Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines auf §§ 3 und 4 des Gesetzes über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens – (AnfG) gestützten Duldungsbescheides.
3Die Ehefrau des Klägers war Geschäftsführererin der Komplementär-GmbH der P & Sohn GmbH & Co. KG (KG) mit der Anschrift T- Straße 1 in X-Stadt.
4Der Beklagte nahm die Ehefrau des Klägers mit Haftungsbescheid vom 22.08.2002, zunächst für die Umsatzsteuerschulden der KG für die Voranmeldungszeiträume November 2001 bis April 2002 einschließlich der insoweit verwirkten Säumniszuschläge in Haftung. Der an die Ehefrau des Klägers gerichtete Haftungsbescheid, in dessen Anschriftenfeld als deren Anschrift die T- Straße 1, X-Stadt genannt ist, wurde am 26.08.2002 zugestellt, indem der Zusteller die Sendung der Ehefrau des Klägers unter der im Haftungsbescheid genannten Zustellanschrift persönlich übergab.
5Wegen der vorgenannten Haftungsschulden der Ehefrau des Klägers erteilte der Beklagte seinem Vollziehungsbeamten am 17.10.2002 einen Vollstreckungsauftrag. Ausweislich einer Niederschrift über die Verweigerung der Durchsuchung vom 18.10.2002 forderte der Vollziehungsbeamte des Beklagten die Ehefrau des Klägers unter Vorzeigen des Vollstreckungsauftrags vergeblich sowohl zur Leistung als auch dazu auf, ihm ihre bewegliche Habe vorzuzeigen und eine Durchsuchung zu gestatten.
6Mit zweitem Haftungsbescheid vom 13.11.2002 nahm der Beklagte die Ehefrau des Klägers wegen weiterer Umsatzsteuerschulden der KG für die Voranmeldungs-zeiträume Mai 2002 und Juni 2002 in Anspruch. Der gleichfalls an die Ehefrau des Klägers gerichtete Haftungsbescheid, in dessen Anschriftenfeld als deren Anschrift ebenfalls die T- Straße 1, X-Stadt genannt ist, wurde am 15.11.2002 zugestellt, indem der Zusteller auch diese Sendung der Ehefrau des Klägers unter der im Haftungsbescheid genannten Zustellanschrift persönlich übergab.
7Am 03.03.2004 erließ der Beklagte gegen den Kläger eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung (zugestellt am 05.03.2004), mit der der Beklagte wegen der zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig getilgten Haftungsschulden der Ehefrau des Klägers Forderungen aus einem Kaufvertrag vom 06.02.2004 pfändete. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wurde der Ehefrau des Klägers mit Schreiben vom 15.03.2004 zur Kenntnis übersandt.
8Da die Haftungsschulden der Ehefrau des Klägers auch in der Folgezeit nicht vollständig erfüllt wurden, kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 08.10.2009 (zugestellt an die Wohnungsadresse der Ehefrau des Klägers am 10.10.2009) gegenüber der Ehefrau des Klägers hinsichtlich der zu diesem Zeitpunkt noch offenen Haftungsschulden die Vollstreckung an. In dieser Vollstreckungsankündigung wurde die Ehefrau des Klägers zur Zahlung der zu diesem Zeitpunkt noch rückständigen Beträge bis zum 19.10.2009 aufgefordert. Die Ankündigung blieb gegenüber dem Beklagten ohne Reaktion der Ehefrau des Klägers.
9Die Ehefrau des Klägers übertrug diesem allerdings sodann mit Vertrag vom 15.11.2010 Grundbesitz, nämlich die im Grundbuch von X-Stadt, Gemarkungen X-Stadt, Blatt 1 (Flur 1, Flurstücke 11, 12, 13 und 14), Blatt 2 (Flurstücke 21 und 22) sowie Blatt 3, Flurstück 31 eingetragenen Grundstücke. Als Gegenleistung hierfür übernahm der Kläger die den in Abteilung III eingetragenen Grundpfandrechten zugrunde liegenden Valuta in Höhe von ca. 267.000 €. Allein die im Grundbuch von X-Stadt eingetragenen Flurstücke zu den Blättern 1 und 2 hatten einen Wert von 770.000 €.
10Ausweislich eines von der Ehefrau des Klägers am 17.01.2011 vor dem Amtsgericht C-Stadt abgegebenem Vermögensverzeichnisses verfügte sie nach der Übertragung des Grundbesitzes neben Rentenanwartschaften über keine nennenswerten Vermögensgegenstände mehr. Auch hatte sie keine laufenden Einkünfte.
