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Der Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 28.02.2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19.07.2012 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer auf 96.722,27 € festgesetzt wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Streitig ist bei der Umsatzsteuer (USt)- Festsetzung 2009, ob es sich bei der Gebühr für die zweite Leichenschau um einen steuerbaren und steuerpflichtigen Teil einer einheitlichen Dienstleistung oder um einen durchlaufenden Posten handelt.
3Die Klägerin betrieb im Streitjahr ein Krematorium.
4Nach § 15 Abs. 1 des Friedhofs- und Bestattungsgesetzes (BestG NRW) ist für die Feuerbestattung einer Leiche eine Bescheinigung notwendig, aus der hervorgeht, dass der Tod nicht auf unnatürliche Weise eingetreten ist. Diese sogenannte zweite Leichenschau ist von den Gesundheitsbehörden durchzuführen. Der Kreis D ließ im Streitjahr diese zweite Leichenschau - in der Regel in den Räumlichkeiten der Klägerin - jeweils durch einen Amtsarzt durchführen. Laut Gebührensatzung des Kreises D (laufende Nr. ...) wurde eine Gebühr von 30 € zuzüglich Fahrtkosten je Leichenschau erhoben.
5Der Kreis D erließ im Streitjahr mehrere Sammel-Gebührenbescheide für die durchgeführten Leichenschauen. In den an die Klägerin gerichteten Gebührenbescheiden hieß es wie folgt: „Für die durchgeführten Leichenschauen anlässlich einer Feuerbestattung werden insgesamt Gebühren in Höhe von ... Euro erhoben. Eine Aufstellung über die Gebühren entnehmen Sie bitte der Rückseite. Die beigefügte Anlage mit den Daten der Verstorbenen ist Bestandteil dieses Bescheides. Die Gebühren werden gemäß der allgemeinen Gebührensatzung des Kreises D [...] in der zur Zeit geltenden Fassung erhoben.“
6Die Klägerin berechnete die Gebühr i.H.v. 30 € ohne Umsatzsteuer und ohne Fahrtkostenanteil an den jeweiligen Auftraggeber (in der Regel den örtliche Bestatter) weiter. Die übrigen Leistungen berechnete sie mit Umsatzsteuer. Die Preisliste der Klägerin aus Oktober 2007 weist verschiedene Positionen z.B. „Einäscherung inklusive 19 % MwSt“ sowie die Position „Amtsarzt, 2. Leichenschau, Gebührenauslage (Keine MwSt)“ aus.
7Im Juli/August 2011 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung (Ap) statt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht vom 15.8.2011 Bezug genommen. Der Prüfer war der Auffassung, dass die Leichenschau im Rahmen einer Feuerbestattung nicht zu den steuerbefreiten Umsätzen zähle und somit die in Rechnung gestellten Gebühren ab dem Jahr 2009 umsatzsteuerpflichtig seien (Tz. 2.12). Er erhöhte demzufolge ausgehend von den von der Klägerin in den Rechnungen aufgeführten Beträgen für die zweite Leichenschau i.H.v. 71.580 € die Umsatzsteuer um 11.428,74 €.
8In einer Stellungnahme zum Ap-Bericht führte die Klägerin Folgendes aus: Die Leistung der zweiten Leichenschau werde nicht durch sie, sondern durch den Kreis D an die Erben erbracht. Sie, die Klägerin, sei mangels Qualifikation und Behördenstatus gar nicht in der Lage, eine zweite Leichenschau durchzuführen. Es handele sich vielmehr um eine von der Gesundheitsbehörde durchgeführte Leichenschau, deren Gebühr auch im Amtsblatt des Kreises C ausgewiesen sei. Schon hieraus ergebe sich, dass es sich um eine Gebühr des Kreises handele. Anstatt mit den Erben direkt abzurechnen, werde der Weg der Sammelgebührenrechnung vom Kreis lediglich aus Verwaltungsvereinfachungsgründen gewählt.
