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Der Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 13.06.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.09.2013 wird dergestalt geändert, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 480,00 EUR gemindert werden.
Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2Streitig ist, ob der Beklagte den Einkommensteuerbescheid für 2008 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ändern durfte.
3Der Kläger wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ermittelt seinen betrieblichen Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG.
4In der Einnahme-Überschuss-Rechnung für das Jahr 2006 setzte der Kläger eine gewinnmindernde Ansparabschreibung gem. § 7g Abs. 3 EStG in der damals geltenden Fassung an. Die Rücklage belief sich auf 8.000,00 EUR und wurde für die Anschaffung eines Pkw im Wert von 20.000,00 EUR gebildet. Diese Ansparabschreibung wurde durch den Beklagten im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für 2006 anerkannt.
5Weder im Jahr 2007 noch im Jahr 2008 erwarb der Kläger einen Pkw für seinen Gewerbebetrieb.
6Am 07.12.2009 reichte der Kläger die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2008 und die dazugehörige Einnahme-Überschuss-Rechnung beim Beklagten ein. In der Einnahme-Überschuss-Rechnung war weder der Erwerb eines Pkw noch die Auflösung der Ansparabschreibung aufgeführt. Die Anlage EÜR zur Einkommensteuererklärung enthält in der Spalte 17 („Auflösung von Rücklagen, Ansparabschreibungen und/oder Ausgleichsposten …“) und in der Spalte 69 („Ansparabschreibungen nach § 7g Abs. 3 bis 6 EStG a.F.“) keine Angaben.
7Am 22.01.2010 erließ der Beklagte erstmals einen Einkommensteuerbescheid für 2008, in welchem er erklärungsgemäß Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 33.950,00 EUR berücksichtigte. Der Einkommensteuerbescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid aus hier nicht streitigen Gründen Einspruch ein. Daraufhin erließ der Beklagte am 08.03.2010 einen geänderten Einkommensteuerbescheid, durch den sich das Einspruchsverfahren erledigte. Durch Bescheid vom 14.06.2011 hob der Beklagte den bis dahin bestehenden Vorbehalt der Nachprüfung auf.
8Am 13.06.2013 erließ der Beklagte einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid. Die vom Beklagten vorgelegte Einkommensteuerakte enthält keine Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass er den Kläger vor Erlass des Bescheides angehört hat. In dem geänderten Einkommensteuerbescheid setzte der Beklagte einen um 9.440,00 EUR erhöhten Gewinn aus Gewerbebetrieb an. Zur Begründung führte er aus, dass im Jahr 2008 die Ansparabschreibung gewinnerhöhend aufzulösen und zusätzlich ein Zinszuschlag gem. § 7g Abs. 4, 5 EStG anzusetzen sei (Rücklage in Höhe von 8.000,00 EUR zzgl. Zinsen von 6% für drei Jahre in Höhe von 1.440,00 EUR).
9Gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 2008 legte der Kläger mit Fax seiner Prozessbevollmächtigten Einspruch ein. Zur Begründung trug er mit weiterem Fax vom 13.08.2013 vor, die vom Beklagten behauptete Tatsache sei nicht neu i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Bereits bei Erlass des Bescheids vom 22.01.2010 sei dem Beklagten die Nichtvornahme der PKW-Investition bekannt gewesen oder hätte dem Finanzamt bekannt sein müssen.
10Den vorgenannten Einspruch des Klägers wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 20.09.2013 zurück.
11Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagte zur Änderung der bereits bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung für 2008 nicht befugt gewesen sei. Die Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei nicht einschlägig. Dem Finanzamt sei eine Tatsache im Sinne dieser Gesetzesnorm nicht nachträglich bekannt geworden. Denn bereits bei Erlass des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides sei dem Finanzamt bekannt gewesen oder hätte ihm zumindest bekannt sein müssen, dass der Kläger im Jahr 2008 keinen Pkw angeschafft habe. Dies folge eindeutig aus der eingereichten Einnahme-Überschuss-Rechnung, da in der Abschreibungsübersicht kein Zugang zum Anlagevermögen aufgeführt sei. Da der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden sei, habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass die Prüfung des Steuerfalles abgeschlossen gewesen sei. Die Änderung des Steuerbescheides verstieße außerdem gegen Treu und Glauben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 17.10.2013, 12.11.2013, 24.04.2014, 28.10.2014, 03.07.2015 und 14.07.2015 Bezug genommen.
