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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
2Streitig ist, ob eine Abfindungszahlung ermäßigt zu besteuern ist.
3Der verheiratete Kläger war bis zum Beginn des Streitjahres 2011 bei der J AG nichtselbständig beschäftigt. Er erhielt 13 außertarifliche Monatsgehälter, monatliche Kfz-Zuschüsse und Arbeitsplatzpauschalen sowie eine Bonifikation, auf die monatlich eine Vorauszahlung in gleichbleibender Höhe geleistet wurde. Die Abrechnung der ihm jährlich zustehenden Bonifikation erfolgte im folgenden Jahr. In Folge der Umstrukturierung seines Arbeitgebers vereinbarte der Kläger mit seinem Arbeitgeber am 14.04./08.05.2008 eine geänderte „Bezügeregelung/Aufwandserstattung für das Jahr 2008“. Danach waren als Bezüge ab dem 01.01.2008 vereinbart:
41. Gehalt
Sie erhalten ein monatliches, nachträglich zahlbares Gehalt nach freier Vereinbarung in Höhe von brutto 5.655,00 Euro.
72. Bonifikationen
Darüber hinaus erhalten Sie eine Bonifikation auf die mit Ihnen vereinbarten individuellen Ziele.
102.1.
11Gemäß den mit Ihnen in der Anlage vereinbarten individuellen Zielen erhalten Sie bei 100 % Zielerfüllung eine Bonifikation in Höhe von brutto 26.392,00 Euro.
12Auf die Bonifikation erhalten Sie eine monatliche, nachträglich zahlbare Vorauszahlung in Höhe von brutto 2.199,00 Euro.
13Die genannte Bonifikation wird maximiert gemäß Bonusstaffel … auf brutto
1443.283,00 Euro.
152.2. Abrechnung der Bonifikation
16Die Abrechnung der Bonifikation erfolgt zum 31.05. des Folgejahres.
17Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Vereinbarung des Klägers mit derJ Verwaltung GmbH vom 14.04./08.05.2008 verwiesen.
18Am 08.04.2010 schloss der Kläger mit seinem bisherigen Arbeitgeber, der J AG einen Aufhebungsvertrag. Darin wurde vereinbart, dass das Bestehen des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.12.2010 endet. Außerdem wurde der Kläger danach im Mai 2010 bis zum Jahresende von seinen Dienstverpflichtungen freigestellt. Während des Freistellungszeitraumes sollte er monatliche Zahlungen und zwar ein außertarifliches Gehalt von 5.655,00 Euro, eine Bonifikation von 2.199,00 Euro, einen Kfz-Zuschuss von 990,00 Euro und eine Arbeitsplatzpauschale von 150,00 Euro, insgesamt monatlich 8.994,00 Euro sowie 2010 das Urlaubs- und Weihnachtsgeld in betriebsüblicher Höhe erhalten. Des Weiteren wurde für das Geschäftsjahr 2009 ein Bonus von 64.895,00 Euro brutto vereinbart, welcher im Mai 2010 ausgezahlt werden sollte.
19Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes sollte der Kläger entsprechend §§ 9, 10 des Kündigungsschutzgesetzes eine Abfindung in Höhe von 84.000,00 Euro brutto, zahlbar Ende Januar 2011 erhalten.
20Mit Wirkung ab dem 01.04.2011 ist der Kläger als Geschäftsführer nichtselbständig bei der S GmbH für u.a. ein festes Monatsgehalt von brutto 3.000,00 Euro tätig.
21Tatsächlich erhielt der Kläger in den Jahren 2006 bis 2011 folgende Bruttozahlungen/ betrug die Summe der Einkünfte jeweils in Euro:
22Jahr |
Gehalt |
Kfz-Zuschuss/ Arbeitsplatz-pauschale |
Bonifikation |
Abfindung |
Summe |
Summe der Einkünfte |
2006 |
106.817,00 |
92.663,00 |
||||
2007 |
123.385,00 |
109.953,00 |
||||
2008 |
142.508,00 |
132.226,00 |
||||
2009 |
122.696,00 |
113.815,00 |
||||
2010 |
73.515,00 |
13.680,00 |
89.594,00 |
176.789,00 |
172.491,00 |
|
2011 |
durch neuen Arbeitgeber 30.000,00 |
__ |
__ |
84.000,00 |
114.000,00 |
114.410,00 |
Außerdem erhielt der Kläger im Streitjahr 2011 Arbeitslosengeld von 6.781,50 Euro.