9Am 09.02.2012 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die zweite Leichenschau laut Auskunft des Kreises D vom 19.01.2012 jeweils aufgrund der Selbstveranlassung der Klägerin erfolge und somit eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Kreis D bestehe. Kostenschuldner der Gebühr sei daher die Klägerin, denn nach § 3 Abs. 1 der allgemeinen Gebührensatzung des Kreises D sei Kostenschuldner, wer die Leistung selbst oder durch zurechenbares Verhalten eines Dritten veranlasst habe oder der durch sie begünstigt werde. Zudem könne die Klägerin ihre wirtschaftliche Tätigkeit, nämlich die Einäscherung der Leichen, ohne die amtsärztliche Bescheinigung gar nicht ausführen.
10Am 28.02.2012 erließ der Beklagte dann einen entsprechenden USt-Änderungsbescheid für das Jahr 2009.
11Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den sie wie folgt begründete: Sie habe gegenüber Ihren Auftraggebern eindeutig klargestellt, dass sie die Gebühren für die Leichenschau lediglich verauslage und diese ohne Aufschlag in Höhe der laut Satzung festgelegten Beträge gesondert in der jeweiligen Rechnung ausgewiesen. Die Beauftragung des Amtsarztes erfolge nicht durch sie, sondern sie stelle lediglich die Räumlichkeiten für die Leichenschau zu Verfügung, damit der Bestatter bzw. die Hinterbliebenen an die für die Verbrennung notwendige Bescheinigung nach dem Bestattungsgesetz kämen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24.08.1967 müssten, damit ein durchlaufender Posten anerkannt werden könne, dem Zahlungsempfänger der Name und die Anschrift des Vertretenen bekannt sein. Diese Voraussetzung sei erfüllt, da dem Amtsarzt alle die Leiche betreffenden Unterlagen, einschließlich der Benennung der Rechtsnachfolger, zur Verfügung stünden. Der vorliegende Fall sei mit der TÜV-Abnahme vergleichbar. Sofern Prüfingenieure einer Überwachungsorganisation die Leistungen/TÜV-Abnahme gegenüber dem Fahrzeughalter in einer Kfz-Werkstatt erbringen würden, handele es sich bei den von der Werkstatt vereinnahmten TÜV-Gebühren um einen durchlaufenden Posten.
12Mit Einspruchsentscheidung vom 19.7.2012 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte im Wesentlichen Folgendes aus: Bei dem Hoheitsakt der zweiten Leichenschau, die der Verbrechensbekämpfung diene, handele es sich unstreitig nicht um eine steuerfreie Heilbehandlungsleistung der Klägerin an die Auftraggeber. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Feuerbestattung der Klägerin um eine einheitliche sonstige Leistung, die umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig sei. Bei der Weiterbelastung der Gebühren für die zweite Leichenschau handele es sich nicht um einen durchlaufenden Posten im Sinne des §§ 10 Abs. 1 S. 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Zu der sonstigen Leistung der Feuerbestattung gehörten gemäß § 3 Abs. 9 UStG i.V.m. Abschnitt 3.10 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) auch die Durchführung der zweiten Leichenschau, da diese gesetzlich festgelegte Leistung vor einer Einäscherung erbracht werden müsse. Ohne diese Leichenschau könne die Klägerin ihre Dienstleistung nicht erbringen, so dass es sich bei der Leichenschau und der Feuerbestattung um einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang handele. Die Tatsache, dass diese Leichenschau nicht von der Klägerin selbst durchgeführt werden könne, stehe dem nicht im Wege. Der Kreis erbringe die Leistung der Leichenschau an die Klägerin, wodurch es dieser erst möglich werde, ihre Dienstleistung an die jeweiligen Bestatter bzw. Hinterbliebenen zu erbringen. Den Ausführungen der Klägerin, dass sie lediglich