfalls bestandskräftig.
13Mit Schreiben vom 15.01.2011 beantragte der Kläger, vertreten durch seinen damaligen Steuerberater, den Zeugen L, erstmals, den geänderten Verlustfeststellungsbescheid vom 14.05.2010 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dahin zu ändern, dass ein Verlust i.S. des § 17 Abs. 4 EStG aus der Auflösung der R-GmbH in Höhe von X € berücksichtigt wird.
14Zu Begründung führte der damalige steuerliche Berater des Klägers aus, der tatsächliche (wirtschaftliche) Verlust habe seinen Mandanten bereits im Jahre 1999 getroffen. Nur aufgrund der Rechtsprechung des BFH zum Zeitpunkt der steuerlichen Realisierung eines Verlustes gem. § 17 EStG liege hier ein Fall des Jahres 2007 vor. Beim Zugang der Löschungsmitteilung sei dieses seinem Mandanten jedoch nicht bewusst gewesen, sodass er der Tatsache der Löschung der Gesellschaft im Jahre 2007 aus Unkenntnis heraus keine Beachtung geschenkt habe. Erst jetzt, bei der Durchsicht der Unterlagen durch ihn, den damaligen steuerlichen Berater des Klägers, sei erkannt worden, dass der Verlust im Jahr 2007 hätte erklärt werden müssen.
15Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26.01.2011 ab. Der Beklagte ging davon aus, dass die Nichtberücksichtigung des Verlustes in den ursprünglichen, bestandskräftigen Bescheiden auf einem groben Verschulden des Klägers beruhe. Dabei könne offenbleiben, ob der Steuerpflichtige selbst grob schuldhaft gehandelt habe oder ob ein grobes Verschulden des ihn und die GmbH betreuenden steuerlichen Beraters vorliege, welches dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sei.
16Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger, vertreten durch seinen damaligen Steuerberater, den Zeugen L, am 03.02.2011 Einspruch ein. Zur Begründung wurde im Einspruchsschreiben vom 02.02.2011 ausgeführt, der Zeitpunkt der Auflösung sei der Sozietät in der Tat bekannt gewesen, da die Gesellschaft seinerzeit ebenfalls von der Sozietät A beraten worden sei. Nicht bekannt sei aber der hier einzig maßgebliche Zeitpunkt der Löschung gewesen, da dieses Ereignis der Sozietät vom Mandanten nicht mitgeteilt worden sei. Den Mandanten selbst treffe hieran kein grobes Verschulden, da ihm die Tragweite einer Löschung im Zusammenhang mit § 17 EStG insbesondere 8 Jahre nach dem eigentlichen wirtschaftlichen Vorgang nicht habe bewusst sein müssen. Der steuerliche Berater habe also von der tatsächlichen Löschung der Gesellschaft im Jahr 2007 nichts gewusst, da diese ihm nicht mitgeteilt worden sei. Grob schuldhaft wäre das Verhalten des Steuerberaters, wenn sich ihm bei Durchsicht und Plausibilitätskontrolle der Einkommensteuererklärung 2007 der Fehler hätte aufdrängen müssen. Dies sei aber nicht der Fall, weil die Einkommensteuererklärung 2007 keine Besonderheiten enthalten habe und ihm die Löschung nicht bewusst gewesen sei.
17Der Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 23.05.2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger selbst grob schuldhaft gehandelt habe. Denn es läge in jedem Fall ein grobes Verschulden der ihn und die R-GmbH betreuenden Steuerberatungsgesellschaft vor, welches dem Kläger zuzurechnen sei.
18Der Steuerberatungsgesellschaft bzw. dem Prozessvertreter des Klägers sei --wie sich aus dem eingereichten Jahresabschluss der GmbH ergebe-- die steuerliche Situation der GmbH bekannt gewesen. Es sei demnach auch bekannt gewesen, dass die GmbH liquidiert worden sei, dass der Kläger zum Liquidator bestellt worden sei und dass dem Kläger nach Beendigung der Liquidation hieraus ein Gesamtverlust verbleiben würde. Das hätte den zuständigen Berater in jedem Fall dazu veranlassen müssen, durch einen entsprechenden Vermerk in der Akte des Klägers sicherzustellen, dass ein entsprechender Verlust bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung berücksichtigt werden würde.
19Wenn der Steuerberatungsgesellschaft der Zeitpunkt der Löschung vom Kläger auch nicht mitgeteilt worden sei, hätte der Steuerberater sich jedes Jahr bei Fertigung der Einkommensteuererklärung nach dem Stand des Liquidationsverfahrens der GmbH erkundigen müssen. Dies gelte umso mehr, als der Berater davon ausgehe, dass dem Kläger die Tragweite einer Löschung der GmbH im Zusammenhang mit § 17 EStG nicht bewusst gewesen sei.
20Sofern noch Unklarheiten hinsichtlich der Berücksichtigung eines Verlustes nach § 17 EStG bestanden haben sollten, wäre es Aufgabe des Beraters gewesen, dies zu ermitteln und durch einen entsprechenden Vermerk in der Akte des Klägers die Berücksichtigung dieses Verlustes bei der Erstellung der künftigen Einkommensteuererklärungen sicherzustellen.
21Gegen die Einspruchsentscheidung wendet sich der Kläger mit seiner vorliegenden Klage.
22Im ersten Rechtsgang hat der Kläger seine Klage im Wesentlichen wie folgt begründet, wobei er von seinem damaligen steuerlichen Berater, dem Zeugen L, vertreten wurde.
23Die Löschung der R-GmbH im Handelsregister am 00.00.2007 sei eine neue Tatsache im Sinne des § 173 AO, die dem Finanzamt nicht bekannt gewesen sei. Ihn selbst treffe kein grobes Verschulden an dem bisherigen Nichtvorbringen dieser neuen Tatsache. Er habe seinen Prozessvertreter in der Mail vom 09.03.2009 hinsichtlich der abzugebenden Steuererklärung 2007 u. a. gefragt: „Was ist mit Verlust R?“
24Er habe seinen steuerlichen Berater mehrfach (zuletzt in jener Mail), auf das mögliche Entstehen des Verlustes hingewiesen und damit ausdrücklich mit der Bitte um Prüfung an die evtl. mögliche Berücksichtigung dieses Verlustes in seiner Einkommensteuererklärung 2007 erinnert. Er habe daher alles aus seiner Sicht mögliche getan, diesen möglicherweise im Jahre 2007 entstandenen Verlust in seiner Steuererklärung 2007 zu berücksichtigen.
25Bei dem Unterschreiben seiner Einkommensteuererklärung habe er mithin davon ausgehen können, dass dieser Verlust --sollte er in 2007 entstanden sein, was vom Steuerberater zu prüfen gewesen sei-- auch ordnungsgemäß in der durch den steuerlichen Berater erstellten Einkommensteuererklärung 2007 erfasst sei. Zwar dürfe der Steuerpflichtige die vorbereitete Steuererklärung nicht blindlings unterschreiben, jedoch seien an die Prüfung durch den Steuerpflichtigen keine großen Anforderungen zu stellen, wenn er steuerlich unerfahren sei bzw. sich --wie hier-- auf einen zuverlässigen Berater verlasse, dessen Überwachung nicht erforderlich erscheine.
26Zu beachten sei auch, dass die fragliche GmbH bereits im Jahre 1999 aufgelöst und erst im Jahre 2007, also 8 Jahre nach Auflösung, gelöscht worden sei. Er habe den Berater danach in jedem Jahr und häufig an die Geltendmachung des Verlustes erinnert.
27Auch seinen steuerlichen Berater treffe kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Vorbringen der neuen Tatsache.