11Mit Duldungsbescheid vom 12.11.2012, der noch am selben Tag mit einfachem Brief zur Post gegeben wurde und auf dessen Inhalt einschließlich seiner Anlage Bezug genommen wird, nahm der Beklagte den Kläger in Anspruch. Er focht gemäß § 191 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. §§ 3 und 4 AnfG die Übertragung der Grundstücke von der Ehefrau des Klägers auf diesen an und machte einen gesetzlichen Rückgewähranspruch nach § 11 AnfG in Höhe von 60.170,63 € geltend.
12Den hiergegen vom Kläger eingelegten --insbesondere auf Zahlungsverjährung gestützten-- Einspruch (Eingang beim Beklagten: 10.12.2012) verwarf der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 18.03.2013 als unzulässig. Im Wesentlichen führte der Beklagte aus, dass er --der Beklagte-- durch Abrechnungsbescheid entscheide, wenn Streit über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, wie insbesondere bei dem hier vorliegenden Streit über den Eintritt der Zahlungsverjährung, bestehe. Da bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung ein Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides nicht gestellt worden sei, könne die Frage der Zahlungsverjährung nicht im Einspruchsverfahren gegen den Duldungsbescheid geklärt werden. Daher sei der Einspruch unzulässig. Die Verjährung der Haftungsschulden sei durch eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 03.03.2004 und eine Vollstreckungsankündigung vom 08.10.2009 unterbrochen worden.
13Hiergegen erhob der Kläger mit bei Gericht am 18.04.2013 eingegangenem Schriftsatz Klage.
14Nachdem der Kläger mit beim Beklagten am 19.04.2013 eingegangenem Schreiben vom 18.04.2013 unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 18.03.2013 die Erteilung eines Abrechnungsbescheides beantragt hatte, hat der Beklagte am 27.05.2013 gegenüber dem Kläger einen Abrechnungsbescheid über die Haftungsschulden der Ehefrau des Klägers erlassen, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Der Kläger hat gegen den Abrechnungsbescheid keinen Einspruch eingelegt.
15Während des Klageverfahrens hat der Beklagte am 18.06.2013 die --sodann noch in 2013 erfolgte-- Eintragung von Sicherungshypotheken in die mit Vertrag vom 15.11.2010 übertragenen Grundstücke (Grundbuch von X-Stadt, Blätter 111 und 222) veranlasst.
16Der Kläger stützt seine Klage darauf, dass es bereits an einer ordnungsgemäßen Zustellung der Haftungsbescheide an die Ehefrau des Klägers fehle. Diese habe niemals unter der Adresse gewohnt, an die die Haftungsbescheide vom 22.08.2002 bzw. vom 13.11.2002 zugestellt worden seien. Die Adresse, an die die Haftungsbescheide gegangen seien, sei die Anschrift der KG gewesen. Weder im August 2002 noch im November 2002 sei die Ehefrau des Klägers unter der Anschrift zu erreichen gewesen.
17Er --der Kläger-- bestreite mit Nichtwissen, dass die Haftungsbescheide vom 22.08.2002 und vom 13.11.2002 bestandskräftig geworden seien.
18Auch sei der Abrechnungsbescheid vom 27.05.2013 nicht an seine --des Klägers-- Ehefrau, sondern zu Unrecht an ihn erteilt worden. Daher habe er ihm gegenüber nicht bestandskräftig werden können. Er --der Kläger-- habe nur ein Informationsrecht zum Bestand der Hauptschulden; überdies sei er nicht der Zahlungspflichtige, sondern nur der Duldungspflichtige. Der Duldungsbescheid sei im Gegensatz zum Haftungsbescheid nicht Grundlage der Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis. Der Anspruch gegen ihn als Anspruchsgegner sei kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis. Ihm --dem Kläger-- gegenüber sei als Anfechtungsgegner kein Abrechnungsbescheid zu erteilen, so dass er auch nicht „Rechtsmittel“ einlegen müsse. Im stehe insoweit auch kein „Einspruchsrecht“ zu. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus seinem Schreiben vom 18.04.2013, mit dem er zwar darum gebeten habe, einen Abrechnungsbescheid zu erteilen, damit jedoch gerade nicht zum Ausdruck gebracht habe, der Abrechnungsbescheid müsse ihm persönlich erteilt werden.
