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1.) Der Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 30.11.2007 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 07.11.2008 wird abgeändert und die Einkommensteuer 2005 wird unter Anerkennung von Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 9.727,00 € niedriger festgesetzt. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.
2.) Von den Kosten des Rechtsstreites bis zur mündlichen Verhandlung trägt die Klägerin 6/10. Die übrigen Kosten werden dem Beklagten auferlegt.
3.) Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
2I.
3Streitig ist, ob die Klägerin (Klin.) im Streitjahr 2005 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen wollte, so dass ein tatsächlicher Überschuss der Werbungskosten (WK) über die Einnahmen zu berücksichtigen ist.
4Die Klin. war Eigentümerin einer Eigentumswohnung in L/R, A-Straße 1. Diese hatte sie in 1975 erworben, um sie als Feriendomizil zusammen mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann zu nutzen. In den letzten Jahren vor dem Streitjahr 2005 versuchte die Klin. erfolglos die Eigentumswohnung zu verkaufen. Am 20.02.2005 schloss die Immobilien-N GmbH als Vertreter ohne Vertretungsmacht für die damals 80-jährige Klin. (im Vertrag Verkäuferin oder Vermieterin genannt) mit Herrn M (in Vertrag Käufer oder Mieter genannt) einen notariellen Vertrag (UR-Nr. 00/0000 des Notars E aus S/L) ab. Gegenstand dieses notariellen Vertrages war zum Einen ein Angebot zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrages und zum Anderen ein Mietvertrag. Laut Kaufvertragsangebot sollte der Kaufpreis für die Eigentumswohnung X € betragen und am 00.00.0000 fällig und zahlbar sein. Nach dem Mietvertrag sollte die Mietzeit vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 dauern. Als monatliche Grundmiete sollte" X € zuzüglich X € Nebenkostenpauschale (Vorauszahlung) gezahlt werden. In der Vorbemerkung des notariellen Vertrages steht:
5Der Beteiligte zu 1.) (= Käufer oder Mieter) und die Beteiligte zu 4.) (= Verkäufer oder Vermieterin) werden durch diesen Vertrag einen Mietvertrag über das Endhausteil A-Straße 1 in R auf L schließen, vorbehaltlich der Genehmigung der Beteiligten zu als Vermieterin. Die Mietvertragsdauer soll zwei Jahre betragen. Die Vermieterin ist jedoch nicht bereit, den Mietvertrag zu genehmigen, wenn ihr nicht zuvor ein unwiderrufliches Angebot des Beteiligten zu zum Erwerb der Mietsache nach Ablauf der Mietdauer unterbreitet wird.
6Am 00.00.0000 genehmigte die Klin. den Mietvertrag (UR-Nr. 00/0000 des Notars T in H). Am 00.00.0000 nahm die Klin. vor dem Notar T aus A, UR-Nr. 00/0000 das Kaufangebot des Herrn M an.
7Mit Urteil des Amtsgerichts B wurde Herr M wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. In den Gründen des Urteils ist u.a. ausgeführt, dass Herr M die Klin. bei Abschluss des Mietvertrages und des Kaufvertrages über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit getäuscht hat.
8In Ihrer Einkommensteuer (ESt)-Erklärung machte die Klin. einen Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen von X € geltend (Einnahmen: 0; Abschreibungen X €, Fahrtkosten zum Objekt X € und Anwalts- und Gerichtskosten X €). Der Wunsch, das Objekt zunächst anzumieten und erst nach zwei Jahren käuflich zu erwerben, sei seitens des Mieters geäußert worden. Die ursprünglich geltend gemachten Anwalts- und Gerichtskosten von X € würden auf Grund des Hinweises des Berichterstatters vom 22.09.2011 (Bl. 105 der Gerichtsakte) auf X € reduziert.
9Die Klin. beantragt,
10unter Änderung des ESt-Bescheides für 2005 vom 30.11.2007 in der
11Fassung der EE vom 07.11.2007 die ESt für 2005 unter Berücksichti-
12gung eines weiteren Verlustes aus Vermietung und Verpachtung in
13Höhe von X € festzusetzen.
