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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitig ist, ob Verluste, die von einem Betrieb gewerblicher Art (BgA) in den Jahren 1977 bis 2000 erwirtschaftet und von der Klägerin ausgeglichen worden sind, bei der erstmaligen Feststellung des Einlagekontos für den BgA zum 31.12.2001 als Einlagen in Ansatz zu bringen sind.
2Die Klägerin, die Stadt A-Stadt, unterhielt im Streitjahr 2001 einen BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit (Regiebetrieb), dessen Gegenstand ein Bäderbetrieb ist. Seit dem Jahr 1992 stellte die Klägerin freiwillig Jahresabschlüsse auf (vgl. Bericht der ...... Wirtschaftsberatung AG über die freiwillige Prüfung der Ableitung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2000 aus der Haushaltsrechnung der Klägerin sowie den ergänzenden Unterlagen – ......-Bericht 2000 –) und zumindest seit dem Jahr 1993 ermittelte die Klägerin die Einkünfte durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Jahresabschlüsse werden dabei aus der kameralen Haushaltsrechnung der Klägerin abgeleitet (Einnahmen- und Ausgaben-Haushaltsstellen sowohl des Verwaltungs- als auch des Vermögenshaushaltes, berichtigt um die enthaltene Umsatzsteuer) unter Heranziehung ergänzender Unterlagen (Auflistung von Vermögensgegenständen, Rechnungskopien der im jeweiligen Jahr angeschafften Vermögensgegenstände, der Schulden und weiterer Dokumente, etwa zur Ermittlung der Pensionsrückstellungen). Aufgrund des Gesamtdeckungsprinzips des Haushalts der Klägerin konnten dem BgA Bäder keine einzelnen Darlehen oder Finanzierungsmaßnahmen zugeordnet werden. Dementsprechend wurde der von der Stadt mitgeteilte Kreditanteil des BgA eines jeden Jahres ab dem Jahr 1975 als Darlehensaufnahme unter Zugrundelegung der in dem jeweiligen Jahr ermittelten Durchschnittsverzinsung fortgeschrieben. Dabei wurde unterstellt, dass die im kommunalen Bereich üblichen Konditionen (ein Prozent Tilgung zuzüglich ersparter Zinsen bei halbjährlicher Zins- und Tilgungsleistung) auch insoweit galten. Die so ermittelten Zinsaufwendungen wies die Klägerin in der Gewinn- und Verlustrechnung des BgA Bäder aus. Das „Eigenkapital“ wurde als Saldo der Posten der Aktiv- und der Passivseite ermittelt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Erläuterungen in den ......-Berichten 2000 und 2001 vom 29.08.2001 bzw. 31.07.2002 Bezug genommen (insbesondere auf Punkt B.II., III.. und im Erläuterungsteil auf die Angaben zur Ermittlung der Verbindlichkeiten und Zinsen).
3Von Beginn an erzielte der BgA durch den Bäderbetrieb erhebliche Verluste, die durch die Einlagen der Klägerin ausgeglichen wurden. Mit Wirkung zum 01.12.1995 legte die Klägerin ihren 100%-igen Anteil an der Vermögensverwaltungsgesellschaft für Versorgung und Verkehr der Stadt A-Stadt mbH (XXX) in den BgA Bäder ein. Zum 01.10.1999 brachte die Klägerin 99% der Geschäftsanteile an der XXX in die Y....... GmbH (Y...) ein. Im Gegenzug erhielt der BgA Bäder 27,8 % der Anteile an der Y....
4In ihren Gewinn- und Verlustrechnungen des BgA Bäder für die Jahre 1999 bis 2001 wies die Klägerin folgende Beträge aus (hier teilweise zusammengefasst und auf volle DM gerundet):
51999 – DM – | 2000 – DM – | 2001 – DM – | |
Umsatzerlöse und sonstige betriebliche Erträge | |||
Erträge aus Beteiligungen | |||
Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge | |||
Material- und Personalaufwand | |||
Abschreibungen | |||
Sonstige betriebliche Aufwendungen | |||
Zinsen und ähnliche Aufwendungen | |||
Steuern vom Einkommen und vom Ertrag | |||
Jahresergebnis |
Das „Eigenkapital“ laut Bilanz betrug (hier auf volle DM gerundet):
731.12.1999 – DM – | 31.12.2000 – DM – | 31.12.2001 – DM – | |
Eigenkapital |
Im Dezember 2002 reichte die Klägerin für den BgA Bäder eine Körperschaftsteuerer-klärung 2001 ein. Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) wies mit Schreiben vom 04.02.2003 darauf hin, dass die Feststellungerklärung gem. §§ 27 ff. des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und der Jahresabschluss fehle. Ohne diese Unterlagen könne eine Körperschaftsteuerveranlagung 2001 nicht durchgeführt werden. Mit Bescheid vom 02.04.2003 setzte das FA die Körperschaftsteuer 2001 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen i.H.v. xx.xxx.xxx DM fest.