ihre Räumlichkeit zur Verfügung stelle, um den Hinterbliebenen die erforderliche Bescheinigung zu beschaffen, könne nicht gefolgt werden. Denn die Durchführung der zweiten Leichenschau liege im wirtschaftlichen Interesse der Klägerin. Gemäß § 10 Abs. 1 UStG bemesse sich der Umsatz nach dem Entgelt. Lediglich Beträge, die ein Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt habe (durchlaufender Posten), gehörten nicht zum Entgelt. Laut Auskunft des Kreises D erfolge die zweite Leichenschau durch Selbstveranlassung der Klägerin, so dass sie selbst die Gebühr schulde. Sie erfülle mit der Entrichtung der Gebühr eine eigene Verpflichtung. Sollten auch die Erben Gebührenschuldner sein, so wären diese Gesamtschuldner. Auch in diesem Fall sei kein durchlaufender Posten gegeben. Die Gebühr der zweiten Leichenschau werde in den Ausgangsrechnungen jeweils mit 30 € gesondert abgerechnet und in der Buchführung gesondert erfasst. Die Fahrtkosten würden jedoch nicht weiter belastet. Die Gebühren des Kreises D inklusive Fahrtkosten würden über das Aufwandskonto und die Erlöse aus der zweiten Leichenschau würden auf dem Erfolgskonto erfolgswirksam erfasst. Eine erfolgsneutrale Erfassung als durchlaufender Posten erfolge nicht. Ein durchlaufender Posten sei buchtechnisch nicht gegeben.
13Der Argumentation der Klägerin, der in Rede stehende Sachverhalt sei umsatzsteuerrechtlich entsprechend der zu den TÜV-Gebühren für den Werkstatt-TÜV ergangenen Verfügung der OFD Frankfurt am Main zu beurteilen, könne ebenfalls nicht gefolgt werden. Der Überwachungsverein erbringe als beliehener Unternehmer einen Hoheitsakt gegenüber dem Kfz-Halter. Auch wenn die Gebührenordnung des TÜV regele, dass zur Zahlung der Untersuchungsgebühren verpflichtet sei, wer die Amtshandlung, Prüfung und Untersuchung veranlasst habe oder zu dessen Gunsten sie vorgenommen werde, liege die Hauptuntersuchung im ausschließlichen Interesse des Fahrzeughalters, der ohne entsprechende Untersuchungsbescheinigung nicht am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen dürfe. Hingegen liege die zweite Leichenschau im wirtschaftlichen Interesse der Klägerin. Die weiterberechnete Gebühr der zweiten Leichenschau sei Teil einer einheitlichen Dienstleistung „Feuerbestattung“. Die Klägerin sei unmittelbar selbst begünstigt und könne ihre wirtschaftliche Leistung nicht ohne diesen gesetzlich vorgeschriebenen Hoheitsakt des Kreises D erbringen.
14Die Klägerin hat am 15.08.2012 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor: Entgegen der Ausführung des Beklagten handele es sich bei der Feuerbestattung und der zweiten Leichenschau nicht um eine steuerbare einheitliche sonstige Leistung, da die vom Gesetz vorgeschriebene zweite Leichenschau keine Leistung ihrerseits darstelle. Im Rahmen der Planungsverhandlungen im Zusammenhang mit dem Bau und dem Betrieb des Krematoriums sei vereinbart worden, dass aus Vereinfachungsgründen die zweite Leichenschau in ihren Räumlichkeiten stattfinden könne. Den Ausführungen des Beklagten, dass dies in ihrem, der Klägerin, geschäftlichen Interesse erfolge, könne nicht gefolgt werden, da die Leichenschau der Gesundheitsbehörde durchaus auch bei den im Kreis D ansässigen Bestattern erfolgen könnte. Dies hätte zur Folge, dass der beauftragte Amtsarzt für die Ausstellung von zehn Bescheinigungen im ungünstigsten Fall zehn Bestatter aufsuchen müsse. Die Durchführung von mehreren Leichenschauen in ihren Räumlichkeiten liege somit im überwiegenden Interesse des Kreises. Aus den Gebührenbescheiden des Kreises D sei zu ersehen, dass dem Gesundheitsamt die notwendigen Daten der Verstorbenen vorliegen würden und