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T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte dazu berechtigt war, die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2012 nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG zu ändern.
3Die Klägerin ist eine GmbH, Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb eines Tiefbau- und Abbruchunternehmens sowie eines Containerdienstes. Geschäftsführerin ist Frau B S .
4Am 19.04.2013 ging die Umsatzsteuererklärung 2012 beim Beklagten ein, mit der eine Umsatzsteuer in Höhe von -82.018,87 € erklärt wurde. Durch Mitteilung vom 03.05.2013 stimmte der Beklagte der Erklärung zu. Mit Bescheid vom 02.10.2014 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 AO auf.
5Am 08.06.2015 erhielt der Beklagte eine Kontrollmitteilung vom Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung I. Die Klägerin habe im Jahr 2012 als leistende Unternehmerin Bauleistungen an die Bauträgerin W GmbH (W GmbH) über insgesamt 162.646,06 € netto (Umsatzsteuer nach § 13b UStG 30.902,76 €) erbracht. Die W GmbH als Bauleistungsempfängerin habe nunmehr unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 22.08.2013 (V R 37/10) einen Antrag auf Erstattung der nach § 13b UStG für Bauleistungen der Klägerin abgeführten Umsatzsteuer 2012 gestellt.
6Mit Schreiben vom 28.07.2015 setzte der Beklagte die Klägerin über diesen Sachverhalt in Kenntnis. Er teilte der Klägerin zugleich mit, dass diese nunmehr nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG Steuerschuldnerin sei. Sie, die Klägerin, sei deshalb nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG verpflichtet, ordnungsgemäße Rechnungen im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG auszustellen, die insbesondere den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag enthalten müssten. Zudem sei die Klägerin nach § 18 UStG verpflichtet, die Umsatzsteuer anzumelden. Der Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass die Möglichkeit bestehe, den gesamten sich aus den berichtigten Rechnungen ergebenden Zahlungsanspruch gegen den Leistungsempfänger an das Land NRW vertreten durch den Beklagten nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG abzutreten. Im Falle der Einhaltung weiterer Mitwirkungspflichten könne die Klägerin hiermit an Zahlungs statt ihre Umsatzsteuerschuld erfüllen.
7Die Klägerin erteilte zunächst gegenüber der W GmBH keine korrigierten Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis über die erbrachten Bauleistungen im Jahr 2012. Auch erklärte sie zunächst nicht die Abtretung der Zahlungsansprüche gegen die W GmbH im Sinne des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG.
8Der Beklagte erließ daraufhin am 02.10.2015 einen nach § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2012, in dem er die Umsatzsteuer nunmehr in Höhe von -56.050,24 € (Unterschiedsbetrag 25.968,63 €) festsetzte.
9Am 19.10.2015 erhob die Klägerin hiergegen mit Zustimmung des Beklagten Sprungklage.
10Zur Begründung ihrer Klage legt die Klägerin dar, dass § 27 Abs. 19 AO nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sei, insbesondere verstoße die Norm gegen das Rückwirkungsverbot und der in § 176 Abs. 2 AO normierte Vertrauensschutz werde durchbrochen. Ferner hätten weder die Klägerin noch die W GmbH einem Rechtsirrtum hinsichtlich der Steuerschuldnerschaft unterlegen. Vielmehr sei die Klägerin vom Beklagten – entgegen ihrer Rechtsinterpretation – dazu gezwungen worden, die Steuerschuldnerschaft auf die W GmbH zu verlagern. Zudem habe die Klägerin keinen (abtretbaren) Anspruch gegen die W GmbH, insbesondere scheide ein Anspruch nach § 313 BGB aus, da sich die Klägerin und die W GmbH nicht bezüglich der Steuerschuldnerschaft geirrt hätten, sondern allenfalls die Finanzverwaltung. Vor diesem Hintergrund seien Ansprüche der Klägerin gegen die W GmbH auch verjährt, da die Klägerin und die W GmbH nicht erst seit dem BFH-Urteil vom 22.08.2013 oder seit den Feststellungen der Groß- und Konzernbetriebsprüfung im Jahr 2015, sondern bereits im Jahr 2012 Kenntnis von der Nichtanwendbarkeit des Reverse-charge-Verfahrens und damit vom Anspruch der Klägerin gegen die W GmbH auf Zahlung der Umsatzsteuer gehabt hätten.