9Im November 2004 reichte die Klägerin eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos für BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit ein und erklärte darin einen Bestand des steuerlichen Einlagekontos i.H.v. xx.xxx.xxx € (= xx.xxx.xxx DM). Unter dem Datum 09.06.2005 erging wegen einer geänderten Steuerbescheinigung ein geänderter Körperschaftsteuerbescheid 2001, nunmehr unter Berücksichtigung eines zu versteuernden Einkommens i.H.v. xx.xxx.xxx DM. Außerdem erließ das FA zeitgleich einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001, in dem es den Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit xx.xxx.xxx DM feststellte und der mit den Zusätzen versehen war: „Der Bescheid ist nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert.“ und „Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom 2.04.2003.“ Gegen den letztgenannten Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. In der Körperschaftsteuerakte befindet sich auf dem Bescheid die handschriftliche Notiz: „Herr Z.... hat bisher noch keinen Bescheid erhalten – Programmfehler?“. Mit Datum vom 30.08.2005 erließ das FA daraufhin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001, in dem der Hinweis auf § 172 der Abgabenordnung (AO) handschriftlich gestrichen wurde und der das steuerliche Einlagekonto in unveränderter Höhe, nunmehr allerdings unter dem Vorbehalt der Nachprüfung feststellte (Ausfertigung in der Feststellungsakte). In den Erläuterungen führte das FA aus: „Ich gehe davon aus, dass sich Ihr Einspruch vom 07.07.2005 erledigt hat. Dieser Bescheid ersetzt den Bescheid vom 09.06.2005.“ Zeitgleich erließ das FA zur Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus dem Jahr 2002 unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2001.
10Mit Schriftsatz vom 20.09.2005 machte die Klägerin zur „Begründung unseres Einspruchs“ geltend, sie habe gegen die Feststellung des Einlagenkontos zum 31.12.2001 auch deshalb Einspruch eingelegt, weil zum sog. Anfangsbestand nicht nur das am 31.12.2000 vorhandene Eigenkapital des BgA Bäder gehöre, sondern darüber hinaus alle von der Klägerin vor dem 31.12.2001 geleisteten Einlagen (sog. Alteinlagen). Die konkreten Zahlen sollten noch nachgereicht werden. Des Weiteren trug sie u.a. vor, dass ein Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben schon im laufenden Wirtschaftsjahr der Trägerkörperschaft zufließe und als Leistung i.S. des § 27 Abs. 1 , 7 KStG zu gelten habe.
11Mit Datum vom 28.06.2006 teilte das FA der Klägerin mit, die dem Einspruch zugrunde liegende streitige Rechtsfrage werde in einem beim Finanzgericht Münster anhängigen Verfahren geprüft (Az. X K 1491/05 Kap). Die Entscheidung über den Einspruch werde mit Einverständnis der Klägerin unter dem Vorbehalt des Widerrufs bis zur Entscheidung in dem Musterprozess ruhen gelassen.
12Mit Schriftsatz vom 21.12.2007 machte die Klägerin u.a. geltend, ihr Einspruch gegen den Feststellungsbescheid zum 31.12.2001 sei noch nicht erledigt, wie ihre Einspruchsbegründung vom 20.09.2005 zeige. Beantragt werde eine Feststellung des Einlagekontos zum 31.12.2001 in Höhe des Kapitalkontos zum 31.12.2001 zuzüglich aller von der Stadt A-Stadt vor dem 31.12.2001 geleisteter Einlagen (Alteinlagen). Im Mai 2008 ging beim FA eine geänderte Feststellungserklärung ein, in der das steuerliche Einlagekonto nunmehr unter Berücksichtigung des den Rücklagen zugeführten Betrags aus dem Gewinn des laufenden Wirtschaftsjahr 2001 mit xx.xxx.xxx DM beziffert wurde.
13Mit Datum vom 01.12.2010 erließ das FA einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2000 über eine Körperschaftsteuer 2000 i.H.v. 0 DM/€ und einen geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2000, in dem der verbleibende Verlust mit xx.xxx.xxx DM festgestellt wurde. In den Erläuterungen dazu heißt es: „Hierdurch erledigt sich Ihr Einspruch vom 09.06.2006. Bei der Feststellung des Verlustes wurde Ihrer Aufstellung der körperschaftsteuerlichen Verluste für die Jahre 1985 bis 1991 gefolgt, vgl. Schreiben vom 15.10.2010. Wegen der hälftigen Berücksichtigung der Zinsaufwendungen wird auf das Schreiben vom 03.11.2010 verwiesen.“
14Bereits zuvor hatte das FA die Klägerin auf das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 21.08.2007 I R 78/06 (BStBl II 2008, 317) hingewiesen und das Rechtsbehelfsverfahren betreffend die Feststellung des Einlagekontos zum 31.12.2001 wieder aufgenommen. Mit Datum vom 02.12.2010 erließ das FA eine Teil-Einspruchsentscheidung. Ausdrücklich nicht entschieden wurde darin über die Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos um 2.014.803 DM, weil über die Rechtsfrage, ob der vom BgA im Jahr 2001 erzielte Gewinn, soweit er einer Kapitalrücklage zugeführt worden sei, den Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos erhöhe, beim BFH ein Revisionsverfahren anhängig sei (Az. I R 108/09). Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
15Des Weiteren erging am 03.12.2010 ein gem. § 10d EStG, § 164 Abs. 2 AO geänderter Körperschaftsteuerbescheid 2001, in dem ausgehend von einem Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. xx.xxx.xxx DM, einem Verlustvortrag i.H.v. xx.xxx.xxx DM und einem auf 1.000.000 DM begrenzten Verlustrücktrag aus dem Jahr 2002 die Körperschaftsteuer 2001 mit x.xxx.xxx € (x.xxx.xxx DM) festgesetzt wurde. Der zeitgleich erlassene Bescheid (u.a.) über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 KStG wies ein steuerliches Einlagekonto i.H.v. 0 € aus. Aufgrund des nachfolgenden Einspruchs der Klägerin hob das FA den aufgrund eines technischen Versehens ergangenen Bescheid vom 03.10.2010 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 KStG wieder auf und wies darauf hin, dass damit der Bescheid vom 30.08.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2010 wieder in Kraft trete.
16Gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Einlagekontos zum 31.12.2001 vom 30.08.2005 in Gestalt der vorgenannten Teil-Einspruchsentscheidung hat die Klägerin (unter Hinweis auf den zwischenzeitlich aufgehobenen Bescheid vom 03.12.2010) Klage erhoben. Sie macht geltend, bei der Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2001 müssten auch die Einlagen seit dem Jahr 1977 bis zum 31.12.2000 berücksichtigt werden, die durch die in diesem Zeitraum angefallenen Verluste verbraucht worden seien. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor:
17Die Einnahmen der Klägerin mit ihrem BgA Bäder seien in den Jahren 1960 bis 2000 um xx.xxx.xxx DM niedriger als die Ausgaben gewesen, wovon xx.xxx.xxx DM auf die Jahre 1977 bis 2000 und damit auf den Geltungsbereich des körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens entfielen. Die Klägerin habe in Höhe dieser Differenz Einlagen in den BgA Bäder getätigt. Der vorgenannte Betrag ergebe sich wie folgt:
18Zuschüsse 1960 bis 1976
19Zuschüsse 1977 bis 1990 (Geltungsbereich des Anrechnungsverfahrens) Überschuss der bezifferten Einlagen über die bezifferten Entnahmen
201991 bis 1995 (Geltungsbereich des Anrechnungsverfahrens)
21Überschuss der bezifferten Entnahmen über die bezifferten Einlagen
221996 bis 2000 (Geltungsbereich des Anrechnungsverfahrens)
23Überschuss der Einlagen über die Entnahmen
24Diese vor dem Systemwechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren erfolgten Einlagen (sog. Alteinlagen) seien im Zeitpunkt des Systemwechsels entweder in Gestalt von Aktivvermögen und des darauf beruhenden Eigenkapitals noch vorhanden oder sie seien „verschwunden“. Letzteres betreffe die Alteinlagen, die zur Abdeckung der laufenden Verluste gedient hätten. Den vorgenannten Betrag habe sie in ihrer Erklärung zur Feststellung des Einlagekontos zum 31.12.2001 nur deshalb nicht aufgenommen, weil nach Ansicht der Finanzverwaltung nur die am 31.12.2000 noch vorhandenen Alteinlagen (d.h. das noch vorhandene Eigenkapital) angesetzt werden dürften.
25Entgegen der Ansicht des FA könne die Berücksichtigung von Einlagebeträgen jedoch nicht davon abhängig gemacht werden, dass diese im Zeitpunkt des Übergangs vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren am 31.12.2000 noch vorhanden gewesen seien. Das KStG regele in § 27 Abs. 1 Satz 2 und § 27 Abs. 7 nur, dass die Vorschriften über das Einlagekonto auf BgA sinngemäß anwendbar seien. Es führe jedoch weder aus, wie der erstmalige Bestand des Einlagekontos für BgA zu ermitteln sei, noch nehme es eine Unterscheidung zwischen Neu- und Alteinlagen vor. Soweit der BFH die vom Beklagen zugrunde gelegte Verwaltungsauffassung zur erstmaligen Ermittlung des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos bei BgA mit Urteilen vom 21.08.2007 (I R 78/06) und vom 09.04.2008 (I R 68-70/06) zwischenzeitlich bestätigt habe, seien diese Entscheidungen nicht überzeugend und zumindest angreifbar. Denn bei einem negativen Saldo der bis zum 31.12.2000 erwirtschafteten Ergebnisse eines BgA sei es nur sachgerecht, spätere Erträge des BgA insoweit nicht zu besteuern, als sich diese als Rückerstattung des in der Verlustphase von der Trägerkörperschaft hingegebenen Vermögens darstellten. Zudem ergebe sich durch die vom BFH für zutreffend gehaltene Ermittlung des erstmaligen Bestandes des Einlagekontos für BgA eine Ungleichbehandlung von BgA und Kapitalgesellschaften, da bei den Letztgenannten auch die seit dem Jahr 1977 bis zum 31.12.2000 aufgewendeten Einlagebeträge – über die Anknüpfung an die Feststellung des sog. EK 04 – Berücksichtigung fänden. Diese Ungleichbehandlung zeige sich nicht zuletzt innerhalb des kommunalen Bereichs, wenn z.B. bezogen auf Verkehrsbetriebe die Folgen der Systemumstellung für eine von einer Gemeinde gegründeten Verkehrs-GmbH ganz andere seien als für einen von der Gemeinde unterhaltenen Verkehrs-BgA. Anders als bei Kapitalgesellschaften trete bei den BgA ein Rechtsverlust ein, weil an das zum Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandene Eigenkapital angeknüpft werde und systemwidrig nicht alle bzw. nicht zumindest alle seit dem Jahr 1977 bis zum Systemwechsel aufgewendeten Alteinlagen in das steuerliche Einlagekonto einbezogen würden. Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Rechtsprechung des BFH in dieser Frage durch seine Haltung zum sog. steuerlichen Querverbund geprägt sei, wonach das Ergebnis eines dauerdefizitären Betriebes um verdeckte Gewinnausschüttungen zu korrigieren gewesen sei und sich ein Bestand von Alteinlagen nicht habe bilden können. Diesen Überlegungen sei nach Einführung der gesetzlichen Regelungen zum steuerlichen Querverbund durch das Jahressteuergesetz 2009 jedoch der Boden entzogen. Entgegen der Auffassung des BFH sei es auch nicht zutreffend, dass bei einer Berücksichtigung nicht mehr vorhandener Mittel eine Nichterfassung nach dem Systemwechsel erzielter Gewinne des BgA drohe. Denn von einer steuerlichen Erfassung nach dem Systemwechsel erzielter Gewinne sei auch dann auszugehen, wenn sie zu einer Minderung des Bestandes des Einlagekontos führten; eine Festsetzung von Kapitalertragsteuer auf diese Beträge sei für eine steuerliche Erfassung nicht erforderlich. Da das Gesetz keine hinreichend eindeutige Regelung enthalte, sei es in der Weise auszulegen, dass der Absicht des Gesetzgebers entsprochen werde, juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Anteilen an Kapitalgesellschaften und juristische Personen des öffentlichen Rechts mit BgA gleich zu behandeln. Dies sei vorliegend nicht der Fall, denn BgA hätten bis zum Systemwechsel keine Möglichkeit gehabt, den für Kapitalgesellschaften geltenden Regelsteuersatz (= die jeweilige Ausschüttungsbelastung) in Anspruch zu nehmen. Da es sich bei dem für BgA geltenden Steuersatz mithin um einen Sondersteuersatz in Form des um einen „Ausschüttungszuschlag“ erhöhten Regelsteuersatzes gehandelt habe, sei den Verlustvorträgen auch eine kapitalertragsteuerliche Funktion zugekommen, die durch die BFH-Rechtsprechung entwertet werde. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Ermittlung der Alteinlagen in der Regel keine besonderen Schwierigkeiten bereite; die Trägerkörperschaften müssten lediglich – soweit noch vorhanden – die entsprechenden Abschnitte der Haushaltspläne ablichten und auswerten. Etwaige Nachweisschwierigkeiten müssten zwar ggf. zu Lasten der jeweiligen juristischen Person des öffentlichen Rechts gehen. Dies sei jedoch kein Argument, den „großen Anfangsbestand“ von vornherein auszuschließen. Zwar habe sich der 9. Senat des Finanzgerichts Münster (Urteil vom 20.12.2010 9 K 3670/05) der BFH-Rechtsprechung angeschlossen und darauf hingewiesen, dass derartige Vereinfachungsregelungen – wie sich den Vorschriften zur Einstellung des gesamten Altkapitals in das EK 03 (§ 30 Abs. 2 Nr. 3 KStG in der vor dem Systemwechsel geltenden Fassung - KStG a.F. -), zur Zuordnung des in der Eröffnungsbilanz ausgewiesenen Eigenkapitals bei erstmaliger Einbeziehung einer Kapitalgesellschaft in das Anrechnungsverfahren (§ 30 Abs. 3 KStG a.F.) und zur Feststellung des vorhandenen Bestandes von Einlagen bei Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht (§ 27 Abs. 2 Satz 3 KStG) entnehmen lasse – auch sonst nicht fremd sei. Ausweislich der Verfügung der OFD Münster vom 04.11.2011 (DStR 2011, 2298) scheine § 27 Abs. 2 Satz 3 KStG jedoch keine Vereinfachungsregelung zu sein. Außerdem müsse bezweifelt werden, dass § 30 Abs. 2 Nr. 3 KStG a.F. heute einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten würde. Im Übrigen wäre es bereits ein erheblicher Zugewinn an materieller Gerechtigkeit, wenn man bei der Berechnung des Anfangsbestands des steuerlichen Einlagekontos „nur“ die nach dem 01.01.1977 geleisteten Alteinlagen berücksichtigen würde und nur hierauf beziehe sich der Klagean-trag. Die im vorliegenden Verfahren streitigen Regelungen seien mithin verfassungskonform in der Weise auszulegen, dass die seit dem 01.01.1977 bis zum 31.12.2000 von der Trägerkörperschaft getätigten Einlagen auch dann im Bestand des steuerlichen Einlagekontos zu berücksichtigen seien, wenn diese im Zeitpunkt des Systemwechsels nicht mehr vorhanden seien. Zumindest sei es aber geboten, zur Ermittlung des Anfangsbestandes des Eigenkapitalkontos auf die Summe des Eigenkapitals zum 31.12.2000 und dem auf diesen Zeitpunkt festgestellten verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer abzustellen.
26Unter Berücksichtigung der geänderten Rechtslage zum steuerlichen Querverbund müsse die Revision zugelassen werden. Die Rechtsfrage habe weiterhin eine erhebliche Breitenwirkung. Im Übrigen erscheine eine Revisionszulassung auch deshalb gerechtfertigt, weil die Rechtsprechung des BFH – wie oben ausgeführt – zu einer Entwertung der steuerlichen Verlustvorträge führe und nach der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den körperschaftsteuerlichen Umgliederungsregelungen mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar sei.
27Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 06.01.2012 Bezug genommen.
28Die Klägerin beantragt,
29unter Änderung des Bescheides über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001 vom 30.08.2005 in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 02.12.2010 das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2001 unter Berücksichtigung von Einlagen seit dem Jahr 1977 bis zum 31.12.2000 in Höhe von xx.xxx.xxx DM festzustellen,
30hilfsweise, die Revision zuzulassen.
31Der Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen,
33hilfsweise, die Revision zuzulassen.
