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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten um den Abzug weiterer Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit im Streitjahr 2013.
3Die Kläger sind verheiratet und wurden für 2013 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war als Schuhverkäuferin in einem Schuhhaus der Kette „X“ tätig. In den undatierten „Servicestandards …“ ist festgelegt, dass „jede Mitarbeiterin … sauber geputzte Schuhe aus eigenem Haus“ trägt.
4In ihrer Einkommensteuererklärung 2013 machten die Kläger bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit der Ehefrau Aufwendungen für Arbeitsmittel (Arbeitsbekleidung) in Höhe von 849 € geltend. Im Einkommensteuerbescheid vom 30.4.2014 berücksichtigte der Beklagte lediglich 110 € als Aufwendungen für Arbeitsmittel.
5Mit Einspruchsentscheidung vom 14.10.2014 wies der Beklagte den hiergegen eingelegten Einspruch zurück. Es handele sich bei den Schuhen nicht um typische Berufskleidung, sondern um bürgerliche Kleidung, für die die Aufwendungen nicht als Werbungskosten abziehbar seien.
6Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger vor, dass es in der Firma, in der die Klägerin beschäftigt sei, zum äußeren Erscheinungsbild dazugehöre, dass Schuhe aus dem eigenen Haus getragen würden. Die Klägerin sei sowohl verpflichtet, die entsprechenden Markenschuhe, die von ihrem Arbeitgeber verkauft würden, zu tragen, als auch, diese Schuhe bei ihrem Arbeitgeber zu kaufen. Die streitgegenständlichen Schuhe würden nicht in der Freizeit getragen, sondern vor Arbeitsbeginn gewechselt. Es handele sich um berufstypische Kleidung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
7Die Kläger beantragen,
8den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 30.4.2014 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14.10.2014 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 739 € berücksichtigt werden.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung nimmt der Beklagte Bezug auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
12Der neunte Senat des FG Münster hat durch unanfechtbaren Beschluss am 27.5.2015 den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
14Entscheidungsgründe
15Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Einzelrichterin, auf die der Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen worden ist.
16Die Klage ist unbegründet.
17Der Einkommensteuerbescheid 2013 vom 30.4.2014 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14.10.2014 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
181. Die Ausgaben der Klägerin für die von ihr während der Arbeitszeit getragenen und bei ihrem Arbeitgeber erworbenen Schuhe sind keine Werbungskosten im Sinne von § 9 Abs. 1 EStG. Es handelt sich weder um Aufwendungen für Arbeitsmittel (typische Berufskleidung) i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG noch um sonstige Werbungskosten im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit.
192. a) Bei der Ermittlung der Einkünfte sind Aufwendungen als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abzuziehen, wenn sie durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist dann gegeben, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes stehen (vgl. BFH-Beschluss vom 04.07.1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).
20Die gesetzlichen Abzugstatbestände für Betriebsausgaben und Werbungskosten sind Ausdruck des in § 2 Abs. 2 EStG festgelegten objektiven Nettoprinzips. Nach diesem bemisst der Steuergesetzgeber die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht u. a. maßgebliche objektive finanzielle Leistungsfähigkeit und unterwirft der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich den Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den (betrieblichen/ beruflichen) Erwerbsaufwendungen andererseits.
21b) Umgekehrt folgt aus dem objektiven Nettoprinzip, dass Aufwendungen für die Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) grundsätzlich nicht abziehbar sind. § 9 EStG ist insoweit eine auf Vermögensminderungen ausgerichtete Einkünfteermittlungsvorschrift, die eine sachgerechte Trennung der Einkommensermittlungssphäre vom Einkommensverwendungsbereich bezweckt (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Einf. EStG Anm. 2, § 9 EStG Anm. 7).
22Stehen Aufwendungen nach den Grundsätzen des Veranlassungsprinzips in keinem ausreichenden Zusammenhang mit einer steuerrelevanten Erwerbsleistung, erfüllen sie nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des Werbungskostenbegriffs gemäß § 9 EStG. Derartige Vermögensminderungen gehören als Privataufwendungen zum Einkommensverwendungsbereich; insofern spricht § 12 Nr. 1 EStG für einen Teilbereich der Einkommensverwendung, die Privatsphäre im engeren Sinne, von nichtabziehbaren Ausgaben, soweit in den dort aufgeführten Abzugsvorschriften nichts anderes bestimmt ist (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 9 EStG Anm. 29).