11Die Klägerin beantragt,
12den nach § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2012 vom 02.10.2015 aufzuheben;
13hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Der Beklagte ist unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 23.02.2017 der Auffassung, dass weder verfassungsrechtliche noch unionsrechtliche Zweifel an der Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG bestünden. Es bestehe auch ein zivilrechtlicher Anspruch des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung der Umsatzsteuer nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung bzw. aus § 313 BGB. Der Anspruch sei auch zivilrechtlich nicht verjährt, da Verjährungsbeginn nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB der Schluss des Jahres 2013 sei. Zudem würde sich der Leistungsempfänger widersprüchlich und rechtsmissbräuchlich verhalten, wenn er die Verjährungseinrede erheben würde.
17Während des laufenden Klageverfahrens hat die Klägerin mit Schreiben vom 19.05.2016 die Abtretung der Forderungen gegenüber der Firma W aus den im Kalenderjahr 2012 erbrachten Werklieferungen und –leistungen beschränkt auf die Umsatzsteuer in Höhe von 19% aus 162.646,06 €, also 25.968,63 € an das Land NRW, vertreten durch den Beklagten erklärt (Bl. 89 der Gerichtsakten). Weiterhin hat die Klägerin mit Schreiben vom 21.12.2017 geänderte Rechnungen an den Beklagten übersandt (Bl. 154 ff. der Gerichtsakten):
18
ReNr |
Netto |
USt |
Brutto |
1004950 |
2.490,18 € |
473,13 € |
2.963,31 € |
1004951 |
2.646,00 € |
502,74 € |
3.148,74 € |
1004954 |
53.934,09 € |
10.247,48 € |
64,181,57 € |
1004959 |
3.697,48 € |
702,52 € |
4.400,00 € |
1004960 |
99.878,30 € |
18.976,88 € |
118.855,18 € |
Summe |
162.646,05 € |
30.902,75 € |
129.431,981 € |
Die Klägerin hat zudem mit Schreiben vom 07.02.2018 den Erlass eines Abrechnungsbescheides zur Umsatzsteuer 2012 beantragt (Bl. 169 der Gerichtsakten). Mit ihrer am 21.03.2018 erhobenen und unter dem Aktenzeichen 5 K 943/18 AO anhängigen Klage beantragt sie, den Beklagten zum Erlass eines Abrechnungsbescheides zu verpflichten.
20In der Sache hat am 15.05.2018 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden, auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Die Klage hat keinen Erfolg.
23Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 02.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte war zur Änderung des Umsatzsteuerfestsetzung 2012 nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG berechtigt.
24Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15.02.2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hat, Steuerschuldner zu sein (§ 27 Abs. 19 Satz 1 UStG). Nach § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG steht § 176 AO der Änderung nicht entgegen.
251. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die Vorschrift des § 27 Abs. 19 Satz 1, 2 UStG gegen das Verfassungsrecht bzw. Unionsrecht verstoße, so folgt der Senat dem nicht.
26Der Senat schließt sich der Auffassung des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 23.02.2017 an, wonach § 27 Abs. 19 Satz 1, 2 UStG dahingehend unionsrechtskonform auszulegen ist, dass eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung dann zulässig ist, wenn dem leistenden Unternehmer ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht (BFH, Urt. vom 23.02.2017 V R 16/16, 24/16, BStBl. II 2017, 760). Der durch § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG angeordnete Ausschluss des abgabenrechtlichen Vertrauensschutzes sei unionsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn das Bestehen und die Abtretbarkeit einer Forderung nicht erst im Anschluss an die Änderung des Umsatzsteuerbescheides, sondern bereits im Festsetzungsverfahren geklärt würden (BFH, Urt. vom 23.02.2017 V R 16/16, 24/16, BStBl. II 2017, 760). Bei dieser unionsrechtskonformen Auslegung bestehen nach Auffassung des BFH, der der Senat folgt, auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (eingehend hierzu auch Kessens, MwStR 2016, 226 ff.).
