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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Streitig ist, ob eine mit Hinweis auf eine Quotenzahlung zu Gunsten der Insolvenzmasse begehrte Vorsteuervergütung voraussetzt, dass für die mit der Quotenzahlung befriedigten, auf Vorbezügen der Insolvenzschuldnerin beruhenden Entgeltforderungen zuvor eine Vorsteuerkürzung zu Lasten der Insolvenzmasse erfolgte.
3Das Amtsgericht (AG) B eröffnete mit Beschluss vom 00.00.2003 das Insolvenzeröffnungsverfahren und mit Beschluss vom 00.00.2004 (00 IN 000/00) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, der Firma O GmbH, und ernannte den Kl. zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Nach durchgeführter Schlussverteilung ordnete das AG B durch Beschluss vom 00.00.2013 wegen der streitgegenständlichen Vorsteuervergütung von 3.929,89 € nach § 203 Abs.1 der Insolvenzordnung (InsO) die Nachtragsverteilung an.
4Weder die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen der Besteuerung nach den allgemeinen Regeln des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliegende Insolvenzschuldnerin noch der Kl. als Insolvenzverwalter über deren Vermögen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gaben für den Veranlagungszeitraum 2003 eine Umsatzsteuer(USt)-Erklärung ab. Auf Grund einer dem Kl. als Insolvenzverwalter erteilten Berechnung vom 14.06.2006 betreffend die USt der Insolvenzschuldnerin für 2003 meldete der Bekl. USt-Forderungen zur Insolvenztabelle an. Die Berechnung des Bekl. umfasste steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze und Vorsteuerbeträge nach den §§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG. In der Berechnung nahm der Bekl. keine Vorsteuerkürzungen der vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Insolvenzschuldnerin erklärten Vorsteuerbeträge vor, soweit diese auf Eingangsrechnungen beruhten, die die Insolvenzschuldnerin bis zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bezahlt hatte. Eine nachfolgende Fahndungsprüfung des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C (strafrechtlicher Ermittlungsbericht vom 26.10.2014, Tz. 7.2.7) gelangte zu dem Ergebnis, dass von der Insolvenzschuldnerin für die USt 2003 als steuerfreie Ausfuhrlieferungen verbuchte Umsätze teilweise als steuerpflichtige Umsätze zu qualifizieren seien. Unter Auswertung des Fp-Berichts meldete der Bekl. auf Grund einer dem Kl. als Insolvenzverwalter erteilten berichtigten Berechnung vom 19.04.2011 betreffend die USt der Insolvenzschuldnerin für 2003 USt-Forderungen zur Insolvenztabelle an. Auch die Berechnung vom 19.04.2011 umfasste steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze sowie Vorsteuerbeträge nach den §§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG. In der Berechnung nahm der Bekl. keine Vorsteuerkürzungen der vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Insolvenzschuldnerin erklärten Vorsteuerbeträge vor, soweit diese auf Eingangsrechnungen beruhten, die die Insolvenzschuldnerin bis zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bezahlt hatte.
5In der mit Schreiben vom 20.08.2013 für das Streitjahr 2013 für die Insolvenzschuldnerin eingereichten USt-Erklärung vom 15.08.2013 erklärte der Kl. u.a. Vorsteuerbeträge von 3.929,89 €, denen in 2013 erfolgte Quotenzahlungen auf zur Insolvenztabelle angemeldete und vom Kl. als Insolvenzverwalter anerkannte Forderungen zu Grunde lagen. Den Forderungen lagen von der Insolvenzschuldnerin vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens empfangene, aber bis zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bezahlte Bezüge zu Grunde. Zur Begründung führte der Kl. aus, die Zahlungen nach Abhaltung des Schlusstermins geleistet zu haben. Im dem Kl. als Insolvenzverwalter unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erteilten Bescheid für die USt 2013 vom 20.09.2013 kürzte der Bekl. die erklärten Vorsteuerbeträge um 3.929,89 € und setzte die USt auf ./. 