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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Streitig ist für das Streitjahr 2007, ob die Belieferung im Inland ansässiger Kunden mit Waren mit einem Warenwert von bis zu 22 € aus einem in der Schweiz gelegenen Auslieferungslager nach § 3 Abs. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) im Inland steuerpflichtig ist.
3Die Klägerin war im Streitjahr 2007 umsatzsteuerliche Organträgerin u.a. der in H geschäftsansässigen X-GmbH und Y-GmbH, die bis 1998 unter D GmbH firmierte. Zum Konzern der Klägerin gehörte auch die in der Schweiz geschäftsansässige, ursprünglich als E AG, später als BB AG, im Streitjahr als B AG (B) firmierende Enkelgesellschaft der Klägerin, die im Streitjahr zum Unternehmensbereich "B" der Klägerin gehörte. Im Auftrag der Y-GmbH führte die B ab 1998 über ihren im schweizerischen A ansässigen Betrieb folgende Dienste aus: Distribution (Wareneingang, Lagerhaltung, Kommissionierung, Versand, Transportkoordination), Transaktionsdruck (Datenübermittlung und -aufbereitung, Kuvertierung), Kundenmanagement, Debitorenmanagement, integrierte IT-Plattform für B2C Geschäfte, Materialdisposition sowie Zoll- und Steuerformalitäten. In 2007 führte die B in dem von ihr betriebenen Logistikzentrum im schweizerischen Q folgende Tätigkeiten aus: Kommissionierung und Verpackung der Ware im schweizerischen Logistikzentrum entsprechend den Kundenbestellungen, Druck und Kuvertierung der Rechnungen an die Kunden, Anbringung eines Versandlabels auf der Verpackung mit Endkundenadresse sowie einer deutscher Briefmarke, Vermerk des Leit- und Identcode der … Post, für die die P GmbH & Co OHG bzw. P Vertriebs GmbH und Co KG (P) tätig wurden. Der Wert je Sendung lag bei bis zu 22 €. Nicht verschickt wurden Alkohol, alkoholische Getränke, Tabakwaren, Röstkaffee bzw. löslicher Kaffee. B erstellte die Ausfuhranmeldung in der Schweiz. Anschließend verbrachte die P die Waren über die deutsche Grenze. Im Streitjahr legte die P an der Grenze dem deutschen Zoll ein von der Y-GmbH p. Adresse E AG, A-Straße, CH-0000 N, erstelltes, als "Antrag auf Freischreibung der Sendungen" bezeichnetes Dokument mit folgendem Text vor: "Hiermit beantragen wir (Y-GmbH p. Adr. E AG, N) die Freischreibung der Sendungen nach Art. 27 der EG-Verordnung Nr. 918 aus dem Jahr 1983." Nachfolgend differenzierte das Dokument tabellarisch zwischen Büchern und CD‘s sowie der Anzahl und der Art der Titel und der Gesamtzahl der Sendungen. Die Erklärung endete mit dem Vermerk: "Die Sendungen gehen an diverse Empfänger in Deutschland. Die Einfuhr erfolgt im Namen der Empfänger. Der Wert pro Sendung liegt unter 43 DM/22 EUR."
4Die Y-GmbH, die Betriebsabteilung der "XYZ", führte das Buchgeschäft in eigenem Namen, aber für Rechnung, im Interesse und auf Risiko der X-GmbH. Die Y-GmbH schloss die Verträge mit den Kunden des "XYZ" ab und belieferte im Streitjahr die Kunden im Versandhandel mit Schallplatten, CD’s, Videokassetten, Büchern und Ähnlichem. Wie in den Vorjahren versandte der "XYZ" auch in 2007 Kataloge an die Kunden, aus denen diese vierteljährlich mindestens einen Artikel per Bestellkarte bestellen mussten. Unterblieb die Bestellung, versandte der "XYZ" an die Kunden für das Vierteljahr einen sog. Hauptvorschlag. Auf der Beitrittserklärung zum "XYZ" Fassung 2007 hieß es dazu u.a.: "Ich kaufe in einer Filiale oder per Postbestellung mit Versandkostenanteil; es gelten die Lieferbedingungen bei Versandbestellungen (siehe vorletzte Katalogseite). Erfüllungsort H ." In Fettdruck hieß es abschließend: "Weitere Vereinbarungen gibt es nicht." Die Kunden mussten die Entgelte für die von ihnen beim "XYZ" gekauften Waren auf ein inländisches Konto einer deutschen Bank bezahlen.
5Nachdem bis April 1998 die Belieferung der Kunden vom Zentrallager H erfolgte, wobei eine Distributionsgesellschaft die Warensendungen im Auftrag der Y-GmbH verpackte, die Aderessaufkleber und die Rechnungen erstellte, die Sendungen frankierte und sodann an die … Post zwecks Übersendung an die Kunden übergab, erfolgte ab April 1998 die Versendung von Großartikeln des Programms (z.B. Serien-CD’s, Hauptvorschlags-CD’s) für ganz Europa (Deutschland, Österreich, Niederlande) aus A. Die … Post holte die konfektionierte und in Rollcontainern verpackte Ware aus A ab, erledigte die Zollformalitäten und verbrachte die Waren in ihr Zentrallager in M. Von dort aus belieferte sie die im Inland ansässigen Kunden des "XYZ". Ab 1988 umfassten die Belieferungen ab A nur Produkte, deren Warenwert je Einzelsendung zuerst 50 DM bzw. später 22 € nicht überstieg. In 2007 versandte B ab dem schweizerischen Q unter Verwendung einer Spezialverpackungsmaschine, einer "Rennermaschine", von ihrem schweizerischen Auslieferungslager im Auftrag der Y-GmbH Ein-Titel-Sendungen mit einem jeweiligen Warenwert von bis zu 22 € an im Inland ansässige Kunden des "XYZ". Bei den Ein-Titel-Sendungen handelte es sich in der Regel um selektierte Warensendungen, bestehend aus den sog. Hauptvorschlagbänden bzw. Serien der […]. Hinsichtlich der Serien hatten sich die Kunden des "XYZ" verpflichtet, in regelmäßigen Abständen ein Buch einer Serie zu erwerben. Mehr-Titel-Sendungen wurden direkt aus dem in H unterhaltenen Zentrallager an die Kunden ausgeliefert.
6Erstmalig für den Veranlagungszeitraum (VZ) 1998 vertrat die Klägerin die Auffassung, dass der Ort für die Lieferung ab A an die inländischen Kunden nach § 3 Abs. 6 UStG in der Schweiz liege. Zur Begründung verwies sie auf die in den ihren Kunden übersandten Katalogen unter der Überschrift "Lieferbedingungen und Versandbestellung" abgedruckte Klausel: "Was Sie bestellt haben, liefern wir in Ihrem Namen und für Ihre Rechnung durch die … Post direkt zu Ihnen nach Hause", wobei in der Beitrittserklärung zum "XYZ" H als Erfüllungsort vermerkt war. Demgegenüber nahm das beklagte Finanzamt an, für den VZ 1998 sei der Lieferort gemäß § 3 Abs. 8 UStG im Inland gelegen. Im USt-Bescheid für 1998 vom 08.01.2003 behandelte das Finanzamt die Belieferung der Kunden aus dem Auslieferungslager A als steuerbare und steuerpflichtige Leistung. Die gegen den USt-Bescheid für 1998 erhobene Klage wies der erkennende Senat durch das in Bezug genommene Urteil vom 15.03.2005 15 K 2194/00 U (EFG 2005, 1479) als unbegründet ab. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil wies der BFH durch Urteil vom 21.03.2007 V R 32/05 (BFHE 217, 66, BStBl II 2008, 153) als unbegründet zurück.
7Nach den Feststellungen einer für den Prüfungszeitraum 2006 und 1-11/2007 durchgeführten USt-Sonderprüfung (Sp, Bericht vom 28.01.2008) behandelte die Klägerin in den USt-Voranmeldungen für 7/2011 bis 11/2007 die einen Warenwert von 22 € nicht übersteigenden Warenlieferungen des "XYZ" an in Deutschland ansässige Kunden als nicht im Inland steuerbar, sofern die Belieferung aus dem schweizerischen Logistikzentrum erfolgte. Dazu nahm die Klägerin Bezug auf die auf der vorletzten Seite der in den für 2007 vom "XYZ" verwendeten Katalogen abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB): "Sie bevollmächtigen uns, alle für die Einfuhr aus der Schweiz notwendigen Erklärungen abzugeben. Hierfür fallen derzeit keine Steuern an. Bei Änderungen werden wir anfallende Steuern und sonstige Kosten natürlich für Sie übernehmen." Unter Bezug auf das BFH-Urteil vom 21.03.2007 V R 32/05 (a.a.O.) hielt der Prüfer den Versand von Büchern, CD’s, etc., durch die Organtöchter der Klägerin aus dem Drittland Schweiz nach Deutschland für als im Inland umsatzsteuerpflichtige Lieferungen (Tz. 9).