somit grundsätzlich einzelne Gebührenbescheide erstellt werden könnten. Darüber hinaus würden auch Einäscherungen durchgeführt, wenn die notwendige Bescheinigung bereits im Vorfeld durch eine andere Behörde ausgestellt worden sei. Es handele sich somit eindeutig nicht um einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang. Sie, die Klägerin, habe die Gebühr zutreffend als durchlaufende Posten behandelt, da sie die Gebühr selbst nicht schulde. Die Gebühr schulde derjenige, der Antragsteller sei oder derjenige, in dessen Auftrag der Friedhof oder die Bestattungseinrichtung genutzt werde (Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts). Antragsteller für die Ausstellung der Bescheinigung seien die Hinterbliebenen, da diese Bescheinigung gesetzlich vorgeschrieben sei, wenn ein Verstorbener verbrannt werden solle. Somit könne sie, die Klägerin, nicht zu den Gebühren herangezogen werden, da sie nur als Stellvertreter bzw. als Erfüllungsgehilfe der Hinterbliebenen auftrete. Die Ausführungen des Beklagten in Bezug auf den Vergleich der TÜV- Gebühren mit den Gebühren für die zweite Leichenschau seien unzutreffend. In beiden Fällen gebe es eine gesetzliche Grundlage für die Durchführung der Tätigkeit. Sie, die Klägerin, sei nur mittelbar durch die Ausstellung der Bescheinigung begünstigt. Wenn die Leichenschau zu dem Ergebnis führe, dass der Verstorbene eingeäschert werden dürfe, so werde sie, durch die Hinterbliebenen beauftragt, die Einäscherung vornehmen. Sollte die Leichenschau nicht zu dem Ergebnis kommen, dass eine Einäscherung stattfinden könne, so seien in diesem Fall die von dem Kreis festgesetzten Gebühren durch den Hinterbliebenen zu zahlen, obwohl keine Einäscherung stattgefunden habe. Sie, die Klägerin, habe in diesem Fall keinen wirtschaftlichen Vorteil trotz festgesetzter Gebühr. Dass sie nicht auch die Fahrtkosten als durchlaufende Posten behandeln könne, liege an der Abrechnungstechnik des Kreises D . In den Gebührenbescheiden seien alle Verstorbenen namentlich aufgeführt. Da der Amtsarzt aber z.B. an einem Tag einen Verstorbenen und an einem anderen Tag zehn Verstorbene begutachte, die Fahrtkosten aber pro Anfahrt gerechnet würden, sei es für die Klägerin nicht möglich, die Fahrtkosten entsprechend aufzuteilen. Da aus der Gebührensatzung des Kreises D die Gebühr für eine zweite Leichenschau für alle Bürger ersichtlich sei, werde diese Gebühr ohne Nebenkosten auf den Rechnungen als Gebühr der Gemeinde E eindeutig ausgewiesen. Die Verbuchung der vereinnahmten und verauslagten Gebühren auf jeweils zwei separaten Konten diene der Transparenz in der Bilanz. Wie bereits erwähnt, sei aus den Gebührenbescheiden der Fahrtkostenanteil nicht eindeutig zu extrahieren, so dass die verauslagten Gebühren aufgrund der Rechnungsstellung auch einen Kostenanteil enthalten würden, welcher den Gewinn beeinflusse.
15Die untere Gesundheitsbehörde werde nicht tätig weil sie, die Klägerin, dies veranlasst habe, sondern die Amtsärzte seien im Auftrage des Kreises D tätig, weil es eine gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung einer zweiten Leichenschau gebe. Das Gesundheitsamt lege den Zeitpunkt der Untersuchung fest. Die untere Gesundheitsbehörde erstelle die Bescheinigungen, welche auf den Verstorbenen und somit aufgrund der gesetzlichen Fiktion an die gesetzlichen Hinterbliebenen ausgestellt sei. Aufgrund dieser Bescheinigungen seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Feuerbestattung erfüllt. Auf der Bescheinigung werde an keiner Stelle auf sie, die Klägerin, als Auftraggeberin oder Veranlasserin der der Gebühr zu Grunde liegenden Handlung verwiesen.
