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Die Umsatzsteuerbescheide für 2004, 2005 und 2006, jeweils vom 22.5.2009 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.7.2012, werden geändert. Die Umsatzsteuer wird wie folgt festgesetzt:
Umsatzsteuer 2004: 24.981,10 Euro
Umsatzsteuer 2005: 64.630,87 Euro
Umsatzsteuer 2006: 22.804,67 Euro.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 85 % dem Kläger und zu 15 % dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
2Streitig ist für die Jahre 2002-2006 die Versagung des Vorsteuerabzugs
3- aus (angeblich) nicht abziehbaren Betriebsausgaben,
4- aus formell nicht ordnungsgemäßen Rechnungen, die teilweise während des Einspruchsverfahrens und des Klageverfahrens berichtigt wurden,
5- aus Rechnungen von (angeblichen) Kleinunternehmern.
6Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2002-2006 neben einem Futtermittelhandel einen Dienstleistungsbetrieb, im Rahmen dessen er Optimierungsdienstleistungen und Außendienstleasing an Handelsketten (unter anderem …) erbrachte. Dazu bediente er sich Subunternehmer - so genannter Vertriebsassistenten - deren Anzahl in den einzelnen Streitjahren schwankte. In einzelnen Jahren beschäftigte der Kläger bis zu 80 Subunternehmer. Vor seiner einzelunternehmerischen Tätigkeit war der Kläger im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit einem Herrn M tätig.
7Der Kläger schloss mit den Vertriebsassistenten „Vertragsvereinbarungen“ ab, in denen unter anderem geregelt ist, dass die Auftragnehmer (= Vertriebsassistenten) einen eigenen Gewerbebetrieb unterhalten und selbstständig tätig sind. In § 5 Abs. 2 eines vom Kläger exemplarisch vorgelegten Vertrages ist geregelt, dass die Zahlungen des Auftraggebers (= Klägers) aufgrund der vom Auftragnehmer (= Vertriebsassistenten) wöchentlich zuzustellenden Rechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer erfolgen. Es wird wegen der Einzelheiten auf den dem Schriftsatz des Klägers an den Beklagten vom 24.6.2009 beigefügten Mustervertrag Bezug genommen (Hefter Bl 83). Die Vertriebsassistenten waren jeweils pro Jahr zwischen einer Woche und 3 Monaten für den Kläger tätig.
8Das Unternehmen des Klägers wurde im Zeitraum 2002 bis Ende 2005 von einem fremd angemieteten Büro mit einer Größe von ca. 45 m² unter der Adresse A-Str. 7, 00000 F aus betrieben. Im Februar 2005 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis. Im März 2005 wurde ein Architekt beauftragt, das Wohnhaus des Klägers (B-Str. 40 a, 00000 F), in dem sich seit dem Jahr 2000 für den Landhandel im Bereich des früheren Spielzimmers und des Gästezimmers ein Büro befand, umzugestalten. Ab 1.1.2006 wurde das Unternehmen des Klägers von seinem Wohnhaus aus betrieben. Das Erdgeschoss des Wohnhauses bestand aus zwei Büros (ehemals Gäste- und Spielzimmer), Gäste - WC, Windfang, Diele, Esszimmer, Kaminzimmer, Küche und Wohnzimmer. Das Obergeschoss und – bis auf einen Kellerraum – der Keller des Hauses wurden unstreitig privat genutzt. Nach den Feststellungen des Prüfers nach einer Inaugenscheinseinnahme war die Küche baulich vom Essbereich durch eine Theke/Durchreiche getrennt. Am Essplatz befand sich ein Tisch mit mehreren Stühlen. Das sich am Essbereich unmittelbar anschließende Kaminzimmer war als Lese- und Musikzimmer eingerichtet. In der dem Kamin gegenüberliegenden Ecke des Raumes war eine Stereoanlage der Marke LUA aufgebaut. In den Regalen des Raums fand der Prüfer Bücher und eine Sammlung von Audio CDs. Als Raumteiler zwischen Kaminzimmer und Wohnzimmer war ein Einbauschrank vorhanden, in dem ein Plasmabildschirm eingebaut war. Dieser war für den Empfang von Satellitenfernsehen vorbereitet. Der Fernseher war über einen Mechanismus sowohl vom Wohnzimmer als auch vom Kaminzimmer aus einzusehen. Das Wohnzimmer war mit einer Sitzgruppe auf einer Empore eingerichtet. Wegen der Einzelheiten des Zuschnitts und der Einrichtung des Einfamilienhauses des Klägers wird auf die vom Kläger mit Schreiben vom 1.12.2008 als Anl. K 5 (Leitz-Ordner V, Bl 166 ff) eingereichte Bauzeichnung und auf die Gesprächsnotiz vom 21.7.2008 des Betriebsprüfers (Leitz-Ordner V Bl. 195) Bezug genommen. Es ist unstreitig, dass das Einfamilienhaus des Klägers teilweise unternehmerisch genutzt wurde. Streitig sind jedoch Art und Umfang der Nutzung.
9Der Kläger gab seine Umsatzsteuererklärungen für 2002 und 2003 jeweils in 2004, für 2004 in 2005, für 2005 in 2007 und für 2006 in 2008 ab. Der Beklagte stimmte den Erklärungen zu bzw. verarbeitete sie erklärungsgemäß, so dass die Steuererklärungen gemäß § 168 AO Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden. Für 2004 erging am 31.12.2005 ein Änderungsbescheid wegen eines hier nicht streitigen Punktes. Der Änderungsbescheid stand weiterhin unter Vorbehalt der Nachprüfung.
10Für die Streitjahre war die Umsatzsteuer nach den vorgenannten Erklärungen/Bescheiden wie folgt festgesetzt worden:
112002: 6.625,91 €
122003: 7.806,83 €
132004: 14.348,20 €
142005: 33.232,66 €
152006: 11.125,05 €.
16Am 30.6.2008 begann eine Betriebsprüfung des Beklagten beim Kläger für die Streitjahre. Der Prüfer meinte, Aufwendungen des Klägers für angeschaffte Wirtschaftsgüter seien teilweise privat veranlasst und rechtfertigten daher keinen Vorsteuerabzug. Es wird auf Tz 2.8 i.V.m. Anl. 6 des Betriebsprüfungsberichts vom 11.5.2009 (Hefter Bl. 34, 47) Bezug genommen. Von diesen Aufwendungen sind die Folgenden noch streitig:
17
Jahr |
Art |
Rechnungsdatum |
Rechnungsbetrag |
streitige Vorsteuer |
2004 |
Plasmabildschirm Hitachi 42 PD, LUA Hifi Manufaktur Akkustik |
9.12.2004 24.12.2004 |
4.018,05 € 9.165,63 € gesamt: 13.183,68 € |
642,89 € 1.466,50 € gesamt: 2.109,39 € |
2005 |
16 Ledersessel, Kühlschrank, Besprechungstisch |
3.5.2005 8.9.2005 18.10.2005 |
4.624,00 € 556,03 € 596,14 € gesamt: 5.776,17 € |
739,84 € 88,97 € 95,38 € gesamt: 914,19 € |
2006 |
Spiegel, Topf- und Kübelpflanzen, Vase, Sideboard, Bose Wave, Bild, Deckenlampe |
diverse (sh. Hefter Blatt 199) |
diverse gesamt: 5.977,81 € |
diverse gesamt: 956,46 € |
Der Prüfer war des Weiteren der Auffassung, der Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Vertriebsassistenten an den Kläger sei insoweit zu versagen, als es sich bei den Vertriebsassistenten um Kleinunternehmer gehandelt habe und die Rechnungen formell nicht ordnungsgemäß seien. Der Prüfer kürzte den Vorsteuerabzug für 2004 um 8.280,36 €, für 2005 um 35.512,64 € und für 2006 um 18.939,03 €. Es wird wegen der Einzelheiten auf Tz 2.11 i.V.m. Anl. 7 des Betriebsprüfungsberichts vom 11.5.2009 (Hefter Bl. 40, 48-64).
19Für die Jahre 2002 und 2003 legte der Kläger während der Betriebsprüfung keine Buchführungsbelege vor. Der Prüfer kürzte daher die Betriebsausgaben und Vorsteuern pauschal und ließ die erklärten Vorsteuern aus Vertriebsassistentenaufwendungen insgesamt nicht zum Abzug zu. Es wird auf Tz 2.12 des Betriebsprüfungsberichts Bezug genommen.