28Selbst wenn man unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) annehme, dass ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters dem Steuerpflichtigen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zuzurechnen sei, komme die Regelung im vorliegenden Sachverhalt nicht zur Anwendung, da den steuerlichen Berater im vorliegenden Fall kein grobes Verschulden treffe. „Gewöhnliche“ Fehler wie Vergessen, Irrtümer, Verwechslungen usw., mit deren Vorkommen regelmäßig gerechnet werden müsse, würden den Vorwurf des groben Verschuldens nicht begründen. Es handele sich nicht um grobe, sondern um üblicherweise vorkommende Fehler.
29Seinem damaligen steuerlichen Berater, dem der Sachverhalt aus der Beratungstätigkeit für die GmbH und seiner, des Klägers, langjährigen Beratung bekannt gewesen sei, sei bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2007 nach entsprechender Prüfung bewusst gewesen, dass der Verlust in der Einkommensteuererklärung 2007 anzusetzen sei. Auch seien diesem aus der Beratung der GmbH sämtliche Details der Verlustermittlung und der zugrunde liegende Sachverhalt bekannt gewesen. Auf der Grundlage der E-Mail vom 09.03.2007 habe sich sein Prozessvertreter während der Erstellung der Einkommensteuerklärung 2007 --wie auch in den vorherigen Jahren-- mit den Rechtsfragen des § 17 EStG befasst und sei zu dem Schluss gekommen, dass der Verlust aus der Liquidation aufgrund der im Jahre 2007 erfolgten Löschung der GmbH in der Steuererklärung 2007 zu erfassen sei.
30Die Nichterfassung des Verlustes in der Einkommensteuererklärung 2007 stelle danach ein schlichtes Vergessen der Angabe dieses Verlustes in der Einkommensteuererklärung 2007 dar. Ein solches schlichtes Vergessen, was im Hinblick auf die Kompliziertheit des Steuerrechts auch der Finanzverwaltung jederzeit unterlaufen könne, stelle jedoch keine grobe Fahrlässigkeit dar, sondern allenfalls eine leichte Fahrlässigkeit, die aber, sollte diese ihm, dem Kläger, zuzurechnen sein, nicht dazu führe, dass die Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO nicht anwendbar sei.
31Sein damaliger steuerlicher Berater habe schlicht vergessen, den von ihm ermittelten Verlust in das Steuererklärungsformular zu übernehmen. Das einfache Vergessen werde auch nicht dadurch zu einem groben Verschulden, wenn es sich bei dem vergessenen Ansatz um einen wesentlichen Vorgang handele. Denn „Vergessen sei Vergessen“. Es werde nicht dadurch besonders, dass das Eingeben einer großen Zahl in das Erklärungsformular vergessen werde.
32Dass das „Vergessen“ auch nicht bei der Überprüfung des Bescheides aufgefallen sei, liege daran, dass der Bescheid von einer Mitarbeiterin geprüft worden sei, die keine Abweichung zwischen Steuererklärung und Steuerbescheid festgestellt habe, da die Angabe des Verlustes bereits in der Erklärung vergessen worden sei.
33Das Finanzamt müsse das Vorliegen des groben Verschuldens des steuerlichen Beraters an dem nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsache beweisen. Sollte es --wie hier-- nach Wertung aller Indizien auch möglich sein, dass lediglich ein schlichtes Vergessen vorliege, so sei der Beweis des groben Verschuldens nicht erbracht.
34Das Finanzgericht Münster (FG) hat die Klage unter dem Aktenzeichen 8 K 2198/11 F mit Urteil vom 23.01.2014 als unbegründet zurückgewiesen. Das FG ging davon aus, dass den Kläger selbst kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Auflösungsverlustes treffe. Der Kläger müsse sich jedoch ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen. Wegen der Einzelheiten wird auf das vorgenannte Urteil verwiesen.
35Auf die Revision des Klägers hat der BFH das Urteil des FG Münster vom 23.01.2014 mit als Urteil wirkendendem Gerichtsbescheid vom 10.02.2015 unter dem Aktenzeichen IX R 18/17 (vgl. BStBl II 2017, 7) aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Die Sache befindet sich dementsprechend nunmehr im zweiten Rechtsgang. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannte Entscheidung des BFH verwiesen.
36Im zweiten Rechtsgang hält der Kläger an seiner Auffassung fest, dass weder dem Kläger selbst noch seinem damaligen Steuerberater ein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO am nachträglichen Bekanntwerden des Auflösungsverlustes treffe.
37Der erkennende Senat habe bereits im ersten Rechtsgang rechtsfehlerfrei festgestellt, dass dem Kläger persönlich kein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO anzulasten sei und der BFH habe dies bestätigt. Der Beklagte könne insofern nicht mit Erfolg darauf abstellen, dem Kläger könne als Unternehmensberater und Geschäftsführer der GmbH kein absolut steuerrechtliches Nichtwissen unterstellt werden. Zwar sei dem Kläger die wirtschaftliche Bedeutung eines steuerlichen Verlustes seiner Beteiligung an der R-GmbH möglicherweise bewusst gewesen. Dem Kläger könne jedoch als steuerlichen Laien nicht im Sinne eines groben Verschuldens vorgeworfen werden, er habe die steuerlichen Grundsätze zum zeitlichen Ansatz eines Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG verkannt. Im Hinblick auf die steuerliche Beurteilung, in welchem Veranlagungszeitraum der Auflösungsverlust gem. § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen ist, habe sich der Kläger auf die fachkundige Prüfung durch seinen damaligen steuerlichen Berater verlassen dürfen. Zu berücksichtigen sei insoweit auch, dass sich der Kläger in den Folgejahren 2008 und 2009 nach der steuerlichen Berücksichtigung des Auflösungsverlustes erkundigt habe. Unstreitig habe der Kläger seinen damaligen steuerlichen Berater mit E-Mail vom 09.03.2009 an die Prüfung der zeitlichen Berücksichtigung des Auflösungsverlustes erinnert. Mehr sei dem Kläger nicht zuzumuten gewesen.
38Zwar habe der Kläger aus der von ihm unterzeichneten Einkommensteuererklärung 2007 sowie des ihm bekannt gegebenen Verlustfeststellungsbescheides erkennen können, dass der Auflösungsverlust aus der Beteiligung an der R-GmbH auch im Jahr 2007 nicht geltend gemacht worden sei. Der Kläger habe jedoch keinen Grund gehabt, an einer sorgfältigen Prüfung der zeitlichen Berücksichtigung des Auflösungsverlustes sowie einer sorgfältigen Erstellung der Einkommensteuererklärung 2007 durch den damaligen steuerlichen Berater zu zweifeln.
39Auch ein grobes Verschulden des damaligen steuerlichen Beraters des Klägers sei nicht feststellbar. Dieser habe es schlicht vergessen, den errechneten Auflösungsverlust gem. § 17 EStG in das von ihm genutzte DATEV-Formular zu übertragen. Derartige Fehler und Nachlässigkeiten, die üblicherweise und selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht stets zu vermeiden seien, stellten kein grobe Fahrlässigkeit i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dar.