34Er verweist zur Begründung auf die nach seiner Ansicht zutreffende Rechtsprechung des BFH und führt ergänzend aus, es sei keine Ungleichbehandlung zwischen BgA und Kapitalgesellschaften ersichtlich, da bei Kapitalgesellschaften während des Anrechnungsverfahrens bereits die Verpflichtung zur Vornahme einer Gliederungsrechnung und damit zur Unterscheidung zwischen Einlagenrückgewähr und Gewinnausschüttung bestanden habe. Zudem sei entgegen der Ansicht der Klägerin eine sichere Ermittlung der zum Teil lange Zeit vor dem Systemwechsel geleisteten Einlagen in aller Regel nicht möglich. Insbesondere könnten nicht einfach Beträge aus den Haushaltsstellen ungeprüft übernommen werden. Denn häufig würden z.B. die gesamten Heizungskosten von der Gemeinde zunächst auf ein Konto gebucht und erst danach quotal aufgeteilt. Ob diese Aufteilung nach sachgerechten und steuerlich anzuerkennenden Maß-stäben vorgenommen worden sei, könne vom FA aber ohne eine weitergehende Sachverhaltsdarstellung und ggf. –prüfung nicht beurteilt werden.
35E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
36Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 KStG zum 31.12.2001 vom 30.08.2005 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 02.12.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2001 ist nicht um die von der Klägerin geltend gemachten, durch Verluste „verbrauchten“ Alteinlagen der Jahre 1977 bis 2000 i.H.v. xx.xxx.xxx DM (xx.xxx.xxx DM abzüglich der bisher festgestellten Einlagen bis zum 31.12.2000 i.H.v. xx.xxx.xxx DM) zu erhöhen. Im Hinblick auf die ergangene Teileinspruchsentscheidung ist im vorliegenden Klageverfahren über die Frage, ob der vom BgA im Jahr 2001 erzielte Gewinn, soweit er der Kapitalrücklage zugeführt worden ist, den Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2001 erhöht, nicht zu befinden (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 367 AO Tz. 67).
37I. Unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften haben die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahres auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen. Das steuerliche Einlagekonto ist ausgehend von dem Bestand des vorangegangenen Wirtschaftsjahres um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahres fortzuschreiben und zum Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres gesondert festzustellen (§ 27 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 KStG). Die gesonderte Feststellung erfolgt nach § 34 Abs. 2a KStG 2001 bei Kapitalgesellschaften, deren Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, erstmals auf den 31.12.2001. Gem. § 27 Abs. 7 i.V.m. § 27 Abs. 2 Satz 2 KStG und § 34 Abs. 2a KStG 2001 ist in entsprechender Anwendung der für Kapitalgesellschaften geltenden Regelungen auch für andere Körperschaften und Personenvereinigungen ein Bestand des steuerlichen Einlagekontos festzustellen, wenn diese Leistungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 9 und 10 EStG gewähren können. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG u.a. der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn und verdeckte Gewinnausschüttungen eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Betriebes gewerblicher Art i.S. des § 4 KStG ohne eigene Rechtspersönlichkeit, der den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt.
38Nach diesen Vorschriften war für den von der Klägerin unterhaltenen BgA zum 31.12.2001 erstmalig der Bestand des steuerlichen Einlagekontos festzustellen, denn es sich handelt sich um einen nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA i.S. des § 4 KStG ohne eigene Rechtspersönlichkeit, der seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt und dessen Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht.
39II. Das FA hat bei der Feststellung des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2001 zu Recht die von der Klägerin geltend gemachten Einlagen in den Jahren 1977 bis 2000, die zum Ausgleich von Verlusten verwandt wurden und somit im Bestand des steuerlichen Eigenkapitals zum 31.12.2000 bzw. 31.12.2001 nicht mehr enthalten waren, unberücksichtigt gelassen.
401. Regelungen über die Ermittlung des Anfangsbestandes des steuerlichen Einlagekontos enthält das Gesetz lediglich für Kapitalgesellschaften. Für diese ist gem. § 39 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 7 KStG vorgeschrieben, dass der im Rahmen des Anrechnungsverfahrens festgestellte positive Bestand an Einlagen, die das Eigenkapital in nach dem 31.12.1976 abgelaufenen Wirtschaftsjahren erhöht haben (sog. EK 04, s. § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG a.F.), als Bestand des steuerlichen Einlagekontos fortzuführen ist. Für Körperschaften und Personenvereinigungen, die – wie vorliegend die Klägerin in Bezug auf den von ihr unterhaltenen BgA – unter Geltung des Anrechnungsverfahrens nicht zur Gliederung ihres Eigenkapitals verpflichtet waren, enthält das Gesetz dagegen keine ausdrückliche Regelung.