12Der Kläger beantragt,
13den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 13.06.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.09.2013 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um 9.440,00 EUR gemindert wird.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er ist der Auffassung, dass er zur Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2008 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO befugt gewesen sei. Der Umstand, dass der Kläger im Jahr 2008 keinen Pkw angeschafft hat, bilde eine Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Diese Tatsache sei erst nachträglich bekannt geworden. Zwar sei im Anlageverzeichnis zur Einnahme-Überschuss-Rechnung kein neu angeschaffter Pkw aufgeführt. Hieraus folge aber nicht zwingend, dass der Kläger im Streitjahr kein solches Wirtschaftsgut angeschafft habe. Ein etwaiges Versäumnis des Beklagten bei der Sachverhaltsaufklärung werde durch den Umstand, dass der Kläger eine fehlerhafte Einnahme-Überschuss-Rechnung eingereicht habe, aufgewogen. Die Tatsache, dass der Kläger im Jahr 2008 keinen Pkw angeschafft habe, sei dem Beklagten erstmals bei Aktendurchsicht im Rahmen der Veranlagung 2013 aufgefallen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 24.10.2013 und vom 21.01.2015 Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage ist zulässig aber überwiegend unbegründet. Der Kläger ist durch den auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützten Einkommensteueränderungsbescheid 2008 vom 13.06.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.09.2013, soweit der Beklagte die vom Kläger zuvor gebildete Ansparrücklage gewinnerhöhend aufgelöst hat, nicht nach Maßgabe des § 100 Abs. 1 FGO in seinen Rechten verletzt. Durch den vorgenannten Bescheid ist der Kläger jedoch insoweit in seinen Rechten verletzt, als der Beklagte nicht lediglich für 2 Wirtschaftsjahre, sondern für 3 Wirtschaftsjahre einen Zinszuschlag berücksichtigt hat.
191.
20Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Erforderlich ist, dass diejenigen Tatsachen – Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art –, die Merkmal eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein können, dem Beklagten erst nachträglich bekannt werden (vgl. BFH-Urteil vom 11.02.2009, X R 56/06, BFH/NV 2009, 1411 m.w.N.).
21a)
22Auf die vom Kläger im Wirtschaftsjahr 2006 gebildete Ansparrücklage ist die Vorschrift des § 7g in der bis zum 17.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden; vgl.§ 52 Abs. 23 Satz 3 EStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008. Nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG in dieser Fassung ist eine Rücklage, sofern diese am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist, zu diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen. Hieraus folgt, dass hinsichtlich der Bildung bzw. der Auflösung einer Rücklage nach § 7g EStG a.F. als rechtserhebliche Tatsache insbesondere die Anschaffung von Wirtschaftsgütern vor dem Schluss des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres sowie der Umstand in Betracht kommt, dass die Anschaffung des begünstigten Wirtschaftsgutes bis zum zweiten auf die Rücklagenbildung folgenden Wirtschaftsjahr unterblieben ist und deshalb die Rücklage aufzulösen und als Zuschlag zu behandeln ist (so auch FG München, Urteile vom 28.11.2006 13 K 3490/03 und vom 21.05.2014 8 K 3645/12 jeweils nicht veröffentlicht, zitiert nach juris; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.01.2008 4 K 123/06, EFG 2008, 662). Welche dieser Tatsachen eingetreten ist, hat der Steuerpflichtige zu erklären (vgl. BFH-Urteil vom 10.04.1997 IV R 47/96, BFH/NV 1997, 757 zur Reinvestition nach § 6b, 6c EStG).