8Die Klägerin reichte am 27.02.2009 eine gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) nicht zustimmungsbedürftige USt-Erklärung für 2007 ein, in der sie die Warenlieferung mit einem Warenwert von bis zu 22 € ab dem schweizerischen Auslieferungslager an im Inland ansässige Kunden als steuerpflichtige Umsätze behandelte. Gegen die nach § 168 Satz 1 AO als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geltende Steuererklärung legte die Klägerin am 20.03.2009 - erfolglos - Einspruch mit dem Antrag ein, die ab dem schweizerischen Auslieferungslager ausgeführten Warenlieferungen im Wert von bis zu 22 € als nicht steuerbar zu behandeln. Wenn auch ohne Anspruch auf Rechtsverbindlichkeit habe sie die ab Januar 2007 verwendete Neufassung ihrer AGB mit der Finanzverwaltung bei einem Treffen vom Oktober 2006 abgestimmt. In der Einspruchsentscheidung (EE) vom 18.06.2010 führte das Finanzamt aus: Zwar hätten nach dem Erlass des Urteils des Finanzgerichts vom 15.03.2005 15 K 2194/00 U und vor dem Erlass des BFH-Urteils vom 21.03.2007 V R 32/05 die Klägerin und die Finanzverwaltung besprochen, wie die AGB der Klägerin zu formulieren seien, um mit steuerlicher Wirkung die von den Organtöchtern belieferten Warenempfänger, d.h. deren Kunden, zum Steuerschuldner der durch die aus der Schweiz erfolgte Belieferung ausgelösten Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) werden zu lassen. Nach Zustellung des Gerichtsbescheids des BFH vom 21.03.2007 V R 32/05 seien die Gespräche ergebnislos abgebrochen worden, da der BFH es in dieser Entscheidung nicht ausgeschlossen habe, dass die zu beurteilende Sachverhaltsgestaltung einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO darstelle. Die von der Klägerin mit Wirkung ab Januar 2007 durchgeführte Umgestaltung des Sachverhalts durch Änderung ihrer AGB stelle einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO dar. Die Klägerin habe durch die konstruierte Ortsverlagerung in die Schweiz einen Steuervorteil in Höhe nicht angefallener USt von 19 vom Hundert bzw. 7 vom Hundert erzielen wollen. Unter Beachtung der Kleinsendungsgrenze seien nur Waren mit einem Warenwert von bis zu 22 € von Deutschland in die Schweiz verbracht worden, um sie von dort aus zum Zwecke der Direktbelieferung der Kunden erneut nach Deutschland einzuführen. Auf diese Weise hätte die Klägerin die Anwendung der Regelung in § 3 Abs. 6 UStG erreichen wollen. Das BFH-Urteil vom 21.03.2007 V R 32/05 bezweifele das Vorliegen hinreichender außersteuerlicher Gründe für die im Vorprozess streitigen Warentransporte, da es nicht einleuchte, dass die Klägerin die zur Rechtfertigung ihres Handels geltend gemachten wirtschaftlichen Vorteile nur auf Sendungen mit einem Warenwert von bis zu 22 €, aber nicht auch für Lieferungen mit einem diesen Grenzbetrag übersteigenden Warenwert angewendet habe. Alleiniger Grund für die Positionierung der Verpackungsanlage an einem deutschlandnahen Standort im Drittstaat Schweiz sei die erstrebte "USt-Ersparnis" gewesen. Der Hinweis auf die Preisstruktur der vom … vertriebenen Waren als nicht hochpreisig überzeuge nicht. Laut dem Katalog des "XYZ" seien auch Bücher zum Preis von mehr als 22 € verkauft worden, die im Gegensatz zu Buchtiteln mit einem Warenwert von bis zu 22 € direkt von Deutschland aus an die in Deutschland ansässigen Kunden ausgeliefert worden seien. Zudem habe der Kunde des "XYZ" nicht selten pro Sendung nicht nur eine Titel-Einzahl, sondern eine Titel-Mehrzahl (Bücher, CD, DVD) beauftragt, deren Gesamtwarenwert in den meisten Fällen den Grenzbetrag von 22 € überstiegen habe. Wirtschaftlich lasse sich die Versendung der Mehrzahl-Titel-Sendung direkt von Deutschland aus an die im Inland ansässigen Kunden nicht erklären. Der Hinweis der Klägerin auf die Schnelligkeit der in der Schweiz aufgestellten Verpackungsmaschine überzeuge nicht. Nur um die USt-Pflicht zu umgehen, seien die streitigen Sendungen in der Schweiz verpackt und anschließend von der Schweiz aus an die im Inland ansässigen Empfänger versandt worden. Der Hinweis auf die Nutzung des schweizerischen Logistikzentrums durch konzernfremde Kunden gehe ins Leere. Eine Tätigkeit für konzernfremde Kunden berühre nicht die Tatsache, dass konzerneigene Waren nur mit einem Warenwert von bis zu 22 € von der Schweiz aus an im Inland ansässige Abnehmer versendet worden seien. Die "Nachbesserung" der AGB mit Wirkung ab Januar 2007 zeitige kein anderes Ergebnis, weil die nunmehr geltende Steuerüberwälzungsklausel Bestandteil des missbräuchlich gestalteten Sachverhaltes sei. Folglich entstehe die USt in der Weise, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre. Bei einer angemessenen Gestaltung seien auch die Bücherlieferungen mit einem Warenwert von bis zu 22 € im Inland steuerbar und steuerpflichtig.