20Es erfolgten weitere Prüfungsfeststellungen, die hier jedoch nicht streitig sind.
21Der Beklagte erließ nach Maßgabe des oben genannten Prüfungsberichts am 22.5.2009 gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, mit denen die Umsatzsteuer wie folgt festgesetzt wurde:
222002: 17.275,29 €
232003: 21.039,51 €
242004: 27.578,23 €
252005: 79.386,06 €
262006: 29.849,07 €.
27Gleichzeitig wurde für alle Streitjahre der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
28Dagegen legte der Kläger fristgemäß Einspruch ein.
29Während des Einspruchsverfahrens drohte der Beklagte mit Schriftsatz vom 7.7.2010 eine Verböserung der Umsatzsteuerfestsetzungen für 2004 - 2006 an. Für 2002 und 2003 kündigte er, da der Kläger nunmehr für diese Jahre Unterlagen vorgelegt hatte, im Hinblick auf Umsatzzuschätzungen Abhilfe an, die jedoch zu saldieren seien mit weiteren Vorsteuerkürzungen wegen der Kleinunternehmereigenschaft von Rechnungsausstellern für 2002 i.H.v. 1.860,59 € und für 2003 i.H.v. 3.818,46 €. Außerdem sei mit Vorsteuern aus privat veranlassten Aufwendungen i.H.v. 204,02 € für 2002 und 120,51 € für 2003 zu saldieren. Es wird wegen der Einzelheiten auf den Schriftsatz des Beklagten vom 7.7.2010 samt Anlagen (Hefter Bl. 116-143) Bezug genommen. Mit Änderungsbescheiden jeweils vom 7.1.2011, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Hefter Bl. 156,158), setzte der Beklagte die Umsatzsteuer für 2002 auf 8.690,52 € und die Umsatzsteuer für 2003 auf 11.745,80 € fest. Während des Einspruchsverfahrens legte der Kläger für die Rechnungsaussteller HU, VG und K/H und Partner für 2004 und 2005 korrigierte Rechnungen vor, die nunmehr Rechnungsnummern enthielten. HU wies darin USt 2005 i. H. v. insgesamt 386,70 € und für 2006 i. H. v. insgesamt 394,63 € offen aus. VG wies darin USt für 2005 i. H. v. insgesamt 1.509,19 € offen aus. Für die K/H und Partner wurden berichtigte Rechnungen für 2004 vorgelegt, aus denen sich Vorsteuer i. H. v. insgesamt 236,20 € ergeben.
30Mit Einspruchsentscheidung vom 25.7.2012, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Hefter Bl. 185 ff), wurde die Umsatzsteuer für 2003-2006 teilabhelfend wie folgt festgesetzt:
312003: 9.950,14 €
322004: 27.407,69 €
332005: 68.569,78 €
342006: 24.816,83 €.
35Im Übrigen war der Einspruch erfolglos. Die Einspruchsentscheidung wurde mit einfachem Brief am 25.7.2012 versandt und ist ausweislich des Eingangsstempels des Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27.7.2012 (Freitag) bei ihm eingegangen.
36Am 30.8.2012 (Donnerstag) erhob der Kläger Klage.
37Während des Klageverfahrens, mit Schriftsatz vom 14.11.2012, legte der Kläger berichtigte Eingangsrechnungen der Unternehmer XX, NJ, XI, IP, EK, UE vor, aus denen sich ein Vorsteuerabzug für 2004 in Höhe von insgesamt 2.147,18 € ergibt. Für 2005 legte er berichtigte Rechnungen der Unternehmer UD, Fa. T, IP, SI vor, aus denen sich insgesamt ein Vorsteuerabzug i.H.v. 727,21 € ergibt. Für 2006 legte er berichtigte Rechnungen der NJ vor, aus denen sich ein Vorsteuerabzug in Höhe von insgesamt 384,96 € ergibt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 14.11.2012 (Gerichtsakte Bl. 83 ff) und die klägerseitigen Aufstellung der Streitpunkte im Einspruchsverfahren (Hefter Bl. 201 ff) Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 3.12.2013 übersandte der Kläger weitere korrigierte Rechnungen der XJ GmbH, auf die wegen des Inhalts Bezug genommen wird (Gerichtsakte Bl. 149, Bl. 151-160).
38Der Kläger begründet seine Klage wie folgt:
39Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Vertriebsassistenten
40Die Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen der Vertriebsassistenten sei rechtswidrig. Die Finanzverwaltung frage bei Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit den Unternehmer, ob er die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehme. Auch in Zweifelsfällen müsse die Verwaltung den Unternehmer insoweit befragen. Die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung setze somit ein aktives Tun des Unternehmers voraus. Ohne aktiven Verzicht auf die Besteuerung durch den Unternehmer sei die Kleinunternehmerregelung somit nicht anwendbar. Aus der Tatsache, dass es an einer Erklärung von Vertriebsassistenten zur Besteuerung der Umsätze fehle, dürfe die Verwaltung daher nicht den Schluss ziehen, dass die Kleinunternehmerregelung gelte.
41Die Aussagekraft der vom Beklagten eingesetzten Datenbank „Luna“ sei sehr zweifelhaft. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens habe sich die Zahl der angeblichen Kleinunternehmer von ursprünglich 73 Personen auf 38 Personen reduziert, nachdem der Kläger Unterlagen angefordert und vorgelegt habe.
42Die vom Beklagten als Kleinunternehmer angenommenen IF, QH, XJ, GH, EM, UN, NP, BP, KT und MT hätten von der Kleinunternehmerregelung keinen Gebrauch gemacht. Es lägen Unterlagen zum Nachweis der Regelbesteuerung vor. NL trage seit 2006 nach Heirat den Namen NC. Diese habe gegenüber dem Kläger erklärt, dass sie keine Kleinunternehmerin sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte Frau NL/NC für 2002 als Kleinunternehmerin, für 2003-2005 als regelbesteuerte Unternehmerin und für 2006 wieder als Kleinunternehmerin geführt habe.
43Die in der Einspruchsentscheidung vom 25.7.2012 als formell nicht ordnungsgemäß bezeichneten Rechnungen enthielten keine Formfehler. Die Pflicht zur Angabe von Steuernummern habe nach Ablauf des Übergangszeitraums erst seit dem 1.7.2004 bestanden. Der Kläger könne auch gar nicht überprüfen, ob eine Steuernummer zutreffend sei. Das Bestätigungsverfahren beim BZSt erfasse nur grenzüberschreitende und nicht rein nationale Umsätze. Der Kläger habe auch bereits im Einspruchsverfahren korrigierte Rechnungen vorgelegt, die nach der Rechtsprechung des EuGH vom 15.7.2010, C-368/09 auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung zurückwirkten (Anl. K 19 des klägerischen Schriftsatzes vom 12.10.12).
44Soweit der Beklagte Formfehler von Rechnungen für den Zeitraum I. und III. Quartal 2006 geltend mache, sei dies treuwidrig, weil diese Rechnungen dem Beklagten übergeben worden und in der Sphäre des Beklagten verloren gegangen seien.
45Ein Vorsteuerabzug aus Rechnungen des KN könne nicht deshalb versagt werden, weil in den Rechnungen der Zusatz „& Partner“ enthalten sei. Dieser Zusatz weise nicht zwingend auf eine Personengesellschaft hin. Da der Name KN nebst korrekter Anschrift leicht und einwandfrei dem Leistenden zuzuordnen sei, sei der Vorsteuerabzug zu gewähren.
46Die mit Schriftsatz vom 14.11.2012 überreichten korrigierten Rechnungen (Gerichtsakte Bl. 89-125) seien rückwirkend für die Streitjahre anzuerkennen. Dies seien keine Rechnungen gemäß § 14 c UStG und deshalb hänge die Berichtigung nicht von einer Genehmigung des Beklagten ab.