16Die Klägerin beantragt,
17den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 28.02.2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19.07.2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 96.722,27 € festgesetzt wird.
18Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend Folgendes aus: Der Auffassung der Klägerin, dass sie die in Rede stehende Gebühr nicht selbst schulde, könne nicht gefolgt werden. Die Klägerin begründe diese Annahme mit dem Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts. Da die Gebühr für die zweite Leichenschau nicht für die Nutzung des Friedhofs oder eine Bestattungseinrichtung zu entrichten sei und es sich somit nicht um eine Friedhofsgebühr handele, könne dieses nicht zur Klärung der Schuldnerschaft herangezogen werden. Nach Angaben des Kreises D erfolge die zweite Leichenschau durch Selbstveranlassung der Klägerin, so dass sie selbst die Gebühr schulde. Laut Gebührensatzung des Kreises D schulde derjenige die Gebühr, der die Leistung selbst oder durch zurechenbares Verhalten eines Dritten veranlasst habe, oder durch sie begünstigt werde.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die Klage ist zulässig und begründet.
24Der Umsatzsteuerbescheid 2009 des Beklagten vom 28.02.2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19.07.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit der Beklagte die von der Klägerin weiterberechneten Gebühren für die zweite Leichenschau i.H.v. 71.580,00 € der USt unterworfen hat (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO-).
25Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin insoweit keine Leistungen er-bracht.
26Die Klägerin hat im Streitjahr ihren Kunden gegenüber (Bestattungsunternehmer bzw. bestattungspflichtige Erben) durch die Einäscherung zwar steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 UStG erbracht. Die Gebühr für die zweite Leichenschau gehört aber nicht zum Entgelt für diese Leistung im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG. Nach Auffassung des Senats ist die Gebühr für die zweite Leichenschau vielmehr als durchlaufender Posten nach § 1 Abs. 1 Satz 6 UStG anzusehen.
27Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Nach Satz 2 ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der USt. Nach Satz 6 gehören die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufender Posten) nicht zum Entgelt.
28Die Annahme eines durchlaufenden Postens setzt voraus, dass sich der Unternehmer auf eine Vermittlungstätigkeit beschränkt und die von ihm vermittelte Leistung, wirtschaftlich gesehen, nicht Teil einer Gesamtleistung ist, die einheitlich vom Unternehmer erbracht wird (BFH-Urteil vom 05.11.1970 V E 57/67, BFHE 100, 475, HFR 1971, 105).
29Die Leistung der Klägerin, für die die Kunden das Entgelt aufwandten, bestand vorliegend in der Regel in der Einäscherung. Die sonstige Leistung der Durchführung der zweiten Leichenschau und Ausstellung der entsprechenden Bescheinigung wurde nicht von der Klägerin, sondern vom Kreis D durch dessen Amtsärzte durchgeführt. Nach Auffassung des Senats war die Klägerin weder Empfängerin dieser Leistung der Amtsärzte noch war sie insoweit Leistende, sie war vielmehr lediglich Erfüllungsgehilfe bzw. Vertreter der Hinterbliebenen.
30Die Klägerin konnte und durfte die zweite Leichenschau nicht selbst vornehmen. Die Durchführung der zweiten Leichenschau ist auch nicht etwa deswegen der Klägerin als eigene Leistung zuzurechnen, weil sie – wie der Beklagte vorträgt – von der Klägerin selbst veranlasst wurde. Unabhängig davon wie diese Äußerung des Kreises D zu verstehen ist, so ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen (BestG NRW) grundsätzlich die untere Gesundheitsbehörde Veranlasser der zweiten Leichenschau. Vorliegend bestand die diesbezügliche Tätigkeit der Klägerin vielmehr darin, dem Kreis D mitzuteilen, dass die jeweiligen Leichen zur Einäscherung zu ihr gebracht worden seien und die Durchführung der Leichenschau in ihren Räumlichkeiten zu dulden/ermöglichen. Dieses zur Verfügung Stellen der Räumlichkeiten – nach dem Vorbringen der Klägerin im Interesse des Kreises D –, führt nicht dazu, dass ihr die Durchführung der zweiten Leichenschau als eigene Leistung zuzurechnen wäre.