9Am 20.07.2010 erhob die Klägerin die vorliegende Klage. Während des Klageverfahrens erklärte das Finanzamt im Änderungsbescheid vom 08.10.2013 hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen "…" die USt-Festsetzung für 2007 gemäß § 165 AO für vorläufig. Im Bescheid vom 08.10.2013 behandelte es die streitige Belieferung der Kunden weiterhin als steuerbar und steuerpflichtig und setzte für 2007 die USt auf xxx € fest. Nach Erlass des Bescheides vom 08.10.2013 verfolgt die Klägerin mit der Klage nur den Streitpunkt "Lieferungen im Warenwert von bis zu 22 € aus dem schweizerischen Auslieferungslager" mit dem Ziel der Befreiung dieser Lieferungen von der USt: Die Belieferung der im Inland ansässigen Kunden durch die Y-GmbH mit Waren ab dem schweizerischen Logistikzentrum sei angesichts ihrer ab 01.01.2007 geltenden Fassung ihrer AGB im Inland weder umsatzsteuerbar noch umsatzsteuerpflichtig, da angesichts der Höhe des Warenwerts je Sendung von bis zu 22 € der Lieferort gemäß § 3 Abs. 6 UStG in der Schweiz liege. § 3 Abs. 8 UStG mit der in der Vorschrift bestimmten Verlegung des Leistungsorts ins Inland sei vorliegend nicht anwendbar. Die Stellung der Kunden als zivilrechtlicher Zollanmelder folge zum einen aus Art. 4 Nr. 18 2. Alt. in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 1. Spiegelstrich der im Streitjahr geltenden Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 mit weiteren Änderungen (ZK). Die P sei bei der Überführung der streitigen Waren in den zollrechtlich freien Verkehr als Stellvertreterin der Kunden aufgetreten und habe in deren Namen und mit Vertretungsmacht für die Kunden konkludent die Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr gemäß Art. 233 Abs. 1 Buchst. a) oder b) der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO) durch das Passieren der Zollstelle bzw. durch einfaches Überschreiten der Grenze abgegeben. Ihre konkludente Zollanmeldung habe die P erkennbar im Namen der Kunden abgegeben. Auf dem als Freischreibung bezeichneten Dokument sei ausdrücklich vermerkt worden, dass die Zollanmeldungen im Namen der Kunden erfolgt seien. Die konkreten Empfänger seien den auf den Paketen aufgebrachten Versandlabeln zu entnehmen gewesen. Die P habe nicht beabsichtigt, selbst für die Einfuhrabgaben zu haften. Die gesetzliche Vertretungsmacht der P für die Kunden folge aus § 5 Abs. 2 des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG). Der Auffassung des erkennenden Senats im Urteil vom 15.03.2005 15 K 2194/00 U (a.a.O.), dass die Voraussetzungen des Art. 238 2. Spiegelstrich ZK-DVO nicht erfüllt seien, sei nicht zu folgen. Entgegen der Annahme des Finanzgerichts lägen keine künstlich kleingearbeiteten Massensendungen vor. Die Pakete seien an unterschiedliche Kunden adressiert gewesen, so dass jedes Paket eine Sendung im Sinne des Art. 225 Buchst b 2. Spiegelstrich ZK-DVO gewesen sei. Die quartalsweise Einfuhr eines Buches oder einer CD je Kunde sei keine künstliche Aufspaltung einer Masseneinfuhr. Soweit der BFH in seinem Urteil vom 21.03.2007 V R 32/05 entschieden habe, dass Art. 237 ZK-DVO nicht eingreife, da eine schriftliche Anmeldung nach Art. 238. 3 Spiegelstrich ZK-DVO erfolgt sei, sei unklar, wie der BFH zu diesem Ergebnis gekommen sei. Im VZ 2007 sei bei der Einfuhr nach Deutschland keine schriftliche Anmeldung der Waren erfolgt. Eine schriftliche Zollanmeldung durch die P habe nicht vorgelegen. Das als Antrag auf Freischreibung bezeichnete Schreiben erfülle nicht die Voraussetzungen für eine schriftliche Anmeldung. Die Freischreibung habe lediglich dem Nachweis gedient, dass für die Waren tatsächlich keine Einfuhrabgaben anfielen. Zudem hätten die Kunden angesichts der vereinbarten AGB ihrem Vertragspartner auch rechtgeschäftlich Vertretungsmacht zur Zollanmeldung in ihrem Namen und für ihre Rechnung erteilt. Diese Vertretungserteilung sei vertraglich wirksam vereinbart worden, § 305 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Es liege keine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB vor. Den Lieferbedingungen sei zu entnehmen gewesen, dass der Kunde bei der Einfuhr der Waren unter Umständen Steuerschuldner werden könne. Die inhaltliche Ausgestaltung der Klausel sei für den Versandhandel üblich. Der Online-Handel habe eine Globalisierung der Verkehrsströme bewirkt. Kein im Versandhandel bestellender Kunde könne mehr von einem reinen innerdeutschen Versandgeschäft ausgehen. Die in 2007 verwendete Steuerklausel weiche nicht deutlich von den Erwartungen der Kunden ab. Die Abweichung vom dispositiven Recht belege nicht einen schädlichen Überraschungscharakter der Steuerklausel. Keine Rechtsnorm schreibe vor, dass ein im Inland ansässiger Versandhändler Zollanmelder sein müsse. Der Gesetzgeber habe, wie die Regelung des § 5 Abs. 2 ZollVG zeige, es für unbedenklich gehalten, dass ein Warenempfänger ohne sein Wissen und Wollen zum zollrechtlichen Anmelder werde. Entgegen der Annahme des Finanzamts sei § 42 AO gemäß Art. 395 Abs. 1 Unterabschnitt 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystemRl) nicht auf die streitigen Umsätze anzuwenden. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des BFH sei zu widersprechen. § 42 AO sei keine gemäß Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. gemäß Art. 395 der MwStSystemRl genehmigte Sondermaßnahme. Über die Schweiz wickele der "XYZ" nur sog. Renner-Titel (Hauptvorschlagbände und Serien), d.h. kleinformatige Sendungen mit Mengencharakter ab, für die der schweizerische Dienstleister die sog. Rennermaschine vorhalte. Die Selektion erfolge über den Mengencharakter. Es liege im Charakter eines …, dass das einzelne Produkt nicht hochpreisig sei. Die Auslieferungsform "Rennermaschine" sei gezielt für Produkte gewählt worden, die in großer Stückzahl ohne vorherige Kundenbestellung als Ein-Titel-Sendung überwiegend unter Einsatz dieser Maschine ausgeliefert würden. Bei Ein-Titel-Sendungen zeichne sich die sog. Rennermaschine durch eine wesentlich höhere Produktivität und wesentlich geringere Verpackungskosten aus. Aus wirtschaftlichen Gründen könne die B-Gruppe die Rennermaschine nur an einem Auslieferungsstandort betreiben. B habe diese Maschine erworben, da der Standort Schweiz zu einem zentralen Auslieferungslager für diverse Konzernkunden, später auch für Drittkunden, hätte ausgebaut werden sollen. Die Auslieferung sog. Mehr-Titel-Sendungen sei nicht über das Auslieferungslager in der Schweiz erfolgt, da Mehr-Titel-Sendungen in der Regel Katalogbestellungen zugrunde lägen und deshalb eines umfangreichen Lagerbestandes bedürften, der wirtschaftlich nur an einem Standort vorgehalten werden solle, der in räumlicher Nähe zu den Endkunden liege. Es sei geplant gewesen, den Standort Schweiz zu einem zentralen Auslieferungslager mit sog. Rennermaschinen für alle XYZ, speziell im DVD- und Video-Bereich auszubauen und von dort aus die europäischen XYZ in Österreich, Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Niederlande und Großbritannien zu beliefern. Die Standortentscheidung für die Schweiz sei aufgrund der guten Verkehrsanbindung in der Mitte Europas und der Entscheidung zur Zentralisierung insbesondere der CD-Auslieferung getroffen worden. Im französischen F sei der Aufbau eines Standortes für die Musikauslieferung der C-Gruppe geplant worden, weil sog. Inbound Frachten zwischen beiden Standorten hätten sehr günstig durchgeführt werden können. Mittlerweile sei das Musikgeschäft zurückgegangen, so dass B den schweizerischen Standort nunmehr auch für konzernfremde Kunden als Serienauslieferungsort nutze. Für die Standortentscheidung Schweiz habe auch das frühzeitige Signal der in Deutschland mit Lägern ansässigen Firmen wie der P gesprochen, für C kostenlos Frachten für deutsche Kunden aus der Schweiz abzuholen. B habe in 2007 circa 10 Millionen Sendungen ausgeliefert, wovon circa 2,8 Millionen Sendungen auf die Y-GmbH in Deutschland und der Rest auf verschiedene, teils in Deutschland ([…]) und teils in der Schweiz ([…]) ansässige Kunden entfallen seien. Die Katalogversendung an die deutschen Kunden habe ein Letter-Shop ausgeführt, dessen Aufgabe die Beimischung diverser, oft personalisierter Beilagen zu den Katalogen, das Kuvertieren bzw. das Einschweißen der Kataloge in Folie und das Vorsortieren der Sendungen auf Postleitzahlgebiete gewesen sei. Aufgrund der Vorsortierung der Sendungen auf Postleitzahlbezirke habe die … Post erhebliche Rabatte auf die Beförderungsentgelte gewährt. B habe in 2007 keine Infrastruktur für Letter-Shop-Tätigkeiten besessen. Die