47Im Rahmen der zivilrechtlichen Inanspruchnahme der XJ GmbH habe sich herausgestellt, dass diese GmbH in den Jahren 2004 und 2005 zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Jahreserklärungen beim Finanzamt E verpflichtet gewesen sei. Damit seien die vom Kläger zum Vorsteuerabzug verwendeten Rechnungen lediglich in Bezug auf die in den Rechnungen angegebene Steuernummer 000/0000/0000 fehlerhaft. Dies habe der Kläger nicht erkennen können. Der Beklagte habe jedoch ermitteln können, dass die GmbH der Regelbesteuerung unterlegen habe. Im Übrigen messe die neuere Rechtsprechung des EuGH vom 27.9.2012, C-587/10 und des FG Köln vom 16.10.2012, 8 K 2753/08 der Angabe einer zutreffenden USt-ID-Nr. nur noch eine geringe Bedeutung bei. Dies müsse erst recht für die Angabe der Steuernummer gelten.
48Von den insgesamt 10 Rechnungen der XJ GmbH, aus denen der Kläger den Vorsteuerabzug geltend mache, habe der Beklagte 9 Rechnungen nicht anerkannt. Davon lauteten 2 Rechnungen nicht auf die GmbH, sondern auf XJ. Diese Rechnungen seien inzwischen korrigiert worden. Im Übrigen sei allein wegen des Fehlens eines GmbH-Zusatzes der Vorsteuerabzug nicht zu versagen (BFH vom 21.10.1999, V R 94/98).
49Für die Auftragnehmer des Klägers IF, QH, XJ, EM, UN, UO, NP, BP, KT, MT habe der Kläger durch Unterlagen nachgewiesen, dass sie ihre Steuerverpflichtungen erfüllt hätten (Gerichtsakte Bl 290-309).
50Private Lebensführung
51Im Hinblick auf den Plasmabildschirm Hitachi 42 PD und die LUA Hifi Manufaktur Akustik-Anlage sei darauf hinzuweisen, dass diese Geräte bereits 2004 erworben worden seien. Diese seien in der damaligen Betriebsstätte A-Str. 7, 00000 F, eingesetzt worden. Die Anschaffung sei erfolgt, weil der Kläger in 2004 weitere Kunden, insbesondere die Firma … als neuen Auftraggeber gewonnen habe. Die Anzahl der Vertriebsassistenten habe damals erstmals eine Teamgröße von mehr als 24 Außendienstmitarbeitern gehabt. Anfang Dezember 2004 sei ein Angebot an … erfolgt, für das 56 Außendienstmitarbeiter notwendig gewesen seien. Für die Schulungsmaßnahmen dieser 56 Mitarbeiter seien die vorgenannten Geräte erworben worden. Das Angebot der … sei am 18.1.2005 angenommen worden. Außerdem noch im Büro A-Str. 7 in F eingesetzt seien die Wirtschaftsgüter Kühlschrank, Auditorium und Besprechungstisch. Im Zuge der Verlegung der Betriebsstätte in das Wohnhaus des Klägers zum 1.1.2006 sei Folgendes erfolgt: Im Obergeschoss sei ein Zimmer als Wohnzimmer eingerichtet und das Wohnzimmermobiliar nebst Ausstattung (zweiter Plasma-Fernseher) aus dem Erdgeschoss übernommen worden. Ein weiteres Zimmer im Obergeschoss sei als Musik- und Lesezimmer eingerichtet worden. Das Mobiliar nebst der High-End-Stereoanlage sei aus dem Erdgeschoss in das Obergeschoss verlagert worden. Die bereits in 2005 günstig gebraucht erworbenen 16 Ledersessel nebst Konferenztisch seien im Wohnzimmer des Wohnhauses aufgestellt worden. Sodann seien der Umbau der Büroeinrichtung, Malerarbeiten und der Erwerb entsprechender Möbel in 2005/2006 erfolgt. Die anderen vom Beklagten als privat angesehenen Wirtschaftsgüter würden sämtlich in den Büroräumen im Erdgeschoss verwendet.
52Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vortrags wird auf seine Schriftsätze vom 30.8.2012, 12.10.2012, 14.11.2012, 25.11.2013, 3.12.2013, 8.1.2014, 1.4.2014, 5.6.2014, 5.9.2014, 19.11.2014, 27.11.2014, 2.12.2015 jeweils mit Anlagen Bezug genommen.
53Der Kläger beantragt,
54die Bescheide über Umsatzsteuer 2002 und 2003, jeweils vom 7.1.2011, die Bescheide über Umsatzsteuer 2004 bis 2006, jeweils vom 22.5.2009, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.7.2012, dergestalt zu ändern, dass die Umsatzsteuer wie folgt herabgesetzt wird:
55USt 2002 um 1.860,59 €
56USt 2003 um 2.022,80 €
57USt 2004 um 10.292,20 €
58USt 2005 um 25.866,88 €
59USt 2006 um 14.863,18 €,
60hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
61Der Beklagte beantragt,
62die Klage abzuweisen.
63Er nimmt Bezug auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, der Kläger verkenne im Hinblick auf die Kleinunternehmerregelung die grundsätzlichen Regelungen des Umsatzsteuerrechts. Unternehmer könnten gegenüber ihren Finanzämtern auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichten. Täten sie dies nicht und stellten Rechnungen aus, seien dies Rechnungen gemäß § 14 c UStG, aus denen kein Vorsteuerabzug möglich sei. Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer trage die Feststellungslast für die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs und daher auch für die Tatsache, dass Rechnungsaussteller, aus deren Rechnungen der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird, keine Kleinunternehmer seien. Im Festsetzungsverfahren sei der gute Glaube an das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts nicht geschützt (BFH vom 26.10.2010, V B 104/09). Das gelte auch für das Vorliegen der Regelbesteuerung.
64Die Datenbank „Luna“ (länderumfassende Namensauskunft) sei sehr wohl vertrauenswürdig. Die unterschiedlichen Ergebnisse der Auskunft im Streitfall seien auf die unterschiedlichen Abfragezeitpunkte zurückzuführen. Teilweise seien nach Ermittlungen und Anfragen Umsatzsteuerfestsetzungen für Vertriebsassistenten nachgeholt worden, da diese nachträglich Erklärungen eingereicht hätten. Teilweise seien auch Umsatzsteuerfestsetzungen gemäß § 14 c UStG erfolgt.
65Zu den vom Kläger angesprochenen Vertriebsassistenten werde wie folgt vorgetragen:
66IF: Nach telefonischer Auskunft des Finanzamts … vom 19.6.2012 sei für 2006 ein Umsatzsteuersignal gesetzt worden, weil aufgrund der Kontrollmitteilung Umsatzsteuer gemäß § 14 c UStG festgesetzt worden sei.
67QH: Nach Auskunft der Datenbank „Luna“ sei das Umsatzsteuersignal zum 1.1.2005 gelöscht worden. Die streitigen Umsätze seien erst nach dem 1.1.2005 ausgeführt worden.
68XJ: Nach telefonischer Auskunft des Finanzamts … vom 26.11.2012 sei für die XJ GmbH für 2005 eine Festsetzung aufgrund der Kontrollmitteilung nach § 14 c UStG durchgeführt worden. Die Leistungen seien von der XJ GmbH erbracht worden, denn diese habe der Kläger ausweislich seines Vortrags in seinem Schriftsatz vom 25.11.2013 zivilrechtlich in Anspruch genommen. XJ sei umsatzsteuerlich nicht als Unternehmer geführt worden.
69GH: Die streitigen Rechnungen vom 16.7.2004 und 23.7.2004 seien nur wegen der fehlenden Rechnungsnummern beanstandet worden. Sie seien vom Unternehmer K/H und Partner ausgestellt. Mit Rechnungsberichtigung vom 7.6.2010 sei die Berücksichtigung dieser Rechnungen im Jahr 2010 möglich. In der Voranmeldung für 3/2012 habe der Kläger diese Rechnungen bereits erklärt. Die streitigen Rechnungen aus 2003 und Anfang 2004 von seien von GH ausgestellt. Dieser werde nach Auskunft des Finanzamts … steuerlich nicht geführt.
70EM: Nach telefonischer Auskunft des Finanzamts … vom 19.6.2012 werde dieser umsatzsteuerlich nicht geführt, weil er Kleinunternehmer sei.
71UN: Die vom Kläger eingereichten Belege seien für die Frage der Kleinunternehmereigenschaft nicht aussagekräftig.
72UO: Nach den Luna-Abfragen aus Dezember 2008 und April 2011 und der schriftlichen Bestätigung des Finanzamts … vom 8.10.2010 sei für ihn kein Umsatzsteuersignal gesetzt.
73NP: Dieser sei erst überhaupt nicht und danach als Kleinunternehmer geführt worden.