41a) Der BFH hat die Auffassung vertreten, bei Körperschaften, die erstmals zur Führung eines steuerlichen Einlagekontos verpflichtet seien, sei auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung grundsätzlich von einem Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos von 0 DM auszugehen, da das Gesetz keine dem § 30 Abs. 3 KStG a.F. entsprechende Regelung enthalte und sich aus § 27 KStG keine Anhaltspunkte dafür ergäben, dass bei der erstmaligen Feststellung des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos alle nachweisbaren Einlagen aus der Zeit vor dem Systemwechsel berücksichtigt werden müssten. Es sei jedoch mit dem Zweck der Regelung vereinbar, dass die Finanzverwaltung (s. BMF-Schreiben vom 11.09.2002, BStBl I 2002, 935, Tz. 13 und Tz. 25) analog der Regelung in § 30 Abs. 3 KStG a.F. das gesamte im Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandene Eigenkapital in das steuerliche Einlagekonto einstelle, soweit es das Nennkapital oder eine vergleichbare Kapitalgröße übersteige. Dadurch werde verhindert, dass Teile des Eigenkapitals eines BgA, die während der Geltung des Anrechnungsverfahrens aus Gewinnrücklagen gebildet worden seien und daher bereits einem Körperschaftsteuersatz von 40 % oder mehr unterlegen hätten, zusätzlich einer Kapitalertrag-steuerbelastung von 10 % unterzogen würden. Zudem diene eine solche Vorgehensweise der Vereinfachung, da bei BgA regelmäßig nicht mehr feststellbar sei, ob das zum Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandene Eigenkapital aus Gewinnrücklagen oder aus Einlagen stamme. Demgegenüber sei es nicht geboten, im Zeitpunkt des Systemwechsels nicht mehr vorhandenes Eigenkapital in den Anfangsbestand des Einlagekontos aufzunehmen, weil dadurch Gewinne, die nach dem Systemwechsel anfielen, systemwidrig als steuerfreie Rückgewähr von Einlagen behandelt würden (vgl. im Einzelnen BFH-Urteile vom 21.08.2007 I R 78/06, BFHE 218, 515, BStBl II 2008, 317 und vom 09.04.2008 I R 68 – 70/06, GmbHR 2008, 1111).
42In der Literatur ist diese Rechtsprechung überwiegend auf Zustimmung gestoßen (s. Krämer in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 27 KStG Rz 83 ff., 90; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 27 KStG Rz 109a ff.; Gosch/Heger, KStG, 2. Aufl., § 27 Rz 59; Berninghaus in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 27 KStG Anm. 153; Binnewies, GmbHR 2008, 214; FG Köln, Urteil vom 14.01.2010 13 K 3157/05, EFG 2010, 1066; kritisch unter Hinweis auf eine Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften und BgA Z...., ZKF 2009, 53 und Lornsen-Veit in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl., § 27 Rz. 28; die Praktikabilitätserwägungen des BFH ablehnend Gosch/Bauschatz, KStG, 2. Aufl., § 39 Rz 18).
43b) Auch der Senat hält diese Rechtsprechung im Ergebnis für sachgerecht; die von der Klägerin hiergegen erhobenen Einwendungen sind nicht durchgreifend.
44aa) Nicht überzeugend ist der von der Klägerin geltend gemachte Einwand, die BFH-Rechtsprechung führe zu einer Ungleichbehandlung von BgA und Kapitalgesellschaften, da nur bei den letztgenannten über die Feststellung des sog. EK 04 auch Einlagebeträge für eine Einlagenrückgewähr zu Verfügung stünden, die in der Zeit vom 01.01.1977 (dem Zeitpunkt der Einführung des Anrechnungsverfahrens und der Gliederung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals bei Kapitalgesellschaften) bis zum 01.01.2001 von der Trägerkörperschaft aufgewendet und am 01.01.2001 nicht mehr vorhanden seien.
45Kapitalgesellschaften und BgA sind bereits deshalb nicht uneingeschränkt vergleichbar, weil deren Besteuerung schon im zeitlichen Anwendungsbereich des Anrechnungsverfahrens Unterschiede aufwies und auch im Geltungsbereich des nachfolgenden Halbeinkünfteverfahrens Sonderregelungen unterliegt. Bis zum Jahr 2000 wurde für die BgA nicht nur kein sog. EK 04 festgestellt, sondern diese waren insgesamt nicht in das Anrechnungsverfahren einbezogen worden (vgl. § 43 KStG a.F. und dazu Danelsing in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 43 KStG a.F. Rz. 18). Im Geltungsbereich des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens ist es einem BgA, der die in § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG genannten Umsatz- und Gewinngrenzen nicht überschreitet, im Gegensatz zu einer Kapitalgesellschaft etwa möglich, allein dadurch das Entstehen von Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG zu vermeiden, dass er nicht freiwillig Bücher führt. Soweit die Klägerin speziell auf einen Vergleich zwischen einem BgA und einer von einer Gemeinde gegründeten Kapitalgesellschaft abstellt, ist zu berücksichtigen, dass die hier in Rede stehende Rechtsfrage nicht nur BgA betrifft, sondern gleichermaßen alle anderen Körperschaften, die im zeitlichen Geltungsbereich des Anrechnungsverfahrens nicht zu einer Eigenkapitalgliederung verpflichtet waren (vgl. z.B. für Vereine, s. Urteil des FG Köln vom 14.01.2010 13 K 3257/05, EFG 2010, 1066).
46bb) Soweit die Klägerin mutmaßt, die BFH-Rechtsprechung zum Anfangsbestand des Einlagekontos bei BgA beruhe auf seiner Rechtsprechung zu verdeckten Gewinnausschüttungen bei Dauerverlustbetrieben (BFH-Urteil vom 22.08.2007 I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961), die aufgrund der zwischenzeitlichen Gesetzesänderung durch Einfügung des § 8 Abs. 1 Satz 2, Abs. 7 KStG überholt sei, lässt sich dies anhand der Entscheidungsgründe des vorstehend zitierten Urteils nicht feststellen. Im Übrigen wurden die letztgenannten Normen durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 eingefügt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Rechtsprechung des BFH zum Anfangsbestand des Einlagekontos bei BgA (BFH-Urteil vom 21.08.2007 I R 78/06, BFHE 218, 515, BStBl II 2008, 317, zuvor bereits veröffentlicht z.B. in DStR 2008, 144) und das zugrunde liegende BMF-Schreiben vom 11.09.2002 (BStBl I 2002, 935) bereits bekannt waren. Eine Gesetzesergänzung in Bezug auf diesen Anfangsbestand hat der Gesetzgeber jedoch gerade nicht vorgenommen.