23Kosten der Lebensführung sind nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums (§ 32a Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 6 EStG; dazu Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 9 Rz. 81 ff.) pauschal abgegolten und grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 und des § 9 EStG entzogen, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden (vgl. Ruppe, DStJG 3, 1980, S. 143 f.; BFH-Beschluss vom 21.09.2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672).
24c) Aufwendungen für Kleidung sind ebenso wie Aufwendungen für Wohnung und Verpflegung grundsätzlich Kosten der Lebensführung; diese sind nach § 12 Nr. 1 Satz 2 des EStG auch dann nicht abzugsfähig, wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
25Die Anschaffung bürgerlicher Kleidung führt selbst dann nicht zum Werbungskostenabzug, wenn kein Zweifel besteht, dass die konkreten Kleidungsstücke so gut wie ausschließlich im Beruf getragen werden (vgl. BFH-Urteil vom 06.12.1990 IV R 65/90, BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348, 349). Die Berücksichtigung der Aufwendungen für Bekleidung als Werbungskosten scheidet wegen des Abzugsverbots des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG bereits immer dann aus, wenn die private Benutzung eines Kleidungsstücks als bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt. Auch wenn die konkreten Kleidungsstücke ohne die beruflichen Gründe überhaupt nicht angeschafft worden wären und sie der Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienen sollen, ist das Tragen bürgerlicher Kleidung jedenfalls auch gleichzeitig deswegen der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen, weil es dem menschlichen Bedürfnis nach Bekleidung Rechnung trägt (BFH-Urteil vom 20.03.1992 VI R 55/89, BFHE 168, 83, BStBl II 1993, 192).
26d) Inwieweit gleichwohl ein etwa gegebener beruflicher Mehraufwand zu berücksichtigen ist, bleibt danach in erster Linie der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen (vgl. BFH-Beschluss vom 21.09.2009 GrS 1/06, a. a. O.).
27Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG ist "typische Berufskleidung" als Werbungskosten abziehbar. Sie liegt vor, wenn sie ihrer Beschaffenheit nach objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Verwendung bestimmt und wegen der Eigenart des Berufs nötig ist (vgl. BFH-Urteile vom 09.03.1979 VI R 171/77, BFHE 127, 522, BStBl II 1979, 519, und vom 06.12.1990 IV R 65/90, BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348). Dieser in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG ausdrücklich zugelassene Abzug der Aufwendungen für typische Berufskleidung hat nicht nur klarstellenden, sondern auch rechtsbegründenden Charakter; erst aus der Subsumtion unter diese Norm ergibt sich die Abzugsfähigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 20.11.1979 VI R 143/77, BFHE 129, 153, BStBl II 1980, 73).
28Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ist die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG nach Sinn und Zweck der Regelung des § 12 Nr. 1 EStG, zur Wahrung der verfassungsmäßig gebotenen gleichmäßigen Besteuerung der Steuerpflichtigen und nach dem Gebot der Folgerichtigkeit auch restriktiv auszulegen. Nur die durch typische Berufskleidung entstandenen Aufwendungen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG "auch Werbungskosten", nicht jedoch solche Aufwendungen, die auch anderen Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass sie während der Ausübung ihres Berufes bekleidet sind (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 10.12.2008 7 K 166/08, EFG 2010, 707). § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG ist demzufolge eine Ausnahmevorschrift, die Aufwendungen für bürgerliche Kleidung in ihrem Regelungsbereich nicht umfasst, da sie nicht zu den "Aufwendungen für typische Berufskleidung" gehören (FG Hamburg, Urteil vom 26.3.2014 6 K 231/12, EFG 2014, 1377).