74BP: Aus der schriftlichen Auskunft des Finanzamts … vom 23.10.2009 gehe hervor, dass für 2005 und 2006 Umsatzsteuer nach § 14 c UStG festgesetzt worden sei.
75KT: Dieser sei von 2003-2006 als Kleinunternehmer geführt worden. Der Kläger habe zu diesem Vertriebsassistent auch keine Unterlagen vorgelegt.
76MT: Aus den Luna-Abfragen aus 2008 und 2011 und der telefonischen Auskunft des Finanzamts … vom 27.11.2012 gehe hervor, dass dieser für 2004 umsatzsteuerlich nicht geführt worden sei.
77NC (früher NL): Nach schriftlicher Auskunft vom 21.1.2011 und telefonischer Auskunft des Finanzamts … sei Frau NC ab 2003 mit einem Umsatzsteuersignal geführt worden. Ab 2006 habe sie wieder von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch gemacht.
78Von den vom Kläger in seiner Anl. 18 des Schriftsatzes vom 12.10.2012 aufgeführten Rechnungen (Hefter Blatt 221-332) könnte nach erneuter Überprüfung die Umsatzsteuer aus den Rechnungen SI, Z, A zusätzlich anerkannt werden. Das führe zu zusätzlichen Vorsteuern für 2006 i.H.v. 1.008,03 € und für 2005 i.H.v. 1.166,12 €. In den Rechnungen der Firma T fehle der Leistungszeitpunkt. In den Rechnungen des II sei der Leistungsempfänger falsch bezeichnet. Die Umsatzsteuer aus den Rechnungen der K/H und Partner und IP sei erst in 2010 zu berücksichtigen, weil erst zu diesem Zeitpunkt berichtigte Rechnungen vorlägen. Der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der N und Partner sei wegen Unklarheiten im Hinblick auf den Leistenden nicht zu berücksichtigen.
79Eine rückwirkende Rechnungsberichtigung komme nicht in Betracht. Zudem habe der Kläger mit Voranmeldung 3/2012 den Vorsteuerabzug für die berichtigten Rechnungen bereits erklärt. Dieser Erklärung sei zugestimmt worden. Für einige Rechnungen sei der Vorsteuerabzug in 2010 möglich gewesen. Insoweit habe der Kläger jedoch nichts erklärt.
80Hinsichtlich der Aufwendungen für die private Lebensführung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung. Für die bis Ende 2005 angeschafften Wirtschaftsgüter habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass sie in der Betriebsstätte A-Str. 7, F, unternehmerisch genutzt worden seien. Jedenfalls seien sie mit Verbringung in das eigene Wohnhaus entnommen worden.
81Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Beklagten wird auf seine Schriftsätze vom 6.12.2012, 10.12.2013, 15.5.2014, 17.6.2014, 20.10.2014, 7.12.2015 Bezug genommen.
82Das vorliegende Verfahren wurde mit Beschluss vom 29.7.2014 gemäß § 74 FGO ausgesetzt bis zu einer Erledigung des vom Kläger gestellten Billigkeitsantrags gemäß § 163 AO. Das Verfahren wegen Erlass von Umsatzsteuer aus Billigkeitsgründen wurde abgetrennt und unter dem Az. 5 K 3422/14 fortgeführt. Mit Urteil vom 16.4.2015, auf das Bezug genommen wird, wurde die Klage abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig. Es wurde die Gerichtsakte 5 K 3422/14 beigezogen.
83Die vorliegende Klage wurde am 25.11.2015 vor dem Berichterstatter erörtert und am 10.12.2015 vor dem Senat mündlich verhandelt. Es wird auf die Protokolle Bezug genommen.
84Entscheidungsgründe:
85Die Klage ist nur teilweise begründet. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2004, 2005 und 2006 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Absatz 1 S. 1 FGO). Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
86I. Zulässigkeit
87Die Klage ist rechtzeitig erhoben worden. Die Einspruchsentscheidung wurde am 25.7.2012 (Mittwoch) mit einfachem Brief versandt. Gemäß § 365 Abs. 1 i.V.m. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt die Einspruchsentscheidung am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, im Streitfall also am 28.7.2012 (Samstag). Diese Dreitagefrist verlängert sich gemäß § 108 Abs. 3 AO auf den nächsten Werktag, also auf Montag, den 30.7.2012 (BFH Beschluss vom 5.5.2014, III B 85/13, BFH/NV 2014, 1186). Der Umstand, dass die Einspruchsentscheidung tatsächlich früher beim Prozessvertreter des Klägers eingegangen ist, nämlich am 27.7.2012, ist unerheblich, weil die Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nach seinem eindeutigen Wortlaut („… außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist…“) auch dann gilt, wenn der Bescheid früher zugegangen ist.
88II. Bestimmtheit der Verwaltungsentscheidungen
89Die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind nicht nichtig, denn sie verstoßen nicht gegen das Bestimmtheitsgebot gemäß § 157 Abs. 1, S. 2, § 119 Abs. 1 AO. Nach den vorgenannten Vorschriften muss der Regelungsgehalt aus dem Verwaltungsakt eindeutig und exakt entnommen werden können. Für den Betroffenen muss sicher erkennbar sein, welcher Sachverhalt besteuert wird. Außerdem müssen das Eingreifen von Steuerbefreiungen und –vergünstigungen und ggfls. der Verjährung ohne Weiteres feststellbar und der dem Steuerbescheid zugrunde liegende Veranlagungszeitraum erkennbar sein. Welche Anforderungen an den jeweiligen Steuerbescheid zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls und der Steuerart ab (BFH-Beschluss vom 3.4.2007, VIII B 110/06, BFH/NV 2007, 1273). Inhaltlich unbestimmte Steuerbescheide sind nichtig gemäß § 125 Abs. 1 AO (BFH-Urteil vom 12.5.2011, V R 25/10, BFH/NV 2011, 1541). Inhaltliche Fehler eines Steuerbescheids führen hingegen nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Rechtswidrigkeit (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, § 125 AO Tz.12 m. w. Nachw.).
90Im Streitfall sind die angefochtenen Steuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung nicht unbestimmt i. S. d. vorgenannten Grundsätze. Die vom Kläger gerügten Fehler (teilweise fehlende Nachvollziehbarkeit der Vorsteuerkürzungen z. B. im Hinblick auf die Rechnungsaussteller ZZ und YY) machen die Verwaltungsentscheidungen nicht nichtig. Es handelt sich um Begründungsmängel, die Formfehler i. S. v. § 121 Abs. 1 AO darstellen. Formfehler sind bei gebundenen Verwaltungsakten – um solche handelt es sich bei den angefochtenen USt-Bescheiden – gemäß § 127 AO unerheblich.
91III. Private Lebensführung
92Für die in 2004 und 2005 noch für das Büro des Klägers in der A-Str. angeschafften Wirtschaftsgüter (Plasmabildschirm, LUA Hifi-Anlage, 16 Ledersessel, Kühlschrank, Besprechungstisch) ist der Vorsteuerabzug zu gewähren. Allerdings ist insoweit eine unentgeltliche Wertabgabe und –entsprechend der ertragsteuerlichen Einigung- mit Ausnahme des Besprechungstisches in 2006 eine Entnahme zu versteuern (s. dazu 2).
93Die Vorsteuern aus der Anschaffung der übrigen in Tz 2.8 i.V.m. Anl. 6 des Betriebsprüfungsberichts vom 11.5.2009 genannten und hier streitigen Wirtschaftsgüter hat der Beklagte zu Recht nicht zum Abzug zugelassen. Dem Vorsteuerabzug stehen insoweit § 15 Abs. 1a UStG (s. dazu 1) a) bzw. § 15 Abs. 1 S. 2 UStG (s. dazu 1) b) entgegen. Eine Doppelkürzung von Vorsteuern liegt nicht vor (s. dazu 3).