47cc) Der Senat hält die Rechtsprechung des BFH auch deshalb für sachgerecht (und zwar gleichermaßen für Einlagen vor und während des zeitlichen Geltungsbereichs des Anrechnungsverfahrens), weil sie es vermeidet, Feststellungen über Einlagen treffen zu müssen, die die Trägerkörperschaft irgendwann zwischen der Errichtung des BgA und dem Zeitpunkt des Systemwechsels am 31.12.2000, also in Zeiträumen geleistet hat, die Jahre oder Jahrzehnte zurückliegen. Die Klägerin hat zwar ausgeführt, es sei den Haushaltsplänen der Trägerkörperschaften in aller Regel leicht und eindeutig zu entnehmen, in welchem Umfang Einlagen an BgA geleistet worden seien. Auch könnte die Frage, ob für weit zurückliegende Zeiträume die Haushaltspläne der jeweiligen Trägerkörperschaft noch vorhanden sind, einfach zu klären und möglicherweise dem Bereich der Beweisführung zugeordnet werden, so dass dies eine Anerkennung nachgewiesener Einlagen nicht von vornherein ausschließen würde. Selbst wenn jedoch Haushaltspläne und die Ansätze der einzelnen Haushaltsstellen bekannt sind – wie im Streitfall aufgrund der vorgelegten Unterlagen –, ist eine Übereinstimmung zwischen den Haushaltsplänen und der steuerlichen Beurteilung nicht gesichert. So führt die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 20.09.2005 selbst aus, dass der Einnahmeüberschuss nach ihrem Haushalt im Jahr 2001 beispielsweise 17.036.676,93 DM betragen habe, die darin enthaltenen Abschreibungen von 860.549,01 DM und Zinsaufwendungen i.H.v. 814.307 DM jedoch nicht den steuerlich zutreffenden Werten entsprächen. In ihrer Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2001 berücksichtigt sie dementsprechend lediglich Abschreibungen i.H.v. 550.224,16 DM sowie Zinsen und ähnliche Erträge i.H.v. 439.359,16 DM. Entsprechendes gilt auch für das Jahr 2000 (vgl. die „Ergebnisüberleitungsrechnung und Nachweis Entwicklung des Eigenkapitals zum 31.12.2000“ i.V.m. der Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2000). Auch hinsichtlich anderer Haushaltsstellen hält der Senat den Einwand des FA für berechtigt, dass vom FA nicht eine ungeprüfte Übernahme der dort bezifferten Beträge erwartet werden könne, zumal z.B. die Kostenzuordnung im Einzelfall durchaus schwierig sein dürfte. Bestätigt werden die Bedenken gegen eine ungeprüfte Übernahme der zu den einzelnen Haushaltsstellen ausgewiesenen Beträge durch die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer für die Klägerin auf den 31.12.2000 mit xx.xxx.xxx DM, die - soweit ersichtlich - unter Berücksichtigung der Jahre ab 1985 erfolgte. Denn für den vorgenannten Zeitraum (1985 bis 2000) werden von der Klägerin ausgehend von den Haushaltsplänen deutlich höhere Einlagen von xx.xxx.xxx DM (xx.xxx.xxx DM bis zum Jahr 2000 abzüglich xx.xxx.xxx DM bis zum Jahr 1984) geltend gemacht. Von daher könnten nach Ansicht des Senats die in den Haushaltsplänen ausgewiesenen Zu-schüsse oder der Saldo der sich daraus ergebenden Einnahmen und Ausgaben nicht ohne nähere Überprüfung für die Höhe der steuerlichen Einlagen zugrunde gelegt werden.
48Darüber hinaus stellt sich die gleiche Problematik auch für andere Körperschaften oder Personenvereinigungen (wie z. B. Vereine), bei denen es häufig nicht möglich sein wird, für Jahre oder Jahrzehnte zurückliegende Zeiträume festzustellen, ob bzw. in welcher Höhe Einlagen geleistet worden sind.
49Entgegen der Ansicht der Klägerin zwingt allein die Möglichkeit, im jeweiligen Einzelfall eine Entscheidung nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu treffen, nicht dazu, Vereinfachungsgesichtspunkte außer Betracht zu lassen. Denn eine Beweislast-entscheidung setzt die vorherige Ausschöpfung der vorhandenen Mittel zur Sachverhaltsaufklärung voraus, und zwar auch dann, wenn diese Sachverhaltsaufklärung für lang zurückliegende Zeiträume sich als äußerst schwierig (aber nicht unmöglich) darstellen sollte (vgl. BFH-Beschluss vom 21.12.2004 I B 128/04, BFH/NV 2005, 994; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 FGO Tz. 79: Beweislastentscheidung als ultima ratio).