Warenbelieferung der B sei nicht ausschließlich über das Zentrallager in H erfolgt, sondern im Falle der Lieferung selektierter Waren teilweise auch direkt vom jeweiligen Lieferanten. Der Endkundenpreis für die Ein-Titel-Sendung sei in der Regel sehr gering, weshalb die Auslieferung von Waren mit einem Warenwert von mehr als 22 € nicht über das Auslieferungslager in der Schweiz erfolgt sei. Mit Schreiben vom 01.02.2008 IV A 5 – S 7114/07/0002 (BStBl I 2008, 295) habe das BMF angewiesen, das BFH-Urteil vom 21.03.2007 V R 32/05 über den entschiedenen Einzelfall hinaus in allen vergleichbaren offenen Fällen anzuwenden, und dies insbesondere in den Fällen, in denen der leistende Schuldner die Lieferung unter Berufung auf die Steuerschuldnerschaft des Abnehmers für die EUSt als nicht im Inland steuerbar behandelt, und dies nicht mittels einer entsprechenden Klausel in den AGB des liefernden Unternehmers, sondern beispielsweise mit einem vorgedruckten Hinweis auf dem Bestellschein oder Ähnlichem begründet habe. Die Y-GmbH habe für 2007 in ihren AGB eine entsprechende Klausel aufgenommen und verwendet, so dass im Umkehrschluss im Streitfall § 3 Abs. 8 UStG nicht anzuwenden sei. Da die Y-GmbH in 2007 wie auch in den Vorjahren die USt bzw. das entsprechende Risiko im jeweiligen Jahr als Aufwand gebucht habe, hätte deren Management Maßnahmen ergreifen müssen, wenn sich die Belieferung aus der Schweiz für die Y-GmbH als wirtschaftlich nachteilig herausgestellt hätte. Solche Maßnahmen seien nicht ausgeführt worden. Die Y-GmbH und B gehörten zu unterschiedlichen Unternehmensbereichen in der Firmengruppe der Klägerin, die unabhängig voneinander für ihr wirtschaftliches Ergebnis verantwortlich seien. Das Finanzamt missachte die im Urteil vom 20.07.2009 C-7/08 "Har Vaessen Douane Service" (Slg. 2009, I-5581, BFH/NV 2009, 1381) vom EuGH aufgestellten Grundsätze. Laut diesem EuGH-Urteil sei Art. 27 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28.03.1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiung in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3357/91 vom 07.11.1991 dahin auszulegen, dass er der Befreiung von Sammelsendungen von Waren, deren Gesamtwert die in Art. 27 der Verordnung vorgesehene Grenze überschreite, die jedoch einzeln betrachtet von geringerem Wert seien, von Eingangsabgaben nicht entgegenstehe, vorausgesetzt, dass jedes Päckchen der Sammelsendung einzeln an einen Empfänger in der europäischen Gemeinschaft adressiert sei. Unerheblich sei, dass der Vertragspartner dieser Empfänger selbst in der europäischen Gemeinschaft niedergelassen sei, wenn die Waren unmittelbar von einem Drittstaat an diesen Empfänger versandt würden. Der Warenversand aus dem schweizerischen Logistikzentrum stelle ein normales Handelsgeschäft dar, das nicht bezweckt habe, in den Genuss steuerlicher Vorteile zu gelangen. Bei seiner Entscheidung habe der BFH nicht den Zweck des schweizerischen Logistikzentrums berücksichtigt, den Bestand an Rennermaschinen konzernweit zu konzentrieren. Für die Klägerin sei nicht erkennbar, durch den Versand geringwertiger Waren aus dem schweizerischen Logistikzentrum die Grenze des vermeintlich Erlaubten überschritten zu haben. Der Klägerin stehe frei, unter mehreren gesetzeskonformen Alternativen den steuergünstigeren Weg zu wählen.
10Die Klägerin beantragt,
11unter Änderung des USt-Bescheides in der Fassung vom 08.10.2013 für
122007 die USt um xxx € auf xxx € herabzusetzen,
13hilfsweise, die Revision zuzulassen.
14Das Finanzamt beantragt,
15die Klage abzuweisen,
16hilfsweise, die Revision zuzulassen.
17Es verweist auf seine Verwaltungsentscheidungen und trägt ergänzend vor: Unklar sei, inwieweit die ab dem VZ 2007 geltende Änderung der AGB den Kunden bekannt gemacht worden sei, die keine Bestellung aufgegeben hätten, sondern sich regelmäßig nur den sog. Hauptvorschlagband hätten zusenden lassen. In diesen Fällen sei keine Bekanntmachung der Änderung der AGB erfolgt, da die AGB nur in den Katalogen abgedruckt worden seien. Zu widersprechen sei der Behauptung der Klägerin, dass ihr Kunde mehr mit einem rein innerdeutschen Versandgeschäft rechne. Das Versandlabel lasse nicht mit der erforderlichen Gewissheit erkennen, dass die Ware aus der Schweiz geliefert worden sei. Der Hinweis der Klägerin auf die unabhängige Ergebnisverantwortlichkeit der im Drittland Schweiz ansässigen B von der im Inland ansässigen Y-GmbH belege den Steuermissbrauch. In Kenntnis des BFH-Urteils vom 21.03.2007 V R 32/05 habe die C-Gruppe nach ihren Angaben erst ab dem 01.01.2010 die Auslieferung aus der Schweiz von Waren im Warenwert von bis zu 22 € eingestellt. Folglich sei für den VZ 2007 das angestrebte Ziel nur die USt-Ersparnis gewesen. Für die Belieferung im Inland ansässiger Kunden des "XYZ" vom schweizerischen Auslieferungslager aus habe die Klägerin keine nachvollziehbaren außersteuerlichen Gründe genannt. Augenscheinlich sei der Standort Schweiz der zentralste Drittlandstandort. Während die Belieferung im Inland ansässiger Kunden mit Mehr-Titel-Sendungen vom Zentrallager H aus nachvollziehbar sei, leuchte es hingegen nicht ein, warum Ein-Titel-Sendungen vor der Auslieferung an die im Inland ansässigen Endkunden zunächst den - kostspieligen - Umweg über die Schweiz genommen hätten. Das EuGH-Urteil vom 02.07.2009 C-7/08 sei entscheidungsunerheblich, da die von der Klägerin ab 2007 verwendete Steuerklausel Teil des Gestaltungsmissbrauchs sei.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte 15 K 2194/00 U und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist nicht begründet.
21Der USt-Bescheid für 2007 in der nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens gewordenen Fassung vom 08.10.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Zu Recht hat das Finanzamt gemäß § 3 Abs. 8 UStG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG die Klägerin als Steuerschuldnerin für die USt veranlagt, die durch Lieferungen mit einen Warenwert von bis zu 22 € ausgelöst wurde, die die Organtochter Y-GmbH der Klägerin an die im Inland ansässigen Kunden in der Klägerin über § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG zuzurechnenden Weise ausführte. Steuerschuldner der durch diese Lieferungen ausgelöste USt sind nicht die im Inland ansässigen Kunden, da sie nicht als Zollanmelder anzusehen sind. Die von der Y-GmbH in den gegenüber den Kunden angewandten AGB - Fassung ab 01.01.2007 - aufgenommene Klausel zur Überwälzung der Steuerschuldnerschaft für die EUSt auf die Lieferungsempfänger ist nicht Bestandteil des Leistungsaustauschs mit dem Endkunden geworden. Die Steuerschuldnerschaft der Kunden wurde nicht aufgrund einer Zollanmeldung durch die P im Namen der Kunden begründet. Zudem stellt die der Klägerin zuzurechnende Gestaltung der Vertragsbeziehung zwischen der Y-GmbH und deren Kunden einen Rechtsmissbrauch im Sinne des § 42 AO mit der Folge dar, dass in diesem Fall die durch die Lieferungen an die Kunden ausgelöste USt der Klägerin zuzurechnen ist.
22Entgeltliche Umsätze eines Unternehmers im Rahmen seines Unternehmens sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuerbar, wenn der Ort der Lieferung im Inland liegt. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten ausgeführt oder versendet, gilt gemäß § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG die Lieferung an dem Ort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Nach § 3 Abs. 6 Satz 3 UStG liegt eine solche Versendung vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt, wobei gemäß § 3 Abs. 6 Satz 4 UStG die Versendung mit der Übergabe an den Beauftragten beginnt. Für Lieferungen mit einem Warenwert von bis zu 22 €, die bei der Einfuhr nach Deutschland der EUSt nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit 21 UStG unterliegen, ist die durch § 1a der Einfuhrumsatzsteuer–Befreiungsverordnung (EUStBV) in Verbindung mit Art. 27 der Verordnung (EWG) Nr. 913/83 angeordnete Befreiung von der EUSt mit der Folge zu beachten, dass die Leistung zwar steuerbar, aber steuerfrei ist, weil bei der Bestimmung des Leistungsortes nach § 3 Abs. 6 UStG keine EUSt anfällt. Allerdings bestimmt sich der Ort der Lieferung in Rückausnahme zum vorbenannten Ausnahmetatbestand nach § 3 Abs. 8 UStG, wenn der Gegenstand bei seiner Beförderung oder Versendung aus einem Drittlandsgebiet in das Inland gelangt und der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der EUSt ist. In diesem Fall ist der Ort der Lieferung als im Inland gelegen anzusehen und die Leistung damit als im Inland umsatzsteuerbar.