14.204,57 € fest. Am 31.10.2013 beantragte der Kl. den Erlass eines geänderten USt-Bescheids für 2013, in dem zusätzliche Vorsteuerbeträge von 3.929,89 € zum Abzug zugelassen werden. Den Antrag lehnte der Bekl. mit Bescheid vom 02.12.2013 ab. Zwar ermögliche § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG bei Befriedigung von vor der Insolvenz entstandenen Forderungen eine Vorsteuervergütung zu Gunsten der Insolvenzmasse. Voraussetzung sei aber, dass zuvor zu Lasten der Insolvenzmasse eine Vorsteuerkürzung nach § 17 UStG in gleicher Höhe erfolgt sei. Die Insolvenzschuldnerin bzw. der Kl. als deren Insolvenzverwalter seien verpflichtet gewesen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin in Rechnung gestellte und von ihr als Vorsteuer erklärte USt auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen zu Lasten der Insolvenzmasse zu berichtigen. Sie seien verpflichtet gewesen, die erklärten Vorsteuerbeträge insoweit zu kürzen, als die Insolvenzschuldnerin die für Eingangsbezüge ihr in Rechnung gestellten Forderungen bis zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht befriedigt habe. Spätestens im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seien die an die Insolvenzschuldnerin abgerechneten, von dieser noch nicht beglichenen Forderungen im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 1 UStG uneinbringlich geworden. Weder die Insolvenzschuldnerin noch der Kl. hätten nachgewiesen, die gebotene erste Vorsteuerberichtigung (Vorsteuerkürzung) durchgeführt zu haben, was zu deren Lasten gehe. Gegen den Bescheid legte der Kl. Einspruch ein: Der Insolvenzmasse stehe ein Vorsteuerberichtigungsanspruch, d.h. ein Anspruch auf eine Vorsteuervergütung, aus den nach Insolvenzeröffnung geleisteten Quotenzahlungen unabhängig davon zu, ob zu Lasten der Insolvenzmasse hinsichtlich der nach Insolvenzeröffnung bezahlten Forderungen eine Vorsteuerkürzung auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung erfolgt sei. Auf Grund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin beständen zwei voneinander unabhängige, in ihrem rechtlichen Schicksal nicht miteinander verbundene Unternehmensteile, deren Forderungen und Verbindlichkeiten nicht gegeneinander verrechnet werden dürften.
6Nachdem der Bekl. nach Auffassung des Kl. nicht fristgerecht über den Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 02.12.2013 entschieden hatte, erhob der Kl. am 18.05.2015 eine unter dem Aktenzeichen Finanzgericht (FG) Münster 15 K 1514/15 S geführte sog. Untätigkeitsklage gegen den Bekl. mit dem Antrag, diesen zum Erlass eines geänderten USt-Bescheids für 2003 unter zusätzlichem Ansatz von Vorsteuerbeträgen von 3.929,89 € zu verurteilen.
7Durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 17.06.2015 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Auf Grund der Quotenzahlungen komme eine Vorsteuervergütung nur in Betracht, wenn zuvor eine Vorsteuerkürzung zu Lasten der Insolvenzmasse erfolgt und der dadurch ausgelöste Berichtigungsbetrag an die Finanzbehörde abgeführt worden sei. Weder die Erklärung von Vorsteuerkürzungen seitens der Insolvenzschuldnerin oder des Kl. noch eine auf Grund einer Vorsteuerkürzung erfolgte Abführung des Berichtigungsbetrags an die Finanzbehörde seien feststellbar.
8Gegen den Ablehnungsbescheid vom 02.12.2013 und gegen die EE vom 17.06.2015 erhob der Kl. am 22.06.2015 die unter dem Aktenzeichen FG Münster 15 K 1922/15 U geführte Klage, mit der der Kl. eine geänderte USt-Festsetzung für 2003 gemäß der von ihm für 2003 eingereichten USt-Erklärung begehrt. Beide Verfahren wurden durch Beschluss vom 28.07.2015 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen FG Münster 15 K 1514/15 U verbunden.
9Der Kl. trägt vor: Entgegen der Annahme des Bekl. sei die von ihm gemäß seinen Quotenzahlungen auf die Insolvenzforderungen begehrte Vorsteuervergütung nicht davon abhängig, dass hinsichtlich der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit den Quotenzahlungen bedienten Forderungen auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Vorsteuerkürzung zu Lasten der Insolvenzmasse erklärt und dass der auf Grund der erklärten Vorsteuerkürzung entstandene Berichtigungsbetrag an die Finanzverwaltung abgeführt worden sei. Der Bekl. verstoße gegen das insolvenzrechtliche Verrechnungsverbot. Ein Unternehmen bestehe nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen aus mehreren Unternehmensteilen, dem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil, der Insolvenzmasse und dem insolvenzfreien Vermögen, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden könnten.