19Überdies sei Zahlungsverjährung eingetreten. Die Forderungen des Beklagten würden allesamt aus dem Jahr 2002 resultieren, weshalb wegen der 5-jährigen Verjährungsfrist bereits Ende 2007 Zahlungsverjährung eingetreten sei. Er --der Kläger-- bestreite, dass der Beklagte in den Jahren 2004 und 2007 Vollstreckungsversuche unternommen habe.
20Soweit der Beklagte am 17.10.2002 einen Vollstreckungsauftrag erteilt habe, beziehe sich dieser nur auf die Umsatzsteuerschulden der KG für die Voranmeldungszeiträume Dezember 2001 bis April 2002 und nicht auf die Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume Mai 2002 und Juni 2002.
21Zwar habe der Beklagte durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 03.03.2004 einen Vollstreckungsversuch unternommen, der die Verjährung habe unterbrechen können. Allerdings habe die Vollstreckungsankündigung vom 08.10.2009 nicht zu einer Verjährungsunterbrechung führen können, da es sich hierbei nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme gehandelt habe. Auch würden die in dieser Vollstreckungsankündigung geforderten Beträge weder den in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 03.03.2004 noch in der Vollstreckungsankündigung vom 08.10.2009 entsprechen.
22Der Kläger beantragt,
23den Duldungsbescheid vom 12.11.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.03.2013 aufzuheben.
24Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Es sei zulässig und geboten gewesen, den Abrechnungsbescheid vom 27.05.2013 gegenüber dem Kläger zu erteilen. Denn als Anfechtungsgegner habe dieser ein berechtigtes Interesse an der Erteilung des Abrechnungsbescheids gehabt. Dies sei seinerzeit offenbar auch die Rechtsansicht des Klägers bei der Beantragung des Abrechnungsbescheides gewesen. Zudem sei der Abrechnungsbescheid auch deshalb zulässigerweise an den Kläger adressiert gewesen, weil der streitbefangene Duldungsbescheid auf den Haftungsschulden seiner Ehefrau basiere und diesem etwa bei einer --hier streitigen-- Zahlungsverjährung seine Grundlage entzogen wäre. Denn der Sinn der Erteilung eines Abrechnungsbescheides bestehe darin, über Streitigkeiten im Hinblick auf die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis zu entscheiden und dem Zahlungspflichtigen, hier dem Kläger, über den Rechtsbehelf des Einspruchs gegen diesen Bescheid die Möglichkeit zu geben, seine Einwendungen gegen die Inhalte dieses Bescheides geltend zu machen. Insoweit weise er --der Beklagte-- das Argument des Klägers, er sei nicht zur Einlegung eines Einspruchs gegen den Abrechnungsbescheid befugt gewesen, als Schutzbehauptung zurück. Vielmehr dränge sich ihm --dem Beklagten-- der Eindruck auf, der Kläger suche eine Möglichkeit, die Einrede der Verjährung geltend zu machen, obwohl er den Abrechnungsbescheid habe bestandskräftig werden lassen.
27Der Kläger habe die Einwendung der Zahlungsverjährung nicht im Rahmen des streitbefangenen Duldungsbescheids, sondern nur im Rahmen eines Einspruchs gegen den Abrechnungsbescheid vom 27.05.2013 geltend machen können. Wegen der Bestandskraft dieses Abrechnungsbescheids seien ihm diese Einwendungen jedoch nicht mehr möglich.
28Aber selbst wenn dem Kläger noch die Befugnis zustehen sollte, die Einrede der Verjährung geltend zu machen, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn er --der Beklagte-- habe neben den im Abrechnungsbescheid genannten verjährungsunterbrechenden Maßnahmen noch im Jahr 2013 die Eintragung von Sicherungshypotheken in die Grundbücher der betroffenen Grundstücke veranlasst.
29Das Verfahren ist mit Beschluss vom 02.07.2015 gemäß § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf den Einzelrichter übertragen worden.
30Am 27.07.2015 hat eine mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
31Entscheidungsgründe
32Die Klage ist unbegründet
33Der streitbefangene Duldungsbescheid ist dem Grunde und der Höhe nach materiell rechtmäßig.
341. Nach § 191 Abs. 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dazu zählen auch die Fälle, in denen einem Gläubiger zur Befriedigung seiner Forderungen das zur Verfügung gestellt werden muss, was durch anfechtbare Rechtshandlungen aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Gleiches gilt, wenn der Anfechtungsgegner den in anfechtbarer Weise aus dem Schuldnervermögen ausgeschiedenen Gegenstand nicht in Natur zurückgewähren kann und wenn er deshalb verpflichtet ist, Wertersatz zu leisten (§ 11 Abs. 1 AnfG).