27Auch hat der Senat keine Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der Regelung über die Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen gem. § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UStG sowie der Änderungsvorschrift des § 27 Abs. 19 Satz 1, 2 UStG.
282. Der Klägerin steht im Streitfall auch ein abtretbarer Anspruch gegen die W GmbH zu.
29a) Ein solcher Anspruch der Klägerin auf Vertragsanpassung gegen die W GmbH ergibt sich aus § 313 Abs. 1 BGB.
30Haben sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
31Bei dem Umstand, der zur Grundlage des Vertrages geworden ist, handelt es sich um die Person des Steuerschuldners für die von der Klägerin an die W erbrachten Leistungen. In Bezug auf die Person des Steuerschuldners für die von der Klägerin erbrachten Leistungen ist es nach Vertragsschluss zu einer schwerwiegenden Veränderung gekommen.
32Die Klägerin und die W GmbH haben das Vertragsverhältnis gem. § 13b UStG im Wege des Reverse-Charge Verfahrens abgewickelt. Dies zeigt sich insbesondere an den von der Klägerin erteilten Rechnungen, mit denen diese über ein Entgelt ohne Steuerabzug abrechnete und in denen diese ausdrücklich auf die Steuerschuldnerschaft der W GmbH nach § 13b UStG hinwies. Dass dies auch dem Verständnis der W GmbH entsprach, wird dadurch belegt, dass die W GmbH die von der Klägerin empfangenen Leistungen als Leistungsempfängerin nach § 13b UStG versteuerte und erst nach Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 22.08.2013 (V R 37/10, BStBl. II 2014, 128) die Rückgängigmachung dieser Besteuerung geltend machte. Die Klägerin und die W GmbH mussten auch auf Basis der damals geltenden Verwaltungsauffassung davon ausgehen, dass die W GmbH Steuerschuldnerin für die erbrachten Leistungen war, denn auf der Grundlage der damals geltenden Verwaltungsauffassung (Abschn. 182a Abs. 11 UStR 2005) war es nicht erforderlich, dass die an den Leistungsempfänger erbrachten Umsätze, für die er als Leistungsempfänger Steuerschuldner ist, mit von ihm erbrachten Umsätzen nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG a.F. unmittelbar zusammenhängen (BFH, Urt. vom 23.02.2017 V R 16/16, 24/16, BStBl. II 2017, 760).
33Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass sie selbst und auch die W GmbH bereits damals die Verwaltungsauffassung übereinstimmend für falsch gehalten hätten, so ist dies nach Auffassung des Senates unerheblich, da eine innere Überzeugung von der vorgenommenen Handlung, der Ausstellung der Rechnungen sowie der Abgabe der Steuererklärungen nach den Grundsätzen der damaligen Verwaltungsauffassung, nicht erforderlich ist. Vielmehr hätte die Klägerin bzw. die W GmbH gegen die damalige Steuerfestsetzung Einspruch einlegen und ggf. Klage erheben müssen.
34Diese Verwaltungsauffassung hat der BFH durch das Urteil vom 22.08.2013 (V R 37/10, BStBl. II 2014, 128) ausdrücklich verworfen und entschieden, dass es für die Entstehung der Steuerschuld beim Leistungsempfänger darauf ankommt, ob dieser die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Danach war die W GmbH, die die von der Klägerin bezogenen Leistungen für die steuerfreie Lieferung von Wohnungen verwendet hat, nur auf der Grundlage der beim Vertragsschluss geltenden Verwaltungsauffassung, nicht aber nach der BFH-Rechtsprechung Steuerschuldnerin (BFH, Urt. vom 23.02.2017 V R 16/16, 24/16, BStBl. II 2017, 760).