40Der damalige steuerliche Berater des Klägers sei im Rahmen der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2007 sowie der Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Auflösungsverlust im Jahr 2007 zu erfassen sei, er habe den Verlust korrekt berechnet und beabsichtigt, ihn in den Erklärungsvordruck einzutragen. Dies habe das Gericht bereits im ersten Rechtsgang zu Recht festgestellt. Hierfür spreche bereits der Umstand, dass der Kläger seinen damaligen steuerlichen Berater mit E-Mail vom 09.03.2009 und damit lediglich wenige Tage vor der am 18.03.2009 fertiggestellten und unterschriebenen Einkommensteuererklärung 2007 an die Frage des Auflösungsverlustes erinnert habe. Da die R-GmbH am 00.00.2007 aus dem Handelsregister gelöscht worden sei, sei 2007 auch das letzte Jahr, in dem der Auflösungsverlust habe geltend gemacht werden können. Darüber hinaus sei der unstreitige Auflösungsverlust (X €) auch überschaubar zu berechnen gewesen. Diese Umstände seien dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers im Zeitpunkt der Fertigung der Steuererklärung bekannt und bewusst gewesen.
41Vor diesem Hintergrund sei die Annahme des Beklagten fernliegend, dass der damalige steuerliche Berater die Geltendmachung des Auflösungsverlustes geprüft habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, der Verlust sei nicht in 2007 zu berücksichtigen.
42Anhaltspunkte, die auf ein grobes Verschulden des damaligen steuerlichen Beraters des Klägers hindeuten könnten, habe der Beklagte nicht substantiiert dargelegt und nicht unter Beweis gestellt.
43Zu einem anderen Ergebnis gelange man auch nicht unter Heranziehung der Sphärentheorie. Der damalige steuerliche Berater des Klägers habe als vormaliger Prozessbevollmächtigter des Klägers dem Gericht nach entsprechender Aufforderung die Handakte für das Streitjahr 2007 zur Verfügung gestellt und damit in zumutbarem Umfang an der Sachverhaltsaufklärung mitgewirkt. Der Umstand, dass sich in der Handakte keine Unterlagen befänden, die zur weiteren Aufklärung beitragen könnten, sei für die weitere Sachverhaltsaufklärung misslich, könne sich aber nicht zum Nachteil des Klägers auswirken und zu einer Reduzierung des Beweismaßes führen.
44Vielmehr gelte in diesem Fall die vom BFH im ersten Rechtsgang vorgegebene Beweislastverteilung. Demnach sei grundsätzlich davon auszugehen, dass Fehler des Steuerpflichtigen bzw. seines Beraters im Regelfall auf einem Versehen und damit auf leichter Fahrlässigkeit beruhten. Verbleibende Zweifel hieran gingen zulasten der Finanzbehörde.
45Anhaltspunkte, die auf ein grobes Verschulden hindeuten, seien seitens der Finanzbehörde darzulegen und zu beweisen. Sie trage die Feststellungslast. So habe der BFH im ersten Rechtszug eindeutig dargelegt, dass das schlichte Vergessen der Eintragung des Auflösungsverlustes in die Steuererklärung 2007 des damaligen steuerlichen Beraters des Klägers nicht zu einem groben Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geführt habe. Der Beklagte habe im zweiten Rechtsgang keine Gesichtspunkte vorgebracht, die nicht bereits im ersten Rechtszug vorgetragen und gewürdigt worden seien.
46Schließlich könne auch in der unterlassenen Einspruchseinlegung kein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gesehen werden.
47Den Einkommensteuerbescheid 2007 sowie den Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2007 habe die Mitarbeiterin der Kanzlei des damaligen steuerlichen Beraters, Frau H, sorgfältig geprüft. Hierbei habe ihr die gesamte Handakte 2007 zur Verfügung gestanden. Frau H sei eine qualifizierte und ordnungsgemäß ausgewählte Mitarbeiterin der Kanzlei des damaligen steuerlichen Beraters. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte an deren fachlichen Kompetenz zu zweifeln.
48Frau H habe sich aufgrund der erklärungsgemäßen Veranlagung eine fehlende Berücksichtigung des Auflösungsverlustes in dem Einkommensteuerbescheid 2007 nicht aufgedrängt. Sie sei daher zu dem Ergebnis gekommen, von einer Einspruchseinlegung abzusehen. Hierin sei allenfalls eine leichte Fahrlässigkeit zu sehen. Besondere Umstände, die auf ein grobes Verschulden hindeuteten, seien vorliegen auch in Bezug auf die unterlassene Einspruchseinlegung nicht ersichtlich.
49Dieses Prüfungsergebnis der Frau H habe der damalige steuerliche Berater des Klägers nicht nochmals selbst überprüfen müssen. Für ein Organisationsverschulden lägen keine Anhaltspunkte vor. Insbesondere beinhalteten Kontroll- und Überwachungspflichten, wenn es sich um einen bewährten und für die übertragene Aufgabe qualifizierten Mitarbeiter handele, grundsätzlich keine Verpflichtung, dessen Arbeitsergebnisse in allen Einzelheiten nochmals zu überprüfen und nachzuvollziehen. Andernfalls wäre der Einsatz von Mitarbeitern sinnlos, da sie trotz wirtschaftlichen Aufwands kaum Entlastung des Beraters bewirken könnten.
50Der Kläger beantragt,
51den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.2011 und der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2011 zu verpflichten, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 vom 14.05.2010 dahingehend zu ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag auf X € festgestellt wird.
52Der Beklagte beantragt,
53die Klage abzuweisen.
54Der Beklagte hält ebenfalls an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest und trägt zu Begründung wie folgt vor:
55Der Kläger habe lediglich behauptet aber nicht nachgewiesen, dass sein damaliger Steuerberater den streitgegenständlichen Auflösungsverlust ermittelt und lediglich vergessen habe, diesen in die Steuerklärung zu übertragen. Ob die Nichterklärung des Auflösungsverlustes auf einem mit einem rein mechanischen Versehen zu vergleichenden „Vergessen“ oder gegebenenfalls auf einer anderen Rechtsauffassung beruht habe, sei nicht geklärt. Das gesamte Vorbringen des damaligen steuerlichen Beraters des Klägers sei in sich widersprüchlich und wenig überzeugend.
56Die Behauptung des damaligen steuerlichen Beraters und vormaligen Prozessvertreters des Klägers, er habe den Veräußerungsverlust ermittelt und die Absicht gehabt, ihn in die Eingabemaske des DATEV-Programms zur Erstellung der Einkommensteuererklärung 2007 zu übernehmen, sei durch nichts untermauert worden. Die vorgelegte Handakte trage, wie der Kläger selbst einräume, nicht zur Sachverhaltsaufklärung bei. Darüber hinaus stehe diese Behauptung auch im Widerspruch zum vorherigen Vorbringen. Es sei unerklärlich, warum der vom Kläger im Klageverfahren vorgetragene Sachverhalt von dem im Einspruchsverfahren vorgetragenen so eklatant abweiche.
57Zu berücksichtigen sei, dass es sich ausschließlich um Vorgänge handele, die sich in der Sphäre des Klägers bzw. seines damaligen steuerlichen Beraters abgespielt hätten. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des BFH zur Darlegungs- und Beweislast sei der Kläger entgegen seiner Ansicht nicht von seinen Mitwirkungspflichten befreit.
58Die unterlassene Erklärung des Auflösungsverlustes in der Einkommensteuererklärung 2007 beruhe nicht auf einem „schlichten Vergessen“ der Übertragung in den Erklärungsvordruck, sondern darauf, dass dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers der Auflösungsverlust im Zeitpunkt der Erstellung der Erklärung nicht (mehr) bewusst gewesen sei. Von leichter Fahrlässigkeit oder einem rein mechanischen Fehler könne insoweit nicht ausgegangen werden.