29Danach können nur solche Kleidungsstücke zur typischen Berufskleidung gehören, deren Verwendung für Zwecke der privaten Lebensführung aufgrund berufsspezifischer Eigenschaften so gut wie ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzung ist gegeben für Amtstrachten (BFH-Urteil vom 24.01.1958 VI 278/56 U, BFHE 66, 303), den schwarzen Anzug eines Leichenbestatters (BFH-Urteil vom 30.09.1970 I R 33/69, BFHE 100, 243, BStBl II 1971, 50) und eines katholischen Geistlichen (BFH-Urteil vom 10.11.1989 VI R 159/86, BFH/NV 1990, 288), den Frack eines Kellners (BFH-Urteil vom 09.03.1979 VI R 171/77, BStBl II 1979, 519, BFHE 127, 522), weiße Arztkittel (vgl. BFH-Urteil vom 06.12.1990 IV R 65/90, BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348), den Cut eines Empfangschefs (BFH-Urteil vom 18.04.1991 IV R 13/90, BFHE 164, 419, BStBl II 1991, 751), uniformähnliche Dienstkleidung der Mitarbeiter einer Luftverkehrsgesellschaft (Hessisches Finanzgericht Urteil vom 09.03.1992 4 K 2725/90, EFG 1993, 648) sowie für Arbeitsanzüge (z.B. der Bergleute), Schutzhelme, Sicherheitsschuhe, Uniformen (Thürmer in Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, EStG § 9, Rdn. 458).
30Ein Abzug als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG kommt demzufolge nur in Betracht, wenn sich der berufsbezogene Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 19.10.1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17; vom 27.11.1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 sowie Urteil vom 06.07.1989 IV R 91-92/87, BFHE 158, 221, BStBl II 1990, 49).
31Nach diesen Grundsätzen stellen die Aufwendungen der Klägerin als Schuhverkäuferin für die Anschaffung von Schuhen keine Werbungskosten i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG dar. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung dessen, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Schuhe eigens zur Nutzung im Beruf angeschafft und zumindest ganz überwiegend anlässlich ihrer beruflichen Tätigkeit getragen hat (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 26.03.2014 6 K 231/12, EFG 2014, 1377; BFH-Urteile vom 06.07.1989 IV R 91-92/87, BFHE 158, 221, BStBl II 1990, 49 unter Aufgabe der teilweise gegenteiligen Ansicht im Urteil vom 11.11.1976 IV R 3/73; vom 18.04.1991 IV R 13/90 , a. a. O.). Die streitgegenständlichen Schuhe sind – wie bereits der Umstand zeigt, dass sie an den breiten Kundinnenkreis verkauft werden, den der Arbeitgeber der Klägerin als Zielgruppe hat - Objekte, wie sie allgemein zur Damenmode gehören. Damit sind die Schuhe nicht der typischen Berufskleidung i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG zuzurechnen. Auch der Umstand, dass der Arbeitgeber der Klägerin möglicherweise erwartet oder verlangt, dass die Klägerin die Schuhe bei ihm erwirbt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Ob die Klägerin verpflichtet ist, die Schuhe tatsächlich beim Arbeitgeber zu kaufen, kann offen bleiben. Die Schuhe können ihrer Beschaffenheit nach jedenfalls gleichermaßen bei privaten Anlässen als Teil der normalen bürgerlichen Bekleidung getragen werden.
32Da im Streitfall eine private Nutzungsmöglichkeit der Schuhe objektiv nicht so gut wie ausgeschlossen ist, fehlt es für die Abzugsfähigkeit der insoweit entstandenen Aufwendungen an der erforderlichen Abgrenzbarkeit zu den nicht berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für die private Lebensführung nach zuverlässigen objektiven und leicht nachprüfbaren Maßstäben; ohne eine derartige Abgrenzungsmöglichkeit aber ist eine Aufteilung der Aufwendungen und ggf. teilweise Zurechnung zu den Werbungskosten oder Betriebsausgaben mit dem Regelungsgehalt des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG unvereinbar (vgl. BFH-Urteil vom 06.07.1989 IV R 91-92/87, BFHE 158, 221, BStBl II 1990, 49; Beschluss vom 13.11.2013 VI B 40/13, BFH/NV 2014, 335). Deshalb können die Aufwendungen der Klägerin für ihre während der Arbeitszeiten getragenen Schuhe auch nicht als Werbungskosten i. S. des allgemeinen Werbungskostenbegriffes von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abgezogen werden.
33e) Ausführungen dazu, ob der Beklagte zutreffend pauschal 110 € als Aufwendungen für Arbeitsmittel berücksichtigt hat, obwohl ausschließlich die Kosten für die streitgegenständlichen Schuhe in der Einkommensteuererklärung als Aufwendungen für Arbeitsmittel geltend gemacht worden sind, sind entbehrlich, weil im Klageverfahren für das Gericht ein Verböserungsverbot gilt (Verbot der sog. reformatio in peius, vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
342. Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.