35Bei der Entscheidung über die Inanspruchnahme nach § 191 Abs. 1 AO hat das Finanzamt zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung erfüllt sind. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO die vom Finanzamt zu treffende Ermessensentscheidung i.S. des § 5 AO an, ob und ggf. wen es als Duldungsverpflichteten in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung) überprüfbar (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11.03.2004 - VII R 52/02, BFHE 205, 14, BStBl II 2004, 579, m.w.N.).
362. Der Kläger ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG zur Duldung der Vollstreckung in den übertragenen Grundbesitz verpflichtet. Denn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass des Duldungsbescheids gem. § 191 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 3 und 4 AnfG liegen vor, so dass der Beklagte die Grundstücksveräußerung von der Ehefrau des Antragstellers auf diesen wirksam und ohne Ermessensfehler angefochten hat.
37a) Der Beklagte war Anfechtungsberechtigter i.S. des § 2 AnfG.
38Denn ihm stand gegenüber der Ehefrau des Klägers eine Haftungsforderung in Höhe von 60.170,63 € zu.
39aa) Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger mit Abrechnungsbescheid vom 27.05.2013 bestandskräftig festgestellt hat, dass zu diesem Zeitpunkt noch in entsprechender Höhe fällige Haftungsschulden von dessen Ehefrau bestehen.
40(1) Denn der Abrechnungsbescheid enthält bindende Feststellungen hinsichtlich der einzelnen in dem Bescheid angeführten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Abrechnungsbescheide entscheiden nach § 218 Abs. 2 AO über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen; sie entscheiden insbesondere darüber, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung erloschen ist, d.h. u.a. die zwischen hier zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob Verjährung eingetreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 21.11.2006 - VII R 68/05, BFHE 215, 70, BStBl II 2007, 291).
41(2) Dahinstehen kann, ob der Abrechnungsbescheid gegenüber dem Kläger ergehen durfte.
42Selbst wenn der Inhalt des Abrechnungsbescheides rechtswidrig gewesen sein sollte, ist er wirksam geworden. Denn ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Verwaltungsakt wird nach § 124 Abs. 1 Satz 2 AO mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird. Mithin enthält der Abrechnungsbescheid vom 27.05.2013 mit bindender Wirkung gegenüber dem Kläger die Feststellung, dem Beklagten stehe gegen die Ehefrau des Klägers nach wie vor ein fälliger und durchsetzbarer Haftungsanspruch in Höhe von 60.170,63 € zu.
43Gründe dafür, dass der Abrechnungsbescheid unwirksam ist, sind vom Kläger weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Der wirksam bekannt gegebene Abrechnungsbescheid ist daher mit seinem Inhalt auch bestandskräftig geworden, da der Kläger hiergegen keinen Einspruch eingelegt hat.
44Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, ihm habe gegen den Bescheid ein „Einspruchsrecht“ nicht zugestanden, geht dies fehl. Denn nach § 350 AO ist zur Einlegung eines Einspruchs befugt, wer geltend macht, durch einen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein, weshalb jedenfalls auch der Adressat eines Verwaltungsakts, hier also der Kläger, eine Rechtsverletzung durch den an ihn gerichteten Verwaltungsakt hätte geltend machen können (vgl. BFH-Beschluss vom 24.03.1999 - I B 113/98, BFH/NV 1999, 1314, m.w.N.).
45(3) Da aus vorgenannten Gründen gegenüber dem Kläger durch den Abrechnungsbescheid vom 27.05.2013 verbindlich festgestellt worden ist, dass in der dort genannten Höhe Haftungsschulden seiner Ehefrau (noch immer) bestehen, ist der Kläger mit dem dagegen erhobenen Einwand nicht (mehr) zu hören.
46bb) Unabhängig davon, dass der Beklagte die Haftungsschulden mit Abrechnungsbescheid vom 27.05.2013 bestandskräftig festgestellt hat, sind die Haftungsbescheide vom 22.08.2002 und vom 13.11.2002 aber auch wirksam zugestellt worden; überdies hat der Beklagte verjährungsunterbrechende Maßnahmen unternommen.
47(1) Entgegen der Ansicht des Klägers sind die beiden Haftungsbescheide im Jahr 2002 an seine Ehefrau wirksam zugestellt worden.