59Aber selbst wenn feststünde, dass der der damalige steuerliche Berater des Klägers den Auflösungsverlust bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2007 ermittelt habe und habe erklären wollen, dies aber schlicht vergessen habe, läge ein grobes Verschulen des Steuerberaters vor, welches sich der Kläger zurechnen lassen müsse. Denn einerseits sei nicht jeder „mechanische Fehler“ i.S. des § 129 AO auch im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO entschuldbar. Zum anderen sei hier in der Summe der „Nachlässigkeiten“ bzw. Fehler bei der Bearbeitung des Steuerfalls durch den Berater nicht nur ein einfacher Pflichtverstoß, sondern eine schwere Pflichtverletzung, also grobe Fahrlässigkeit, zu sehen.
60Zunächst habe der damalige steuerliche Berater, nach dessen Darstellung, die Eintragung des Auflösungsverlustes „vergessen“, weil er diesen „aus dem Gedächtnis verloren hatte“. Dass ein zuvor ermittelter und für den Mandanten wichtiger Verlust bei der Eintragung in die Steuererklärung „aus dem Gedächtnis verloren geht“, obwohl der Berater vom Mandanten auf diesen Verlust aufmerksam gemacht wurde, sei bei üblicher sorgfältiger Bearbeitung einer Steuererklärung nicht nachzuvollziehen.
61Dann habe keine ausreichende Kontrolle der erstellten Erklärung stattgefunden. Es sei zwar zutreffend, dass im vorliegenden Fall unabhängig von der Berücksichtigung des Auflösungsverlustes die Einkommensteuer in jedem Fall 0 € betragen hätte. Da im vorliegenden Fall aber nicht die Höhe der Steuer, sondern nur die Höhe des festgestellten verbleibenden Verlustes steuerlich relevant gewesen sei und der Auflösungsverlust im Streitjahr der einzige wichtige steuerliche Aspekt gewesen sei, hätte dem Berater bei Überprüfung der Prüfberechnung der Verlustfeststellung der fehlende Auflösungsverlust auffallen müssen.
62Hinzu komme, dass die Nichtberücksichtigung des Verlustes dem Kläger und/oder dem damaligen steuerlichen Berater auch bei der Kontrolle des Verlustfeststellungsbescheides auf den 31.12.2007 vom 12.06.2009 und spätestens bei der Kontrolle des Änderungsbescheides vom 14.05.2010 hätte auffallen müssen. Doch auch hierbei hätte es beide Parteien an der nötigen Sorgfalt fehlen lassen.
63Dem Kläger sei das grobe Verschulden seines damaligen steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung in gleicher Weise wie das Verschulden eines Bevollmächtigten zuzurechnen.
64Schließlich treffe den Kläger selbst ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Auflösungsverlustes. Er habe die von seinem damaligen Steuerberater erstellte Einkommensteuererklärung 2007 unterschrieben, obwohl der Auflösungsverlust dort nicht eingetragen gewesen sei. Bei der Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung 2007 hätte dem Kläger auffallen müssen, dass der Verlust nicht in der Steuererklärung angegeben gewesen sei. Es könne unterstellt werden, dass dem Kläger als ehemaligem Geschäftsführer und Liquidator der R-GmbH die steuerliche Bedeutung des Verlustes durchaus klar gewesen sei. Denn der Verlust sei immer wieder Gesprächsthema gewesen und er habe seinem damaligen steuerlichen Berater noch kurz vor der Erstellung der Steuererklärung ausdrücklich hierauf hingewiesen. Wenn der Kläger es, gerade in Anbetracht der Größenordnung des Verlustes, dennoch unterlassen habe, die Steuererklärung vor Unterzeichnung daraufhin zu überprüfen, ob dieser angesprochene Verlust auch erklärt worden sei, dann sei dies grob fahrlässig.
65Zu welchem Zeitpunkt der Verlust habe berücksichtigt werden müssen, habe der Kläger zwar vermutlich nicht beurteilen können. Aber aufgrund der Tätigkeit des Klägers als Unternehmensberater und Geschäftsführer einer GmbH könne ihm kein absolutes steuerliches Nichtwissen in Bezug auf die Geltendmachung des Verlustes unterstellt werden, so dass die fehlende Eintragung des Verlustes in der Einkommensteuererklärung 2007 in jedem Fall zum Nachfragen bei seinem damaligen Steuerberater hätte führen müssen. Ebenso hätte dem Kläger bei dem Erhalt des Verlustfeststellungsbescheides auffallen müssen, dass hier der Verlust nicht berücksichtig worden sei. Der Kläger sei nach seinen persönlichen Fähigkeiten durchaus in der Lage, dies zu erkennen.
66Die Sach- und Rechtslage wurde im zweiten Rechtsgang mit dem Beteiligten am 13.07.2016 erörtert. Auf das Protokoll des Erörterungstermins wird verwiesen.
67Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in den Akten 8 K 2198/11 F und 8 K 1923/15 F Bezug genommen.
68Der Senat hat in der Sache am 15.02.2018 mündlich verhandelt und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen L. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
69E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
70Die zulässige Klage ist unbegründet.
71Der Ablehnungsbescheid vom 26.01.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 23.05.2011 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 101 FGO). Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Änderungsbescheid vom 14.05.2010 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 dahingehend zu ändern, den nachträglich geltend gemachten Verlust aus der Auflösung der R-GmbH gem. § 17 Abs. 4 EStG steuerlich zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für eine Änderung des Verlustfeststellungsbescheides zu Gunsten des Klägers gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO liegen nicht vor.
721. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.
73Im Streitfall sind mit dem Verlust aus der Auflösung der R-GmbH Tatsachen nachträglich bekannt geworden, die zu einem höheren Verlustvortrag und mithin zu einer niedrigeren Steuer führen. Allein streitig ist, ob den Kläger am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache ein grobes Verschulden trifft.
74a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 09.11.2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545; BFH, Urteil vom 16.05.2013 III R 12/12, BStBl II 2016, 512 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters, dessen er sich zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, bei der Ausfertigung der Steuererklärung zu vertreten; dabei werden an einen solchen Berater erhöhte Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der von diesem zu erwartenden Kenntnis und sachgerechten Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften gestellt (vgl. BFH, Urteil vom 03.02.1983 IV R 153/80, BStBl II 1983, 324; BFH, Urteil vom 28.06.1983 VIII R 37/81, BStBl II 1984, 2; BFH, Urteil vom 09.05.2012 I R 73/10, BStBl II 2013, 566; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 173 Rz. 126). Insbesondere kann von einem steuerlichen Berater die Kenntnis und sachgerechte Anwendung steuerrechtlicher Bestimmungen erwartet werden (vgl. BFH, Urteil vom 03.02.1983 IV R 153/80, BStBl II 1983, 324).
75Der Begriff des Verschuldens i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist bei elektronisch gefertigten Steuererklärungen in gleicher Weise auszulegen wie bei schriftlich gefertigten Steuererklärungen. Allerdings sind Besonderheiten der elektronischen Steuererklärung hinsichtlich ihrer Übersichtlichkeit bei der Beurteilung des individuellen Verschuldens ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass am Computerbildschirm ein Überblick über die ausfüllbaren Felder der elektronischen Steuererklärung mitunter schwieriger zu erlangen ist, als bei einer Steuererklärung in Papierform (vgl. BFH, Urteil vom 20.03.2013 VI R 9/12, BFH/NV 2013, 1143; BFH, Urteil vom 18.03.2014 X R 8/11, BFH/NV 2014, 1347; BFH, Urteil vom 16.05.2013 III R 12/12, BStBl II 2016, 512).