941) Gemischte Aufwendungen, die im Grenzbereich zwischen Einkunftserzielung und privater Sphäre angesiedelt sind und die untrennbar einen Bezug zur privaten Lebensführung haben, gehören grundsätzlich nicht zum unternehmerischen Bereich (Kraeusel/Forgach in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 15 Rn. 364.23.2). § 15 Abs. 1a UStG ist im Hinblick auf die Verweisung auf § 12 EStG auch nicht EU-rechtswidrig. Zwar hat das FG München mit Urteil vom 23.2.2006, 14 K 3585/03, EFG 2006, 1018 einen solchen Verstoß angenommen. Diese Auffassung teilt der erkennende Senat jedoch nicht. Der Vorsteuerausschluss für solche Eingangsumsätze, die untrennbar einen nichtunternehmerischen Bezug haben, ergibt sich nämlich unmittelbar aus Art. 168 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (Verwendung für besteuerte Umsätze) bzw. aus § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG (Bezug für das Unternehmen; gleicher Ansicht: Stadie, UStG, 2. Auflage 2012, § 15 Rn. 321; zum weiteren Meinungsstand siehe Kraeusel/Forgach in Reiß/Kraeusel/Langer, § 15 UStG Rn. 364.23.2).
95a) Die streitbefangenen Aufwendungen sind solche, die unter das Abzugsverbot gemäß § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 12 Abs. 1 EStG fallen. Die in Anl. 6 des Betriebsprüfungsberichts genannten Wirtschaftsgüter haben durch ihre Art und Aufstellung im eigenen selbstbewohnten Einfamilienhaus einen engen und nahezu unlösbaren Bezug zur privaten Sphäre des Klägers. Es handelt sich um Wirtschaftsgüter, die sich ihrer Art nach auch in jedem anderen Privathaushalt befinden.
96b) Ein Vorsteuerabzug scheitert außerdem daran, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass die streitbefangenen Wirtschaftsgüter mindestens zu 10 % unternehmerisch genutzt wurden (Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 UStG). Der Kläger hat keinerlei Umstände tatsächlicher Art vorgetragen, aus denen der Umfang der Nutzung der Wirtschaftsgüter für unternehmerische Zwecke herzuleiten wäre.
97Die in § 15 Abs. 1 S. 2 UStG genannte 10 %-Grenze ist EU-rechtskonform. Der Rat der EU hat am 19.11.2004 die in § 15 Abs. 1 S. 2 UStG geregelte Geringfügigkeitsgrenze bis zum Jahr 2009, also auch für die Streitjahre, genehmigt (Entscheidung 2004/817 EG, ABL. L 357 vom 2.12.2004, S. 33; im Ergebnis ebenso: FG Berlin, Urteil vom 17.1.2013, 7 K 7132/10, EFG 2013, 987). Zwar hat der BFH im Verfahren XI R 15/13 mit Beschluss vom 16.6.2015 den EuGH zur Auslegung der Ermächtigung angerufen. Dieser Vorlagebeschluss betrifft jedoch eine vom Streitfall abweichende Fallgestaltung, weil im Vorlagefall eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit den angeschafften Gegenständen überwiegend hoheitliche Aufgaben und nur zu einem sehr geringen Anteil unternehmerische Aufgaben erfüllte. Der Vorlagebeschluss betrifft das Verhältnis von wirtschaftlichen (unternehmerischen), nichtwirtschaftlichen (hoheitlichen) und unternehmensfremden (privaten) Zwecken. Im Streitfall sind nur unternehmerische und private Zwecke betroffen, so dass von der EuGH-Entscheidung keine Erkenntnisse für das vorliegende Verfahren zu erwarten sind.
982) a) Der Senat ist im Hinblick auf den Plasmabildschirm, der LUA-Hifi-Anlage, der 16 Ledersessel, den Kühlschrank und den Besprechungstisch davon überzeugt, dass der Kläger die Absicht hatte, diese Gegenstände unternehmerisch zu nutzen. Für den Vorsteuerabzug kommt es auf die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Leistungsbezugs an (BFH Urteil vom 22.3.2001, V R 46/00, BStBl II 2003, 433).
99Die vorgenannten Gegenstände wurden zur Nutzung im Büro A-Str. bzw. den ins Auge gefassten größeren Büroräumen angeschafft. Entsprechend der Einigung in ertragsteuerlicher Hinsicht im Erörterungstermin am 25.11.2015 geht der Senat auch in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht von einer unternehmerischen Veranlassung des Erwerbs dieser Gegenstände aus. Für 2004 ist somit dem Grunde nach ein zusätzlicher Vorsteuerabzug i. H. v. 2.109,39 Euro und für 2005 i. H. v. 914,19 Euro zu gewähren.
100b) Der Senat ist davon überzeugt, dass die unter a) genannten Gegenstände auch privat genutzt wurden. Es ist daher eine unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Abs. 9aNr. 1 UStG zu berücksichtigen. Die Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe (uWA) richtet sich nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung. Die jeweiligen Kaufpreise sind auf die Nutzungsdauer nach § 15a UStG zu verteilen, also auf 5 Jahre. Der Senat schätzt den Anteil der Privatnutzung für 2005 und 2006 auf 50%. Für 2004 nimmt der Senat keine Privatnutzung an, weil die Wirtschaftsgüter erst zum Jahreswechsel angeschafft wurden. Der Besprechungstisch ist nach der Einigung im Erörterungstermin nicht zum 1.1.2006 entnommen wurden, daher ist insoweit für 2006 eine uWA anzunehmen.
101Das führt zu folgenden Werten:
102
Nettorechnungsbetrag |
Nutzungsmonate |
Verteilung Kaufpreis Monate/60 |
davon 50% |
USt auf uWA |
|
Plasmabildschirm |
4.018 € |
12 in 2005 |
804 € |
402 € |
64,32 € |
LUA Hifi |
9.166 € |
12 in 2005 |
1.833 € |
916 € |
146,56 € |
Ledersessel |
4.624 € |
7 in 2005 |
539 € |
270 € |
43,12 € |
Kühlschrank |
556 € |
3 in 2005 |
28 € |
14 € |
2,24 € |
Besprechungstisch |
596 € |
2 in 2005 |
20 € |
10 € |
1,60 € |
USt aus uWA für 2005 |
|
|
257,84 € |
||
Besprechungstisch, uWA für 2006 |
596 € |
12 in 2006 |
119 € |
60 € |
9,54 € |
c) Nach der Einigung im Erörterungstermin, die auch für die Umsatzsteuer zu berücksichtigen ist, weil insoweit eine Einigung über tatsächliche Verhältnisse erfolgt ist (tatsächliche Verständigung), sind die unter b) genannten Wirtschaftsgüter mit Ausnahme des Besprechungstisches zum 1.1.2006 entnommen worden. Diese Entnahme ist gemäß § 3 Abs. 1b UStG zu versteuern. Die Bemessungsgrundlage richtet sich nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG. Der Senat geht bei den Wirtschaftsgütern von einer Nutzungsdauer von 5 Jahren aus und schätzt den Einkaufspreis bzw. die Selbstkosten des Klägers gemäß § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG wie folgt:
104
Nettokaufpreis |
Restnutzungsdauer in Monaten |
Entnahmewert |
USt auf Entnahme |
|
Plasmabildschirm |
4.018 € |
47 (Anschaffung 9.12.2004, Dez. 2004 bleibt aus Vereinfachungsgründen unberücksichtigt) |
3.147 € |
503,52 € |
LUA Hifi |
9.166 € |
48 |
7.333 € |
1.173,28 € |
Ledersessel |
4.624 € |
53 |
4.085 € |
653,53 € |
Kühlschrank |
556 € |
57 |
528 € |
84,51 € |
Entnahmen 2006 |
|
|
2.414,84 € |
3) Der Beklagte hat die Vorsteuerkürzung für 2003 i.H.v. 120,51 € nicht doppelt vorgenommen. Diese Vorsteuerkürzung ist erst im Änderungsbescheid für 2003 vom 7.1.2011 erstmals berücksichtigt worden. Im vorhergehenden Bescheid nach der Betriebsprüfung vom 22.5.2009 wurden gemäß Tz 2.12 Betriebsprüfungsbericht für 2003 lediglich pauschale Vorsteuerkürzungen i.H.v. 13.232,68 € angesetzt (Umsatzsteuer 2003 lt. Erklärung: 7.806,83 € + Vorsteuerkürzung 13.232,68 €, Umsatzsteuer laut Bescheid vom 22.5.2009: 21.039,51 €). Diese pauschale Vorsteuerkürzung ist mit Bescheid vom 7.1.2011 rückgängig gemacht worden unter Saldierung mit anderen Vorsteuerkürzungen (Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 22.5.2009: 21.039,51 € - 13.232,68 € + 3.818,46 € (Vertriebsassistenten) + 120,51 € (Lebensbedarf) = 11.745,80 € (Bescheid für 2003 vom 7.1.2011)). In der Einspruchsentscheidung vom 25.7.2012 wurden weitere Subunternehmerrechnungen anerkannt und ist hinsichtlich der Privatnutzung des VW Golf die Bemessungsgrundlage gesenkt worden. Eine nochmalige Berücksichtigung des Betrags von 120,51 Euro ist nicht erfolgt.