24Im Bescheid für 2011 über Einkommensteuer setzte der Beklagte die Entschädigung als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an, ohne sie ermäßigt zu besteuern, da die Entschädigung zusammen mit den Einnahmen aus dem neuen Dienstverhältnis die Vorjahreseinnahmen nicht überstieg. Eine Zusammenballung von Einkünften sei somit nicht gegeben. Das Arbeitslosengeld von 6.781,00 Euro wurde nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in die Berechnung des Steuersatzes mit einbezogen (Progressionsvorbehalt).
25Den dagegen am 25.05.2012 eingelegten Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 24.05.2013 als unbegründet zurück.
26Mit der am 27.06.2013 erhobenen Klage machen die Kläger geltend, dass die Summe der Einkünfte des Jahres 2011 – bestehend aus Abfindung, regulärem Arbeitslohn und weiteren Einkünften – und das erhaltene Arbeitslosengeld eine Zusammenballung von Einnahmen im Sinne der Rechtsprechung in § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG i. V. m. § 24 Nr. 1 EStG darstelle, da die vorgenannten Beträge (= 121.191,00 Euro) die bei regulärer Fortsetzung des Arbeitsverhältnis zu erzielenden Einkünfte überstiegen. Für diesen Vergleich sei nicht das tatsächlich im Jahre 2010 gezahlte Gehalt von 176.789,00 Euro maßgeblich, da hier ein Sonderbonus gezahlt worden sei.
27Vielmehr sei – wie es schon der Beklagte in der Einspruchsentscheidung gemachthabe – als Vergleichsgröße der Durchschnitt der Summe der Einkünfte der Jahre 2006 bis 2009 mit 112.164,25 Euro heranzuziehen. Dieser Betrag werde – wenn auch nur geringfügig – durch die Summe der Einkünfte des Jahres 2011 auch ohne Einbeziehung des Arbeitslosengeldes überschritten.
28Stelle man auf den Durchschnitt der Summe der Einkünfte aus den letzten 3 Jahren vor dem Streitjahr 2011 ab, müsse aus dem Jahresgehalt für 2010 ein Sonderbonus von 64.895,00 Euro herausgerechnet werden, da durch die Vereinbarung vom 14.04./08.05.2008 über die „Bezügeregelung/Aufwandserstattung für das Jahr 2008“ ab dem 01.01.2008 eine neue Vereinbarung bezüglich der Gehaltshöhe und Boni getroffen worden sei. Dass demgegenüber tatsächlich in 2010 ein höherer Bonus – wie im Aufhebungsvertrag vereinbart – gezahlt worden sei, müsse als Sonderregelung betrachtet werden. Ziehe man vom gezahlten Bruttolohn des Jahres 2010 den Sonderbonus ab, verblieben als durchschnittliche Summe der Einkünfte 117.879,00 Euro; dieser Betrag liege ebenfalls unter den Gesamtzahlungen von 121.191,00 Euro (incl. Arbeitslosengeld), die der Kläger im Streitjahr erhalten habe.
29Die Kläger beantragen,
30unter Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für 2011 im Bescheid vom 08.05.2012 und Änderung der Einspruchsentscheidung vom 24.05.2011 die Entlassungsentschädigung in Höhe von 84.000,00 Euro ermäßigt zu besteuern und die Einkommensteuer für 2011 auf 431,00 Euro festzusetzen,
31hilfsweise, die Revision zuzulassen.
32Der Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Eine Zusammenballung von Einkünften sei nur gegeben, wenn der Steuerpflichtige unter Einschluss der Entschädigung in Folge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt mehr erhalte, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge, erhalten hätte. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt, weil die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Entschädigung die bis zum Ende des Veranlagungszeitraums entgehenden Einnahmen nicht übersteige. Da der Kläger durchschnittlich in den Jahren 2006 bis 2009 123.851,00 Euro als Arbeitslohn bezogen habe, werde dieser Betrag durch die gezahlte Abfindung von 84.000,00 Euro auch unter Berücksichtigung der neuen Tätigkeit bei der S GmbH (Zahlung von 30.000,00 Euro in 2011) nicht überschritten.