10Der Kl. beantragt,
11unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 02.12.2013 und der EE vom
1217.06.2015 und unter Änderung des USt-Bescheids vom 20.09.2013 die USt
13für 2013 um 3.929,89 € zu ermäßigen und auf ./. 18.134,46 € festzusetzen.
14Der Bekl. beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung verweist er auf seine Verwaltungsentscheidungen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage, über die der Senat mit Zustimmung des Kl. im Schriftsatz vom 20.12.2017 und des Bekl. im Schriftsatz vom 21.12.2017 ohne mündliche Verhandlung entscheidet, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
20Der Kl. ist zur Zeit prozessführungsbefugt und war befugt, das hiesige Klageverfahren und das damit durch Beschluss vom 28.07.2015 verbundene Klageverfahren 15 K 1514/15 S einzuleiten und nach der Klageerhebung weiterzuführen, da das AG B durch Beschluss vom 00.00.2013 (00 IN 000/00) hinsichtlich der streitigen Vorsteuervergütung von 3.929,89 € die Nachtragsverwaltung angeordnet hatte.
21Zwar entfällt mit Beendigung des Insolvenzverfahrens neben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auch die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Insolvenzschuldners, die der Insolvenzschuldner nach § 80 Abs. 1 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verloren hatte. Die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters entfällt mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens selbst dann, wenn während des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter Adressat des Steuerbescheids war (vgl. BFH, Urteile vom 20. 9. 2016 VII R 10/15, BFH/NV 2017, 442; vom 6. 7. 2011 II R 34/10, BFH/NV 2012, 10). Wird das Insolvenzverfahren nach der Schlussverteilung nach § 200 Abs. 1 InsO aufgehoben, jedoch eine Nachtragsverteilung nach § 203 Abs. 1 und Abs. 2 InsO angeordnet, bleibt der Insolvenzverwalter ausnahmsweise befugt, bezüglich der von der Nachtragsverwaltung umfassten Masseaktiva neue Prozesse einzuleiten und anhängige Prozesse fortzuführen, mit denen der Nachtragsverteilung vorbehaltene Masseaktiva realisiert werden sollen. Denn mit der Anordnung der Nachtragsverteilung tritt eine erneute Insolvenzbeschlagnahmung ein (vgl. BFH, Urteile vom 20. 9. 2016 VII R 10/15, BFH/NV 2017, 442; vom 6. 7. 2011 II R 34/10, BFH/NV 2012, 10). Mithin ist der Kl. hinsichtlich des Ablehnungsbescheids vom 02.12.2013 und der EE vom 17.06.2015 und des an ihn als Insolvenzverwalter adressierten Bescheids vom 20.09.2013 für die USt 2013 weiterhin klagebefugt, weil die streitige Vorsteuervergütung Gegenstand der mit dem Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens verbundenen Anordnung einer Nachtragsverteilung ist.
22Der Ablehnungsbescheid vom 02.12.2013 und die EE vom 17.06.2015 sowie der USt-Bescheid vom 20.09.2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kl. nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Entgegen der Annahme des Kl. sind die durch seine Quotenzahlungen auf von ihm anerkannte Insolvenzforderungen in Höhe von 3.929,89 € ausgelösten Vorsteuerbeträge nicht als Steuervergütung abzugsfähig.
23Die in § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 UStG für eine (zweite) Vorsteuerberichtigung, d.h. für eine Vorsteuervergütung normierten Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
24Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 29. 3. 2017 XI R 5/16, BFHE 257, 456, BStBl II 2017, 738; vom 24. 9. 2014 V R 48/13, BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506) entsteht nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 UStG die (erste) Vorsteuerberichtigungspflicht, d.h. die Pflicht zur Vorsteuerkürzung durch den Unternehmer aus vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der späteren Insolvenzschuldnerin empfangenen, aber nicht (mehr) bezahlten Leistungsbezügen bereits mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens. In diesem Zeitpunkt wird die durch Lieferungen oder sonstige Leistungen des Lieferanten an die Insolvenzschuldnerin ausgelöste Entgeltforderung uneinbringlich im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 UStG (gleicher Ansicht Abschnitt 16 Satz 1 des Umsatzsteueranwendungserlasses – UStAE - in der Fassung vom 03.07.2017, juris; vgl. für den umgekehrten Fall der Uneinbringlichkeit des Entgelts für von der Insolvenzschuldnerin erbrachte Lieferungen oder sonstige Leistungen auf Grund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Lieferanten BFH, Beschluss vom 6. 9. 2016 V B 52/16, BFH/NV 2017, 67). Eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Grund der Quotenzahlung des Insolvenzverwalters auf die Entgeltsforderungen, denen von der späteren Insolvenzschuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinnahmte Leistungsbezüge zu Grunde liegen, ordnet in § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 UStG bei Erfüllung der in beiden Vorschriften dargelegten Voraussetzungen eine erneute (zweite) Berichtigung des Vorsteuerabzugs an, d.h. insoweit entsteht ein Anspruch auf eine Vorsteuervergütung.
