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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf inländisches Kindergeld für seinen in Polen lebenden Sohn hat.
3Der Kläger hatte während der streitigen Zeiträume (Juli 2010 bis Dezember 2014) einen Wohnsitz im Inland. Sein am 22.2.1998 geborener Sohn Q lebte während dieser Zeit bei dessen Mutter in Polen, von der der Kläger geschieden ist. Vom 1.6.2012 bis zum 31.1.2013 sowie ab dem 25.7.2013 ging der Kläger einer Beschäftigung im Inland nach. In den übrigen Streitzeiträumen bezog er Arbeitslosengeld II.
4Die damals zuständige Familienkasse N lehnte den Kindergeldantrag des Klägers mit Bescheid vom 15.3.2013 ab Juli 2010 ab, weil die Mutter, die das Kind in ihren Haushalt aufgenommen habe, vorrangig kindergeldberechtigt sei. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16.12.2014 als unbegründet zurück.
5Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, dass die Kindsmutter weder in Polen noch in Deutschland Kindergeldzahlungen oder Familienleistungen beziehe. Sowohl die Anspruchs- als auch die Antragsberechtigung für den Bezug von Kindergeld seien auf den Kläger übergegangen.
6Der Kläger beantragt sinngemäß,
7die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 15.3.2013 sowie der Einspruchsentscheidung vom 16.12.2014 zu verpflichten, gegenüber dem Kläger Kindergeld für den Zeitraum Juli 2010 bis Dezember 2014 in gesetzlicher Höhe für den Sohn Q festzusetzen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie trägt ergänzend zur Einspruchsentscheidung vor, dass der Kläger für die Zeiträume, in denen er Arbeitslosengeld II bezogen hat, auch deshalb keinen Anspruch auf Kindergeld habe, weil er in dieser Zeit keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Deshalb sei für diese Zeiträume Polen als Wohnsitzstaat des Kindes der vorrangige Staat für die Gewährung des Kindergeldes. Mangels Erwerbstätigkeit bestehe insoweit auch kein Anspruch auf Differenzkindergeld.
11Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
12Entscheidungsgründe
13Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, FGO).
14Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
15Der Ablehnungsbescheid vom 15.3.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.12.2014 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Der Kläger hat für die Zeiträume Juli 2010 bis Dezember 2014 keinen Anspruch auf Kindergeld für seinen in Polen lebenden Sohn Q .
16Der in Deutschland wohnhafte Kläger erfüllt zwar die in §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 32 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für seinen Sohn. Der Wohnsitz des Sohnes in Polen ist hierfür unschädlich (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG).
17Der Anspruch für den Sohn des Klägers steht jedoch gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG vorrangig der Kindsmutter zu. Nach dieser Vorschrift wird bei mehreren Berechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Unstreitig lebt der Sohn nicht im Haushalt des Klägers, sondern im Haushalt der Kindsmutter.
18Dass die Kindsmutter mangels Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland nicht die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt, ist für ihren inländischen Kindergeldanspruch unschädlich. Dies ergibt sich aus der in Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO Nr. 987/2009). Danach ist bezüglich des Rechts einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Diese Fiktion kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dazu führen, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind. Die Regelung in Art. 60 Abs. 1 Satz 3 VO Nr. 987/2009, wonach der Antrag eines Elternteils als Antrag der berechtigten Person zu berücksichtigen ist, ist auch nicht dahingehend auszulegen, dass bei fehlender Antragstellung des Kindergeldberechtigten nunmehr der andere Elternteil einen Anspruch auf Kindergeld hätte (EuGH-Urteil vom 22.10.2015 C-378/14 „Trapkowski“, BFH/NV 2015, 1789).
19Bis auf den Wohnsitz der Mutter im Inland sind alle übrigen Voraussetzungen erfüllt. Das nationale Recht verlangt im Übrigen für ein minderjähriges Kind allein die Elterneigenschaft, so dass in Fällen wie dem Streitfall, in dem ein Elternteil im Inland und der andere in Polen lebt, der Kindergeldanspruch des in Polen lebenden Elternteils vorrangig ist (so auch FG Berlin-Brandenburg, Gerichtsbescheid vom 2.12.2015 7 K 8038/15, Juris; Selder, HFR 2015, 1192).
20Vor diesem Hintergrund kommt es im Streitfall nicht mehr darauf an, ob der inländische Kindergeldanspruch darüber hinaus auch (teilweise) aufgrund der zwischenstaatlichen Konkurrenzregelungen der VO Nr. 883/2004 ausgeschlossen ist. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob für die Zeiträume, in denen der Kläger im Inland keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, sondern Arbeitslosengeld II bezogen hat, der inländische Kindergeldanspruch insgesamt ausgeschlossen ist, ist daher nicht entscheidungserheblich.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.