35Bezüglich der Erörterung und der mündlich Verhandlung in der Sache wird auf die Protokolle vom 26.02. / 16.03.2015 Bezug genommen.
36Entscheidungsgründe
37Die Klage ist unbegründet, da der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanz-gerichtsordnung (FGO). Zutreffend hat das beklagte Finanzamt die Voraussetzungen einer als außerordentliche Einkünfte begünstigt zu besteuernden Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG verneint.
38I. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die auf außerordentliche Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 Satz 2 bis 4 EStG (Fünftel-Regelung) zu berechnen. Als außerordentliche Einkünfte kommen nur die in § 34 Abs. 2 EStG aufgeführten Einkünfte in Betracht. Das bedeutet aber nicht, die – hier im Streitjahr vereinnahmte – Entschädigung (§ 24 Nr. 1 EStG) sei ohne weiteres ermäßigt zu besteuern. Vielmehr ist der Wortlaut des § 34 Abs. 2 EStG entsprechend dem Normzweck, die Auswirkung des progressiven Tarifs abzuschwächen, auf solche Einkünfte zu beschränken, die „zusammengeballt“ zufließen. Davon ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) auszugehen, wenn der Steuerpflichtige in Folge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum einschließlich der Entschädigung insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge, erhalten hätte (vgl. nur BFH-Urteil vom 08.04.2014 – IX R 33/13, BFH/NV 2014, 1358, m. w. N. zur bisherigen Rechtsprechung).
39Dafür seien – so der BFH – im Rahmen einer Vergleichsberechnung zwei Größen einander gegenüberzustellen: Die „Ist-Größe“, also das, was der Steuerpflichtige in dem betreffenden Veranlagungszeitraum (Streitjahr) einschließlich der Entschädigung insgesamt erhält, und die „Soll-Größe“, nämlich die Einkünfte, die der Steuerpflichtige bei ungestörter Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses erhalten hätte. Übersteige die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlte Entschädigung die bis zum Ende des Veranlagungszeitraums entgehenden Einnahmen nicht, sei das Merkmal der Zusammenballung von Einkünften nur erfüllt, wenn der Steuerpflichtige weitere Einnahmen habe, die er bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht erzielt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 04.03.1998 – XI R 46/97, BStBl. II 1998, 787; ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 01.11.2013, BStBl. I 2013, 1326, Rdnr. 10).
40Nach dem Normzweck sei – so der BFH – im Rahmen der Vergleichsberechnung zur Ermittlung der „Ist-Größe“ nicht die Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder die Art der vereinnahmten Einkünften im Streitjahr maßgebend, sondern die potentielle progressionssteigernde Wirkung der tatsächlich bezogenen Einkünfte (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1358, m. w. N. zur bisherigen Rechtsprechung).
41Dieser Rechtsprechung, die teilweise Zustimmung in der Literatur gefunden hat (Schmidt/Wacker, EStG, 33. Auflage, § 34 Rdnr. 15; Seitz, DStR 1998, 1377) folgt der Senat nicht, da sie dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in seiner Ausgestaltung durch die Abschnittsbesteuerung widerspricht. Eine solche Auslegung würde auch das in Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verankerte der Gebot der Gleichbehandlung gleicher steuerlicher Lebenssachverhalte verletzen.
42Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu § 10d Abs. 4 EStG 1976 ausgeführt hat, besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 EStG) und dem Grundsatz des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips. Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, aufgrund dessen für jeden Steuerabschnitt die Grundlagen der Besteuerung alljährlich neu festzustellen und damit die Sachverhalte wie die Rechtslage neu zu prüfen sind, schafft Überschaubarkeit und Klarheit bzgl. des Sachverhaltes und der anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften. Insoweit hat der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht nur Bedeutung für den Steuerpflichtigen, für den staatliches Verhalten weitestgehend messbar und vorhersehbar ist, sondern auch für die Verwaltung, die einer umfassenden rechtlichen Kontrolle unterstellt ist und deshalb alsbald rechtskräftige oder bestandskräftige Entscheidungen benötigt, um nicht handlungsunfähig zu werden. Demgegenüber ist das Nettoprinzip Ausdruck der materiellen Richtigkeit eines Steueranspruchs, welcher an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sein muss (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 22.07.1991 – 1 BvR 313/88, DStR 1991, 1278).
