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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob der Beklagte den Zinslauf festgesetzter Aussetzungszinsen richtig berechnet hat, und ob die Aussetzungszinsen aus Gründen der Billigkeit zu erlassen sind.
3Die Klägerin betreibt einen Großhandel mit […]. Sie tätigte in den Jahren 2009 bis 2011 zahlreiche grenzüberschreitende Umsätze.
4Anfang 2011 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Umsatzsteuernachschau durch. Im Rahmen der Umsatzsteuernachschau wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass sie sich in den Niederlanden umsatzsteuerlich registrieren lassen müsse. Die von der Klägerin bislang in Deutschland gemeldeten innergemeinschaftlichen Erwerbe und steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen würden überwiegend in den Niederlanden enden bzw. beginnen. Diese innergemeinschaftlichen Erwerbe und Lieferungen seien somit in den Niederlanden anzumelden und zu versteuern. Der Beklagte erließ aufgrund der Umsatzsteuernachschau keine Änderungsbescheide, forderte die Klägerin aber auf, die innergemeinschaftlichen Umsätze korrekt zu erklären.
5Beginnend am 4.1.2012 prüfte der Beklagte die Klägerin zunächst erneut im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau, die am 6.1.2012 in eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Besteuerungszeiträume 2009, 2010 und Januar bis November 2011 übergeleitet wurde. Die Schlussbesprechung fand am 29.2.2012 statt. Der Beklagte stellte fest, dass die Klägerin weiterhin über keine niederländische Umsatzsteueridentifikationsnummer verfüge und die Rechnungserteilung und Meldung der Umsätze fortgesetzt unzutreffend erfolgt sei. Diverse innergemeinschaftliche Erwerbe seien unter Verwendung einer deutschen Umsatzsteueridentifikationsnummer abgerechnet und gemeldet worden, obwohl diese jeweils im Bestimmungsland (in der Regel in den Niederlanden beim Betriebssitz der Schwestergesellschaft) gemäß § 3d Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu versteuern seien. Die Klägerin hätte unter der Umsatzsteueridentifikationsnummer des Bestimmungslandes auftreten und die innergemeinschaftlichen Erwerbe dort auch umsatzsteuerlich melden müssen. Die Klägerin habe aufgrund dieses Sachverhaltes gemäß § 3d Satz 2 UStG im Inland umsatzsteuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe ausgeführt, bis nachgewiesen sei, dass der Erwerb durch den in § 3d Satz 1 UStG bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden sei. Unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteile vom 1.9.2010 V R 39/08, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 231, 308, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2011, 658 und vom 8.9.2010 XI R 40/08, BFHE 231, 343, BStBl. II 2011, 661) sei der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG für diese innergemeinschaftlichen Erwerbe zu versagen.
6Der Beklagte änderte, entsprechend den Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung, mit Bescheiden vom 16.4.2012 und 19.4.2012 die Umsatzsteuerfestsetzungen der Klägerin und setzte die Umsatzsteuer 2009 um xxx € auf xxx €, die Umsatzsteuer für 2010 um xxx € auf xxx € und die Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat November 2011 um xxx € auf xxx € höher fest. Hiergegen legte die Klägerin Einsprüche ein. Sie beantragte außerdem die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide in vollem Umfang, die der Beklagte zunächst mit Schreiben vom 29.5.2012 ablehnte. Mit Schriftsatz vom 13.7.2012 beantragte die Klägerin erneut die Aussetzung der Vollziehung. Nach gemeinsamer Erörterung mit dem Beklagten am 17.7.2012 setzte dieser mit Verfügung vom 19.7.2012 die Umsatzsteuer 2009 i. H. von xxx €, die Zinsen zur Umsatzsteuer 2009 i. H. von xxx €, die Umsatzsteuer 2010 i. H. von xxx €, jeweils fällig am 21.5.2012, und die Umsatzsteuer 2011 i. H. von xxx €, fällig am 30.4.2012, von der Vollziehung ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Einsprüche aus. Die Verfügung enthält den Hinweis, dass die Beträge, für die die Aussetzung der Vollziehung gewährt werde, zu verzinsen seien, soweit der Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren endgültig keinen Erfolg habe.
