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Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2011 vom 16.11.2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.5.2013 wird die Einkommensteuer 2011 mit der Maßgabe neu festgesetzt, dass bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32 Buchst. d Abs. 1 EStG besteuert werden, die als „Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (ohne Aktien)“ angesetzten Erträge i.H.v. 20.473 € nicht mehr berücksichtigt werden.
Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Streitig ist, ob die Einlösung einer Inhaberschuldverschreibung „XETRA-Gold“ nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerpflichtig ist.
4Der Kläger erwarb am 6.3.2009 und am 12.3.2009 jeweils 1.000 Stück XETRA Gold Inhaberschuldverschreibungen ISIN-Wertpapiernummer: DE000A0S9GB0 (im Folgenden: Inhaberschuldverschreibung) der Deutschen Börse Commodities GmbH mit Sitz in Eschborn (im Folgenden: Emittentin). Hierbei handelt es sich um ein börsenfähiges Wertpapier in Form einer nennwertlosen Inhaberschuldverschreibung, welches jederzeit einen Anspruch gegen die Emittentin auf Lieferung der verbrieften Menge Goldes bzw. -wenn ein Gläubiger aus rechtlichen Gründen daran gehindert ist- anstelle der Lieferung von Gold die Auszahlung in Form eines Barbetrages verbrieft. Der Lieferanspruch ist in physischer Form gedeckt, da die Emittentin mit dem Erlös aus der Emission Gold in physischer Form sowie im begrenzten Umfang Buchgoldansprüche erwirbt und verwahrt.
5Am 12.1.2011 machte der Kläger von seinem Anspruch auf Auslieferung der Goldbestände in der Weise Gebrauch, dass er sich gegen Ausbuchung seines Wertpapierbestandes 20 Goldbarren á 100 Gramm physisch aushändigen ließ.
6Unter Berücksichtigung des Goldwertes zum Zeitpunkt des Erwerbs der Inhaberschuldverschreibung und zum Zeitpunkt der Aushändigung der Goldbestände entstand dem Kläger hierbei ein der Höhe nach unstreitiger Buchdifferenzgewinn i.H.v. 20.473,42 €.
7Mit der Einkommensteuererklärung für 2011 reichte der Kläger u.a. eine Steuerbescheinigung der …-Bank vom 5.4.2012 ein. Darin ist neben weiteren Erträgen von 11.997,06 € der aufgrund der Einlösung der Inhaberschuldverschreibung berechnete Gewinn in Höhe von 20.473,42 € als Gewinn aus Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG aufgeführt. Der Beklagte besteuerte die 20.473,32 € nach §§ 20, 32d Abs. 1 EStG und setzte die Einkommensteuer 2011 auf 38.932 € fest.
8Mit der Klage vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, die Rückgabe der Inhaberschuldverschreibungen gegen die erfolgte Auslieferung des Goldes führe nicht zu einem gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG steuerbaren Differenzgewinn. Bei der Inhaberschuldverschreibung handele es sich um ein verbrieftes Recht auf Auslieferung von physischem Gold. Zudem habe eine Veräußerung der Schuldverschreibung nicht stattgefunden.
9Der Kläger beantragt,
101. den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 16.11.2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.5.2013 dahingehend zu ändern, dass die Auslieferung des Goldbestandes aus der XETRA-Gold Inhaberschuldverschreibung als nicht steuerbares Geschäft behandelt wird und die Einkommensteuer 2011 entsprechend herabgesetzt wird,
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im außergerichtlichen Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen,
15hilfsweise die Revision zuzulassen.
16Er ist unter Bezugnahme auf Tz. 57 des BMF-Schreiben vom 9.10.2012, IV C 1-S 2252/10/10013, BStBl I 2012, 953 (im Folgenden: BMF-Schreiben vom 9.10.2009) der Auffassung, der Differenzgewinns von 20.473 € aus der Einlösung der Inhaberschuldverschreibung sei nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG steuerbar und nach § 32 Buchst. d Abs. 1 EStG zu besteuern. Ungeachtet der physischen Deckung des verbrieften Lieferanspruchs durch Gold handele es sich um ein börsenfähiges Wertpapier, das auch tatsächlich an der Börse gehandelt werde. Mit der Inhaberschuldverschreibung habe der Kläger zunächst nur einen Lieferanspruch auf Gold und damit eine Forderung und keinen physischen Goldbestand erworben. Bei der späteren Einlösung des Wertpapiers sei diese Forderung mit Kursgewinn erfüllt und das Gold tatsächlich geliefert worden.
17Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Steuerakten Bezug genommen.
18II.
19Die zulässige Klage ist begründet.
20Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 16.11.2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.5.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da das Finanzamt zu Unrecht den Gewinn des Klägers aus der Veräußerung der Inhaberschuldverschreibungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Besteuerung unterworfen hat.
211. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.
22Die Neuregelung in § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG ist entsprechend der Vorschrift in Absatz 1 Nr. 7 als Auffangtatbestand gestaltet, um neben den Erträgen auf Grund der Nutzungsüberlassung aus sonstigen Kapitalvermögen, die durch Absatz 1 Nr. 7 erfasst werden, auch die Besteuerung des Vermögenszuflusses aus der Veräußerung, Abtretung oder Endeinlösung von sonstigen Kapitalforderungen zu sichern (vgl. Gesetzesbegründung, BR-Drs. 220/07, S. 89; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Auflage, § 20 Rn. 144).
23Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach diesen Regelungen nicht gegeben, da einerseits keine sonstige Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 EStG und andererseits keine Veräußerung im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG vorliegt.