43Rechtssicherheit und materielle Gerechtigkeit sind wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips. Beide Forderungen können – wie auch sich in diesem Fall zeigt – miteinander in Widerstreit geraten. Hier ist es Aufgabe des Gesetzgebers, einen solchen Widerstreit zu entscheiden. Geschieht dies ohne Willkür, so kann die vom Gesetzgeber gewählte Regelung nicht beanstandet werden (so BVerfG in DStR 1991, 1278).
44Eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals „außerordentliche Einkünfte“ im § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG hat diese verfassungsrechtlichen Grundsätze zu beachten. Außerordentliche Einkünfte liegen daher nicht schon deshalb vor, wenn die Höhe der Einkünfte im Vergleich zu einem anderen Veranlagungszeitraum höher oder besonders hoch ist. Denn dass in verschiedenen Veranlagungszeiträumen anfallende unterschiedlich hohe Einkünfte zu unterschiedlich hohem zu versteuernden Einkommen und damit aufgrund der Progression auch zu relativ unterschiedlich hohen Steuerbelastungen führen, ist der Normalfall und Ausfluss des immer bestehenden Spannungsverhältnisses zwischen dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung und dem Grundsatz des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips.
45Ist daher das zu versteuernde Einkommen in einem Veranlagungszeitraum im Vergleich zum vorausgehenden Veranlagungszeitraum höher, so ist eine begünstigte Besteuerung des höheren zu versteuernden Einkommens nur aufgrund solcher Tatbestände gerechtfertigt, die gesetzlich definiert sind und diesen Prinzipien entsprechen.
46Dabei ist auch auf den Gesetzeszweck abzustellen, der seinen Niederschlag in den Gesetzesmaterialien gefunden hat. So wurde zur Gesetzesbegründung des § 34 EStG ausgeführt, dass die unterschiedslose Behandlung von laufenden und außerordentlichen Einkünften zu Härten führen kann, wenn laufend bezogene Einkünfte mit außerordentlichen Einkünften zusammentreffen. Der progressive Einkommensteuer-tarif führt in solchen Fällen zu erhöhten Steuerbelastungen, ohne dass eine nachhaltige Erhöhung der Leistungsfähigkeit eingetreten ist. § 34 EStG schaffte nach bislang geltendem Recht insoweit Abhilfe, als die außerordentlichen Einkünfte mit dem halben Durchschnittssteuersatz besteuert wurde. Da diese (alte) Regelung Steuerpflichtige begünstigte, die aufgrund ihrer Einkommen regelmäßig dem Spitzensteuersatz unterliegen, und damit weit über das bezweckte Ziel hinaus ging, wurde die Fünftelungsregelung eingeführt (BT-Drs. 14/23 Seite 183).
47Eine Entschädigung im Sinne des § 34 Abs. 2 Satz 2 EStG i. V. m. § 24 Nr. 1 EStG führt daher nur dann zu einer ermäßigten Besteuerung, wenn die Entschädigung in Bezug auf das beendete Arbeitsverhältnis, d. h. im Vergleich zur ungestörten Fortsetzung dieses Arbeitsverhältnisses, zu einer ansonsten nicht eintretenden Progressionssteigerung führen würde. Maßgeblich ist daher, was der Steuerpflichtige bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ohne Auszahlung der Entschädigung erhalten hätte. Denn Grund für eine privilegierte ermäßigte Besteuerung der Entschädigung ist deren nichtperiodengerechte Auszahlung. Wird also eine Entschädigung gezahlt, die den üblichen Jahreslohn übersteigt oder die zusammen mit dem vom bisherigen Arbeitgeber ausgezahlten Arbeitslohn den üblichen Jahresarbeitslohn übersteigt, wirkt sich die nichtperiodengerechte Auszahlung der Entschädigung steuerschärfend aus und rechtfertigt eine ermäßigte Besteuerung nach §§ 34, 24 EStG. Wird die Entschädigung aber – wie hier – nach Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses ausbezahlt und übersteigt die Entschädigung – wiehier – nicht die Höhe eines Jahreslohnes, so liegt kein Fall nach Progressionssteigerung aufgrund nichtperiodengerechte Auszahlung der Entschädigung vor (gleich Ansicht Sieker in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, EStG, Mai 2011, § 34 Anmerkung B 90).