23Da der Kläger weder im Vorstreitjahr 2007 noch im Streitjahr 2008 einen Pkw angeschafft hat, für dessen Anschaffung er im Wirtschaftsjahr 2006 eine Ansparrücklage in Höhe von 8.000,00 EUR gebildet hatte, ist diese zuvor gebildete Ansparabschreibung gem. § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. aufzulösen.
24b)
25Von den tatsächlichen Umständen, die im Streitfall zu der Rechtsfolge führen, dass die im Wirtschaftsjahr 2006 gebildete Ansparrücklagen im Streitjahr 2008 aufzulösen ist, hat der Beklagte erst nach Erlass der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 2008 vom 22.01.2010, vom 08.03.2010 und vom 14.06.2011 positive Kenntnis erlangt.
26Eine Tatsache ist dem Finanzamt nur dann i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bekannt, wenn das Finanzamt bei Erlass des ursprünglichen Bescheids positive Kenntnis erlangt hat (vgl. BFH-Urteile vom 19.11.2008 II R 10/08, BFH/NV 2009, 548; vom 29.07.2009 58/07, BFH/NV 2010; v. Groll in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, § 173 AO Rz 174, m.w.N). Für die Beantwortung der Frage, ob eine Tatsache nachträglich bekannt geworden ist, kommt es maßgebend auf den Kenntnisstand der Personen an, die innerhalb der Finanzbehörde dazu berufen sind, den betreffenden Steuerfall zu bearbeiten; hierzu zählen insbesondere der Sachbearbeiter, der Sachgebietsleiter und der Vorsteher (vgl. BFH-Urteil vom 03.05.1991, V R 36/90, BFH/NV 1992, 221).
27Der Kläger kann sich zur Begründung seines Vortrags, der zuständige Sachbearbeiter habe bei Erlass der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 2008 positive Kenntnis davon gehabt, dass er – der Kläger – im Streitjahr 2008 keinen PKW angeschafft habe, nicht mit Erfolg auf das eingereichte Anlagenverzeichnis 2008 berufen.
28Eine – den Erlass eines nachfolgend auf § 173 AO gestützten Änderungsbescheid ausschließende – positive Kenntnis einer Tatsache im Sinne dieser Norm liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der Steuerpflichtige hinsichtlich einer rechtserheblichen Tatsache zuvor widersprüchliche Sachverhaltsangaben gemacht hat. Dies gilt unabhängig davon, ob die innerhalb der Finanzbehörde zur Bearbeitung des Steuerfalls berufende Person die zutreffende rechtserhebliche Tatsache hätte kennen müssen. Die Frage nach dem „Kennenmüssen“ stellt sich systematisch nicht unter dem Gesichtspunkt der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 173 AO, sondern bei der Prüfung der Anschlussfrage, ob der Anwendungsbereich dieser Norm – trotz des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen – durch die Grundsätze von Treu und Glauben begrenzt ist (vgl. v. Groll in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, § 173 AO Rz 174, m.w.N).
29Die Angaben des Klägers zur Nichtanschaffung eines Pkws bis zum Ablauf des Wirtschaftsjahres 2008 trotz der weiteren Tatsache, dass für eine derartige Anschaffung bereits im Wirtschaftsjahr 2006 eine Ansparrücklage gebildet worden war, waren bei Abgabe der Einkommensteuererklärung 2008 einschließlich der Angaben zur Gewinnermittlung 2008 widersprüchlich in diesem Sinne.
30Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass in der Afa-Übersicht der Einnahme-Überschuss-Rechnung für das Streitjahr 2008 kein Anlagezugang ausgewiesen ist. Dies mag als Indiz dafür gesehen werden, dass der Kläger bis zum Jahr 2008 tatsächlich keinen Pkw erworben hat. Allerdings hat der Kläger in der Anlage EÜR zur Einkommensteuererklärung 2008 weder in der Zeile 17 („Auflösung von Rücklagen, Ansparabschreibungen und/oder Ausgleichsposten …“) noch in der Zeile 69 („Ansparabschreibungen nach § 7g Abs. 3 bis 6 EStG a.F.“) Angaben dazu gemacht, dass ein Sachverhalt vorliegt, der die Auflösung einer im Jahr 2006 gebildeten Ansparrücklage zur Folge hat. Diese fehlenden Angaben des Klägers zur Auflösung der Ansparabschreibung konnten durch die Mitarbeiter des Beklagten isoliert nur dahingehend verstanden werden, dass der Kläger bereits vor Ende des Wirtschaftsjahres 2008 tatsächlich doch einen Pkw erworben hat. Die Indizien, die sich aus der Einnahme-Überschuss-Rechnung und der Steuererklärung ergeben, sind somit objektiv widersprüchlich. Angesichts der widersprüchlichen Indizien und des Fehlens einer ausdrücklichen Erläuterung des Klägers konnten die zuständigen Mitarbeiter des Beklagten bei Erlass des Einkommensteuerbescheides vom 14.06.2011 keine positive Kenntnis davon haben, dass der Kläger in den Jahren 2007 und 2008 keinen Pkw angeschafft hat. Wenn eine Steuererklärung zwei einander widersprechende Tatsachenangaben bzw. einander widersprechende Indizien enthält, kann das Finanzamt nicht positiv wissen, welche dieser Tatsachen zutreffend ist.
31Vorliegend sind diese widersprüchlichen Angaben in der Einkommensteuererklärung 2008 erstmals im Einspruchsverfahren gegen den hier streitgegenständlichen Einkommensteueränderungsbescheid 2008 vom 13.06.2013 und damit nach Erlass des letzten der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 2008 vom 14.06.2011 richtig gestellt und die hier rechtserheblichen Tatsachen damit nachträglich i.S.d. § 173 AO bekannt geworden.
32c)
33Der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 EStG steht nicht entgegen, dass der Beklagte vor Erlass des hier angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheides 2008 vom 13.06.2013 keine weiteren Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung getroffen. Zwar wäre es gemäß § 91 Abs. 1 AO geboten und auch zweckmäßig gewesen, dass das Finanzamt den Kläger vor Erlass des Änderungsbescheides vom 13.06.2013 anhört und aufklärt, ob und wann der Kläger einen Pkw angeschafft hat. Diese Unterlassung des Beklagten hat im vorliegenden Klageverfahren jedoch nicht die Aufhebung des angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheids vom 13.06.2013 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20.09.2013 zur Folge. Denn die vom Beklagten bei Erlass dieses Bescheids zunächst nur unterstellte Tatsache, dass der Kläger in den Jahren 2007 und 2008 keinen Pkw angeschafft hat, hat sich im Rahmen des Einspruchsverfahrens als zutreffend erwiesen. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens hat der Kläger mit Schreiben vom 13.08.2013 erstmals eindeutig mitgeteilt, dass die Pkw-Investition tatsächlich nicht vorgenommen worden ist. Die zunächst unterbliebene Anhörung des Klägers ist damit im Rahmen des Einspruchverfahrens gem. § 126 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 AO nachgeholt worden. Zwar ist die zur Änderung berechtigende Tatsache dem Beklagten damit erst im Rahmen des Einspruchverfahrens gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 2008 vom 131.06.2013 bekannt geworden. Eine Tatsache ist allerdings auch dann im Sinne von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nachträglich bekannt geworden, wenn sie dem Finanzamt erst in dem auf den Änderungsbescheid folgenden Einspruchsverfahren bekannt wird (vgl. Tipke/Kruse-Loose, § 173 Rn. 50).
34d)
35Die Änderungsbefugnis des Beklagten nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist im vorliegenden Fall auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte seine Ermittlungspflichten ursprünglich vernachlässigt hat.
