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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2000 noch ändern konnte.
3Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Kläger erzielten im Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger erzielte darüber hinaus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Kapitalvermögen, die Klägerin sonstige Einkünfte aus einer Rente.
4Darüber hinaus war der Kläger zu 50% an der Firma H. GmbH (im folgenden H. GmbH) mit Sitz in T-Stadt (Sachsen-Anhalt) beteiligt. Weiterer Gesellschafter mit ebenfalls 50% war Herr L. H.. Der Kläger war zugleich Geschäftsführer der H. GmbH.
5Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 vom 15.04.2002 veranlagte der Beklagte die Kläger erstmalig.
6Am 17.12.2007 erließ der Beklagte einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000, in dem er die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen um x DM erhöhte. Anlass für die Änderung war eine Kontrollmitteilung des Finanzamts T-Stadt vom 04.09.2007, wonach der Kläger von der H. GmbH eine im Jahr 2000 zugeflossene verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von x DM erhalten habe. Diese verdeckte Gewinnausschüttung setzte sich nach den Feststellungen der Betriebsprüfung des Finanzamts T-Stadt zum einen aus betrieblichen Zahlungen in Höhe von y DM, die per Scheck auf einem privaten Konto des Klägers eingegangen waren (Tz. 18 des Betriebsprüfungsberichts), zusammen. Ferner bestand diese aus von der H. GmbH getragenen Aufwendungen für der beteiligungsidentischen H. GbR gehörende Grundstücke (Tz. 32, 33 des Betriebsprüfungsberichtes) in Höhe von z DM (50% von zz DM) und w DM (50% von ww DM). Aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung hatte das Finanzamt T-Stadt den unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheid 2000 vom 11.09.2002 mit Änderungsbescheid vom 19.09.2007 unter anderem insoweit geändert, als dass nunmehr verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von insgesamt xx DM angesetzt wurden.
7Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid legten die Kläger am 04.01.2008 form- und fristgerecht Einspruch ein. Sie begründeten diesen damit, dass beim Finanzamt T-Stadt ein Rechtsbehelfsverfahren wegen der festgestellten verdeckten Gewinnausschüttungen geführt werde.
8Mit Einspruchsentscheidung vom 10.03.2014 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Das Finanzamt T-Stadt habe den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 10.12.2012 zurückgewiesen, eine Klage hiergegen sei nicht fristgerecht eingereicht worden. Nach Überprüfung seien keine Rechtsfehler erkennbar.
9Mit der am 11.04.2014 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
10Nachdem der Berichterstatter den Klägern mit Schreiben vom 21.07.2014 eine Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und nach § 79b Abs. 1 FGO gesetzt hatte, trugen die Kläger innerhalb der Ausschlussfrist vor, dass der Körperschaftsteuerbescheid keinen Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid bilde. Sofern das Gericht die Bindungswirkung verneinen würde, würden im Verfahren über die Einkommensteuer weitere Ausführungen gegen die Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen erfolgen.
11Der Beklagte stimmte der Rechtsauffassung der Kläger, dass ein Körperschaftsteuerbescheid nicht Grundlagenbescheid des Einkommensteuerbescheides sei, zu. Allerdings sei der Bescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO änderbar gewesen.
12Der Berichterstatter setzte dem Klägervertreter, nachdem dieser auch innerhalb einer verlängerten Frist zur Stellungnahme nicht zum Vortrag des Beklagten Stellung genommen hatte, erneut eine Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 1 FGO zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren die Kläger sich beschwert fühlen. Innerhalb der – nochmals durch den Berichterstatter verlängerten - Ausschlussfrist trugen die Kläger vor, dass sie sich dadurch beschwert fühlten, dass der Beklagte im Einkommensteuerbescheid mit § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine unzutreffende Berichtigungsvorschrift angewendet habe. Der Beklagte habe diesen Umstand im Schreiben vom 22.06.2016 sogar eingeräumt. Nach Auffassung der Kläger könne die Tatsache, dass eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO oder nach § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG möglich gewesen wäre, diesen Mangel nicht heilen.
13Die Kläger beantragen,
14den Einkommensteueränderungsbescheid 2000 vom 17.12.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.03.2014 aufzuheben.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Er ist der Auffassung, dass auch im gerichtlichen Verfahren die vom Beklagten herangezogene Änderungsnorm vom Gericht ausgetauscht werden könne, soweit der festgestellte Sachverhalt den Tatbestand einer anderen Norm erfülle. Im Streitfall seien die Voraussetzungen des § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG erfüllt.
18In der Sache hat am 17.05.2017 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden, auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die Klage hat keinen Erfolg.
21Der Einkommensteueränderungsbescheid 2000 sowie die Einspruchsentscheidung vom 10.03.2014 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
22I. Zwar war der Beklagte nicht berechtigt, den Einkommensteuerbescheid 2000 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern, weil der Körperschaftsteuerbescheid keinen Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid darstellt (BFH, Urt. vom 18.09.2012 – VIII R 9/09, BStBl II 2013, 149).
23II. Auch war eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2000 nicht mehr nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO möglich.
24Auch im gerichtlichen Verfahren kann zwar die Rechtsgrundlage ausgetauscht werden, soweit der festgestellte Sachverhalt den Tatbestand einer anderen Norm erfüllt und diese das materielle Ergebnis trägt. Verlangt die neu herangezogene Rechtsgrundlage dem Finanzamt auf der Rechtsfolgenseite eine Ermessensentscheidung ab, kann die Rechtsgrundlage indes nur ausgetauscht werden, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt (BFH, Beschluss vom 11.09.2003 – IV B 35/02, BFH/NV 2004, 343).
25Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen. Nachträglich bekannt geworden ist eine Tatsache, wenn sie das Finanzamt beim Erlass des zu ändernden Steuerbescheids noch nicht kannte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 VI R 61/09, BFHE 232, 5, BStBl II 2011, 479).
26Im Streitfall stellt der Umstand, dass der Kläger von der Firma H. GmbH im Jahr 2000 eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von x DM erhalten hat, eine zu einer höheren Steuer führende Tatsache dar. Diese Tatsache ist dem Beklagten auch erst im Jahr 2007 und damit deutlich nach Erlass des Steuerbescheides vom 15.04.2002 bekannt geworden.
27Aufgrund der Tatsache, dass § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO keine Ermessensvorschrift darstellt, ist es auch unerheblich, dass der Beklagte seine Entscheidung auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt hat.
28Im Streitfall ist jedoch Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Steuererklärung der Kläger ist im Jahr 2002 beim Beklagten eingegangen, so dass die Festsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des 31.12.2002 begonnen hat. Mangels bestehender Anhaltspunkte für eine verlängerte Festsetzungsfrist, ist die regelmäßige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) von vier Jahren am 31.12.2006 abgelaufen.
29Anhaltspunkte für eine Ablaufhemmung sind nicht erkennbar und vom Beklagten auch nicht vorgetragen worden.
30III. Allerdings war der Beklagte zur Änderung des Einkommensteuerbescheides 2000 gem. § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG befugt.
31Soweit gegenüber einer Körperschaft ein Steuerbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer verdeckten Gewinnausschüttung erlassen, aufgehoben oder geändert wird, kann gem. § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG ein Steuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid gegenüber dem Gesellschafter, dem die verdeckte Gewinnausschüttung zuzurechnen ist, oder einer diesem nahe stehenden Person erlassen, aufgehoben oder geändert werden. Die Festsetzungsfrist endet gem. § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides der Körperschaft.
32Das Finanzamt T-Stadt hatte den Körperschaftsteuerbescheid 2000 der H. GmbH aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung am 19.09.2007 nach § 164 Abs. 2 AO dahingehend geändert, dass nunmehr verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von xx DM angesetzt wurden. Hiervon entfiel nach den Feststellungen im BP-Bericht ein Betrag in Höhe von x DM (y DM + z DM + w DM) auf den Kläger.
33Es ist auch unerheblich, dass der Beklagte den innerhalb der Frist des § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG erlassenen streitigen Einkommensteueränderungsbescheid vom 17.12.2007 nicht nach § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG geändert hat, sondern die Änderung auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt hat.
34Wie bereits oben unter II. dargelegt, kann im gerichtlichen Verfahren die Rechtsgrundlage ausgetauscht werden, soweit der festgestellte Sachverhalt den Tatbestand einer anderen Norm erfüllt und diese das materielle Ergebnis trägt. Im Falle einer Ermessensentscheidung gilt dies jedoch nur, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt (BFH, Beschluss vom 11.09.2003 – IV B 35/02, BFH/NV 2004, 343).
35Der Senat folgt der ganz herrschenden Rechtsauffassung, dass die Vorschrift des § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG aufgrund des Wortlauts „kann“ zwar eine Ermessensvorschrift darstellt, das Ermessen der Behörde aber auf Null reduziert ist, wenn die Steuerfestsetzung für den Gesellschafter ohne die Änderung sachlich unrichtig wäre und daher jede andere Entscheidung als die Änderung der unrichtigen Steuerfestsetzung als ermessenswidrig beurteilt werden müsste (BFH, Beschluss vom 20.03.2009 – VIII B 170/08, BFHE 224, 539; Intemann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 32a Rdn. 14). Dies gilt sowohl bei einer Korrektur zugunsten als auch bei einer Korrektur zu Lasten des Steuerpflichtigen (BFH, Beschluss vom 29.08.2012 – VIII B 45/12, BStBl II 2012, 839; Rengers, in: Blümich, KStG, Rdn. 32a Rdn. 34).
36Dementsprechend bedarf es auch keiner Begründung der Ermessensausübung, so dass eine Bescheidänderung auch dann unter Hinweis auf § 32a KStG bestätigt werden kann, wenn das Finanzamt zuvor unzutreffend eine andere Änderungsvorschrift herangezogen hatte (FG Baden-Württemberg, Urt. vom 08.02.2012 – 4 K 4769/10, juris; Rengers, in: Blümich, KStG, Rdn. 32a Rdn. 34).
37Im Übrigen machen die Kläger keine Einwendungen gegen das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung geltend. Nach Aktenlage bestehen aus Sicht des Senates auch keine Zweifel daran, dass das Finanzamt T-Stadt die verdeckten Gewinnausschüttungen dem Grunde und der Höhe nach zu Recht festgesetzt hat.
38Im Streitfall stellt sich auch nicht die Frage, ob eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung vorliegt (vgl. hierzu Vorlagebeschluss des FG Köln an das BVerfG vom 20.04.2016 (4 K 2717/09, EFG 2016, 975). Denn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 32a KStG am 19.12.2006 war die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2000 noch nicht abgelaufen. Die Festsetzungsverjährung ist nach den unter Ziff. II dargelegten Erwägungen erst am 31.12.2006 eingetreten. Die Regelung des § 32a KStG führt im Streitfall daher nur zu einer verfassungskonformen unechten Rückwirkung (BFH, Urt. vom 16.12.2014 – VIII R 30/12, BStBl II 2015, 858).
39Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.