48Erzielt ein Steuerpflichtiger, der aufgrund einer Entschädigungsvereinbarung seine Arbeitskraft seinem bisherigen Arbeitgeber gegenüber nicht mehr zur Verfügung zu stellen hat, in dieser freien Zeit andere Einkünfte – sei es durch Aufnahme einer neuen nichtselbständigen oder selbständigen Tätigkeit –, so können diese neuen Einkünfte zusammen mit der Entschädigung zu einem zu versteuernden Einkommen führen, das über dem zu versteuernden Einkommen im vorausgegangenen Veranlagungszeitraum liegt. Ursächlich für dieses höhere zu versteuernde Einkommen und die dadurch eintretende höhere Progression ist aber nicht die nichtperiodengerechte Auszahlung der Entschädigung durch seinen früheren Arbeitgeber, sondern der neue selbständige Entschluss, weitere steuerpflichtige Einnahmen zu erwirtschaften.
49Die vom BFH gefundene Auslegung der außerordentlichen Einkünfte als bloße Zusammenballung von Entschädigungen mit anderen Einkünften würde auch zu gleichheitswidrigen Ergebnissen, wie nachfolgendes Beispiel zeigt, führen.
50Ein Steuerpflichtiger erhält im Jahr 01 Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG von 100.000,00 Euro. Wegen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum Ende des Jahres 01 wird ihm im Jahr 02 eine Entschädigung in Höhe der Hälfte des Vorjahreslohnes gezahlt. Im Jahre 02 schließt er ein neues Arbeitsverhältnis mit einem Jahreslohn von 100.000,00 Euro ab. Würde er nunmehr das neue Dienstverhältnis erst zum 01.07. des Jahres 02 antreten, hätte er zusammen mit der Entschädigung – wie im Vorjahr 01 – 100.000,00 Euro. Nach der BFH-Rechtsprechung läge in diesem Fall keine Zusammenballung vor.
51Aufgrund der Beendigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses zum Ablauf des 31.12. des Jahres 01 ist er aber in der Lage, schon zum 01.01. des Jahres 02 das neue Arbeitsverhältnis anzutreten und aus diesem neuen Arbeitsverhältnis 100.000,00 Euro zu beziehen. In diesem Fall würde er insgesamt 150.000,00 Euro im Jahre 02 erzielen. Nach der Rechtsprechung des BFH wären bei dieser Konstellation davon 50.000,00 Euro ermäßigt zu besteuert.
52Die erhöhten Gesamteinkünfte sind hier aber nicht ursächlich Ausfluss des bisherigen Dienstverhältnisses, sondern Folge der freien Entscheidung des Steuerpflichtigen schon in der durch Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses freigewordenen Zeit, für die auch eine Entschädigung gezahlt wird, zusätzlich erneut wieder tätig zu werden.
53Der Senat teilt daher auch nicht die in den Beispielen des Bundesfinanzministeriums im Schreiben vom 01.11.2013 (BStBl. I 2013, 1326) vertretene Auffassung, dass eine Zusammenballung von Einkünften als außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 EStG schon dann vorliegt, wenn die Entschädigung zusammen mit weiteren neuen Einkünften, die nicht Ausfluss des bisherigen aufgelösten Arbeitsverhältnisses sind, den Vorjahreslohn übersteigt.
54Bei nach Auffassung des Senats verfassungsgemäßer Auslegung des § 34 EStG ist daher die im Streitjahr gezahlte Entschädigung von 84.000,00 Euro bereits deshalb nicht nach §§ 34, 24 EStG ermäßigt zu besteuern, weil sie weder den Arbeitslohn des Jahres 2010 (brutto 176.789,00 Euro) noch den durchschnittlichen Arbeitslohn bzw. die durchschnittliche Summe der Einkünfte der letzten drei Jahre vor dem Streitzeitraum (147.331,00 Euro bzw. 139.510,66 Euro), worauf der BFH bei schwankender Lohnhöhe abstellt, übersteigt.
55II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
56III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.