76Grob fahrlässiges Handeln nimmt die Rechtsprechung insbesondere dann an, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt. Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (vgl. BFH, Urteil vom 04.02.1993 III R 78/91, BFH/NV 1993, 641; BFH, Urteil vom 23.10.2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441; BFH, Urteil vom 20.03.2013 VI R 5/11, BFH/NV 2013, 1142; BFH, Urteil vom 16.05.2013 III R 12/12, BStBl II 2016, 512; BFH, Urteil vom 18.03.2014 X R 8/11, BFH/NV 2014, 1347). Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige --auch wenn ihm steuerrechtliche Kenntnisse fehlen-- anderseits nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage bewusst nicht beantwortet (vgl. BFH, Urteil vom 09.08.1991 III R 24/87, BStBl II 1992, 65).
77b) Demgegenüber stellen Fehler und Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss, keine grobe Fahrlässigkeit dar; insbesondere bei unbewussten --mechanischen-- Fehlern, die selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind, kann grobe Fahrlässigkeit --nicht stets, aber im Einzelfall-- ausgeschlossen sein. Nicht als grobes Verschulden anzusehen ist es etwa, wenn der Steuerpflichtige grundsätzlich um die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen weiß, die Eintragung im Steuererklärungsformular aber aufgrund eines bloßen --mechanischen-- Versehens unter erschwerten Arbeitsbedingungen unterbleibt (FG, Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.08.2011 3 K 2674/10, EFG 2012, 15, zu unterbliebenen Eintragungen in einem elektronischen Formular).
78Dies bedeutet anderseits aber nicht, dass jeder „mechanische Fehler“ i.S. des § 129 AO auch i.S. des § 173 AO „entschuldbar“ ist; denn die Änderungsnorm des § 173 AO geht von anderen Tatbestandsvoraussetzungen aus als die (vom Verschulden der Finanzbehörde unabhängige) Berichtigungsnorm des § 129 AO (vgl. Klein/Rüsken, AO 12. Aufl., § 173 Rz. 113; s. auch BFH, Urteil vom 13.09.1990 V R 110/85, BStBl II 1991, 124).
79c) Anhaltspunkte, die auf ein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen hindeuten, sind von der Finanzbehörde darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Fehler des Steuerpflichtigen im Regelfall auf einem Versehen, also auf leichter Fahrlässigkeit, beruhen; verbleibende Zweifel hieran gehen daher zu Lasten der Behörde, die insoweit die Feststellungslast trägt (BFH, Urteil vom 22.05.1992 VI R 17/91, BStBl II 1993, 80; FG Köln, Urteil vom 07.08.2002 11 K 406/02, EFG 2003, 209; FG Düsseldorf, Urteil vom 22.04.2009 7 K 1951/07, EFG 2011, 19; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.10.1996 14 K 95/92, EFG 1997, 112)
80d) Ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat, ist im wesentlichen Tatfrage. Allerdings muss der Tatbestand des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung einer konkreten Prüfung unterzogen werden, die eine Differenzierung zwischen einfachem Pflichtverstoß --als Ausdruck leichter Fahrlässigkeit-- und schwerem Pflichtverstoß --als Ausdruck grober Fahrlässigkeit-- hinreichend deutlich erkennen lässt. Hierzu sind tatrichterliche Feststellungen hinsichtlich eines individuellen Verschuldens des Steuerpflichtigen erforderlich; denn es gilt der subjektive Verschuldensbegriff (vgl. BFH, Urteil vom 20.03.2013 VI R 9/12, BFH/NV 2013, 1143; BFH, Urteil vom 19.12.2006 VI R 59/02, BFH/NV 2007, 866; BFH, Urteil vom 23.10.2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441). Ein dahingehendes individuelles Fehlverhalten kann sich indes nicht allein schon aus äußeren Fallumständen --etwa in der fehlenden Komplexität des Steuerfalles-- ergeben.
81Derartigen äußeren Umständen wird allenfalls eine einzelfallbezogene Bedeutung für das Maß des Verschuldens des Steuerpflichtigen zuzumessen sein (vgl. BFH, Urteil vom 05.12.1990 I R 21/88, BFH/NV1991, 785). Dies bedeutet anderseits aber nicht, dass es insoweit auf das individuelle --schuldhafte-- Verhalten des Steuerpflichtigen oder seines Beraters nicht mehr ankommen kann (und mithin Feststellungen hierzu entbehrlich wären).
82e) Das „schlichte Vergessen“ der Übertragung eines errechneten Werts in das elektronische Steuererklärungsformular kann einen unbewussten --rein mechanischen-- Fehler darstellen, der jederzeit bei der Verwendung eines Steuerprogramms unterlaufen kann, welches den Finanzämtern die mechanische Erfassungsarbeit von Steuererklärungsdaten abnimmt und auf die Steuerpflichtigen verlagert. Solche bloßen Übertragungs- oder Eingabefehler zählen zu den Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss; sie sind nicht als grob fahrlässig zu werten, wenn sie selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind (vgl. BFH, Urteil vom 13.09.1990 V R 110/85, BStBl II 1991, 124). Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist in einem solchen Zusammenhang nicht grundsätzlich, sondern eben nur dann von einer groben Fahrlässigkeit auszugehen, wenn der Steuerpflichtige bzw. sein steuerlicher Berater in Steuererklärungsformularen gestellte Fragen --bewusst-- nicht beantwortet oder klare und ausreichend verständliche Hinweise und Angaben --bewusst-- unbeachtet lässt (so BFH, Urteil vom 09.08.1991 III R 24/87, BStBl II 1992, 65); im letztgenannten Fall wird sich der Steuerpflichtige indes nicht wegen eines bei der Anfertigung der Erklärung unterlaufenen Eingabefehlers, sondern wegen einer vorangegangenen Verletzung steuerlicher Pflichten den Vorwurf grober Fahrlässigkeit gefallen lassen müssen.
832. Bei Anwendung der vorgenannten, im Wesentlichen vom BFH in dem als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid vom 10.02.2015 (IX R 18/14, BStBl II 2017, 7) dargestellten Rechtsgrundsätze, kommt eine Änderung des Verlustfeststellungsbescheides vom 14.05.2010 im Sinne des Klagebegehrens gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht in Betracht, da dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers, dem Zeugen L, ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden des streitbefangenen Auflösungsverlustes trifft, welches dem Kläger zuzurechnen ist.
84a) Der Senat geht von dem seitens des Klägers im Klageverfahren vorgetragenen Sachverhalt und nicht von der Sachverhaltsdarstellung im Einspruchsverfahren aus. Der Zeuge L hat in der mündlichen Verhandlung am 15.02.2018 schlüssig und nachvollziehbar erklärt, warum der Einspruch mit einem anderen Vortrag begründet wurde, als die Klage. Es bestehen keine Anhaltspunkte daran zu zweifeln, dass dem Zeugen L nach seinem Ausscheiden aus der Sozietät A zunächst keine Handakten zur Verfügung standen. Dass ein Steuerberater einen Sachverhalt aus der Erinnerung heraus (zunächst) objektiv unzutreffend darstellt, diese Darstellung dann später --auch nach Hinweis des Steuerpflichtigen (hier: auf die E-Mail vom 09.03.2009)-- aufgrund besserer Erkenntnisse ändert, ist nicht lebensfremd und nachvollziehbar. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerberater --wie der Zeuge L-- selbst mit der Sache befasst war.