7Mit Bescheid vom 28.1.2013 wurde die Umsatzsteuer für 2011 auf xxx € festgesetzt. Ausweislich des Bescheids bleibe die Aussetzung der Vollziehung bestehen. Der Beklagte setzte außerdem mit Bescheid vom 25.11.2013 die Umsatzsteuer für 2010 auf xxx € und mit Bescheid vom 4.12.2013 die Umsatzsteuer für 2011 auf xxx € fest. Die Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 5.12.2013, soweit er ihnen nicht abgeholfen hatte, als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung wurde durch die Klägerin nicht durch Klage angefochten. Der Beklagte bestimmte in der Einspruchsentscheidung, dass die Aussetzung der Vollziehung am 9.1.2014 ende.
8Mit Bescheid vom 30.1.2014 setzte der Beklagte Aussetzungszinsen i. H. von xxx € für die Aussetzung der Umsatzsteuer 2009, xxx € für die Umsatzsteuer 2010 und xxx € für die Umsatzsteuer 2011 und damit insgesamt xxx € fest.
9Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass das Ende des Zinslaufs unzutreffend bestimmt worden sei. Nach ihrer, der Klägerin, Auffassung ende der Zinslauf bereits mit Einreichung der korrigierten Umsatzsteuervoranmeldung für das dritte Quartal 2013 am 24.10.2013. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits eine Aufrechnungslage entstanden, unabhängig davon, ob das in der Voranmeldung angemeldete Guthaben die Zustimmung des Beklagten gefunden habe oder nicht. Daher sei der Zinszeitraum auf 15 Monate zu verkürzen. Die Aussetzungszinsen betrügen danach nur noch xxx €. Darüber hinaus beantragte die Klägerin, auf die Erhebung der festgesetzten Aussetzungszinsen aus Billigkeitsgründen insgesamt zu verzichten. Bis heute sei nicht eindeutig geklärt, ob die Umsatzsteueränderungen aus Vertrauensschutzgründen nicht hätten unterbleiben müssen (§ 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung – AO –). Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG sei zum Nachteil des Steuerpflichtigen entgegen dem eindeutigen Wortlaut richtlinienkonform ausgelegt worden. Die Finanzverwaltung habe mit dem BMF-Schreiben vom 7.7.2011 (BStBl. I 2011, 739) diese Rechtsprechungsänderung zu § 3d Satz 2 UStG ohne Übergangsregelung übernommen. Vor diesem Hintergrund liege aus ihrer, der Klägerin, Sicht eine sachliche Unbilligkeit vor. Die Aussetzungszinsen seien daher zu erlassen.
10Mit Schreiben vom 10.3.2014 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass der Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen einen materiellen Fehler zu Gunsten der Klägerin enthalte, den er, der Beklagte, beabsichtige zu ändern. Auf die Möglichkeit der Verböserung weise er, der Beklagte, ausdrücklich hin. Die Verböserung könne nur im Wege der Einspruchsrücknahme verhindert werden.
11Die Klägerin führte dagegen aus, dass der zu verzinsende Betrag bei der Umsatzsteuer 2009 ab dem 2.12.2013 um xxx € zu vermindern sei. Die Ermittlung der einzelnen Teilbeträge für die Jahre 2009 bis 2011 sei außerdem mathematisch nicht korrekt. Im Übrigen bitte sie, die Klägerin, über die Billigkeitsmaßnahme zu befinden. Fest stehe, dass sämtliche Sachverhalte, die durch die Umsatzsteuersonderprüfung aufgegriffen worden seien, berichtigungsfähig seien. Diese Berichtigungen seien zu einem erheblichen Teil bereits durchgeführt worden. Die noch nicht erfolgten Berichtigungen, dies betreffe die erforderlichen Nachmeldungen in Belgien, seien bereits initiiert. Durch die zögerliche Bearbeitung durch die belgischen Finanzbehörden habe sie, die Klägerin, die Unterlagen noch nicht einreichen können. Die Rechtsprechung sehe zurzeit hinsichtlich der durchzuführenden Berichtigung lediglich eine Korrektur gemäß § 17 UStG vor. Die Korrektur werde nach dieser Bestimmung erst dann wirksam, wenn die entsprechende Berichtigungshandlung durchgeführt worden sei. Sie entfalte nach derzeitiger Rechtslage keine Rückwirkung im Sinne von § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Gleichwohl sei durch den verwirklichten Sachverhalt quasi eine Verrechnungssituation eingetreten. Hätte die Klägerin die streitigen Beträge seinerzeit gezahlt, hätten ihr diese nun erstattet werden müssen. Aufgrund dieser Verrechnungssituation sei ein Zinsverzicht auszusprechen.