48Zwar trifft es zu, dass die Klägerin nicht unter der in den Haftungsbescheiden jeweils genannten Adressen wohnhaft war. Gleichwohl ist die Zustellung ausweislich der jeweiligen Postzustellungsurkunden unter der Adresse der KG, von deren Komplementär-GmbH die Ehefrau des Klägers Geschäftsführerin war, zugestellt worden. Die Zustellung eines Schriftstückes durch die Post mit Zustellungsurkunde kann aber nach § 3 Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes --VwZG-- i.V.m. § 177 der Zivilprozessordnung der Person, der zugestellt werden soll, --wie hier geschehen-- an jedem Ort übergeben werden, an dem sie --wie es hier der Fall war-- angetroffen wird. Dabei kann offenbleiben, ob die Zustellung der an die Ehefrau des Klägers gerichteten Haftungsbescheide an die Adresse der KG, von deren Komplementär-GmbH die Ehefrau des Klägers Geschäftsführerin war, einen Fehler in der formgerechten Zustellung bzw. die Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften begründet. Denn für diesen Fall würden die Haftungsbescheide nach § 8 VwZG in den Zeitpunkten als zugestellt gelten, in denen sie der Ehefrau des Klägers als Empfangsberechtigter tatsächlich zugegangen waren, hier also durch Übergabe an die Ehefrau des Klägers am 26.08.2002 und am 15.11.2002.
49(2) Überdies hat der Beklagte --anders als es der Kläger meint-- die Verjährung unterbrochen.
50Dies geschah zunächst durch die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 03.03.2004 --eine verjährungsunterbrechende Maßnahme i.S. des § 231 Abs. 2 AO (Vollstreckungsmaßnahme)--, sodann durch die Vollstreckungsankündigung vom 08.10.2009 --zwar keine Vollstreckungsmaßnahme i.S. des § 231 Abs. 2 AO, sondern nur die Ankündigung einer solchen, jedoch eine verjährungsunterbrechende Maßnahme nach § 231 Abs. 1 AO (schriftliche Geltendmachung des Anspruchs)-- sowie zuletzt durch die Eintragung der Sicherungshypotheken im Jahr 2013 (Vollstreckungsmaßnahme i.S. des § 231 Abs. 2 AO). Durch diese Maßnahmen wurde die Verjährung der zu dem jeweiligen Zeitpunkt rückständigen Haftungsschulden (Haftungsschulden für Umsatzsteuer sowie für die zu diesen Zeitpunkten jeweils verwirkten Säumniszuschläge) unterbrochen mit der Folge, dass mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Unterbrechung geendet hat (hier Ablauf der Jahre 2004, 2009 und 2013), jeweils eine neue 5-jährige Verjährungsfrist (vgl. § 228 Satz 2 AO) begann (§ 231 Abs. 3 AO); mithin ist die die Verjährung jedenfalls noch bis zum Ablauf des Jahres 2018 unterbrochen. Damit war auch zum Zeitpunkt des Ergehens des Duldungsbescheides am 12.11.2012 eine Verjährung nicht eingetreten.
51b) Die Grundstücksübertragung durch den notariell beurkundeten Vertrag vom 15.11.2010 stellt zudem eine Rechtshandlung dar, die zu einer objektiven und unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 1 AnfG führte.
52Denn indem die Ehefrau des Klägers das Grundstück auf diesen übertragen hatte, war es der Zwangsvollstreckung des Beklagten entzogen. Dieser Nachteil wurde auch nicht durch die Vereinbarung der Gegenleistung, nämlich der Übernahme der Grundschulden in Höhe von rund 267.000 € kompensiert. Diese Gegenleistung stellt keine gleichwertige Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks dar, da dieses einen Wert von zumindest 770.000 € hatte.
53c) Zutreffend hat der Beklagte auch die Voraussetzungen des § 3 AnfG bejaht.
54aa) Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 AnfG ist anfechtbar ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138 Insolvenzordnung --InsO--) geschlossener Vertrag, durch den seine Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor der Anfechtung geschlossen worden ist oder wenn dem Erwerber zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AnfG). Nach § 3 Abs. 2 AnfG muss das anfechtende Finanzamt nur vortragen, dass der Schuldner mit einer ihm nahestehenden Person i.S. des § 138 InsO innerhalb von zwei Jahren vor der Anfechtung einen --entgeltlichen-- Vertrag geschlossen hat; der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners sowie die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon werden gesetzlich vermutet (vgl. BFH-Beschluss vom 10.06.2008 - VII B 117/07, BFH/NV 2008, 1855, m.w.N.).