23Die Versendung der zuvor von der Klägerin bzw. deren Organgesellschaften in die Schweiz verbrachten Waren mit einem Warenwert bis zu 22 € begann an dem von B in der Schweiz betriebenen Logistikzentrum. Von dort wurden die für die im Inland ansässigen Abnehmer bestimmten Waren nach der zollamtlichen Abfertigung zur Ausfuhr aus der Schweiz und der zollamtlichen Abfertigung bei der Einfuhr nach Deutschland gemäß der ab 01.01.2007 geltenden Fassung der AGB: "Sie bevollmächtigen uns, alle für die Einfuhr aus der Schweiz erforderlichen Erklärungen abzugeben" über ein inländisches Verteilerzentrum der … Post von der P an die im Inland ansässigen Kunden ausgeliefert.
24Die aus dem Drittland Schweiz ausgeführten, der Klägerin über § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG zuzurechnenden Lieferumsätze an die im Inland ansässige Kunden mit Waren mit einem Warenwert bis zu 22 € erfüllten dennoch den Tatbestand des § 3 Abs. 8 UStG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG. Für die Anwendung des § 3 Abs. 8 UStG ist unerheblich, ob die Einfuhren umsatzsteuerfrei waren. Schuldner der EUSt im Sinne des § 3 Abs. 8 UStG ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 20.03.2007 V R 32/05, a.a.O.) auch derjenige, dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbar, aber gemäß § 5 UStG steuerbefreit sind.
25Die für die Bestimmung des Leistungsortes nach § 3 Abs. 8 UStG erforderliche weitere Voraussetzung, dass der Lieferer der Waren Schuldner der EUSt ist, erfüllte die Klägerin im Streitfall, weil sie bzw. die Organgesellschaft Y-GmbH, nicht aber die Vertragspartner als Kunden und Erwerber der gelieferten Gegenstände Schuldner der EUSt waren. Die Steuerschuldnerschaft für die EUSt wurde nicht durch die Verwendung der in die AGB aufgenommene Klausel: "Sie bevollmächtigen uns, alle für die Einfuhr aus der Schweiz notwendigen Erklärungen abzugeben. Hierfür fallen keine Steuern an." auf die Endkunden überwälzt. Die Überwälzungsklausel ist nicht gemäß § 305 Abs. 2 BGB zivilrechtlicher Inhalt der Kaufverträge zwischen der Y-GmbH und ihren Kunden geworden, so dass die Klägerin über ihre Tochter Y-GmbH Schuldner der EUSt blieb, mit der Folge, dass nach § 3 Abs. 8 UStG der Ort der Lieferungen jeweils im Inland verblieb und die Lieferungen im Inland umsatzsteuerbar waren.
26Nach § 13 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG bestimmt sich die Frage, wer Schuldner der EUSt ist, nach den Vorschriften über die Zölle. Gemäß Art. 201 Abs. 3 Satz 1 ZK ist grundsätzlich der Anmelder einer Ware der Zollschuldner. Allerdings kann sich der Anmelder bei der das Zollrecht betreffenden Verfahrenshandlung vertreten lassen, Art. 5 ZK. Unzutreffend ist die Auffassung der Klägerin, sie bzw. ihre Organtochter Y- GmbH hätten unter Verwendung einer dahingehenden, von den Kunden aufgrund der ab 01.01.2007 verwendeten Fassung der AGB erteilten Vollmacht die jeweiligen Warensendungen im Namen der Kunden in Deutschland zur Abfertigung für den freien Verkehr angemeldet. Die Kunden haben weder der Klägerin noch ihrer Organtochter wirksam eine Vollmacht zur Abgabe der Zollanmeldung im Namen der Kunden mit der Folge erteilt, dass nach Art. 5 Abs. 4 Satz 2 2. Alt. ZK die Klägerin bzw. deren Organtochter als in eigenem Namen und in eigener Verantwortung handelnde Personen galten. Die in die AGB der Y-GmbH - Fassung ab 01.01.2007 - aufgenommene Steuerklausel wurde nicht wirksam Inhalt des Vertrags zwischen der Organtochter der Klägerin und deren Kunden, § 305 Abs. 2 BGB, da es sich um eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c BGB handelt.
27Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in den AGB, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Bestandteil des jeweiligen Vertrages. Diese Regelung beruht darauf, dass der Kunde die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der AGB des Vertragspartners oft nicht ausnutzt oder ausnutzen kann, sei es, weil er das Klauselwerk als Ganzes ungelesen akzeptiert, sei es, weil er es zwar liest, aber weder über die Rechts- noch über die Geschäftskunde verfügt, deren er bedarf, um überraschende Klauseln erkennen zu können und sich gegen sie zur Wehr zu setzen. Die Ungewöhnlichkeit der Klauseln bestimmt sich nach den Umständen des Vertragsabschlusses, dem Gesamtbild des Vertrages sowie den Erwartungen, die der redliche Geschäftsverkehr typischerweise an den Vertragsinhalt knüpft. Überraschenden Charakter im Sinne des § 305c BGB hat eine Bestimmung in den vom Lieferanten verwendeten AGB dann, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte (vgl. BGH Urteil vom 11.12.2003 III ZR 118/03, DB 2004, 303, NJW-RR 204, 780). Die Erwartungen des Vertragspartners werden von den allgemeinen und von den individuellen Begleitumständen des Vertragsabschlusses bestimmt. Hierzu zählen der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung einerseits, Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrages andererseits (vgl. BGH Urteil vom 11.12.2003 III ZR 118/03, a.a.O.). AGB sind nach ihrem objektiven Willen und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständlichen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders (vergleiche BGH Urteil vom 29.04.2008 KZR 2/07, BGHZ 176, 244, NJW 2008, 2172).
28Unter Anwendung dieser Maßstäbe konnte und musste ein durchschnittlicher Käufer auf der Grundlage der in den Katalogen des "XYZ" abgedruckten AGB nicht damit rechnen, dass er mit seiner Bestellung zugleich eine Erklärung abgeben musste und abgab, durch die er seine Vertragspartnerin, die Warenlieferantin, bevollmächtigte, für ihn gegenüber den deutschen Zollbehörden die Erklärung abzugeben, dass abweichend vom gesetzlichen Regeltatbestand des Art. 201 ZK nicht der Anmelder, sondern der Kunde, der Erwerber der Ware, Schuldner der EUSt sei. Für die hier zu beurteilenden Verträge ist eine solche Klausel ungewöhnlich. Für die Überprüfung der streitigen Steuerklausel war als durchschnittlichen Vertragspartner der Lieferantin ein Endkunde der Ware zugrunde zu legen, der sich in Betracht des relativ geringen Werts des Auftrags und der bestehenden Widerrufsmöglichkeit der Bestellung keine großen Gedanken über steuer- und zollrechtliche Besonderheiten des Inhalts der von seinem Vertragspartner verwendeten AGB macht. Das Warensortiment des XYZ zielt auf Abnehmer ab, die als Endkunden zum Zwecke des privaten Konsums wiederholt geringe Warenmengen abnehmen, wofür die Vielzahl der Warensendungen mit einem Warenwert von bis zu 22 € an die Endkunden spricht. Der durchschnittliche Kunde des XYZ rechnet nicht damit und muss auch nicht damit rechnen, dass er durch die in den vom Lieferanten aufgestellten AGB verwendete Steuerklausel eine Erklärung dahin abgab, dass er als Kunde zum Schuldner der EUSt wurde und zugleich aufgrund seiner Eigenschaft als Zollschuldner auch die Verantwortung für die bei der Einfuhr zu beachtenden Vorschriften