106d) Aus Gliederungspunkt III. 2) a) ergibt sich für 2004 eine Vorsteuererhöhung i. H. v. 2.190,39 Euro und für 2005 eine solche i. H. v. 914,19 Euro. Aus Gliederungspunkt III. 2) b) ergibt sich eine USt-Erhöhung für 2005 i. H. v. 257,84 Euro und für 2006 i. H. v. 9,54 Euro. Aus Gliederungspunkt III. 2) c) ergibt sich eine USt-Erhöhung für 2006 i. H. v. 2.414,84 Euro.
107IV. Vertriebsassistenten
1081) a) Der Beklagte hat im Grundsatz zu Recht gemäß § 15 Abs. 1 UStG die Umsatzsteuer aus solchen Rechnungen versagt, die von Kleinunternehmern erteilt wurden oder bei denen ungeklärt geblieben ist, ob es sich um Kleinunternehmer gehandelt hat oder nicht. Es ist in richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs. 1 UStG für Zeiträume vor 2003 in der Rechtsprechung geklärt (BFH vom 2.4.1998, V R 34/97, BStBl II 1998, 695) und seit Inkrafttreten des StÄndG 2003 (vom 15.12.2003, BGBl. I, 2645) auch ausdrücklich gesetzlich normiert, dass ein Vorsteuerabzug nur in Betracht kommt, wenn die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer gesetzlich geschuldet ist. Eine „gesetzlich geschuldete“ Steuer liegt nicht vor, wenn die Steuer ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie (zu Unrecht) in einer Rechnung offen ausgewiesen ist. Ein Vorsteuerabzug kommt somit nicht in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller die Umsatzsteuer nach § 14 c UStG schuldet. Der Leistungsempfänger (Kläger) muss neben weiteren Voraussetzungen darlegen und im Bestreitensfall auch nachweisen, dass der Rechnungsaussteller ein Unternehmer ist, der nicht der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG unterliegt (siehe zum Ganzen: Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 15 UStG Rn. 86 ff mit weiteren Nachweisen).
109Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Behandlung als Kleinunternehmer gemäß § 19 Abs. 1 UStG ohne weiteres Zutun des Unternehmers anzunehmen, wenn die dort genannten Umsatzgrenzen nicht überschritten sind. Nur wenn der Kleinunternehmer gemäß § 19 Abs. 2 UStG aktiv gegenüber seinem Finanzamt auf die Anwendung der Kleinunternehmereigenschaft verzichtet, unterliegt er der Besteuerung und ist berechtigt, in Rechnungen die Umsatzsteuer offen auszuweisen.
110Von Kleinunternehmern zu unterscheiden sind solche Unternehmer, die die Umsatzgrenzen des § 19 Abs. 1 UStG überschreiten, aber gleichwohl nicht bei Ihrem Finanzamt als Unternehmer registriert sind. Solche Unternehmer, die den Tatbestand einer Steuerstraftat im Sinne von § 369 ff AO verwirklichen, fallen nicht unter die Kleinunternehmerregelung und sind berechtigt und verpflichtet Rechnungen auszustellen, wenn sie Leistungen an andere Unternehmer erbringen. Aus solchen Rechnungen ist grundsätzlich der Vorsteuerabzug möglich, es sei denn, das Finanzamt kann anhand objektiver Umstände belegen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass der Leistende eine Umsatzsteuerhinterziehung begangen hat (Hundt-Eßwein aaO Rn. 87 mit Rechtsprechungsnachweisen).
111b) Der Vortrag der Klägerseite, dass in dem Schreiben des Beklagten vom 15.2.2012 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers teilweise andere Kleinunternehmer genannt sind, als in der Einspruchsentscheidung vom 25.7.2012, kann keinen weiteren Vorsteuerabzug begründen. Das Schreiben weist den Stand April 2011 aus, so dass schon deshalb Abweichungen zur Einspruchsentscheidung vom 25.7.2012 möglich sind.
112Zwar ist der Rechnungsaussteller YY weder in dem vorgenannten Schreiben noch in der Einspruchsentscheidung namentlich genannt. Dieser Umstand stellt einen Begründungsmangel der Einspruchsentscheidung dar, der nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO unbeachtlich ist, wenn die Begründung nachgeholt wird. Die Nachholung kann bis zum Abschluss der finanzgerichtlichen Tatsacheninstanz erfolgten (§ 126 Abs. 2 AO; s. dazu auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, § 121 Rn. 25). Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, warum er den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des YY versagt hat. Insoweit ist der Begründungsmangel geheilt worden. Im Hinblick auf den Rechnungsaussteller ZZ ist der Vorsteuerabzug zu gewähren (s. unten V. 5).
1132) Für die von den Beteiligten namentlich genannten Vertriebsassistenten ergibt sich nach den vorgenannten Grundsätzen Folgendes:
114Für die folgenden Unternehmer hat der Kläger den Nachweis nicht geführt, dass sie gemäß § 19 Abs. 2 UStG zur Umsatzsteuer optiert haben: QH (GA Bl 291), KI (GA Bl 292, 293), EM (GA Bl 294), UN (GA Bl 295), NP (GA Bl 303), MT (GA Bl 306, 307), KT (GA Bl. 305). Die vom Kläger zu diesen Personen eingereichten Erklärungen sind nichtssagend und beweisen nicht, dass diese Unternehmer in den Streitjahren zur Besteuerung optiert haben. Teilweise haben die zuständigen Finanzämter dieser Unternehmer gegenüber dem Beklagten mitgeteilt, dass sie entweder gar nicht oder als Kleinunternehmer geführt worden sind.
115Zu den erstmalig mit Schriftsatz vom 2.12.2015 angesprochenen Rechnungsausstellern SO und FQ hat der Kläger überhaupt keine Umstände vorgetragen, warum die vom Beklagten ermittelte Kleinunternehmereigenschaft unrichtig sein soll.
116NL/NC:
117Für 2006 ist ein Vorsteuerabzug i.H.v. 109,24 € zu gewähren. Im Übrigen kommt ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht. Nach Auskunft des für Frau NL/NC zuständigen Finanzamts … wurde diese ab 2003 als umsatzsteuerliche Unternehmerin geführt. Eine Option zur Umsatzsteuerpflicht gemäß § 19 Abs. 2 UStG bindet den Unternehmer für mindestens fünf Jahre (§ 19 Abs. 2 S. 2 UStG), daher kann diese Option noch nicht für das Jahr 2006 widerrufen worden sein. Für die Jahre 2003-2005 hat der Beklagte die Vorsteuern anerkannt. Für 2002 hat der Beklagte die Vorsteuer zu Recht nicht anerkannt, weil für dieses Jahr keine Option zur Steuerpflicht erkennbar ist.
118IF:
119Ein Vorsteuerabzug aus seinen Rechnungen kommt nicht in Betracht. Sein Berater hat mit Schreiben vom 19.4.2010 an den Kläger (Gerichtsakte Blatt 290) zwar mitgeteilt, dass eine Umsatzsteuerjahreserklärung für 2006 eingereicht wurde. Nach wie vor unklar ist aber, ob Herr IF auf die Kleinunternehmereigenschaft verzichtet hat. Die bloße Erklärung stellt keinen Verzicht dar, denn auch Kleinunternehmer sind grundsätzlich zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung verpflichtet (BFH Urteil vom 24.7.2013, XI R 14/11, BStBl II 2014, 210). Nach der telefonischen Auskunft des für Herrn IF zuständigen Finanzamts … gegenüber dem Beklagten ist die Umsatzsteuerfestsetzung für 2006 gemäß § 14 c UStG erfolgt.