55bb) Die Anfechtung ist fristgerecht innerhalb von zwei Jahren nach der Grundstücksübertragung am 15.11.2010, nämlich durch den mit einfachem Brief zur Post gegebenen Duldungsbescheid vom 12.11.2012 (Bekanntgabe gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1, 108 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs am Donnerstag, den 15.11.2012) worden.
56Auch die subjektiven Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 AnfG, nämlich Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis beim Erwerber liegen vor. Denn der Beklagte hat --entsprechend der in § 3 Abs. 2 Satz 2 AnfG enthaltenen Umkehr der Feststellungslast-- im streitbefangenen Duldungsbescheid dargetan, dass die Übertragung des Grundstücks an die Ehefrau des Klägers und mithin an eine nahestehende Person i.S. des § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfolgte. Konkrete Anhaltspunkte, die auf eine Unkenntnis des Klägers von der wirtschaftlichen Situation seiner Ehefrau und ihres Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes schließen lassen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
57d) Überdies sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AnfG erfüllt.
58aa) Anfechtbar ist nach § 4 Abs. 1 AnfG eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden.
59bb) Diese Voraussetzungen lagen ebenfalls vor.
60(1) Die Leistung der Ehefrau des Klägers war unentgeltlich i.S. des § 4 Abs. 1 AnfG.
61(a) Der Zweckgedanke des § 4 AnfG erfordert eine weite Auslegung des Begriffs der unentgeltlichen Leistung (vgl. BFH-Urteil vom 14.07.1981 - VII R 49/80, BFHE 133, 501, BStBl II 1981, 751). Der Begriff der unentgeltlichen Leistung ist daher nicht identisch mit der Definition der Schenkung im Sinne des § 516 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Unentgeltlichkeit i.S. des § 4 AnfG liegt vor, wenn die Leistung ohne Rechtspflicht erfolgt und keine bzw. keine ausgleichende Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt; eine vertragliche Einigung über die Unentgeltlichkeit ist nicht erforderlich (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 25.06.1992 - IX ZR 4/91, Der Betrieb --DB-- 1992, 1976; Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22.03.2010 - 10 K 3288/08, Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1581; jeweils m.w.N.).
62(b) Dementsprechend erfolgte die streitige Grundstücksübertragung teilweise unentgeltlich, weil dem Wert des übertragenen Grundstücks von mindestens 770.000 € mit der Übernahme der Grundschulden von etwa 267.000 € keine ausgleichende Gegenleistung gegenüber stand (vgl. BGH-Urteil in DB 1992, 1976, m.w.N.).
63(2) Die Anfechtung erfolgte auch innerhalb von vier Jahren nach der teilweise unentgeltlichen Leistung durch den Vertrag vom 15.11.2010, nämlich durch den am 15.11.2012 bekannt gegebenen Duldungsbescheid.
64e) Die Ermessenserwägungen des Beklagten zum Erlass des Duldungsbescheides sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
65Der Beklagte hat sich bei seiner Ermessensentscheidung zutreffend davon leiten lassen, dass der übertragene Grundbesitz der einzige Vermögensgegenstand gewesen ist, in den ohne die Übertragung hätte vollstreckt werden können, da die Vollstreckung in das sonstige Vermögen der Ehefrau des Klägers erfolglos verlaufen ist und sich auch aus dem am 17.01.2011 gegenüber dem Amtsgericht C-Stadt abgegebenen Vermögensverzeichnis kein anderes, leichter verwertbares und werthaltiges Vermögen erkennen lässt. Mithin steht fest, dass das Vermögen der Ehefrau des Klägers nach der Übertragung des Grundbesitzes unzulänglich war für eine vollständige Befriedigung der Forderungen des Beklagten. Dies reicht aus, um einen Anfechtungs- und Duldungsbescheid zu erlassen (vgl. BFH-Beschluss vom 28.05.2003 - VII B 106/03, BFH/NV 2003, 1146).
66Der Beklagte hat seine --wie ausgeführt-- nicht zu beanstandenden Ermessenserwägungen schriftlich und in nachvollziehbarer Weise dargelegt, so dass der streitbefangene Duldungsbescheid auch insoweit keinen Bedenken begegnet.
67f) Der streitbefangene Duldungsbescheid ist schließlich auch der Höhe nach nicht zu beanstanden, da dem Beklagten entsprechend dem bestandskräftigen Abrechnungsbescheid eine Haftungsforderung gegen die Ehefrau des Klägers in Höhe von 60.170,63 € zustand und mithin nach § 11 Abs. 1 AnfG gegen den Kläger ein Rückgewähranspruch in gleicher Höhe bestand.
683. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.