übernahm. Dementsprechend hat der BFH in seinem Urteil vom 20.03.2007 V R 32/05 (a.a.O.) auch für Recht erkannt, dass die für den VZ 1998 von der Klägerin verwandte Fassung der Steuerklausel ungewöhnlich und damit nicht als Teil des zwischen der Lieferantin und dem Endkunden abgeschlossenen Vertrages geworden war. Mit der im Streitjahr 2007 in den AGB verwendeten Steuerklausel, auf deren im Vergleich zur vorherigen Steuerklausel geänderte Formulierung die Verwenderin mangels entgegenstehender Gesichtspunkte ihre Vertragspartner, die Kunden des "XYZ", nicht ausdrücklich hinwies, übernahm der Kunde Pflichten, deren Tragweite er nicht übersehen konnte. Bei rechtlicher Anerkennung der Überwälzungsklausel wurde der Kunde zu einem Steuerschuldner für die EUSt, sofern die deutsche Zollbehörde aus welchen Gründen auch immer die Steuerbefreiung der Wareneinfuhr versagte. Die in den AGB zugesagte Freistellung änderte an diesem Tatbestand nichts mit der Folge, dass es dem Erwerber der Waren im Innenverhältnis oblag, seinen Vertragspartner zur Erfüllung der ihn, den Kunden, treffenden Steuerzahllast zu bewegen, und die Anerkennung der Pflicht zur Freistellung von der ihm gegenüber festgesetzten EUSt notfalls unter Übernahme eines Kostenrisikos einklagen zu müssen. Zudem musste und konnte der Kunde erst recht nicht damit rechnen, dass er aufgrund seines Eintritts in die Rechtsstellung als Steuerschuldner der EUSt auch die Verantwortlichkeit für weitere aufgrund der Einfuhr zu beachtende zollrechtliche Pflichten übernahm, z.B. bei der Einfuhr (vermeintlich) jugendgefährdender Druckwerke, Filme oder CD‘s mit Musikstücken. Für die Bewertung der ab 01.01.2007 verwendeten Klauselfassung konnte der Senat ergänzend berücksichtigen, dass die Bestellung jeweils gegenüber einem in Deutschland in H ansässigen Unternehmen, der Y-GmbH, erfolgte und Erfüllungsort für die aus der vertraglichen Beziehung zwischen der Lieferantin und dem Kunden nach der ausdrücklichen Vereinbarung auf der Beitrittserklärung im inländischen H lag, und dass der Kaufpreis für jede Bestellung auf ein inländische Konto bei einer in Deutschland ansässigen Bank gezahlt werden musste. Angesichts dieser Vertragsmodalitäten durfte der durchschnittliche Kunde bei der Bestellung davon ausgehen, ein rein innerdeutsches Versandhandelsgeschäft zu tätigen. Der einzige Hinweis auf einen Bezug des Vertragsabschlusses und der Belieferung des Kunden zur Schweiz bestand in der in den AGB verwendeten Steuerklausel, nachdem die an den Kunden adressierte Postsendung nach dem Vortrag der Klägerin keine schweizerische, sondern eine deutsche Freimachung, d.h. eine deutsche Briefmarke, trug, und die Lieferantin dadurch gegenüber dem Kunden den Eindruck einer inländischen Lieferung vermittelte. Dass der Kunde aus der von der Lieferantin gewählten Formulierung der Steuerklausel nicht leicht und verständlich schließen konnte, dass er damit seinen Vertragspartner bevollmächtigte, gegenüber der deutschen Zollbehörde die Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf ihn für eine Einfuhr aus der Schweiz zu erklären, ist nach Maßgabe des hier anzuwendenden Maßstabs überraschend. Welches Ziel die Verwenderin der AGB mit der Steuerklausel erreichen wollte, war für einen durchschnittlichen Rechtsteilnehmer ohne besondere Kenntnisse des Zoll- und Steuerrechts nicht zu erkennen. Überraschend war zudem für einen durchschnittlichen Kunden, dass die ihrer Höhe nach unbeschränkt formulierte Bevollmächtigungsklausel nach dem Vortrag der Klägerin gegenüber den deutschen Zollbehörden nur für Lieferungen mit einem Wert von bis zu 22 € Anwendung finden sollte. Ein Beleg für die Behauptung der Klägerin, die Kunden hätten nur eine betragsmäßig gedeckelte Vollmacht erteilt, ist den vorgelegten AGB nicht zu entnehmen. Zwar machte die Klägerin von der ihr laut ihrer Auffassung vom Kunden der Y-GmbH eingeräumten Bevollmächtigung bei einer den Warenwert von 22 € übersteigenden Lieferung regelmäßig keinen Gebrauch. Die betragsmäßig beschränkte Nutzung der übertragenen Bevollmächtigung machte die Klägerin gegenüber den Kunden aber nicht entsprechend deutlich. Die faktische "Wertabhängigkeit" hinsichtlich der Verwendung der erteilten Bevollmächtigung ging aus der Fassung der Steuerklausel angesichts des von der Klägerin nur geheim gemachten Verwendungsvorbehalts nicht hervor.
29Selbst wenn die streitige Klausel Vertragsinhalt der Vereinbarungen zwischen dem Warenlieferanten und den Kunden geworden sein sollte, wäre die Steuerschuldnerschaft dennoch nicht auf die Erwerber der Waren und Empfänger der Warenlieferungen übergegangen. Unter Erfüllung weiterer Voraussetzungen kennzeichnet Art. 5 Abs. 2 ZK die Vertretung dahin, dass der Vertreter "für Rechnung eines anderen" handelt. Wie die ausdrückliche Formulierung in der ab 01.01.2007 geltenden Fassung der AGB: "Bei Änderungen werden wir anfallende Steuern und sonstige Kosten natürlich für Sie übernehmen" suggeriert, konnte sich für die Erwerber der Waren keine finanzielle Belastung aus der in Form der streitigen Steuerklausel ausgesprochenen Bevollmächtigung ergeben. Mithin handelte die (angebliche) Vertreterin, d.h. die Organtochter der Klägerin, jedenfalls im vorliegenden Fall aufgrund der in den AGB verwendeten Steuerklausel gerade nicht "für Rechnung eines anderen". Laut der Steuerklausel handelte es sich hinsichtlich der Festsetzung von EUSt zum einen um einen eher "theoretischen Fall". Zum anderen verpflichtete sich die Warenlieferantin gegenüber ihren Kunden, diese von einer eventuellen Zahllast im vollen Umfang freizustellen und die gegenüber den Kunden festgesetzte Abgabenschuld zu bezahlen. Wirtschaftlich betrachtet handelte die Warenlieferantin nicht auf fremde, sondern auf eigene Rechnung (vgl. dazu Urteil FG München vom 20.02.20103 3 K 2222/10, a.a.O., letzter Absatz).
30Die Kunden sind nicht deshalb Schuldner der EUSt geworden, weil sie als Warenbesteller mittels Postpaket aus der Schweiz beliefert wurden.
31Zwar gilt nach Art. 61 ZK in Verbindung mit Art. 237 Abs. 2 1. Alt. ZK-DVO als Anmelder und gegebenenfalls als Zollschuldner der Empfänger anderer Postsendungen im Sinne des Art. 237 Abs. 1 Buchstabe A a 4. Spiegelstrich ZK-DVO. Der mit dem Begriff "andere Postsendung" privilegierte Postverkehr im Sinne des Art. 237 Abs. 1 ZK-DVO umfasst zumindest die Warenbeförderung durch die … Post oder deren Töchter. Wie im Urteil vom 15.03.2005 15 K 2194/00 U (.a.a.O.) dargelegt, geht der Senat davon aus, dass das aufgrund eines zwischen dem Paketabsender, dem Urheber der Postsendung (vgl. dazu die Definition des Absenders der Postsendung in Art. 2 Satz 1 Nr. 16 der Postdienste-Richtlinie), und der … Post bzw. der P für das Streitjahr 2007 abgeschlossenen privatrechtlichen Beförderungsvertrages vom Auftragnehmer beförderte Paket bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen eine andere Postsendung im Sinne des Art. 237 ZK-DVO darstellt.