35Durch diese Beurteilungsänderung ist es zu einer schwerwiegenden Veränderung in Bezug auf die Person des Steuerschuldners als Vertragsgrundlage gekommen. Denn die Klägerin muss für die W GmbH eindeutig erkennbar ihren Vergütungsanspruch nicht mehr auf der Grundlage eines von ihr nicht zu versteuernden Entgelts, sondern als Gegenleistung bestehend aus Entgelt und Steuerschuld kalkulieren (BFH, Urt. vom 23.02.2017 V R 16/16, 24/16, BStBl. II 2017, 760).
36In Kenntnis der BFH-Rechtsprechung und der sich hieraus ergebenden Steuerschuldnerschaft der Klägerin hätten die Klägerin und die W GmbH als Vergütung für die Klägerin eine Gegenleistung bestehend aus Entgelt und Umsatzsteuer vereinbart. Damit ist die Klägerin entsprechend § 313 Abs. 1 BGB berechtigt, Anpassung des Vertrages zu verlangen. Dies führt zu einer Erhöhung des der Klägerin zustehenden Vergütungsanspruchs um die von der Klägerin für ihre Leistung geschuldete Umsatzsteuer. Ein Festhalten am unveränderten Vertrag kann der Klägerin nicht zugemutet werden (BFH, Urt. vom 23.02.2017 V R 16/16, 24/16, BStBl. II 2017, 760).
37Gründe für ein Erlöschen des Anspruchs sind weder vorgetragen worden noch nach Aktenlage ersichtlich.
38b) Nach Auffassung des Senates ist es unerheblich, ob der Anspruch der Klägerin verjährt ist. Denn eine (mögliche) Verjährung würde nicht zum Erlöschen des Anspruchs führen, sondern dem Leistungsempfänger nur eine Einrede ermöglichen. An der vom BFH lediglich (im Rahmen der unionsrechtskonformen Auslegung) geforderten Abtretbarkeit der Forderung würde eine Verjährung jedenfalls nichts ändern (so auch Gieseler/Dürr, BB 2017, 2075, 2079).
39Selbst wenn man das Nichtvorliegen der Verjährungsvoraussetzungen als Voraussetzung für das Vorliegen eines abtretbaren Anspruchs und damit für das Bestehen einer Änderungsmöglichkeit nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG ansehen würde, so war im maßgeblichen Zeitpunkt der Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2012 am 02.10.2015 nach allen vertretenen Rechtsauffassungen noch keine Verjährung eingetreten.
40Die regelmäßige (dreijährige) Verjährungsfrist nach § 195 BGB beginnt gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.
41Wann die Verjährung des Anspruchs des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger nach § 313 BGB in den Bauträgerfällen nach § 195 i.V.m. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt, ist umstritten:
42Nach teilweise vertretener Auffassung beginne die Verjährungsfrist für einen etwaigen zivilrechtlichen Nachforderungsanspruch mit Ausführung der Bauleistung (FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.07.2015 5 V 5026/15, juris und FG Niedersachsen, Beschluss vom 20.07.2015 16 V 132/15, juris). Nach dieser Auffassung hätte die Verjährungsfrist am 31.12.2012 begonnen und am 31.12.2015 geendet.
43Nach anderer Auffassung soll die Verjährung mit Verkündung des BFH-Urteils vom 22.08.2013 am 27.11.2013 (FG Niedersachsen, Urt. vom 29.10.2015 5 K 80/15, EFG 2016, 338 und FG Nürnberg, Beschluss vom 26.08.2015 2 V 1107/15, EFG 2015, 2135) beginnen, so dass die Frist am 31.12.2016 abgelaufen wäre.