12Mit Bescheid vom 17.4.2014 änderte der Beklagte die festgesetzten Aussetzungszinsen. Eine Überprüfung der Angaben der Klägerin habe ergeben, dass die vorgetragene Erstattung i. H. von xxx € zum 24.10.2013 mit dem Rückstand der Umsatzsteuer 2010 verrechnet worden sei. Zudem sei am 4.10.2013 eine weitere Erstattung i. H. von xxx € und zum 2.1.2014 eine Erstattung i. H. von xxx € mit der Umsatzsteuer 2010 verrechnet worden. Verrechnungen mit der Umsatzsteuer 2009 und 2011 hätten hingegen nicht stattgefunden. Der Beklagte berechnete die Zinsen sodann wie folgt:
13Berechnung der festsetzten Aussetzungszinsen |
||||||
Steuerart und Steuerabschnitt |
Zu verzinsender Betrag in € (auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag abgerundet) |
Beginn des Zinslaufs |
Ende des Zinslaufs |
Zinszeitraum in vollen Monaten |
Zinssatz (0,5 v. H. für jeden Monat) |
Festgesetzte Zinsen (ohne Beträge unter 10 €) |
Umsatzsteuer 2009 |
xxx |
21.5.2012 |
9.1.2014 |
19 |
9,5 % |
xxx € |
Umsatzsteuer 2010 (Verrechnung 4.10.) |
xxx |
21.5.2012 |
4.10.2013 |
16 |
8 % |
xxx € |
Umsatzsteuer 2010 (Verrechnung 24.10.) |
xxx |
21.5.2012 |
24.10.2013 |
17 |
8,5 % |
xxx € |
Umsatzsteuer 2010 (Verrechnung 2.1.) |
xxx |
21.5.2012 |
2.1.2014 |
19 |
9,5 % |
xxx € |
Umsatzsteuer 2010 (Rest) |
xxx |
21.5.2012 |
9.1.2014 |
19 |
9,5 % |
xxx € |
Umsatzsteuer 2011 |
xxx |
30.4.2012 |
9.1.2014 |
20 |
10 % |
xxx € |
Gesamtbetrag |
xxx € |
Außerdem lehnte der Beklagte mit dem Bescheid vom 17.4.2014 den Antrag der Klägerin auf Erlass der Aussetzungszinsen ab. Es würden weder sachliche noch persönliche Billigkeitsgründe vorliegen. Da es zu einer Korrektur von nach § 3d Satz 2 UStG geschuldeter Umsatzsteuer gemäß § 17 UStG erst im Voranmeldungszeitraum der Berichtigung komme, die Berichtigung also nicht zurückwirke, sei die Festsetzung der Zinsen nicht unbillig.
15Mit Schreiben vom 5.5.2014 wiederholte die Klägerin im Wesentlichen die Ausführungen ihres Schriftsatzes vom 26.3.2014, dass aufgrund einer "Quasi-Verrechnungssituation" ein Billigkeitserlass auszusprechen sei.
16Mit Einspruchsentscheidungen vom 5.6.2014 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen die Ausführungen zur Zinsberechnung entsprechend dem Bescheid vom 17.4.2014. Hinsichtlich der Versagung des Billigkeitserlasses führte er aus, dass eine zu einem Erlass führende Verrechnungssituation im Streitfall nicht vorliege. Die Aussetzung der Vollziehung und die fällig werdenden Umsatzsteuererstattungen würden sich zeitlich nicht überschneiden. Außerdem sei es nicht Aufgabe des Billigkeitsverfahrens den Steuerfall materiell-rechtlich noch einmal zu überprüfen. Persönliche Billigkeitsgründe seien von der Klägerin nicht vorgetragen worden.
17Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen 2009 bis 2011 Rechtbehelfsverfahren geführt worden seien, da nicht festgestanden habe, ob die vom Beklagten als steuerpflichtig behandelten Umsätze nicht als innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte gemäß § 25b UStG steuerfrei gewesen seien. Es habe sich allerdings herausgestellt, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Sie, die Klägerin, habe daher in den Niederlanden und in Belgien die Umsätze als innergemeinschaftliche Erwerbe mit formlosen Schreiben vom 9.9.2013 nachgemeldet. Das Berichtigungsvolumen sei sodann in der Umsatzsteuervoranmeldung für das dritte Quartal 2013 erklärt worden. Mit Bescheid vom 2.12.2013 habe der Beklagte aber lediglich einen geringfügigen Teil des Berichtigungsvolumens anerkannt. Im weiteren Verlauf habe sich herausgestellt, dass sie, die Klägerin, die Nachmeldungen auf amtlichen niederländischen Steuerformularen hätte erklären müssen, die sie letztlich im Februar 2014 auch verwendet habe. Der Beklagte habe dann die Berichtigungen im Voranmeldungszeitraum Februar 2014 umgesetzt. Die erforderlichen Nachmeldungen seien nach ihrer, der Klägerin, Auffassung bereits im September 2013 durch die Mitteilung an die belgischen und niederländischen Finanzbehörden erfolgt. Durch die Meldung sei die im BMF-Schreiben vom 7.7.2011 (BStBl. I 2011, 739) beschriebene erforderliche Glaubhaftmachung der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Ausland erfolgt. Der Zinszeitraum müsse daher auch zum 9.9.2013 enden. Außerdem seien die Aussetzungszinsen aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Unter Hinweis auf finanzgerichtliche Rechtsprechung (Finanzgericht (FG) Hamburg, Urteil vom 22.5.1997 II 22/95 Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1997, 1355; FG Münster, Urteil vom 23.10.2008 3 K 2274/06 AO, EFG 2009, 635) seien bei Eintritt einer baldigen Aufrechnungslage die Aussetzungszinsen zu erlassen, wenn sich durch die Aufrechnung letztlich keine zu zahlende Steuer ergebe. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Durch die Nachmeldungen der Erwerbe in Belgien und den Niederlanden erhalte die Klägerin in Deutschland eine Gutschrift, mit dem Ergebnis, dass sie, die Klägerin, letztlich keine Steuer zahlen müsse. Die Aussetzungszinsen würden also für eine "Nullsteuer" festgesetzt. Dies widerspreche der Intention des § 237 AO, der eine Festsetzung von Aussetzungszinsen nur vorsehe, wenn der Rechtsbehelf endgültig keinen Erfolg habe, was im Ergebnis in diesem Rechtsstreit nicht der Fall sei. Außerdem seien die Aussetzungszinsen aus persönlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, da sie, die Klägerin, die Zinsen nicht hätte zahlen können. Sie, die Klägerin, hätte bei Zahlungspflicht wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden müssen. Im Übrigen ergebe sich aus Artt. 90 Abs. 1, 41 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) eine rückwirkende Änderung der Steuerbemessungsgrundlage in Fällen des § 3d Satz 2 UStG. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH und des BFH zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug (EuGH-Urteil vom 15.9.2016 C-518/14, Senatex, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2016, 1029; BFH-Urteil vom 20.10.2016 V R 26/15, BFHE 255, 348) komme auch dem Nachweis der Besteuerung bei § 3d Satz 2 UStG Rückwirkung zu. Damit sei ein weiterer Grund sachlicher Unbilligkeit gegeben. Im Übrigen sei der Zinssatz von einem halben Prozent für jeden vollen Monat verfassungswidrig, wie sich aus dem betreffend § 238 Abs. 1 Satz 1 AO anhängigen Revisionsverfahren beim BFH (Az.: I R 77/15, Vorinstanz: FG Thüringen, Urteil vom 22.4.2015 3 K 889/13, EFG 2016, 354) ergebe.
18Die Klägerin beantragt,
19die Bescheide über die Festsetzung von Aussetzungszinsen zur Umsatzsteuer 2009 bis 2011 vom 30.1.2014 in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom 5.6.2014 dahingehend zu ändern, dass jeweils nur ein Zinslauf vom 21.5.2012 bis zum 9.9.2013 zugrundegelegt wird und die Zinsen zur Umsatzsteuer 2009 um xxx €, die Zinsen zur Umsatzsteuer 2010 um xxx € und die Zinsen zur Umsatzsteuer 2011 um xxx € herabgesetzt werden, und
20die Bescheide des Beklagten über die Ablehnung des Erlasses der festgesetzten Aussetzungszinsen vom 17.4.2014 und die Einspruchsentscheidungen vom 5.6.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die festgesetzten Aussetzungszinsen zur Umsatzsteuer 2009 bis 2011 zu erlassen,
21hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, sie, die Klägerin, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
22weiter hilfsweise, die Revision zuzulassen.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen.
26Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
27Entscheidungsgründe
28I. Die Klage ist unbegründet.
29Die Bescheide über die Festsetzung von Aussetzungszinsen zur Umsatzsteuer 2009 bis 2011 vom 30.1.2014 in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom 5.6.2014 sowie der Bescheid des Beklagten über die Ablehnung des Erlasses der festgesetzten Aussetzungszinsen vom 17.4.2014 und die Einspruchsentscheidungen vom 5.6.2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat die Aussetzungszinsen dem Grunde und der Höhe nach zutreffend festgesetzt (1.). Außerdem hat der Beklagte den von der Klägerin beantragten Erlass der festgesetzten Aussetzungszinsen ermessensfehlerfrei abgelehnt (2.).
301. Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist gemäß § 237 Abs. 1 Satz 1 AO der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Die Änderungen der Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 2009 bis 2011 stellen Steuerbescheide dar, gegen die sich außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren (hier: Einspruchsverfahren) richteten. Die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2009 bis 201 war in vollem Umfang auf Antrag der Klägerin ausgesetzt worden. Die Rechtsbehelfsverfahren hatten auch endgültig keinen Erfolg. Die die Einsprüche zurückweisende Einspruchsentscheidung vom 5.12.2013 wurde bestandskräftig.
31Der Zinslauf und damit die Höhe der festzusetzenden Aussetzungszinsen richtet sich nach § 237 Abs. 2 Satz 1 AO. Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet.
32aa) Der Beginn des Zinslaufs wird durch die Wirkung der Aussetzung bestimmt. Er beginnt frühestens mit dem Tag des Eingangs des Einspruchs bei der Behörde, deren VA angefochten wird. Ist die Vollziehung erst nach Eingang des Einspruchs oder nach Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt er mit dem Tag der Aussetzung (Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 237 AO, Rn. 16). Die Umsatzsteuern für 2009 und 2010 wurden zum 21.5.2012, die Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat November 2011 zum 30.4.2012 fällig. Die Einsprüche der Klägerin gingen beim Beklagten am 26.4.2012 ein. Die Aussetzung der Vollziehung wurde ab Fälligkeit der zu zahlenden Umsatzsteuern gewährt. Da die Umsatzsteuern nach Eingang der eingelegten Einsprüche fällig wurden, hat der Beklagte den Beginn des Zinslaufs zutreffend mit dem 21.5.2012 bzw. den 30.4.2012 angesetzt.
33bb) Das Ende der Aussetzung der Vollziehung wiederum wird durch die Aussetzungsverfügung verbindlich geregelt (Heuermann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO / FGO § 237 AO, Rn. 22, 24). Nach der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 5.12.2013 wurde die Vollziehung bis zum 9.1.2014 ausgesetzt. Der Zinslauf endete daher – für den überwiegenden Teil der ausgesetzten Beträge – am 9.1.2014.
34cc) Wegen der Akzessorietät des Zins- und des Steueranspruchs, nach der der Zinslauf an dem Tag enden muss, an dem der Steueranspruch erfüllt wird, kann das Ende des Zinslaufs auch zu einem früheren Zeitpunkt enden als dem Ende der Aussetzung der Vollziehung (Heuermann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO / FGO, § 237 AO, Rn. 28). Eine solche frühere Erfüllung der Umsatzsteuernachforderung für die Jahre 2009 bis 2011 hat jedoch vor dem 9.1.2014 nur in geringem Umfang stattgefunden.
35Steueransprüche werden nach § 226 Abs. 1 AO i. V. mit §§ 387, 389 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erfüllt, wenn der Steuerschuldner oder der Steuergläubiger wirksam die Aufrechnung erklärt. Die Erfüllung tritt in dem Zeitpunkt ein, in dem sich die Forderungen erstmals zur Aufrechnung geeignet gegenüberstehen (BFH-Beschluss vom 14.10.1998 IV B 103/97, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1999, 447). Zwei Forderungen stehen sich gemäß § 387 BGB in dem Zeitpunkt zur Aufrechnung geeignet gegenüber, in dem die Hauptforderung (gegen die der Steuerschuldner aufrechnet) erfüllbar und die eigene Gegenforderung fällig ist. Die Fälligkeit eines Steuererstattungsanspruchs wiederum hängt von dessen Festsetzung ab (§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO).