32Nach Art. 237 Abs. 1 Buchstabe A a 4. Spiegelstrich ZK-DVO müssen die anderen Postsendungen im Sinne der Durchführungsvorschriften zu Art. 38 Abs. 4 ZK von der Verpflichtung des Beförderns freigestellt sein. Nach Art. 38 Abs. 4 ZK kann einzelstaatliches Recht im Sinne des Art. 4 Nr. 23 ZK vorsehen, dass im Postverkehr in das Gemeinschaftsgebiet verbrachte Waren von der Verpflichtung gemäß Art. 38 Abs. 1 ZK zur Beförderung zu der von den Zollbehörden bezeichneten Zollstelle und der daran in Art. 40 ZK anknüpfenden Pflicht zu deren Gestellung befreit sind. Die nach Maßgabe dieser Vorschriften von der formellen zollamtlichen Erfassung ausgenommenen Waren gelten nach Art. 234 Abs. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 233 Abs. 1 Buchstabe b ZK-DVO als durch einfaches Überschreiten der Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft, vorliegend der Steuergrenze der Bundesrepublik Deutschland, als gestellt. Dabei enthält Art. 237 Abs. 1 Buchstabe A ZK-DVO besondere Bestimmungen hinsichtlich der Anmeldung von Waren, die im Postverkehr befördert werden. Nach Art. 237 Abs. 1 Buchstabe A a 4. Spiegelstrich ZK-DVO gelten andere Postsendungen, die im Sinne der Durchführungsvorschriften zur Art. 38 Abs. 4 ZK von der Verpflichtung des Beförderns freigestellt sind, im Zeitpunkt des Beförderns als angemeldet zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr. Im Sinne von Art. 237 Abs.1 ZK-DVO gelten nach Art. 237 Abs. 3 Satz 1 a ZK-DVO abgabefreie Waren als nach Maßgabe des ZK gestellt, die Zollanmeldung als angenommen sowie die Waren als überlassen bei der Einfuhr, wenn die Waren dem Empfänger ausgehändigt werden. In Ausnutzung der in Art. 38 Abs. 4 ZK den Mitgliedsstaaten eingeräumten Befreiungskompetenz ist die einzelstaatliche Bestimmung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b aa der Zollverordnung (ZollV) auf der Grundlage des § 2 Abs. 6 des ZollVG erlassen worden. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a bb ZollVO in Verbindung mit Art. 38 Abs. 4 ZK sind Postpakete von der Beförderungspflicht des Art. 38 Abs. 1 Buchstabe a ZK und der daran anknüpfenden Gestellungspflicht im Sinne des Art. 40 ZK befreit, wenn es sich um Sendungen mit Waren handelt, die nicht mehr als 22 € wert sind, und es sich bei den Sendungen nicht um Alkohol, alkoholische Getränke, Tabakwaren, Röstkaffee oder löslichem Kaffee handelt. Frei von den Einfuhrabgaben im Sinne des Art. 237 ZK-DVO in Verbindung mit Art. 4 Nr. 10 ZK ist die Einfuhr von Gegenständen, die nach der ZollBV zollfrei eingeführt werden können. Die gesetzliche Definition des Art. 4 Nr. 10 ZK der Einfuhrabgabe umfasst nur die Zölle und Abgaben gleicher Wirkung sowie die Agrarabgaben bei der Einfuhr ins innergemeinschaftliche Zollgebiet, rechnet aber nicht die EUSt zu den Abgaben im Sinne des ZK. Die zugehörigen materiellen Zollbefreiungstatbestände sind in der ZollBV niedergelegt. Nach Art. 27 und 28 ZollBV sind befreit von den Eingangsabgaben Sendungen von Waren mit einem geringen Wert, die mit Ausnahme von alkoholischen Erzeugnissen, Parfüm, Toilettenwasser, Tabak und Tabakwaren unmittelbar aus einem Drittland an einen Empfänger in der Gemeinschaft gesandt werden. Als Waren mit geringem Wert gelten Waren, deren Gesamtwert im Streitjahr je Sendung 22 € nicht überstieg. Für die Ermittlung des Grenzbetrages im Sinne der Art. 27, 28 ZollBV ist es unerheblich und führt nicht zum Ausschluss der Abgabenfreiheit, dass mehrere Sendungen desselben Absenders an denselben Empfänger gehen. Sendungen, die nach Art. 27 und 28 ZollBV zollfrei eingeführt werden können, sind nach § 1 Abs. 1 EUStBV, die auf der Rechtsgrundlage des § 5 Abs. 2 UStG beruht, und zwar in sinngemäßer Anwendung der Art. 2 bis 145 ZollBV mit Ausnahme bestimmter, in der ZollBV genannter Vorschriften und unter zusätzlicher Berücksichtigung der Abweichungen, die sich aus den §§ 2 bis 10 der EUStBV ergeben, von der EUSt befreit. Die Befreiung von der EUSt greift nach diesen Vorschriften selbst dann ein, wenn Waren mit geringem Wert in Sammelsendungen eingeführt werden, sofern die Waren einzeln verpackt und an die einzelnen Empfänger adressiert sind, und wenn es sich um eine Sendung handelt, die durch die Post oder durch einen anderen Paketdienst oder durch die Bahn befördert wird. Für die Befreiung kommt es nicht darauf an, ob die Einfuhr kommerziellen Charakter hat oder nicht. Im Gegensatz zur EUSt-Befreiung nach der Kleinsendungs-Verordnung gilt die EUSt-Befreiung nach der EUStBV auch für gewerbliche Einfuhren. Im Streitfall sind die Voraussetzungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a bb ZollV und im Sinne der Art. 27 und 28 ZollBV sowie des § 1 EUStBV erfüllt. Aus der Schweiz wurden Sammelsendungen ins Inland befördert, die mangels entgegenstehender Anhaltspunkte jeweils in einzelnen Postpaketen verpackt und an die jeweiligen Empfänger adressiert waren. Die Sendungen wurden durch die P befördert und laut Schreiben der X-GmbH zur Abfertigung zum freien Verkehr im Namen der Empfänger angemeldet und durch das Zollamt W zum freien Verkehr abgefertigt. Bei den an die Kunden versendeten Produkten handelte es sich nicht um Waren im Sinne der §§ 2 bis 10 der EUStBV. Dennoch kann sich die Klägerin nicht auf die Abfertigungsfiktion des Art. 237 ZK-DVO berufen. Die Anwendung dieser Vorschrift ist nach Art. 238 ZK-DVO 2. Spiegelstrich ZK-DVO ausgeschlossen für Postsendungen (Briefe und Postpakete), die zu kommerziellen Zwecken bestimmte Waren enthalten, die Teil einer regelmäßigen Serie gleichartiger Vorgänge sind. Art. 238 2. Spiegelstrich ZK-DVO entspricht der Regelung in Art. 225 Buchstabe b 2. Spiegelstrich ZK-DVO. Zweck der letzteren Bestimmung zur Beschränkung der Befugnis zur mündlichen Abgabe einer Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr ist es, dass größere kommerzielle Warensendungen nicht „kleingearbeitet“ werden, um in den Genuss der Erleichterungen einer mündlichen Anmeldung zu kommen. Die Vorschrift des Art. 238 2. Spiegelstrich ZK-DVO verfolgt nach Auffassung des Senats eine vergleichbare Zielsetzung. Auch sie will verhindern, dass durch Aufspaltung der durch einen gewerblichen Lieferanten bewirkte Masseneinfuhren in Kleinlieferungen die Privilegien des Art. 237 ZK-DVO in Anspruch genommen werden können und anstelle des Anmelders oder anstelle der vom Anmelder im Sinne des Art. 201 ZK vertretenen Person der Empfänger der Ware Zollschuldner und damit Schuldner der EUSt wird. Die von der P an die Kunden beförderten Sendungen enthielten kommerzielle Waren im Sinne des Art. 238 ZK-DVO. Es handelte sich um Waren, deren Einfuhr nicht gelegentlich, sondern regelmäßig täglich und aus der Sicht des Versenders Y-GmbH aus geschäftlichen Gründen erfolgte (vgl. dazu Art. 45 Abs. 2 Buchstabe b ZollBV). Die ab der Schweiz von der B ausgeführten Warenversendungen waren Teil einer regelmäßigen Serie gleichartiger Vorgänge. Täglich wurden im schweizerischen Logistikzentrum der B verpackte Sendungen abgeholt und ins Inland zur Weiterleitung an die Besteller dieser Waren verbracht.