25Abschnitt 17.1 Abs. 11 UStAE in der Fassung vom 03.07.2017 (juris) spricht die für den Streitfall entscheidungserhebliche Frage nicht an, ob die zweite Vorsteuerberichtigung, d.h. die Vorsteuervergütung, davon abhängt, dass in einer ersten Vorsteuerberichtigung eine Vorsteuerkürzung zu Lasten des Insolvenzmasse in der Höhe erfolgte, in der die den erklärten Vorsteuerbeträgen zu Grunde liegenden Entgeltforderungen gegen den Insolvenzschuldner bis zum Eingang des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht nicht bezahlt worden waren. In seinem vom UStAE in Bezug genommenen Urteil vom 29. 3. 2017 XI R 5/16 (BFHE 257, 456, BStBl II 2017, 738) hatte der BFH diese Frage nicht entscheiden, weil im vom BFH entschiedenen Verfahren im Gegensatz zum hiesigen Streitfall der durch die erste Vorsteuerberichtigung, d.h. durch die Vorsteuerkürzung ausgelöste Berichtigungsbetrag an die Finanzbehörde abgeführt worden war. In seinen Urteilen vom 24. 9. 2014 V R 48/13 (BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506) und vom 28. 6. 2000 V R 14/08 (BFHE 227, 513, BStBl II 2011, 988) hat der BFH die durch die zweite Vorsteuerkorrektur ausgelöste Vorsteuervergütung allerdings nicht ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass zuvor eine Vorsteuerkürzung erklärt und der durch die erklärte Vorsteuerkürzung ausgelöste Berichtigungsbetrag an die Finanzverwaltung abgeführt worden war.
26Möglicherweise im Gegensatz zur Rechtsprechung des BFH in seinen Urteilen vom 24. 9. 2014 V R 48/13 (BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506) und vom 28. 6. 2000 V R 14/08 (BFHE 227, 513, BStBl II 2011, 988) – vertritt der Senat jedenfalls für den Streitfall die Auffassung, dass die im Rahmen des Insolvenzverfahrens erklärte Steuervergütung u.a. davon abhängt, dass hinsichtlich der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärten Vorsteuerbeträge in Höhe des auf den Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgestellten Forderungsausfalls eine Vorsteuerkürzung angemeldet und der auf Grund der angemeldeten Vorsteuerkürzung entstandene Berichtigungsbetrag eingezogen wurde. Im Ergebnis tritt der Senat der von Stadie (in Rau/Dürr-wächter, UStG, § 18 Anhang 2 Tz. 167) und Schwarz (in Plückebaum/Widmann, UStG § 17 Rdn. 180) mit Hinweis auf die Formulierung in § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG „Vorsteuerabzug“ vertretenen Auffassung bei, dass die eine Steuervergütung auslösende Vorsteuerberichtigung nach Maßgabe der nach Insolvenzeröffnung einem Insolvenzgläubiger zugewandten Quotenzahlung nur dann in Betracht kommt, wenn auf Grund der Uneinbringlichtkeit des von der Insolvenzschuldnerin geschuldeten Entgelts zuvor zu Lasten der Insolvenzmasse auf Grund der den Unternehmer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG treffenden Pflicht die Vorsteuerkürzung angemeldet und der dadurch ausgelöste Berichtigungsbetrag an die Finanzverwaltung ausgekehrt worden waren. Der im Gesetz verwendete Begriff „Vorsteuerabzug“ umschreibt das, was § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG deklaratorisch zum Ausdruck bringt und der gesetzlichen Leitentscheidung über die Funktion des Vorsteuerabzugs entspricht: Eine Entlastung von USt ist nur insoweit geboten, als der Unternehmer zuvor mit dieser belastet wurde. Der Regelung über den Umfang der Vorsteuerabzugsmöglichkeit in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG liegt das „Sollprinzip“ zu Grunde. Als zu dieser gesetzlichen Leitentscheidung gegenläufiges Prinzip bestimmt § 17 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG eine Rückgängigmachung des gewährten Vorsteuerabzugs, d.h. eine nachträgliche Vorsteuerkürzung in dem Umfang, in dem das dem erklärten Vorsteuerabzug zu Grunde liegende Entgelt, die Gegenleistung, nicht erbracht wurde. Die Vergütung der vom Unternehmer für die von ihm erbrachten Vorbezüge an seinen Lieferanten gezahlten Vorsteuerbeträge bezweckt nur die Entlastung von einer Belastung, nicht aber die Bereicherung des Unternehmers, dem die USt für Vorbezüge in Rechnung gestellt wurde. Zweck des § 17 Abs. 1 UStG und des § 17 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 UStG ist es, die Besteuerung, aber auch den Vorsteuerabzug an den tatsächlichen Aufwand des Leistungsempfängers anzupassen (vgl. dazu BFH, Urteil vom 24. 10. 2013 V R 31/12, BFHE 243, 451, BStBl II 2015, 674). Angesichts dieser gesetzlichen Leitentscheidung darf zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung des Unternehmers eine Berichtigung der Vorsteuer zu seinen Gunsten nur insoweit erfolgen, als die abgezogene Vorsteuer auf Grund der Uneinbringlichkeit der ihr zu Grunde liegenden Forderung berichtigt und an die Finanzbehörde ausgekehrt worden ist. Anderenfalls träte eine nach der gesetzlichen Leitentscheidung nicht gerechtfertigte Privilegierung der Insolvenzmasse ein. Im Streitfall konnte der Senat keine dahingehenden Feststellungen treffen, dass in den USt-Festsetzungen für 2003 eine Berichtigung, d.h. eine Rückgängigmachung der gewährten Vorsteuer durch eine Vorsteuerkürzung in dem Umfang erfolgt war, in dem die den zum Abzug zugelassenen Vorsteuerbeträge zu Grunde liegenden Gegenleistungen, d.h. die vom Insolvenzschuldner geschuldeten, von ihm aber nicht bezahlten Entgelte infolge des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögens des Unternehmers uneinbringlich geworden waren. Überdies konnte der Senat nicht feststellen, dass die Insolvenzschuldnerin bzw. der Kl. als Insolvenzverwalter über deren Vermögen in Höhe der im Zeitpunkt des Antrags auf Insolvenzeröffnung uneinbringlich gewordenen Entgelte angefallene erstattungspflichtige Vorsteuerbeträge an die Finanzbehörden ausgekehrt haben.
27Die Verknüpfung der zweiten Vorsteuerberichtigung, d.h. der Vorsteuervergütung, mit einer zuvor erfolgten ersten Vorsteuerberichtigung, d.h. einer Vorsteuerkürzung, wird jedenfalls im Streitfall den zu beachtenden insolvenzrechtlichen Besonderheiten gerecht. Der Bekl. weist zu Recht darauf hin, dass einerseits nach der Rechtsprechung des BFH (zuletzt Urteil vom 1. 3. 2016 XI R 21/14, BFHE 253, 455, BStBl II 2016, 756; ferner FG Münster, Urteil vom 26. 1. 2017 5 K 3730/14 U, EFG 2017, 614) der Grundsatz der Unternehmenseinheit nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers fortbesteht, so dass im Rahmen der begehrten zweiten Vorsteuerberichtigung zu Gunsten der Insolvenzmasse in Form der Vorsteuervergütung das Vorverhalten der Insolvenzschuldnerin zu berücksichtigen ist. Dass aber weder die Insolvenzschuldnerin noch der Kl. in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter ihrer Pflicht zur Kürzung der mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich gewordenen Entgelte entfallenden Vorsteuerbeträge zu Lasten der Insolvenzmasse nachgekommen sind und auch keinen Berichtigungsbetrag an die Finanzbehörde abgeführt haben, war nach dem auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG fortbestehenden Grundsatz der Unternehmenseinheit zu deren Lasten zu berücksichtigen.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
29Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.