36Am 9.9.2013 hat, entgegen der Auffassung der Klägerin, noch keine Aufrechnungslage bestanden. Die Klägerin hat zu diesem Zeitpunkt noch über keinen fälligen Erstattungsanspruchs gegen den Beklagten verfügt. Die formlosen Anmeldungen von Umsätzen in den Niederlanden und in Belgien haben noch nicht zu einem fälligen Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten geführt. Damit der Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten fällig und damit aufrechenbar werden konnte, musste er noch nach § 18 UStG gegenüber dem Beklagten angemeldet werden und der Beklagte musste der Anmeldung nach § 168 Satz 2 AO noch zustimmen. Eine solche Anmeldung erfolgte aber erstmals am 24.10.2013 mit der Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung für das dritte Quartal 2013 beim Beklagten. Der Beklagte stimmte der Anmeldung diesbezüglich aber nur im Umfang von xxx € zu. Am 24.10.2013 lag danach eine Aufrechnungslage nur in Höhe von xxx € vor. In Höhe dieses Betrags hat der Beklagte den Zinszeitraum daher zutreffend zum 24.10.2013 enden lassen. Zum 4.10.2013 und zum 2.1.2013 hat der Beklagte weitere Verrechnungen mit der Umsatzsteuer 2010 i. H. von xxx € und xxx € vorgenommen. Auch insoweit ist Erfüllung vor dem 9.1.2014 eingetreten. In seiner Einspruchsentscheidung hat der Beklagte die vorzeitige Erfüllung dieser Beträge berücksichtigt. Einer darüber hinausgehenden Steuererstattung hat der Beklagte erst im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Februar 2014 zugestimmt, sodass weitere Erstattungsansprüche erst nach dem 9.1.2014 fällig wurden. Die Klägerin hat darüber hinaus weder vorgetragen, geschweige denn nachgewiesen, dass mit Ausnahme der Verrechnungsbeträge von xxx €, xxx € und xxx € weitere Verrechnungen mit fälligen, d.h. festgesetzten, Erstattungsansprüchen hätte erfolgen müssen. Die Klägerin hat auch im Übrigen keine Einwendungen gegen die Höhe der Aussetzungsbeträge geltend gemacht. Solche sind auch nicht ersichtlich.
37Die Aussetzungsbeträge und der Zinslauf der Aussetzungszinsen sind damit vom Beklagten zutreffend angesetzt worden.
382. Gemäß § 237 Abs. 4 AO i. V. mit § 234 Abs. 2 AO kann auf Aussetzungszinsen verzichtet werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Voraussetzungen für den Zinsverzicht entsprechen den Erlassvoraussetzungen des § 227 AO (BFH-Urteil vom 20.11.1987 VI R 140/84, BFHE 152, 310, BStBl. II 1988, 402). Die Entscheidung über einen Erlassantrag aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung. Die richterliche Prüfungskompetenz bei Ermessensentscheidungen unterliegt den Beschränkungen des § 102 FGO. Danach darf das Gericht nur überprüfen, ob die Ablehnung eines Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Für die gerichtliche Nachprüfung sind die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung maßgeblich (vgl. BFH-Beschluss vom 13.3.1990 VII S 3/90, BFH/NV 1991, 171).
39Die Unbilligkeit der Zinsfestsetzung kann in der Sache selbst oder in der Person des Steuerpflichtigen begründet sein. Ein Zinserlass wegen sachlicher Unbilligkeit ist zu gewähren, wenn die unter den Tatbestand des § 237 AO fallende Erhebung der Zinsen den Wertungen des Gesetzes derart zuwiderläuft, dass deren Einziehung offensichtlich unbillig erscheinen muss (BFH-Urteil vom 26.1.1988 VIII R 151/84, BFH/NV 1988, 695).
40Zweck des § 237 AO ist zum einen, zu verhindern, dass durch Rechtsbehelfe ohne ernsthafte Erfolgsaussichten, verbunden mit einer dennoch erlangten Aussetzung der Vollziehung, die Abgabenentrichtung zinslos gestundet wird. Zum anderen sollen der Zinsnachteil des Steuergläubigers, der den Abgabenbetrag nicht schon bei Fälligkeit, sondern erst nach Beendigung der Aussetzung der Vollziehung erhält, und der Zinsvorteil des Steuerpflichtigen ausgeglichen werden. Auch soll eine Besserstellung gegenüber denjenigen, die ihre Steuern bei Fälligkeit bezahlen, verhindert werden.