33Die Schuldnerschaft der Kunden für die EUSt folgt nicht - wie die Klägerin meint - aus dem Umstand, dass die … Post bzw. für diese die P für die aus der Schweiz importierten Waren eine Zollanmeldung für die Warenempfänger abgegeben habe. Nach § 5 Abs. 2 ZollVG ist die … Post zwar berechtigt, für ins Inland verbrachte Waren mit Wirkung für den Warenempfänger eine Zollanmeldung abzugeben. Die gesetzliche Vertretungsbefugnis aus § 5 Abs. 2 ZollVG bezieht sich aber nur auf den innergemeinschaftlichen Postverkehr. Postalische Drittlandseinfuhren unterliegen den Regeln der Art. 38 ff ZK. Im Streitfall handelte es sich nicht um Beförderungen im innergemeinschaftlichen Postverkehr, sondern um postalische Drittlandeinfuhren, indem die P die Waren aus dem Drittlandsstaat Schweiz in das innergemeinschaftliche Zollgebiet durch Überschreiten der Zollgrenze zur Bundesrepublik Deutschland verbrachte. Zudem hat die Klägerin nicht dargetan, dass die … Post für den jeweiligen Warenempfänger schriftlich eine Zollanmeldung abgegeben hat. Solche Zollanmeldungen durch die … Post oder die P für die Kunden sind nicht feststellbar. Die Klägerin hat nur den Antrag der Organtochter Y-GmbH auf Freischreibung an die deutschen Zollbehörden vorgelegt. Darin wurden die Kunden als Zollanmelder für die von der Schweiz eingeführten Waren bezeichnet. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die P keinen Sammelantrag auf Freischreibung von Kleinsendungen abgegeben hat. Eine schriftliche Zollanmeldung durch die P im Sinne des Art. 61 in Verbindung mit Art. 62 ZK mittels Einheitspapiers ist ebenso wenig feststellbar wie eine Anmeldung durch die P mit Mitteln der Datenverarbeitung. Der Hinweis der Klägerin, die P habe konkludent für die Kunden Zollanmeldungen durch Verbringung der Waren über die Grenze abgegeben, vermag der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Vorlage des Antrags auf Freimachung seitens der Y-GmbH durch die P an die deutschen Zollbehörden belegt gerade, dass die … Post von einer Zollanmeldung eines Dritten, der Y-GmbH, für die Erwerber der Waren ausging, und sie deshalb nicht verpflichtet war, für die Erwerber eine Zollanmeldung vorzunehmen.
34Die Klage kann selbst dann keinen Erfolg haben, wenn die Klägerin mit den streitigen Umsätzen nichtsteuerbare Leistungen ausgeführt hätte, in dem die Steuerschuldnerschaft für die EUSt bezüglich Lieferungen mit einem Warenwert von bis zu 22 € rechtswirksam auf die Erwerber abgewälzt wurde. Zu Recht hat das Finanzamt wegen eines in diesem Fall der Klägerin zuzurechnenden Rechtsmissbrauchs ihrer Organtochter Y-GmbH die der Klägerin zuzurechnenden Lieferungen ihrer Organtochter an deren im Inland ansässige Kunden als steuerpflichtige Lieferungen behandelt.
35Nach § 42 Satz 1 AO kann das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht gemäß § 42 Satz 2 AO der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entsteht. Die Vorschrift des § 42 AO ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 09.11.2006 V R 43/04, BFHE 215, 379, BStBl II 2007, 344; vom 21.03.2007 V R 32/05, a.a.O.) auch im Rahmen des Umsatzsteuerrechts anzuwenden. § 42 AO stellt entgegen der Annahme der Klägerin keine Sondermaßnahme im Sinne des Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. des Art. 395 der MwStSystemRl dar. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 21.02.2006 C-255/02 "Halifax", Slg. 2006, I-1609, BFH/NV 2006, Belage 3, S. 260; vom 22.12.2010 C-103/09 "Weald Leasing", Slg. 2010, I-13589, BFH/NV 2011, 153) sind die Richtlinie 77/388/EWG wie auch die ihr im Streitpunkt inhaltsgleich nachfolgende MwStSystemRl vielmehr so auszulegen, dass die Anwendung des Unionsrechts nicht so weit geht, dass sie von den Wirtschaftsteilnehmern begangene missbräuchliche Praktiken deckt. Umsätze, die nicht als normale Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich in den Genuss von im Unionsrecht vorgesehenen Vorteilen zu gelangen, sind durch die Richtlinie 77/388/EWG bzw. die MwStSystemRl nicht gedeckt. Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer zum einen voraus, dass die fraglichen Umsätze trotz formaler Erfüllung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG bzw. der MwStSystemRl und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung mit dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Zweck zuwiderläuft, und dass zum anderen aufgrund objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird. Das Missbrauchsverbot ist nur dann nicht einschlägig, wenn die fraglichen Umsätze eine andere Erklärung als nur die Erlangung von Steuervorteilen haben können. Zwar hat der Steuerpflichtige grundsätzlich das Recht, seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen hält. Im Missbrauchsfall führt die gewählte Gestaltung aber zu einem Steuervorteil, der den Regelungen der Verordnung (EWG) Nr. 918/83, hier insbesondere des Art. 27, zuwiderläuft. Im Urteil vom 02.07.2009 C-7/08 (a.a.O.) hat der EuGH ausdrücklich darauf hingewiesen, dass laut des dritten Erwägungsgrunds der Verordnung (EWG) Nr. 2287/83 zur Änderung des Art. 27 der Verordnung (EWG) 918/83 es Zweck der Änderung ist zu verhindern, dass Wirtschaftsunternehmen durch Schaffung von speziell hierfür vorgesehener Tätigkeit oder künstlichen Verlagerungen bestehender Tätigkeiten die in Art. 27 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 vorgesehenen Befreiung nützen und somit Wettbewerbsverzerrungen im Gemeinsamen Markt verursachen würden. Um diese Verzerrungen zu vermeiden, erscheine es laut des dritten Erwägungsgrunds zweckmäßig, vorstehend erwähnte Sendungen, die vor ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr einem anderen Zollverfahren unterworfen wurden, von der Befreiung von Eingangsabgaben auszuschließen. Gleichzeitig stellte der EuGH im Urteil vom 02.07.2009 C-7/08 (a.a.O.) fest, dass das Ziel der Bekämpfung des Missbrauchs der Mehrwertsteuerbefreiung zwar nicht zur Auslegung des Art. 27 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 in der geänderten Fassung herangezogen werden kann, dass aber auch in Bezug auf die Regelungen in Art. 27 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 die Gemeinschaftsrechtsprechung einen Rahmen bietet, der es den Mitgliedsstaaten erlaubt, die Gewährung einer Steuervergünstigung im Bereich der Mehrwertsteuer zu versagen, wenn diese missbräuchlich erwirkt wird. Angesichts der Klarstellung des EuGH im Urteil vom 02.07.2009 C-7/08 (a.a.O.) können Sachverhaltsgestaltungen, die auf die Mehrwertsteuerbefreiung gemäß Art. 27 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2287/83 abzielen, daraufhin nachgeprüft werden, ob sie einen Rechtsmissbrauch der von der Verordnung zur Verfügung gestellten Mehrwertsteuerbefreiung darstellen. Bei einer Gesamtschau aller Umstände des Streitfalls zielte das der Klägerin zuzurechnende Verhalten ihrer Organtochter allein daraufhin ab, den vom Gesetz bei Warenlieferungen im Warenwert von bis zu 22 € vorgesehenen Steuervorteil in Anspruch nehmen zu können. Die laut der Klägerin für die Verwendung des im Drittland gelegenen Auslieferungslagers maßgeblichen Umstände stellen keine hinreichende außersteuerliche Begründung für die Verwendung dieses Auslieferungslagers für die Belieferung im Inland ansässiger Kunden mit Waren allein im Warenwert von bis zu 22 € dar. Die Klägerin vermochte nicht einleuchtend zu erläutern, warum die mit Verweis auf die Erzielung von Synergieeffekten begründete Handlungsweise ihrer Organtochter nur bei Warensendungen mit einem Warenwert von bis zu 22 € eintraten und warum sie unter Berücksichtigung der von ihr vorgetragenen Standortvorteile des schweizerischen Standorts auf die Nutzung dieser Vorteile bei Warensendungen im Wert von über 22 € verzichtete. Dass in der Schweiz die sog. Rennermaschine aufgestellt war, stand einer Bearbeitung auch anderer Formate nicht entgegen. Für den Rechtsmissbrauch spricht auch der mit der streitigen Klauselformulierung verbundene geheime, gegenüber dem Rechtsverkehr nicht aufgedeckte Vorbehalt der Klägerin, nur bei Warenlieferungen mit einem Warenwert von bis zu 22 € von der nach ihrer Auffassung durch den Kunden übertragenen Vertretungsbefugnis Gebrauch machen zu wollen. Diese Verhaltensweise belegt, dass die Klägerin für den Warenweg über die Schweiz allein aufgrund der für Lieferungen mit einem Warenwert von bis zu 22 € im Streitjahr geltenden Befreiung von der EUSt und in deren Folge aufgrund der mangelnden Steuerbarkeit der Warenlieferung an im Inland ansässige Empfänger infolge der gesetzlich angeordneten Wegverlegung des Lieferortes aus dem Inland entschied.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
37Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.