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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Streitig ist, ob für das Kind O. im Jahr 2010 Kindergeld festzusetzen ist.
3Der Kläger (Kl.) ist Vater des am 30.08.1990 geborenen Kindes O.. Die Tochter des Klägers besuchte im Jahr 2010 das Internat / Gymnasium N. im 210 km vom Wohnort der Eltern entfernten C. bis sie im Juni 2011 das Abitur ablegte.
4Mit Antrag vom 03.09.2010 beantragte der Kl. die Festsetzung von Kindergeld für das Jahr 2010. Es wurden Zinseinnahmen i.H.v. 12.883 €, dazugehörige Depotgebühren i.H.v. 1.001 €, Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte i.H.v. 1.260 €, pauschale Aufwendungen für Schulbücher i.H.v. 200 €, an das Internat gezahltes Schulgeld i.H.v. 5.390 € und schließlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge i.H.v. 1.950 € erklärt.
5Die Beklagte (Bekl.) lehnte den Antrag auf Festsetzung von Kindergeld mit Bescheid vom 27.05.2011 wegen Überschreitung des Grenzbetrages von 8.004 € ab.
6Mit seinem am 10.06.2011 eingelegten Einspruch wendete sich der Kl. gegen den ablehnenden Bescheid mit der Einwendung, dass ein Sonderausgabenabzug der Schulgeldzahlungen nur für ein Kind bestünde, für das ein Kindergeldanspruch i.S.d. § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestehe. Des Weiteren seien selbst dann auch nur 30 % der Aufwendungen abzugsfähig. Die Argumentation der Bekl. sei insoweit unlogisch. Das Schulgeld müsse ebenso wie Studiengebühren auch bei der Ermittlung der maßgeblichen Einkünfte des Kindes abzuziehen sein.
7Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 20.06.2011 wies die Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Dabei berücksichtigte sie bei der Ermittlung der Einkünfte Einnahmen aus Kapitalvermögen i.H.v. 14.174,07 € (als Summe folgender Beträge: 13.463,01 € + 14,55 € + 696,51 €). Den Einnahmen aus Kapitalvermögen setzte die Bekl. mindernd den Sparer-Pauschbetrag von 801,00 € entgegen. Die tatsächlichen Depotkosten berücksichtigte sie mit Hinweis auf § 20 Abs. 9 EStG nicht. Als besondere Ausbildungskosten wurden 1.260 € Fahrtkosten (= 20 Tage x 210 km einfache Entfernung x 0,30 €) und pauschal 200 € für Schulbücher bei der Einkünfteermittlung angesetzt. Den Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ließ die Bekl. mit Hinweis auf die lediglich aus Kapitalvermögen erzielten Einnahmen nicht zu.
8Auch das Schulgeld von 5.390 € wurde nicht einkünftemindernd berücksichtigt, da es sich nach Auffassung der Bekl. insoweit um Aufwendungen handele, die über den Sonderausgabenabzug geltend zu machen seien, und nicht noch zusätzlich bei der Einkünfteermittlung des Kindes abgezogen werden könnten.
9Die Bekl. ermittelte mithin eigene Einkünfte des Kindes O. von 11.913,07 €, die den Grenzbetrag von 8.004,00 € gemäß § 32 Abs. 4 S. 2 EStG überschritten.
10Mit der am 25.07.2011 erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter.
11Als Einnahmen seien – wie von der Sparkasse T. bescheinigt – lediglich Einnahmen aus Kapitalvermögen i.H.v. 12.883,00 € zu berücksichtigen. Des Weiteren vertritt der Kl. bzgl. des Abzugs der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung die Auffassung, dass diese Beiträge nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Im Übrigen stellten die Aufwendungen für Schulgeld besondere Ausbildungskosten dar, die einkünftemindernd zu berücksichtigen seien, da nicht ersichtlich sei, warum Fahrtkosten zur Schule und Aufwendungen für Bücher Ausbildungskosten darstellten, die Schulgeldzahlungen als "Kosten der Lehrer" hingegen nicht. Zudem handele es sich bei dem geltend gemachten Betrag nicht um Kosten für Unterbringung und Verpflegung, die im Schuljahr nämlich ca. 26.000 € betragen hätten und auch von der Klägerseite als Kosten der privaten Lebensführung angesehen würden. Eine differenzierte Betrachtung zwischen Schulgeldzahlungen und Semestergebühren, die auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausbildungsbedingten Mehrbedarf darstellten, sei nicht geboten. Des Weiteren sei auch eine Übertragung der Wertungen aus § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht treffend.