31Nach Auffassung des Senats ist eine Leistung der Klägerin auch nicht etwa deshalb anzunehmen, weil sie Gebührenschuldnerin wäre. Der Senat ist vielmehr der Ansicht, dass entgegen der Auffassung des Beklagten die bestattungspflichtigen Erben selbst Gebührenschuldner gegenüber dem Kreis D sind.
32Nach § 3 Abs. 1 der allgemeinen Gebührensatzung des Kreises D ist Kostenschuldner, wer die Leistung selbst oder durch zurechenbares Verhalten eines Dritten veranlasst hat oder wer durch sie begünstigt wird. Nach § 2 Abs. 2 haften mehrere Kostenschuldner als Gesamtschuldner. Veranlasser der Leistung (der Durchführung der zweiten Leichenschau) ist vorliegend letztendlich der Bestattungspflichtige, der die Ein-äscherung in Auftrag gibt.
33Aber selbst wenn man annehmen würde, dass die Klägerin durch die Leistung begünstigt wird, weil sie nach Ausstellung der entsprechenden Bescheinigung die Einäscherung vornehmen kann, und sie damit auch als Gebührenschuldnerin (als Gesamtschuldnerin) anzusehen wäre, so kann nach Auffassung des Senats allein aus der in der Gebührensatzung des Kreises D enthaltenen Regelung des § 3 nicht gefolgert werden, dass diese auch Empfängerin der Leistung, d.h. der Durchführung der zweiten Leichenschau ist. Denn die Gebührensatzung des Kreises D kann nicht dazu führen, dass die Klägerin als in die für die Umsatzbesteuerung allein maßgebliche Leistungsbeziehung, die im Streitfall in der Durchführung der zweiten Leichenschau durch den Kreis D besteht, eingeschaltete Leistungsempfängerin gegenüber dem Kreis D und Leistende gegenüber den Bestattungspflichtigen bzw. Bestattungsunternehmern anzusehen ist (vgl. insoweit auch Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 01.04.1998 6 K 2005/95, EFG 1998, 1160, nachfolgend BFH-Urteil vom 15.04.1999 V R 45/98, HFR 1999, 929 zu Deponiegebühren).
34Der Senat teilt zudem auch nicht die Ansicht des Beklagten (vgl. UStAE Abschnitt 10.4 Abs. 4 Satz 1), dass für den Fall, dass die Klägerin Gesamtschuldnerin mit den Erben wäre, kein durchlaufender Posten vorliegen könnte. Der Senat schließt sich vielmehr der Auffassung des Finanzgerichts Hamburg an, nach der der Unternehmer auch für den Auftraggeber handeln kann, wenn der Auftraggeber zumindest neben dem Unternehmer Entgeltschuldner wird (FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 30.12.2009 3 K 5/09, DStRE 2010, 1004 zu Entgelten für Abwasserbeseitigung aus Abwassergruben).
35Auch der Umstand, dass der Kreis D jeweils einen Sammelgebührenbescheid allein an die Klägerin übersandt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis, da die Adressierung des Bescheides durch den Kreis D nicht die umsatzsteuerrechtlich beachtlichen Leistungsbeziehungen begründen kann.
36Die Durchführung der zweiten Leichenschau wird auch nicht etwa dadurch zu einer Leistung der Klägerin, dass die Bescheinigung erforderlich ist, damit eine Feuerbestattung erfolgen kann. Insoweit ist keine einheitliche sonstige Leistung der Klägerin anzunehmen.
37Eine einheitliche sonstige Leistung liegt vor, wenn zwei oder mehr Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sie, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre, sowie wenn eine oder mehrere Teile die Hauptleistung bilden, andere Teile dagegen als eine oder mehrere Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Dabei ist der dominierende Bestandteil auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen (BH-Urteil vom 21.02.2012 V R 10/12, BFH/NV 2013, 1635, HFR 2013, 934 m.w.N.).