120GH:
121Ein Vorsteuerabzug kommt nur für die in 2010 berichtigten Rechnungen der K/H und Partner i.H.v. 236,20 € in Betracht. Die Rechnungen aus Anfang 2004 und 2005 (streitige Vorsteuer 2004: 354,88 €, streitige Vorsteuer 2005: 398,04 €) berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug, weil der Kläger keine Leistungsbeziehungen zu Herrn GH nachgewiesen hat, sondern nur zur K/H & Partner. Des Weiteren wurde Herrn GH vom für ihn zuständigen Finanzamt … nicht geführt, so dass seine Kleinunternehmereigenschaft möglich ist. Soweit die Rechnungen der K/H und Partner vom 16.7.2004 (streitige Vorsteuer 117,92 €) und vom 23.7.2004 (streitige Vorsteuer 118,28 €) im Jahr 2010 berichtigt wurden, ist ein Vorsteuerabzug i.H.v. 236,20 € für 2004 zu gewähren (siehe Gliederungspunkt VI. 1).
122XJ:
123Ein Vorsteuerabzug kommt nicht in Betracht. Die Rechnungen, aus denen der Kläger den Vorsteuerabzug geltend macht, sind teilweise von XJ (GA Bl. 172,172R) und teilweise von der XJ GmbH (GA Bl. 151-160) ausgestellt worden. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 25.11.2013 hat er zivilrechtlich die XJ GmbH in Anspruch genommen. Unklar ist daher, mit wem der Kläger Leistungsbeziehungen hatte. Des Weiteren ist nach Auskunft des für die GmbH zuständigen Finanzamts … für 2005 lediglich eine Umsatzsteuerfestsetzung nach § 14 c UStG erfolgt.
124YY:
125Ein Vorsteuerabzug aus seinen Rechnungen kommt nicht in Betracht, denn der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass YY auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet hat. Die Beklagtenvertreter haben in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgeführt, dass nach den Auskünften des für YY zuständigen Finanzamts die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre gegen Herrn YY gemäß § 14 c UStG erfolgt sind. Die Klägerseite hat keine Umstände dargelegt, warum diese Auskunft unrichtig gewesen sein soll.
126SL:
127Ein Vorsteuerabzug kommt nicht in Betracht, denn Herr SL hat ausweislich seines Schreibens vom 13.3.2010 nicht als Unternehmer, sondern als Geschäftsführer einer GmbH gehandelt. Auf den Rechnungen ist somit der falsche Leistende aufgeführt.
128UO:
129Ein Vorsteuerabzug kommt nicht in Betracht. Die Leistungsbeziehungen des Klägers bestanden zu UO. Dieser ist umsatzsteuerrechtlich nicht als Unternehmer geführt worden, lediglich seine Ehefrau, die ausweislich der Bestätigung des für sie zuständigen Finanzamts … vom 20.8.2012 (GA Bl. 298) keine Kleinunternehmerin war. Unklar und vom Kläger nicht nachgewiesen ist, dass Herr UO seinerseits selbständiger Unternehmer war und nicht der Kleinunternehmerregelung unterlag. Für die Frage der Unternehmereigenschaft kommt es auf das Auftreten nach außen an. Herr UO ist gegenüber dem Kläger als selbständiger Unternehmer aufgetreten. Umstände, die darauf schließen lassen, dass er lediglich als Vertreter/Arbeitnehmer seiner unternehmerischen Ehefrau aufgetreten ist, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Für die Frage der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft kommt es nicht darauf an, wo und bei wem die Umsätze verbucht werden.
130BP:
131Ein Vorsteuerabzug kommt nicht in Betracht. Zwar hat der Kläger nachgewiesen, dass sie für 2005 und 2006 Umsatzsteuer gezahlt hat (GA Bl. 3 04). Das für sie zuständige Finanzamt … hat jedoch mitgeteilt, dass die Festsetzungen gemäß § 14 c UStG erfolgt sind.
132Aus den vorgenannten Gründen ist aus Gliederungspunkt IV. für 2004 ein zusätzlicher Vorsteuerabzug i.H.v. 236,20 € und für 2006 ein zusätzlicher Vorsteuerabzug i.H.v. 109,24 € zu gewähren.
133V. Formelle Rechnungsfehler:
134Es sind zusätzliche Vorsteuern zu berücksichtigen.
1351) Wegen der formellen Rechnungsvoraussetzungen gemäß § 15 i.V.m. § 14 Abs. 4 UStG verweist der Senat im Grundsatz auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in seiner Einspruchsentscheidung vom 25.7.2012 (Hefter Blatt 187 R). Allerdings ergeben sich Unterschiede bei den formellen Rechnungsvoraussetzungen im Hinblick auf die Zeiträume vor dem 1.1.2004. Bis zum 31.12.2003 war der Mindeststandard einer Rechnung, die zum Vorsteuerabzug berechtigen sollte, nicht harmonisiert. Durch die EG-Rechnungsrichtlinie 2001/115/EG vom 20.12.2001, ABl EG 2002, Nr. L 15, 24 wurden die obligatorischen Mindestangaben einer Rechnung harmonisiert. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Richtlinie im Steueränderungsgesetz 2003 vom 15.12.2003, BStBl I, 710 umgesetzt. Bis 31.12.2003 waren für den Vorsteuerabzug die Angabe einer Steuernummer/USt-Id-Nr. und einer fortlaufenden Rechnungsnummer nicht erforderlich (siehe zum ganzen: Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 14 Rn. 81ff, Rn. 89f, § 15 Rn. 94 UStG).
1362) Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 6.12.2012 (GA Bl. 126ff), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, weitere Vorsteuern aus den Rechnungen der Unternehmer SI, IM und HN in Höhe von insgesamt 1.008,03 € für 2006 und 1.166,12 € für 2005 zugestanden. Insoweit sieht der Senat von einer Begründung ab.
1373) Des Weiteren hat der Beklagte den Vorsteuerabzug aus solchen Rechnungen zugestanden, die wegen formeller Fehler versagt wurden und den Zeitraum I und III 2006 betreffen, da die Unterlagen für diesen Zeitraum in der Sphäre des Beklagten verloren gegangen sind. Allerdings können nur die Rechnungen zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden, die tatsächlich verloren gegangen sind und nicht diejenigen, die sich bei den Akten befinden.
138Aus der Aufstellung des Beklagten in seiner Einspruchsentscheidung (Hefter Blatt 187R bis 189) sind die folgenden Rechnungen für die Zeiträume I und III 2006 betroffen:
139
Anmerkung |
Re-Aussteller |
Buchungsdatum |
Vorsteuer in Euro |
Vorsteuer zusätzlich in Euro |
Fa. T |
13.3.2006 |
14,38 |
|
|
Fa. T |
23.8.2006 |
79,69 |
|
|
Fa. T |
5.1.2006 |
93,05 |
|
|
Fa. T |
21.7.2006 |
125,80 |
|
|
Fa. T |
21.7.2006 |
216,00 |
|
|
T gesamt: |
|
528,92 |
||
HI |
6.1.2006 |
30,40 |
|
|
HI |
26.1.2006 |
64,23 |
|
|
HI |
16.2.2006 |
75,95 |
|
|
HI |
6.1.2006 |
80,10 |
|
|
HI |
9.3.2006 |
84,09 |
|
|
HI |
23.2.2006 |
92,31 |
|
|
HI |
2.3.2006 |
97,97 |
|
|
HI gesamt: |
|
525,05 |
||
SI |
16.2.2006 |
73,55 |
|
|
bereits bei V.2 erfasst |
SI |
26.1.2006 |
|
|
bereits bei V.2 erfasst |
SI |
23.2.2006 |
|
|
bereits bei V.2 erfasst |
SI |
9.3.2006 |
|
|
bereits bei V.2 erfasst |
SI |
2.3.2006 |
|
|
SI |
5.1.2006 |
106,89 |
|
|
SI gesamt: |
|
180,44 |
||
Rechnungen hat der Kl. als Anl. 18 d. Schriftsatzes v. 12.10.2012 vorgelegt (Hefter Bl. 280-288) |
IL |
|
|
|
IM |
16.2.2006 |
69,55 |
|
|
IM |
23.2.2006 |
89,00 |
|
|
bereits bei V.2 erfasst |
IM |
9.3.2006 |
|
|
bereits bei V.2 erfasst |
IM |
2.3.2006 |
|
|
bereits bei V.2 erfasst |
IM |
31.7.2006 |
|
|
bereits bei V.2 erfasst |
IM |
21.7.2006 |
|
|
IM gesamt: |
|
158,55 |
||
LM |
23.1.2006 |
9,06 |
9,06 |
|
NJ |
31.7.2006 |
93,44 |
|
|
NJ |
21.7.2006 |
106,56 |
|
|
NJ gesamt: |
|
200,00 |
||
HN |
13.2.2006 |
69,44 |
|
|
HN |
26.1.2006 |
81,44 |
|
|
HN |
9.3.2006 |
82,77 |
|
|
HN |
23.2.2006 |
85,04 |
|
|
HN |
2.3.2006 |
86,45 |
|
|
HN |
6.1.2006 |
108,99 |
|
|
HN gesamt: |
|
513,13 |
||
Rechnungen hat der Kl. als Anl. 18 d. Schriftsatzes v. 12.10.2012 vorgelegt (Hefter Bl. 320 bis 330) |
IP |
16.2.2006, 9.3.2006, 26.1.2006, 2.3.2006, 23.2.2006, 6.1.2006, 14.7.2006, 9.7.2006 |
|
|
HU |
16.2.2006 |
69,80 |
|
|
HU |
9.3.2006 |
75,40 |
|
|
HU |
26.1.2006 |
78,01 |
|
|
HU |
23.2.2006 |
83,74 |
|
|
HU |
2.3.2006 |
87,68 |
|
|
HU |
6.1.2006 |
89,96 |
|
|
HU gesamt: |
|
484,59 |
||
Vorsteuer mehr gesamt: |
2.599,74 |
3) Ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des II ist nicht möglich. Zwar war im Rechnungsausstellungsjahr 2003 die Angabe einer Rechnungsnummer noch nicht erforderlich. Die Rechnungen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Hefter Blatt 235 ff), lauten aber auf „L und Partner“. Diese Rechnungsangabe bezeichnet nicht zutreffend den Kläger, da dieser die Leistungen als Einzelunternehmer bezogen hat. Es besteht auch Verwechslungsgefahr, weil der Kläger vor seiner einzelunternehmerischen Betätigung im Rahmen einer GbR tätig war.