41Ausgehend von diesem Gesetzeszweck ist der Ermessensspielraum des Beklagten weder derart eingeengt, dass nur eine einzige Entscheidungsmöglichkeit sachgerecht wäre (sog. Ermessensreduzierung auf null) noch Ermessensfehler bei der Ablehnung des Zinsverzichts ersichtlich.
42aa) Eine Ermessensreduzierung auf null hinsichtlich des Erlasses von Aussetzungszinsen wurde in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung angenommen, wenn objektiv die Voraussetzungen für eine Verrechnungsstundung vorliegen (FG Düsseldorf, Urteil vom 4.12.1998 18 K 5362/97 AO, juris; FG Hamburg, Urteil vom 22.5.1997 II 22/95, EFG 1997, 1355). Die Verzinsung eines Steueranspruchs kann nämlich im Einzelfall unbillig sein, wenn der Steuerschuldner in Kürze mit einer Steuererstattung rechnen kann, ohne dass bereits eine Aufrechnungslage besteht. Eine Verrechnungsstundung setzt voraus, dass der Steuerschuldner zur Zeit der Fälligkeit der Steuerschuld seinen Gegenanspruch bereits nach Grund und Höhe rechtlich und tatsächlich darlegt und dass dieser zeitnah fällig wird (Ohlf, Deutsche Steuerzeitung – DStZ – 1994, 655, 656). Eine ungewisse Aussicht auf eine Steuererstattung ist nicht ausreichend. Der Steuererstattungsanspruch muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alsbald entstehen (so ausdrücklich der BFH, Urteil vom 6.10.1982 I R 98/81 BFHE 138, 1, BStBl. II 1983, 397).
43Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Der Steuererstattungsanspruch bestand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nicht vor Ablauf des Zeitraums, für den Aussetzungszinsen festgesetzt wurden. Die Festsetzung der Umsatzsteuererstattung war davon abhängig, dass die Klägerin gemäß § 3d Satz 2 UStG nachwies, dass die in den Umsatzsteuerbescheiden 2009 bis 2011 streitigen innergemeinschaftlichen Erwerbe tatsächlich in den Niederlanden bzw. in Belgien besteuert wurden. Nur bei Vorliegen eines entsprechenden eindeutigen Nachweises, könnte von einem hinreichend sicheren Erstattungsanspruch gesprochen werden. Die Klägerin hat den niederländischen und belgischen Finanzbehörden mit Schreiben vom 9.9.2013 mitgeteilt, dass die im Streit stehenden Lieferungen in den Niederlanden bzw. Belgien der Besteuerung unterliegen. Damit ist aber noch kein sicherer Nachweis geführt worden, dass der Erwerb durch den in § 3d Satz 1 UStG bezeichneten Mitgliedstaat tatsächlich besteuert worden ist, wie § 3d Satz 2 UStG es ausdrücklich fordert. Auch wenn der Umfang der Nachweispflicht der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im anderen Mitgliedstaat bislang höchstrichterlich nicht abschließend geklärt ist, reicht jedenfalls die schlichte Mitteilung gegenüber der Finanzbehörde des anderen Mitgliedstaats nicht aus. Die Klägerin erklärt selbst, dass die Besteuerung in den Niederlanden die Verwendung der dortigen amtlichen Formulare voraussetzt und dieser Formalie erst im Februar 2014 genügt worden sei. Damit hat die Klägerin indes selbst vorgetragen, dass der Nachweis der Besteuerung nicht vor Februar 2014 geführt werden konnte und daher auch noch kein sicherer aufrechenbarer Erstattungsanspruch entstanden war. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist ein sicherer Nachweis nur ein Bescheid des jeweiligen Mitgliedsstaats, dass der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert wurde. Derartige Bescheide wurden bis zum 9.1.2014 indes nicht beigebracht. Der Beklagte hat daher im Voranmeldungszeitraum Februar 2014, auch wenn er dazu nach Auffassung des erkennenden Senats nicht verpflichtet war, nachdem die Klägerin die amtlichen niederländischen Formulare verwendet hatte, den Nachweis als hinreichend erachtet und eine zu einem Erstattungsanspruch führende Umsatzsteuervorauszahlung festgesetzt. Eine die sachliche Unbilligkeit begründende Verrechnungsstundung ist daher nicht während des Aussetzungszeitraums, der am 9.1.2014 endete, eingetreten.