38Eine einheitliche sonstige Leistung in diesem Sinne liegt nicht vor. Auch wenn nach § 15 Abs. 1 BestG NRW die Feuerbestattung erst vorgenommen werden darf, wenn die zweite Leichenschau vorgenommen wurde und mit einer Bescheinigung bestätigt worden ist, dass kein Verdacht auf nicht natürlichen Tod besteht, so kann die Klägerin ihre Leistung, die Feuerbestattung, auch erbringen, wenn der Kunde bereits im Besitz der erforderlichen Bescheinigung ist, z.B. weil die zweite Leichenschau bereits vor Überführung der Leiche zur Klägerin in einem gerichtsmedizinischen Institut durchgeführt wurde.
39Zwar wird die Klägerin in den Fällen, in denen eine solche Bescheinigung noch nicht vorlag, durch die Vornahme der zweiten Leichenschau auch mittelbar begünstigt. Dies führt aber nicht zu der Annahme einer einheitlichen sonstigen Leistung. Nach Auffassung des Senats ist der vorliegende Fall vergleichbar mit den TÜV-Gebühren, die durch eine Kfz-Werkstatt weiterberechnet werden und die nach der Verfügung der OFD-Frankfurt am Main vom 24.06.2010 (S 7100 A-228-St 110) als durchlaufender Posten anzusehen sind. Auch die Kfz-Werkstatt wird durch die TÜV-Abnahme in ihren Räumlichkeiten mittelbar begünstigt, weil sie häufig in Zusammenhang damit Leistungen, wie etwa eine Inspektion im Vorfeld oder die Beseitigung der bei der Hauptuntersuchung festgestellten Mängel, erbringt. Nach Auffassung des Senats liegt in beiden Fällen bezüglich der hoheitlichen Tätigkeit (Durchführung der Hauptuntersuchung bzw. Durchführung der zweiten Leichenschau) keine Leistung an die Werkstatt bzw. das Krematorium vor, welche ihre Räumlichkeiten zur Durchführung der hoheitlichen Tätigkeit zur Verfügung stellen.
40Die Klägerin hat mit ihrer Preisliste, in der sie ausdrücklich „Amtsarzt, 2. Leichenschau, Gebührenauslage“ ausgeführt hat, gegenüber ihren Kunden auch offen gelegt, dass sie die Gebühr für die zweite Leichenschau für diese verauslagt und dementsprechend auch nicht die Einäscherung und die Gebühr für die zweite Leichenschau in einer Summe aufgeführt, sondern die weiterberechnete Gebühr für die zweite Leichenschau gesondert erfasst. Auch für den Kreis D als Leistenden war es nach Auffassung des Senats aufgrund der Vorlage aller den Verstorbenen betreffenden Unterlagen ersichtlich, dass die Klägerin im Namen und für Rechnung der jeweiligen Kunden handelte.
41Soweit der Beklagte anführt, die Klägerin habe die vereinnahmten und verausgabten Beträge in der Buchführung nicht als durchlaufende Posten erfasst, so führt dies nach Ansicht des Senats zu keinem anderen Ergebnis. Die Klägerin hat insoweit für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass ihre Vorgehensweise bei der Buchung – zunächst keine Buchung auf einem gesonderten Konto durchlaufender Posten – darauf zurückzuführen ist, dass sie die vom Kreis berechneten Fahrtkosten aufgrund der Sammelgebührenbescheide nicht den einzelnen Verstorbenen zurechnen und daher diesen Anteil letztlich nicht weiter berechnen konnte. Im Übrigen hat der deutsche Gesetzgeber die in Art. 79 Buchst. c der Mehrwertsteuersystemrichtlinie enthaltene Bedingung „die in seiner Buchführung als durchlaufende Posten erfasst sind“, wobei damit nicht ausdrücklich geregelt ist, wie die Erfassung als durchlaufender Posten in der Buchführung zu erfolgen hat, ins UStG nicht ausdrücklich übernommen.
42Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
43Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
44Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.