12Der Kl. beantragt sinngemäß,
13den Bescheid vom 27.05.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.06.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für das Kind O. für das Jahr 2010 insgesamt 2.208 € Kindergeld festzusetzen.
14Die Bekl. beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie verweist auf ihre EE vom 20.06.2011 und ist der Ansicht, dass hinsichtlich des Arbeitnehmeranteils zur gesetzlichen Pflichtversicherung die aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses vom 11.01.2005 (Az. 2 BvR 167/02, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 ff) ergangene Regelung auf die Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen oder privaten Kranken- und Pflegeversicherungen entsprechend anzuwenden sei. Im Gegensatz zu Semestergebühren handele es sich bei Schulgeldzahlungen um Sonderausgaben, die nicht als besondere Ausbildungskosten abziehbar seien. Des Weiteren sei lediglich der Sparer-Pauschbetrag bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar. Eine Bindungswirkung des zwischenzeitlich ergangenen Einkommensteuerbescheides des Kindes bestünde nicht für die Kindergeldfestsetzung.
17Entscheidungsgründe
18Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
19Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt den Kl. gemäß § 100 Abs. 1 S. 1 FGO nicht in seinen Rechten.
20Für das Jahr 2010 war kein Kindergeld für das Kind O. festzusetzen, da die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes über dem Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG lagen.
21Der Kindergeldanspruch beruht auf § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. a) EStG. Danach besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18. aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Allerdings wird gemäß Satz 2 des § 32 Abs. 4 EStG das Kind nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 8.004 € im Kalenderjahr hat.
22Im Streitfall ist diese Grenze überschritten, da selbst unter Zugrundelegung der von dem Kl. geltend gemachten geringeren Zinseinnahmen und den übrigen - zugunsten des Kl. angenommenen - abziehbaren Aufwendungen die Einkünfte des Kindes O. mit 8.665,73 € über dem Grenzbetrag von 8.004 € liegen. Dies zeigt folgende Berechnung:
23Einnahmen 12.883,07 €
24Depotkosten - 1.000,14 €
25Beiträge KV/PV - 1.757,20 €
26Bücher pauschal - 200,00 €
27Fahrtkosten - 1.260,00 €
28Summe: 8.665,73 €
29Das an das Internat gezahlte Schulgeld ist nicht als ausbildungsbedingter Mehrbedarf abzuziehen.
30Nach § 32 Abs. 4 S. 5 EStG bleiben bei der Ermittlung der schädlichen Grenze des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG Bezüge außer Ansatz, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind bzw. Einkünfte, die für solche Zwecke verwendet werden.
31Solche besonderen Ausbildungskosten sind alle über die Lebensführung hinausgehenden ausbildungsbedingten Mehraufwendungen (BFH-Urteile vom 22. September 2011 III R 38/08, BFHE nn, juris; vom 27. Oktober 2011 III R 92/10, juris). Dies ergibt sich aus dem Zusammenwirken von Satz 2 und Satz 5 des § 32 Abs. 4 EStG sowie dem damit verfolgten Zweck (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2000, VI R 62/97, BStBl. II 2001, 491).
32Ausbildungsbedingte Mehraufwendungen, die nicht bereits als Werbungskosten gemäß § 9 EStG im Rahmen einer Einkunftsart des Kindes berücksichtigt werden, sind gemäß § 32 Abs. 4 S. 5 EStG von der Summe der Einkünfte und Bezüge abzuziehen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juli 2002 VIII R 63/00, BFH/NV 2003, 24).