85b) Zur Beurteilung einer möglichen Schuldzuweisung i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist sowohl auf den Geschehensablauf der Erstellung und Abgabe der streitbefangenen Steuererklärungen 2007 als auch auf die Überprüfung der aufgrund dieser Steuererklärungen ergangenen Steuerbescheide abzustellen. Denn Anknüpfungspunkte einer Verschuldensprüfung i.S. des §173 Abs. 1 Nr. 2 AO können sowohl Versäumnisse bei der Erstellung der Steuererklärung als auch bei der Überprüfung des noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheides sein; bei der Prüfung des groben Verschuldens ist auch der Zeitraum bis zur Bestandskraft des Bescheides einzubeziehen (vgl. BFH, Urteil vom 03.08.2016 X R 20/15, BFH/NV 2017, 438; BFH, Urteil vom 04.02.1998 XI R 47/97, BFH/NV 1998, 682).
86c) Nach der Darstellung des damaligen steuerlichen Beraters des Klägers, des Zeugen L, erfolgte die Erstellung der Einkommensteuererklärung und der Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer für das Streitjahr 2007 in mehreren Schritten.
87aa) Die Vorbereitungshandlungen zur Erstellung der Steuererklärungen 2007 sind im Hinblick auf den hier maßgeblichen Auflösungsverlust gem. § 17 Abs. 4 EStG zunächst nicht zu beanstanden. Denn der damalige steuerliche Berater des Klägers hat auf der Grundlage aller ihm bekannten und relevanten Fakten die steuerlich zutreffende Entscheidung getroffen, den der Höhe nach korrekt ermittelten Auflösungsverlust für den Kläger in den Steuererklärungen 2007 geltend zu machen.
88bb) Im nachfolgenden Schritt, der Übertragung der zuvor ermittelten Daten und Besteuerungsgrundlagen in das vom DATEV-Programm vorgegebene PC-Formular hat der damalige steuerliche Berater des Klägers, der Zeuge L, es sodann nach seiner glaubhaften Darstellung „schlicht vergessen“ den zuvor ermittelten Auflösungsverlust in den Erklärungsvordruck (Anlage GSE) zu übertragen. Dieses „schlichte Vergessen“ der Übertragung ist entsprechend der Ausführungen des BFH im Gerichtsbescheid vom 10.02.2015 einem rein mechanischen Fehler gleichzustellen, mit der Folge, dass dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers insofern kein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO anzulasten ist.
89cc) Da die Tätigkeit des damaligen steuerlichen Beraters des Klägers im Rahmen der Erstellung der Steuererklärungen 2007 mit der Übertragung der Steuererklärungsdaten in die Formulare noch nicht abgeschlossen war, sind auch die weiteren Arbeitsschritte zu beurteilen. Entgegen der Annahme des BFH handelte es sich bei den streitbefangenen Steuererklärungen 2007 gerade nicht um elektronische Steuererklärungen, die sich in der elektronischen Erfassung (und elektronischen Übermittlung) der Erklärungsdaten erschöpfen. Vielmehr wurden die schriftlichen Steuererklärungen 2007 lediglich mit Hilfe eines DATEV-Computerprogramms erstellt und ausgedruckt, ohne dass die Erklärungsdaten vom damaligen Steuerberater des Klägers für das Finanzamt erfasst oder elektronisch übermittelt wurden. Dementsprechend war die Erstellung der Steuererklärungen durch die Eingabe der Erklärungsdaten am PC noch nicht abgeschlossen.
90dd) Entsprechend der Darstellung und Aussage des damaligen steuerlichen Beraters des Klägers, des Zeugen L, erfolgte nach der Eintragung aller Werte entsprechend der Vorbereitung eine Steuerberechnung und eine Überprüfung durch ihn, ob die Steuer zutreffend berechnet wurde (DATEV-Prüfberechnung).
91Im Rahmen der Überprüfung der Steuerberechnung anhand der DATEV-Prüfberechnung hätte dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers die unterlassene Eintragung des Auflösungsverlustes in die Anlage GSE auffallen können und müssen. Bei diesem Arbeitsschritt kann die Nachlässigkeit bzw. der Fehler --abweichend von dem vorherigen Arbeitsschritt-- nicht im Sinne eines schlichten mechanischen Fehlers allein in einem „schlichten Vergessen“ beruhen. Denn die Überprüfung der Eingaben anhand der DATEV-Prüfberechnung erstreckt sich nicht allein auf eine rein mechanische Tätigkeit, sondern ist zwangsläufig mit einer rechtlichen und intellektuellen Würdigung verbunden. Dies schließt die Annahme eines rein mechanischen Fehlers bei der Ausführung dieses Arbeitsschritts aus.
92ee) Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Fehler nicht auffallen konnte, weil die DATEV-Prüfberechnung die zutreffende Einkommensteuer 2007 in Höhe von 0 € ausgewiesen habe. Denn bereits aufgrund des festgestellten verbleibenden Verlustvortrages auf den 31.12.2006 in Höhe von ursprünglich X € --der dem Zeugen L nach dessen Aussage in der mündlichen Verhandlung am 15.02.2018 und ausweislich der Eintragung unter Kennziffer 54 des Mantelbogens bei der Erstellung der Steuererklärungen 2007 bekannt war-- und dem daraus folgenden Verlustvortragspotential gem. § 10d EStG stand in jedem Fall --unabhängig von der steuerlichen Berücksichtigung des Auflösungsverlustes-- für den damaligen steuerlichen Berater des Klägers erkennbar fest, dass die Einkommensteuer 2007 auf 0 € festgesetzt würde. Der Umstand, dass die DATEV-Prüfberechnung auf der Grundlage der Steuererklärungen 2007 eine festzusetzende Einkommensteuer 2007 in Höhe von 0 € auswies, war somit objektiv nicht geeignet, den Rückschluss darauf zuzulassen, dass die zuvor erstellten Steuererklärungen 2007 fehlerfrei waren und insbesondere die Erklärung des Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG beinhalteten.
93ff) Angesichts der dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers, dem Zeugen L, bekannten Besonderheiten des Falles in Gestalt des festgestellten Verlustvortrages auf den 31.12.2006 und des negativen Gesamtbetrages der Einkünfte 2007 (bei Berücksichtigung des zum Zeitpunkt der Erstellung der Steuererklärungen 2007 dem Grund und der Höhe nach bekannten Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG), lag es --für den damaligen steuerlichen Berater des Klägers erkennbar-- vielmehr auf der Hand, dass nicht die festzusetzende Einkommensteuer 2007, sondern die Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 für den Kläger vorrangig steuerlich relevant war. Wenn der damalige steuerliche Berater den Auflösungsverlust berechnet hat und ihn in das elektronische DATEV-Formular eintragen wollte, hätte ihm angesichts der Höhe des Verlustes (X €) und des Gesamtbetrages der weiteren Einkünfte (X € laut Einkommensteuerbescheid 2007 bzw. lt. DATEV-Prüfberechnung: X €) bewusst sein müssen, dass die steuerrechtliche Folge hieraus nicht nur eine Einkommensteuerfestsetzung 2007 in Höhe von 0 € sein würde, sondern auch, dass es nicht zu einem teilweisen Vortrag des auf den 31.12.2006 festgestellten verbleibenden Verlustes zur Einkommensteuer gem. § 10d EStG kommen würde und sich der verbleibende Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 entsprechend des negativen Gesamtbetrages der Einkünfte 2007 erhöhen würde. Im Rahmen der ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten hätte der damalige Steuerberater des Klägers dementsprechend die Steuererklärungen anhand der DATEV-Prüfberechnung nicht nur hinsichtlich der festzusetzenden Einkommensteuer 2007, sondern auch daraufhin überprüfen können und müssen, wie hoch der Gesamtbetrag der Einkünfte auf der Grundlage der Steuererklärungen 2007 war. Denn der Gesamtbetrag der Einkünfte wirkte sich zwangsläufig im Zusammenhang mit den auf den 31.12.2006 festgestellten verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer gem. § 10d EStG auf die Höhe des festzustellenden verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 aus. Diese steuerliche Auswirkung konnte und musste dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers aufgrund seiner beruflichen Qualifikation als Steuerberater bekannt sein. Hinzu kam, dass ihm das insofern bestehende Interesse des Klägers hinsichtlich der steuerlichen Geltendmachung des Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG auch aus den mehrfachen Gesprächen mit dem Kläger und zuletzt aus der E-Mail des Kläger vom 09.03.2009 bekannt war. Darüber hinaus waren die steuerlichen Verhältnisse des Klägers überschaubar. Die in die Erklärungsvordrucke vorzunehmenden Eintragungen, einschließlich der Erklärung des Verlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG, waren weder vom Umfang noch von der Komplexität besonders anspruchsvoll. Dabei war --für den damaligen steuerlichen Berater des Klägers eindeutig erkennbar-- die Eintragung und Erklärung des Verlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG im Rahmen der streitbefangenen Steuererklärungen mit Abstand steuerlich und wirtschaftlich am bedeutsamsten.