50Eine aus Vereinfachungsgründen auf das im Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandene Eigenkapital beschränkte Erfassung des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos erscheint zudem umso sachgerechter, als dem Gesetz derartige Vereinfachungsregelungen auch sonst nicht fremd sind. So wurde bei der Einführung des Anrechnungsverfahrens am 01.01.1977 keine Unterscheidung zwischen bereits versteuerten Gewinnen, steuerfreien Vermögensmehrungen und Einlagen vorgenommen, sondern vielmehr das gesamte bis zum Ende des vor dem 01.01.1977 abgelaufenen Wirtschaftsjahrs entstandene verwendbare Eigenkapital als Altkapital (sog. EK 03) in einem Teilbetrag zusammengefasst (vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 3 KStG a.F.). Da ein beim Übergang vom Anrechnungsverfahren auf das Halbeinkünfteverfahren vorhandener positiver Bestand an EK 03 (ggf. nach Verrechnung mit negativem EK 01 und / oder negativem EK 02, vgl. § 36 Abs. 4 und Abs. 5 KStG) nicht den Bestand des Einlagekontos erhöht, sondern ununterscheidbar in das steuerbilanzielle Eigenkapital eingeht (s. Gosch/Bauschatz, KStG, 2. Aufl., § 36 Rz 163), kann es bei Ausschüttungen aus dem früheren EK 03 auch bei Kapitalgesellschaften nicht nur zur Besteuerung von vor der Einführung des Anrechnungsverfahrens geleisteten Einlagen kommen, sondern sogar zur nochmaligen Besteuerung von Gewinnen, die bereits der Körperschaftsteuer unterlegen haben (zur Unbedenklichkeit der Besteuerung von Ausschüttungen aus dem EK 03 s. BFH-Urteil vom 08.08.2001 I R 26/00, BFH/NV 2002, 539). Vereinfachungsregelungen finden sich darüber hinaus in § 30 Abs. 3 KStG a.F. zur Zuordnung des in der Eröffnungsbilanz ausgewiesenen Eigenkapitals bei erstmaliger Einbeziehung einer Kapitalgesellschaft in das Anrechnungsverfahren und in § 27 Abs. 2 Satz 3 KStG zur Feststellung des vorhandenen Bestandes von Einlagen bei Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der Verfügung der OFD Münster vom 04.10.2011 (DStR 2011, 2298) zu § 27 Abs. 2 Satz 3 KStG keine andere Beurteilung, denn dort wird in Übereinstimmung mit dem Gesetzeswortlaut zur vorgenannten Norm ausdrücklich festgehalten, dass nur der tatsächlich vorhandene Bestand an Einlagen zu berücksichtigen ist.
51dd) Im Hinblick auf die bereits unter II.1.b.aa) und cc) dargelegten Unterschiede zwischen Kapitalgesellschaften und BgA und die mit der vorgenannten Gesetzesauslegung verbundenen Vereinfachungseffekte ist auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkennbar, der eine anderweitige (verfassungskonforme) Auslegung gebieten würde. Mit der Entscheidung des BVerfG vom 17.11.2009 1 BvR 2192/05 (BVerfGE 125,1) zur Umgliederung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals ist der vorliegende Streitfall nicht vergleichbar, weil es dort keiner „Erforschung der Vergangenheit“ bedurfte, sondern lediglich einer unmittelbaren Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens aus dem EK 45.
52Die von der Klägerin als Alternative angesehene „Haushaltsplan-Lösung“ hätte ohne nachvollziehbare Gründe zu einer Spezialregelung nur für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts geführt, obwohl – wie dargelegt – zum einen die Wertansätze in den Haushaltsplänen allein keinen sicheren Rückschluss auf die nach steuerlichen Grundsätzen zu beurteilende Höhe der Einlagen zulassen und sich zum anderen auch andere Körperschaften (Vereine etc.) in einer vergleichbaren Situation befinden können.
53Die „Verlustvortrags-Lösung“ (Feststellung des Eigenkapitals in Höhe des Eigenkapitals zum 31.12.2000 und des auf diesen Zeitpunkt festgestellten verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer) ließe unberücksichtigt, dass die Frage der Höhe des Anfangsbestands des Einlagekontos nicht nur BgA betrifft, die wie die Klägerin in der Form eines Regiebetriebs geführt wurden, sondern auch als Eigenbetriebe geführte BgA und andere Körperschaften, die nicht in das Anrechnungsverfahren einbezogen worden waren. Insbesondere bei den als Eigenbetrieben geführten BgA und den anderen nicht in das Anrechnungsverfahren einbezogenen Körperschaften müssen in Höhe des festge-stellten Verlustvortrags jedoch nicht stets zwingend Einlagen in derselben Höhe vorgelegen haben. Abweichungen können sich z.B. ergeben, falls Gewinnrücklagen bestanden (bei als Eigenbetrieb geführten BgA oder bei anderen Körperschaften) oder steuerfreie Einkünfte bzw. nicht steuerbare Einkünfte (etwa bei anderen Körperschaften) erzielt wurden oder es sich nur um buchmäßige Verluste handelt (etwa bei anderen Körperschaften), so dass allein aufgrund des Verlustes noch kein Liquiditätsbedarf und damit noch keine Notwendigkeit für Einlagen bestand.
543. Die Höhe der Feststellung des Anfangsbestandes des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2001 mit 40.216.238 DM (20.562.236 €) ist auf der Grundlage der BFH-Rechtsprechung und soweit es um die Höhe der Einlagen bis zum 31.12.2000 geht – über die Berücksichtigung etwaiger weiterer Einlagen im Jahr 2001 ist wie oben dargelegt im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden – nicht zu beanstanden. Dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.
55III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin (§ 135 Abs. 1 FGO).
56IV. Die Revision wird nicht zugelassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erscheint eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO). Gegenüber den in den BFH-Urteilen vom 21.08.2007 (I R 78/06, BFHE 218, 515, BStBl II 2008, 317) und vom 09.04.2008 (I R 68-70/06, GmbHR 2008, 1111) enthaltenen Erwägungen haben sich keine neuen Gesichtspunkte von solchem Gewicht ergeben, dass eine nochmalige Entscheidung des BFH über die Rechtsfrage angezeigt erscheint.