36Der auch im Steuerrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es der Finanzbehörde, unter Berufung auf das nachträgliche Bekanntwerden einer Tatsache einen Änderungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu erlassen, wenn ihr die Tatsache vor dem Erlass des zu ändernden Bescheides infolge einer Verletzung der ihr obliegenden Ermittlungspflicht verborgen geblieben ist. Das Finanzamt verletzt seine Ermittlungspflicht (§ 88 AO), wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgeht. Diese Einschränkung der Änderungsbefugnis greift indes nur ein, wenn der Steuerpflichtige seinerseits die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt. Bei der Bestimmung und Begrenzung der Ermittlungspflicht des Finanzamt kommt es wesentlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen, insbesondere darauf an, ob der Steuerpflichtige dem Finanzamt die steuerlich relevanten Sachverhalte richtig, vollständig und deutlich zur Prüfung unterbreitet hat. Ist dies zu verneinen, kann sich der Steuerpflichtige nicht auf eine Nachlässigkeit des Finanzamt bei der Ermittlung der für die Besteuerung wesentlichen tatsächlichen Verhältnisse berufen (vgl. BFH-Urteil vom 16.06.2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502). Liegen sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das Finanzamt als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Steuerpflichtigen vor, sind die beiderseitigen Pflichtverletzungen grundsätzlich gegeneinander abzuwägen. In einem solchen Fall trifft in der Regel die Verantwortlichkeit den Steuerpflichtigen mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 20.12.2000 III B 43/00, BFH/NV 2001, 744 m.w.N.).
37Im vorliegenden Fall hätten sich für den Beklagten zwar schon bei der ersten Bearbeitung der Steuererklärung für 2008 Zweifel hinsichtlich des Erwerbs eines Pkw ergeben können. Dieser eventuellen Nachlässigkeit des Beklagten steht allerdings eine mindestens gleichwertige Nachlässigkeit des Steuerpflichtigen gegenüber, da dieser es unterlassen hat, die gesetzlich vorgeschriebene Auflösung der Ansparabschreibung in seiner Einnahme-Überschuss-Rechnung vorzunehmen. So hat er u.a. die Zeilen 17 und 69 der Anlage EÜR unbeantwortet gelassen. Da der Kläger mithin eine objektiv unrichtige Steuererklärung abgegeben hat, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass den Beklagten die überwiegende Verantwortung für die zunächst unrichtige Steuerfestsetzung trifft.
382.
39Der vom Beklagten angesetzte Zinszuschlag ist von 1.440,00 EUR auf 960,00 EUR zu mindern. Nach dem Wortlaut des § 7g Abs. 5 EStG a.F. darf der Zinszuschlag nur für jedes volle Wirtschaftsjahr angesetzt werden, in dem die Rücklage bestanden hat. Der Beklagte hat eine Verzinsung des Rücklagebetrages gem. § 7g Abs. 5 Satz 2 EStG a.F. für drei Jahre vorgenommen (8.000,00 EUR x 6% x 3 Jahre = 1.440,00 EUR). Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Ansparabschreibung tatsächlich für drei volle Wirtschaftsjahre bestanden hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Rücklage erst im Laufe bzw. zum Ende des Jahres 2006 gebildet worden ist, so dass der Zinszuschlag lediglich für zwei volle Wirtschaftsjahre – nämlich die Jahre 2007 und 2008 – angefallen ist.
403.
41Auch die Regelungen zur Festsetzungsverjährung stehen dem Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheides nicht entgegen. Da der Kläger die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2008 im Jahr 2009 abgegeben hat, begann der Lauf der Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Jahres 2009, vgl. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Die regelmäßige vierjährige Festsetzungsfrist endete mithin mit Ablauf des Jahres 2013, vgl. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO. Der Einkommensteuerbescheid vom 13.06.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 20.09.2013 sind damit vor Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen.
424.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO). Da der Beklagte lediglich zu einem geringen Teil unterlegen ist, erscheint es sachgerecht, die Kosten des Klageverfahrens dem Kläger zur Gänze aufzuerlegen.