24a. Bei der Inhaberschuldverschreibung handelt es sich bereits nicht um eine Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 EStG.
25Unter einer Kapitalforderung ist jede auf eine Geldleistung gerichtete Forderung ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs zu verstehen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 4.7.2007 VIII R 53/05, BStBl. II 2008, 563; vom 9.2.2010 VIII R 35/07, BFH/NV 2010, 1793; vom 26.6.1996 VIII R 67/95, BFH/NV 1997, 175; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Auflage, § 20 Rn. 100). Nicht erfasst sind demgegenüber auf die Lieferung anderer Wirtschaftsgüter, insbesondere auf eine Sachleistung gerichtete Forderungen.
26Danach liegt im Streitfall eine sonstige Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG deshalb nicht vor, weil die Inhaberschuldverschreibung das Recht auf Lieferung einer bestimmten Menge physischen Goldes beinhaltet, das fast vollumfänglich durch eingelagertes Gold und im Übrigen durch kurzfristige Lieferansprüche gedeckt ist. Ein solcher Anspruch fällt dem Grunde nach nicht unter den Begriff der Kapitalforderung, da er gerade nicht auf eine Geldleistung gerichtet ist (ebenso Urteile des Sächsischen Finanzgerichts vom 27.3.2014 1 K 1406/13, iuris, <Revision eingelegt, Az. des BFH: VIII R 19/14> und des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 23.6.2014 9 K 4022/12, EFG 2014, 1791, <Revision eingelegt, Az. des BFH: VIII R 35/14> jeweils m.w.N.; a.A.: BMF-Schreiben vom 9.10.2012, BStBl I 2012, 953, Tz. 57).
27Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nach der Systemumstellung auf die Abgeltungssteuer, wonach alle Erträge und Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalforderungen jeder Art besteuert werden sollen, bei denen „die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung von Kapital zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist". Beides ist vorliegend aber nicht der Fall, da weder ein Anspruch auf Rückzahlung des eingesetzten Kapitals besteht noch ein Entgelt für die Überlassung von Kapital geleistet wird. Ob die Goldlieferforderung handelbar ist und durch deren Veräußerung an Dritte ein Gewinn erzielt werden kann, spielt insoweit keine Rolle. Hat der steuerpflichtige Anleger gegen den Emittenten lediglich einen Anspruch auf Lieferung eines anderen privaten Wirtschaftsguts wie z.B. einer bestimmten Menge Gold (Lieferschuldverschreibung), kommt somit eine Besteuerung der Erträge nicht aus § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG, sondern allenfalls unter den -hier unstreitig nicht vorliegenden- Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Betracht (ebenso Urteil des Sächsischen Finanzgericht a.a.O).
28Allein die in den Emissionsbedingungen unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen eingeräumte Möglichkeit, statt der Auslieferung physischen Goldes ersatzweise die Zahlung eines Geldbetrages zu verlangen, führt nicht dazu, dass die Inhaberschuldverschreibung bei wirtschaftlicher Betrachtung primär eine Geldforderung verbrieft. Denn es handelt sich weiterhin nicht um eine Geldforderung, sondern einen Lieferanspruch von Gold, der im Übrigen vom Kläger auch tatsächlich ausgeübt wurde. Insoweit kann jedenfalls im Streitfall von einer "Kapitalüberlassung" an die Emittentin in keinem Fall ausgegangen werden. Letztlich steht der Vorgang dem unmittelbaren Erwerb und der Veräußerung des Goldes näher. Der BFH hat derartige "Goldgeschäfte" im Geltungsbereich der Vorgängerregelung ebenfalls als private Veräußerungsgeschäfte im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. angesehen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 2012 IX R 62/10, BStBl II 2012, 564).
29Der Anspruch des Klägers auf die Lieferung von Gold wird auch nicht dadurch zu einem Anspruch auf Geld, weil die Inhaberschuldverschreibung börsenfähig ist und der Kläger damit die –tatsächlich nicht genutzte- Möglichkeit der Veräußerung am Sekundärmarkt hatte. Denn die Handelbarkeit führt zu keiner Veränderung des in der Inhaberschuldverschreibung verbrieften Anspruchs gegen die Emittentin, der weiterhin auf die Lieferung von Gold gerichtet bleibt.
30b. Zudem stellt die Rückgabe der Inhaberschuldverschreibung keine Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG dar.
31Eine Veräußerung setzt zivilrechtlich einen synallagmatischen Austauschvertrag voraus, dessen Hauptleistungspflichten einerseits in einer Geldleistungspflicht der einen Vertragspartei und anderseits in einer Sachlieferungspflicht oder der Verpflichtung zur Rechtsübertragung der anderen Vertragspartei besteht.
32Die im Streitfall erfolgte Rückgabe der Inhaberschuldverschreibung an die Emittentin ist keine Veräußerung in diesem Sinne. Ein synallagmatischer Austauschvertrag kommt durch die Geltendmachung des Rückgabeverlangens nicht zustande. Denn die Rückgabe einer Inhaberschuldverschreibung ist ein ihr innewohnendes Recht und führt zum Untergang der Schuldverschreibung. Im Gegenzug wird die Emittentin mit Auslieferung des Goldes von ihrer Leistungspflicht befreit (ebenso Urteil des FG Münster vom 14.3.2014 12 K 3284/13 iuris)
332. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit und den Vollstreckungsschutz ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung.
343. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Abweichung vom BMF-Schreiben vom 9.10.2012) zugelassen.