94gg) Den vorgenannten Prüfungsschritt im Zusammenhang mit der Erstellung der streitbefangenen Steuererklärungen 2007 hat der damalige steuerliche Berater des Klägers nicht mit der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt vorgenommen. Denn zur Überzeugung des Senats hätte sich die nicht erfolgte Eintragung des Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG bereits bei einer nur flüchtigen Kontrolle der Erklärung und der anschließenden DATEV-Prüfberechnung unschwer feststellen lassen. Als Steuerberater war es dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers aufgrund seiner individuellen Fähigkeiten ohne weiteres möglich, die vorstehend dargestellten steuerrelevanten Auswirkungen der Erklärung bzw. der unterlassenen Erklärung des Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG zu beachten und im Rahmen der DATEV-Prüfberechnung die vorherige versehentliche Nichteintragung des Auflösungsverlustes in die Anlage GSE zu erkennen. Dem steht nicht entgegen, dass der festzustellende Verlustvortrag in der DATEV-Berechnung möglicherweise nicht gesondert auftaucht, wie der damalige steuerliche Berater in der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtgang vermutet hat (vgl. Bl. 114 R. der Akte 8 K 2198/11 F). Denn jedenfalls hätte der damalige steuerliche Berater des Klägers den entsprechend der von ihm erstellten Steuererklärungen zu hohen Gesamtbetrag der Einkünfte 2007 (laut DATEV-Berechnung: X €) und die sich daraus ergebenden nachteiligen Folgen für den Kläger (Vortrag eines Teils des auf den 31.12.2006 festgestellten Verlustes und Nichtvornahme einer Erhöhung des auf den 31.12.2007 festzustellenden Verlustes aufgrund der Unterlassung der Erklärung des Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG) aus der in den Handakten befindlichen DATEV-Prüfberechnung (Bl. 82 der Gerichtsakte) und dem steuerlichen Mehrjahresvergleich (Bl. 83 der Gerichtsakte) erkennen können und müssen. Hieraus hätte er den Schluss ziehen können und müssen, dass die von ihm erstellten Steuererklärungen 2007 insoweit fehlerhaft waren, als er den --von ihm im Zusammenhang mit der Erstellung der Steuererklärungen errechneten und ihm folglich bekannten-- Auflösungsverlust gem. § 17 Abs. 4 EStG nicht ordnungsgemäß in die Steuererklärungen eingetragen hat.
95hh) Dass der damalige steuerliche Berater des Klägers, der Zeuge L, die vorgenannten Prüfungen und objektiv gebotenen Schlussfolgerungen nicht pflichtgemäß vorgenommen hat, wird insbesondere auch aufgrund seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung am 15.02.2018 deutlich. Der Zeuge L hat die steuerliche Relevanz des Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG für die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 im Rahmen der Kontrolle der streitbefangenen Steuererklärungen 2007 unter pflichtwidriger Verkennung der steuerlichen Bedeutung des Auflösungsverlustes nicht ausreichend berücksichtigt. Diese Schlussfolgerung ist zur Überzeugung des Senats aus der Darstellung des Zeugen L abzuleiten, dass er den Einkommensteuerbescheid (2007) nicht als besonders „spannend“ angesehen hat, weil die Steuerfestsetzung „ja auf Null“ gelautet habe und dass der Feststellungsbescheid hinsichtlich des Verlustvortrages für ihn ebenfalls nicht so „spannend“ war, weil der Kläger einen ganz erheblichen Verlustvortrag gehabt habe. Dass der Zeuge L darüber hinaus, ausweislich seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung am 15.02.2018, die Überprüfung der streitbefangenen Steuererklärungen 2007 (anhand der DATEV-Prüfberechnung) als stimmig und schlüssig angesehen hat, wobei der Zeuge durchaus erkannt hatte, dass der Verlustvortrag wegen des positiven Gesamtbetrages der Einkünfte (im Streitjahr 2007) „eben abgenommen“ hatte sowie der Umstand, dass es für den Zeugen klar war, „dass es zig Jahre dauern würde, bis dieser erhebliche Verlustvortrag abgebaut“ sein werde, bestätigt die vorgenannte Überzeugung des Senats.
96d) Schließlich handelte der damalige steuerliche Berater des Klägers auch insofern grob fahrlässig, als er Frau H mit der Überprüfung des Einkommensteuerbescheides 2007 vom 12.06.2009 und des Bescheides über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 vom 12.06.2009 beauftragt hat, Frau H hierfür aber nicht alle erforderlichen Informationen bereitgestellt hat und die Zeugin nicht ausreichend instruiert hat.
97aa) Der Senat geht insofern davon aus, dass Frau H, wie von dem Kläger vorgetragen, eine qualifizierte und ordnungsgemäß ausgewählte Mitarbeiterin der Kanzlei des damaligen steuerlichen Beraters des Klägers war, an deren fachlicher Kompetenz es keinerlei Anhaltspunkte zu zweifeln gab. Ebenso geht der Senat davon aus, dass Frau H den Einkommensteuerbescheid 2007 sowie den Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 jeweils vom 12.06.2009 sorgfältig geprüft hat, dass ihr hierbei die gesamte Handakte zur Verfügung stand und dass sich ihr aufgrund der erklärungsgemäßen Veranlagung eine fehlende Berücksichtigung des Auflösungsverlustes in diesen Bescheiden nicht aufgedrängt hat. Der Senat hat insofern keinerlei Anhaltspunkte an dem Vortrag des Klägers zu zweifeln.
98bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist bei der Prüfung des groben Verschuldens i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO auch der Zeitraum bis zur Bestandskraft des Bescheides einzubeziehen (vgl. BFH, Urteil vom 25.11.1983 VI R 8/82, BStBl II 1984, 256; BFH, Urteil vom 20.01.1988 I R 1/84, BFH/NV 1988, 348; BFH, Urteil vom 22.11.1988 VII R 24/86, BFH/NV 1989, 359; BFH, Urteil vom 09.03.1990 VI R 19/85, BFH/NV 1990, 619; BFH, Urteil vom 21.01.1991 V R 25/87, BStBl II 1991, 496; BFH, Urteil vom 04.02.1993 III R 78/91, BFH/NV 1993, 641; BFH, Urteil vom 22.05.2006 VI R 17/05, BStBl II 2006, 806). Lässt ein Steuerpflichtiger einen Bescheid bestandskräftig werden, liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein grob fahrlässiges Verhalten i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vor, wenn sich ihm innerhalb der Einspruchsfrist die Notwendigkeit weiterer Angaben hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH, Urteil vom 23.01.2001 XI R 42/00, BStBl II 2001, 379; BFH, Urteil in BFH/NV 1990, 619; BFH, Urteil vom 11.05.1990 VI R 76/86, BFH/NV 1991, 281; BFH, Beschluss vom 03.07.2006 IV B 98/05, BFH/NV 2006, 2226).