44Nach einer weiteren Auffassung beginnt die Frist dann, wenn der leistende Unternehmer Kenntnis davon erlangt hat, dass der Leistungsempfänger einen Erstattungsanspruch bei seinem Finanzamt gestellt hat (BMF, Schreiben vom 26.07.2017, BStBl. I 2017, 1001, Rz. 17; FG Hamburg, Urt. vom 18.01.2018 3 K 209/17, juris; Sterzinger UR 2015, 293; Fleckenstein-Weiland, BB 2014, 2391). Die Klägerin hat durch Schreiben des Beklagten vom 28.07.2015 vom Erstattungsanspruch der W GmbH erfahren, so dass die dreijährige Verjährungsfrist nach dieser Auffassung am 31.12.2015 begonnen hat und erst am 31.12.2018 ablaufen würde.
45Nach einer weiteren Ansicht sei der Fristbeginn nicht vor Verkündung des BFH-Urteils vom 23.02.2017 (V R 16, 24/16, BStBl. II 2017, 760) am 05.04.2017 anzunehmen, da dieses Urteil die erste höchstrichterliche Entscheidung über mögliche Nachzahlungsansprüche gewesen sei (FG Nürnberg, Urt. vom 30.01.2018 2 K 1351/17, EFG 2018, 533 mit Anm. Pflaum). Fristende wäre danach der 31.12.2020.
46c) Über die Frage, inwieweit der Beklagte aufgrund der im Streitfall erst während des laufenden Klageverfahrens im Jahr 2016 erklärten Abtretung der (möglicherweise zu diesem Zeitpunkt verjährten) Forderung der Klägerin gegen Leistungsempfänger gegenüber diesem noch aufrechnen kann, war im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Den Verjährungseinwand kann der erstattungsberechtigte Leistungsempfänger/Bauträger im Erhebungsverfahren geltend machen und mit dem Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO) eine rechtsbehelfsfähige Verwaltungsentscheidung herbeiführen (Lippross, NWB 2018, 478, 481).
47Ebenfalls nicht zu entscheiden war über die Frage, ob die Voraussetzungen für ein Erlöschen der Steuerschuld gegenüber der Klägerin nach § 27 Abs. 19 Satz 3, 4 UStG (Ermessensreduzierung auf Null) anzunehmen sind, obwohl die Klägerin den Anspruch erst im Jahr 2016 (und damit nach teilweiser vertretener Auffassung erst nach Eintritt der Verjährung) abgetreten und die Rechnungen erst im Jahr 2017 (ohne diese in den Verkehr zu bringen) ggü. dem Beklagten berichtigt hat. Diese Frage wäre ebenfalls (nach Erlass eines Abrechnungsbescheides) im Erhebungsverfahren und damit ggf. im Verfahren 5 K 943/18 AO zu klären. Denn nach der Rechtsprechung des BFH soll lediglich die Frage des Bestehens und der Abtretbarkeit der Forderung bereits im Festsetzungsverfahren geklärt werden. Nur wenn bereits keine abtretbare Forderung besteht, soll schon keine Änderungsbefugnis nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG bestehen. Anderenfalls könnte der leistende Unternehmer durch eine verzögerte Erfüllung seiner Pflichten aus § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG die Änderung seines Steuerbescheides nach § 27 Abs. 19 Satz 1 AO verhindern. Dies widerspricht dem Willen des Gesetzgebers.
483. Der Höhe nach wäre der Beklagte zur Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2012 in Höhe von 30.902,75 € (19% von 162.646,06 € netto) berechtigt gewesen. Soweit der Beklagte zugunsten der Klägerin bei den Umsätzen von 162.646,06 € offenbar von einem Bruttobetrag ausgegangen ist und hieraus die festgesetzte Umsatzsteuer in Höhe von lediglich 25.968,63 € errechnet hat, ist der Senat an einer weitergehenden Entscheidung durch das im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Verböserungsverbot gehindert.
49Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
50Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Der Senat folgt in seinem Urteil der Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 23.02.2017 (V R 16/16, 24/16, BStBl. II 2017, 760).