14Der Bekl. beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die vom Berichterstatter in der Hinweisverfügung vom 22.09.2011 dargelegten Anwalts- und Gerichtskosten in Höhe von X € würden als unstreitig der Höhe nach anerkannt.
17Allerdings könne der Verlust aus Vermietung und Verpachtung dem Grunde nach nicht anerkannt werden, da der Klin. bei Abschluss des Vertrages die Absicht gefehlt hätte, einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Vielmehr sei es ihr ausschließlich um den Verkauf der Immobilie gegangen. Hierfür spreche das Gesamtbild der getroffenen Vereinbarungen. Denn ähnlich, wie im BFH-Urteil vom 04.12.2011 IX R 70/98, BFH/NV 2002, 635 sei hier nur ein auf zwei Jahre befristeter Mietvertrag abgeschlossen worden. Danach sei das Objekt veräußert worden. Es könne in einem solchen Fall nicht von einer Einkunftserzielungsabsicht ausgegangen werden.
18Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf die notariellen Verträge/Erklärungen vom 00.00.0000 UR-Nr. 00/0000 des Notars E und vom 00./00.00.0000 UR-Nr. 00, 00/0000 des Notars T aus H und die EE vom 07.11.2008 Bezug genommen.
19Der Senat hat am 20.01.2012 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
20II.
21Die zulässige Klage ist begründet.
22Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) unterliegen der ESt die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 EStG. Einkünfte i.S.d. § 21 EStG sind gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG der Überschusseinnahmen über die Werbungskosten. Dabei ist es zur Abgrenzung von der nicht steuerbaren Liebhaberei notwendig, dass der Steuerpflichtige die Absicht hat, einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben auf die Dauer der Nutzung der Einkunftsquelle zu erzielen (vgl. nur Schmidt/Weber-Grellet, EStG-Kommentar, 30. Aufl., EStG § 2 Rz. 22 und 23, m.w.N.).
23Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Klage begründet, weil die Klin. bei vertragsgemäßer Abwicklung des abgeschlossenen Mietvertrages offensichtlich einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erzielt hätte. Die monatliche Kaltmiete betrug X €, die jährliche Abschreibung lediglich X €. Finanzierungskosten oder sonstige mit der Vermietung verbundene Aufwendungen hatte die Klin. bei Vertragsabschluss nicht zu erwarten.
24Zu Unrecht meint der Bekl., dass der gleichzeitig mit Abschluss des Mietvertrages abgeschlossene Kaufvertrag gegen eine Einkunftserzielungsabsicht spricht. Das von dem Bekl. angeführte BFH-Urteil vom 04.10.2001 IX R 70/98 kann seine Rechtsauffassung nicht stützen. Im dortigen Fall stand – anders als im Streitfall - auf Grund der hohen Finanzierungskosten und der erhöhten Abschreibungen bei Abschluss des Mietvertrages fest, dass auch bei ordnungsgemäßer Zahlung der vereinbarten Miete während des vereinbarten Mietzeitraums kein Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen sein würde.
25Anhaltspunkte dafür, dass der vorliegend zivilrechtlich wirksam abgeschlossene Mietvertrag und Kaufvertrag ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 Abgabenordnung (AO) gegeben sein könnte, hat der Bekl. nicht vorgetragen und sind auch nach Aktenlage nicht ersichtlich. Weder vermag der Senat in den abgeschlossenen Verträgen eine unangemessene rechtliche Gestaltung i.S.d. § 42 Abs. 2 Satz 1 AO zu sehen. Noch wird durch die tatsächlich gewählte rechtliche Gestaltung ein Steuervorteil erzielt. Dabei ist für die Betrachtung des Steuervorteils auf den Zeitpunkt bei Vertragsabschluss abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt durfte die Klin. von einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung und damit von einem Überschuss der Mieteinnahmen über ihre WK ausgehen.
26Dem Bekl. wird die Neuberechnung der Einkommensteuer für 2005 gemäß § 100 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) übertragen. Dabei hat der Bekl. einen weiteren Verlust aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. X € (Incl. AfA) zu berücksichtigen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klin. zunächst ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von X € mit der Klage geltend gemacht hatte.
28Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung beruht auf § 152 Abs. 1, 3 FGO i. V. m. § 709 ZPO.