99cc) Bei einer ordnungsgemäßen persönlichen Prüfung des Einkommensteuerbescheides 2007 und des Verlustfeststellungsbescheides auf den 31.12.2007 jeweils vom 12.06.2009 hätte dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers --der zu dieser Überprüfung vom Kläger auch beauftragt war-- entsprechend der vorstehenden Ausführungen zur DATEV-Prüfberechnung auffallen können und müssen, dass der Auflösungsverlust gem. § 17 Abs. 4 EStG in beiden Bescheiden nicht berücksichtigt worden war. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der damaligen steuerlichen Berater des Klägers aufgrund seiner steuerrechtlichen Kenntnisse unschwer hätte erkennen können und müssen, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte 2007 bei ordnungsgemäßer Erklärung und Berücksichtigung des Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG negativ gewesen wäre, so dass sich der auf den 31.12.2007 festzustellende verbleibende Verlustabzug zur Einkommensteuer gem. § 10d EStG gegenüber der Feststellung auf den 31.12.2006 hätte erhöhen müssen. Da der verbleibende Verlustabzug auf den 31.12.2007 im Bescheid vom 12.06.2009 jedoch gegenüber der Feststellung auf den 31.12.2006 niedriger festgestellt wurde, war für einen Steuerberater --dem der in 2007 zu berücksichtigenden Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG und den weiteren Besteuerungsgrundlagen bekannt waren-- bereits bei flüchtiger Durchsicht der Bescheide vom 12.06.2009 ohne weiteres erkennbar, dass die Bescheide objektiv fehlerhaft waren. Vor diesem Hintergrund hätte sich die Notwendigkeit weiterer Angaben bzw. der Einlegung eines Einspruchs dem damaligen steuerlichen Berater des Klägers somit aufdrängen müssen, wenn er den ihm übertragenen Auftrag der Überprüfung der Steuerbescheide 2007 pflichtgemäß vorgenommen hätte.
100dd) Soweit der Kläger diesbezüglich vorträgt, dass die Prüfung durch eine Mitarbeiterin, Frau H, erfolgt sei, die keine Abweichung zwischen den Steuererklärungen und den Steuerbescheiden festgestellt habe und auch nicht habe feststellen können, vermag dieser Umstand den damaligen steuerlichen Berater des Klägers im Hinblick auf eine ihm vorzuwerfende grobe Fahrlässigkeit nicht zu entlasten.
101Das grobe Verschulden eines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung von Steuererklärungen ist dem Steuerpflichtigen in gleicher Weise zuzurechnen wie das Verschulden eines Bevollmächtigten. Ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters liegt auch vor, wenn er sein Personal Arbeiten ausführen lässt, es aber grob schuldhaft nicht mit der erforderlichen Auswahl auswählt, einsetzt und überwacht, so dass dadurch Fehler auftreten, die dazu führen, dass Tatsachen der Finanzbehörde nicht rechtzeitig bekannt werden (vgl. BFH, Urteil vom 13.06.1989 VIII R 174/85, BStBl II 1989, 798). Der steuerliche Berater hat sein Personal so auszuwählen und einzusetzen, dass die ihm übertragenen Aufgaben sachgerecht und gewissenhaft erledigt werden, dabei hat er sich durch stichprobenartige Kontrolle Gewissheit darüber zu verschaffen, dass dieses Ziel erreicht wird (vgl. BFH, Urteil vom 26.08.1987 I R 144/86, BStBl II 1988,109).
102ee) Vor diesem Hintergrund ist das grobe Verschulden des damaligen steuerlichen Beraters des Klägers, des Zeugen L, im Zusammenhang mit dem Einsatz von Frau H darin zu erblicken, dass diese Mitarbeiterin lediglich den Steuerbescheid mit der Steuererklärung vergleichen sollte, ohne auf die Bedeutung des Auflösungsverlustes hingewiesen worden zu sein. Der damalige steuerliche Berater des Klägers wollte den von ihm ermittelten Auflösungsverlust gem. § 17 Abs. 4 EStG in den streitbefangenen Steuererklärungen 2007 geltend machen, hat die entsprechende Eintragung jedoch „schlicht vergessen“. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der damalige steuerliche Berater des Klägers davon ausgehen musste, den Verlust erklärt zu haben. Gerade auf der Grundlage der steuerlichen und wirtschaftlichen Bedeutung des Verlustes für den Kläger und der Höhe des Auflösungsverlustes wäre es im Rahmen einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Prüfungsauftrages des Klägers erforderlich gewesen, die Prüfung der Bescheide entweder selbst vorzunehmen oder aber die Mitarbeiterin zur Überprüfung des Auflösungsverlustes besonders anzuhalten, zumal die weiteren Besteuerungsgrundlagen nach Aktenlage keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufwarfen. Eine entsprechende Information bzw. Instruktion an Frau H erfolgte durch den damaligen steuerlichen Berater des Klägers nicht. Auch aus den vorgelegten Handakten ergeben sich keinerlei Hinweise auf den Auflösungsverlust gem. § 17 Abs. 4 EStG, so dass die Mitarbeiterin auch hieraus keine diesbezüglichen Rückschlüsse bei der Überprüfung der Bescheide herleiten konnte. Überträgt ein Steuerberater die Aufgabe der Überprüfung von Steuerbescheiden an Mitarbeiter, ohne diese über alle relevanten Grundlagen der Erklärung aufzuklären bzw. zu instruieren (persönlich oder durch entsprechende Eintragungen in der Handakte), so ist eine solche Überprüfung nicht geeignet, mögliche Fehler bei der Erstellung der Steuererklärungen, die sich in den Steuerbescheiden niederschlagen, aufzudecken. Denn wenn --wie vorliegend bezogen auf den Auflösungsverlust gem. § 17 Abs. 4 EStG-- der Mitarbeiter weder aufgrund des Inhalts der Handakte noch auf sonstige Weise darüber informiert wird, welche wesentlichen Eintragungen die dem zu überprüfenden Steuerbescheid zugrundeliegende Steuererklärung nach der Vorstellung und dem Willen des Erstellers der Steuererklärung beinhalten sollte, dann ist der --vorliegend von Frau H-- vorgenommene schlichte Vergleich des Steuerbescheides mit der zugrunde liegenden Steuererklärung nicht geeignet, unbewusste und auf einem rein mechanischen Versehen beruhende Fehler (hier die unterlassene Eintragung des Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG) zu erkennen. Ein so handelnder Steuerberater erfüllt die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen obliegenden Pflichten nicht mit der ihm zumutbaren und gebotenen Sorgfalt. Fehler in der Steuerklärung, die aufgrund einer solchen unzureichenden Prüfung des Steuerbescheides nicht festgestellt werden, sind als von dem Steuerberater grob fahrlässig verursacht anzusehen.
103e) In Bezug auf den Kläger persönlich verbleibt der Senat dabei, dass ihn kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsache des Auflösungsverlustes dem Finanzamt erst nachträglich bekannt geworden ist. Der Senat verweist diesbezüglich auf seine Feststellungen und Wertungen im Urteil vom 23.01.2014, die insofern vom BFH im Gerichtsbescheid vom 10.02.2015 als rechtsfehlerfrei angesehen wurden.
1043. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Sie umfasst die Kosten des Revisionsverfahrens.