44bb) Auch sind keine anderweitigen Anhaltspunkte für einen Ermessensfehler des Beklagten ersichtlich. Im Rahmen der Ermessensentscheidung durfte insbesondere berücksichtigt werden, dass die Klägerin selbst durch ein ihr vorwerfbares Fehlverhalten zu dem Erlass der ursprünglichen Änderungsbescheide beigetragen hat, auf deren Anfechtung nun die Aussetzungszinsen beruhen. So hat sie – trotz frühzeitiger Hinweise des Beklagten während der Umsatzsteuernachschau im Jahr 2011 – an ihrem gegen § 3d Satz 1 UStG verstoßenden Verhalten festgehalten und weiter die deutsche Umsatzsteueridentifikationsnummer verwendet.
45Außerdem schreibt § 3d Satz 2 UStG zwingend die Anwendung von § 17 UStG für den Zeitpunkt der Nachweiserbringung vor (vgl. § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG). Es entspricht daher gerade dem gesetzlichen Regelfall, dass in Fällen des § 3d Satz 2 UStG die ursprüngliche Festsetzung der Umsatzsteuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb und dessen spätere Korrektur zeitlich auseinanderfallen. Der Auffassung der Klägerin, dass Art. 90 Abs. 1, 41 Abs. 2 MwStSystRL eine rückwirkende Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung vorschreiben, ist nicht zu folgen. Unabhängig davon, dass es Aufgabe der Klägerin gewesen wäre, diese Rechtsfrage im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen 2009 bis 2011 aufzuwerfen, ist der Auffassung der Klägerin in der Sache nicht zuzustimmen. Das Verfahren der Berichtigung nach § 3d Satz 2 UStG ist nach Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL gerade den Mitgliedstaaten übertragen worden („unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen“). Der Gesetzgeber hat sich in diesem Rahmen über § 17 UStG für die ex-nunc-Wirkung der Berichtigung entschieden. Eine Richtlinienwidrigkeit von § 3d Satz 2 UStG i. V. mit § 17 UStG ist nicht erkennbar (so auch BFH-Urteil vom 16.12.2010 V R 40/08, BFH/NV 2011, 140). Auch der Rechtsprechung des EuGH ist keine Rückwirkung betreffend Sachverhalte zu entnehmen, die sich als Berichtigung der Bemessungsgrundlage darstellen. So hat der EuGH die ex-nunc-Wirkung der Berichtigung der Bemessungsgrundlage einer ungarischen Vorschrift, auch wenn nicht ausdrücklich danach gefragt wurde, nicht als unionsrechtswidrig beurteilt (EuGH-Urteil vom 15.5.2014 – C-337/13, Almos Agrarkülkereskedelmi, HFR 2014, 641). Nach Auffassung des erkennenden Senats liegt nach alledem mit der ex-nunc-Wirkung der Berichtigung und der damit einhergehenden Zinsbelastung keine Verfehlung, sondern eine Übereinstimmung mit dem gesetzgeberischen Zweck vor.
46cc) Im Übrigen hält der Senat die Höhe des Zinssatzes für verfassungsgemäß, so dass der Beklagte insoweit auch nicht ganz oder teilweise auf die Aussetzungszinsen verzichten musste (so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 10.3.2016 16 K 2976/14 AO, EFG 2016, 1053; Revision eingelegt, Az. des BFH: III R 10/16; OVG NRW, Beschluss vom 10.7.2014 14 A 1196/13, juris, Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az. des Bundesverfassungsgerichts: 1 BvR 2237/14).
47dd) Die Klägerin kann sich ebenfalls nicht mit Erfolg auf persönliche Billigkeitsgründe berufen. Die Klägerin trägt vor, dass sie die damalige streitige Umsatzsteuer nicht hätte zahlen können, ohne dass sie Insolvenz hätte anmelden müssen. Den persönlichen Billigkeitsgrund hat die Klägerin aber erstmals im Rahmen ihrer Klagebegründung vorgebracht. Erst im Klageverfahren vorgebrachte Billigkeitsgründe können bei der Überprüfung der Behördenentscheidung, die sich mit diesen Gründen nicht auseinandersetzen konnte, nicht mehr berücksichtigt werden (Heuermann in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Lfg. 234, August 2015, § 234 AO, Rn. 28).
48II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO vorliegen.