1414) Ein Vorsteuerabzug aus Rechnungen der „KN und Partner“ ist nicht möglich. Leistender Unternehmer war nach dem eigenen Vortrag des Klägers KN. Abgerechnet wurde unter der Bezeichnung einer Personenmehrheit, wobei der Senat dahinstehen lassen kann, um was für eine Personenmehrheit es sich gehandelt hat. Personengesellschaften/-gemeinschaften stellen umsatzsteuerrechtlich eigene Steuersubjekte dar. Wenn eine Gesellschaft/Gemeinschaft namens „KN und Partner“ tatsächlich existierte, hat der falsche Unternehmer abgerechnet. Wenn eine solche Gesellschaft/Gemeinschaft nicht existierte, ist die Rechnung ebenfalls nicht vorsteuerwirksam, denn Rechnungen müssen von einem tatsächlich existenten Unternehmer ausgestellt werden. Falsche Bezeichnungen schaden nur dann nicht, wenn sich die Falschbezeichnung im Rechtsverkehr eindeutig einem bestimmten Unternehmer zuordnen lassen. Im Streitfall ist eine solche eindeutige Zuordnung nicht möglich.
142Die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 12.10.2012, Bl. 15 genannten Beispiele stehen dem vorstehenden Ergebnis nicht entgegen. Die Firma … und Partner … e. K. bezeichnet durch den Zusatz e. K. in eindeutiger Form, dass ein Einzelunternehmer gemeint ist. Bei den anderen Beispielen sind jeweils die Personengesellschaften (KG, OHG) bzw. die Körperschaft (GmbH) umsatzsteuerrechtlich als Unternehmer anzusehen und nicht die dahinter stehenden Gesellschafter.
1435) Im Hinblick auf den Subunternehmer ZZ hat der Beklagte für 2005 und 2006 einzelne Rechnungen vom 11.11.2005 (Vorsteuer 97,99 Euro), vom 24.11.2005 (Vorsteuer 122,86 Euro), vom 31.7.2006 (Vorsteuer 155,04 Euro) und vom 21.7.2006 (Vorsteuer 169,76 Euro) nicht anerkannt. Ein Grund für diese Vorsteuerversagung ist nach Aktenlage nicht erkennbar. Den Großteil der Rechnungen von ZZ hat der Beklagte anerkannt. Die vom Beklagten nicht anerkannten Rechnungen sind zusätzlich zu berücksichtigen.
1446) Aus Gliederungspunkt V. ergibt sich insgesamt ein zusätzlicher Vorsteuerabzug wie folgt:
1452005: 1.386,97 Euro
1462006: 3.932,57 Euro
147VI. Rechnungsberichtigungen
1481) Die bereits im Einspruchsverfahren vorgelegten berichtigten Rechnungen der Rechnungsaussteller HU, VG und K/H und Partner müssen gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 14 UStG, § 31 Abs. 5 UStDV vorsteuerwirksam in den Streitjahren 2004, 2005 und 2006 berücksichtigt werden.
149Die ursprünglichen Rechnungen wiesen bis auf das Fehlen von Rechnungsnummern alle notwendigen Bestandteile von Rechnungen aus und waren somit einer Berichtigung zugänglich. Nach der Rechtsprechung des EuGH vom 15.7.2010, C-368/09 –Pannon Gep-, UR 2010, 693 und vom 8.5.2013, C-271/12, -Petrona Transports SA-, EU-UStB 2013, 40 kann der Vorsteuerabzug nicht allein aus formellen Gründen versagt werden, wenn vor Erlass der Entscheidung der Finanzbehörde dieser berichtigter Rechnungen zugehen. Der Senat sieht in der „Entscheidung der Finanzbehörde“ die Einspruchsentscheidung und nicht den Steuerbescheid, denn der Steuerbescheid ist gemäß § 367 Abs. 2 AO in vollem Umfang erneut zu prüfen, so dass die Finanzbehörde letztlich erst mit Erlass der Einspruchsentscheidung eine (abschließende) Entscheidung getroffen hat (FG Hamburg vom 20.10.2014, V 214/14, EFG 2015, 254; zweifelnd: Niedersächsisches Finanzgericht vom 3.7.2014, 5 K 40/14, EFG 2015, 80).
1502) Die erst im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 14.11.2012 vorgelegten berichtigten Rechnungen können nicht rückwirkend für die Streitjahre vorsteuerwirksam berücksichtigt werden. Nach der vorgenannten EuGH Rechtsprechung C-368/09 und C-271/12 ist die Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen ausdrücklich auf Zeiträume vor Erlass der Verwaltungsentscheidung begrenzt.
151Aus Vorstehendem ergibt sich ein zusätzlicher Vorsteuerabzug für 2005 in Höhe von insgesamt 1.895,59 € und für 2006 in Höhe von insgesamt 394,63 €. Die Rechnungen der K/H und Partner aus 2004 sind bereits bei Gliederungspunkt IV. 2) berücksichtigt worden (s. dort).
152VII. Steuerberechnung
153
alle Beträge in Euro |
2002 |
2003 |
2004 |
2005 |
2006 |
USt bisher (Bescheid v. 7.1.2011) |
8.690,52 |
|
|
|
|
lt. EE v. 25.7.2012 |
|
9.950,14 |
27.407,69 |
68.569,78 |
24.816,83 |
Vorsteuer III. 2) a |
|
|
-2.190,39 |
-914,19 |
|
uWA III. 2) b) |
|
|
|
+257,84 |
+9,54 |
Entnahme III. 2) c) |
|
|
|
|
+2.414,84 |
Vorsteuer IV. 2) (K/H u. Partner, NL/NC) |
|
|
-236,20 |
|
-109,34 |
Vorsteuer V. 2) (SI, IM, HN) |
|
|
|
-1.166,12 |
-1.008,03 |
Vorsteuer verlorene Belege V. 3) |
|
|
|
|
-2.599,74 |
Vorsteuer ZZ V. 5) |
|
|
|
-220,85 |
-324,80 |
Rechnungsberichtigungen VI. 1) |
|
|
|
-1.895,59 |
-394,63 |
USt lt. Urteil |
8.690,52 |
9.950,14 |
24.981,10 |
64.630,87 |
22.804,67 |
VIII. Nebenentscheidungen
155Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.
156Die Revisionszulassung erfolgt gem. § 115 Abs. 2 FGO wegen der ungeklärten Rechtsfragen zur Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen.
157Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.