33Die Abgrenzung, ob es sich um ausbildungsbedingten Mehrbedarf oder um Kosten der privaten Lebensführung handelt, kann in der Weise erfolgen, wie dies im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses zwischen den Kosten der Lebensführung und den durch den Beruf veranlassten Kosten (Werbungskosten) geschieht (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 2011 III R 38/08, a.a.O.). Dabei sind die den Abzug der jeweiligen Aufwendungen betreffenden steuerlichen Vorschriften nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach zu beachten (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 2001 VI R 77/00, BStBl. II 2002, 12).
34Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. In entsprechender Anwendung der für den Werbungskostenbegriff geltenden Grundsätze liegt abziehbarer ausbildungsbedingter Mehrbedarf dann vor, wenn das die betreffende Aufwendung "auslösende Moment" der Ausbildungssphäre des Kindes zuzuordnen ist. Dabei bilden die Gründe, die den Steuerpflichtigen bzw. das Kind zu den Aufwendungen bewogen haben, das auslösende Moment (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 2011, a.a.O.).
35Im Streitfall war ausschlaggebend für die Aufwendungen die Entscheidung des Klägers bzw. seiner Tochter, die Vorbereitung für das Abitur auf einem privaten Gymnasium zu absolvieren. Die Motivation dafür, dass Aufwendungen hierfür angefallen waren, liegt also im Bereich des Abschlusses der allgemeinen Schulbildung.
36Da auch für die Bestimmung des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs die für den Werbungskostenbegriff geltenden Grundsätze anwendbar sind, ist für den Abzug von Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen ein hinreichend konkreter, objektiv feststellbarer Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen zu fordern (vgl. BFH-Urteile vom 04. Dezember 2002 VI R 120/01, BStBl. II 2003, 403 und vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BStBl. II 2004, 884). Ein solcher Zusammenhang kann aber nur angenommen werden, wenn eine Ausbildung konkret und berufsbezogen auf eine Berufstätigkeit vorbereitet. Erst die Verschaffung von Berufswissen erfüllt dabei den Werbungskostenbegriff (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 2006 VI R 5/04, BStBl. II 2006, 717).
37Diese Voraussetzungen sind bei dem Besuch von allgemeinbildenden Schulen, wozu auch das Gymnasium gehört, typischerweise nicht gegeben (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 2006, a.a.O.; Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl., § 19 Rz. 60 Stichwort Ausbildungskosten). Der Besuch des Gymnasiums bereitet das Kind nicht auf einen konkreten Beruf vor, sondern schafft mit dem Abitur lediglich die notwendigen Voraussetzungen für ein Studium oder eine Ausbildung (Schmidt/Heinicke, EStG, § 10 Rz. 140 Stichwort Schule). Erst von diesem Zeitpunkt an kann von Aufwendungen gesprochen werden, die – ausbildungsbedingt – Werbungskosten vergleichbar sind.
38Die Schulgeldzahlungen sind – entgegen der Auffassung des Kl. – auch nicht im Rahmen des Vergleichs mit einem Ausbildungsdienstverhältnis mit Studiengebühren vergleichbar.
39Bei den Semestergebühren ist der maßgebliche Grund für deren Entrichtung die Erlangung des Studentenstatus, um die universitäre Ausbildung überhaupt aufnehmen bzw. fortsetzen zu können. Aufwendungen für ein im Anschluss an das Abitur durchgeführtes Erststudium können als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen sein (vgl. FG Düsseldorf 3 K 1332/09 Kg, DStZ 2011, 890). Insoweit ist auch bereits ein konkreter objektiver Zusammenhang mit einer späteren Erwerbstätigkeit gegeben, da mit einem abgeschlossenen Studium und dem daraus resultierenden spezifisch vermittelten Berufswissen – anders als mit dem Abitur - der Einstieg in das Berufsleben möglich ist. Aus diesem Grund ist bei Aufwendungen im Rahmen eines Studiums ein anderer Maßstab bzgl. des Vorliegens des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs gerechtfertigt.
40Ein Abzug der Schulgeldzahlungen ist allenfalls unter den bestimmten Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG als Sonderausgaben möglich. Ein solcher Abzug spielt aber im Rahmen der Berechnung des Grenzbetrages des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG keine Rolle.
41Eine Entscheidung über die Abzugsfähigkeit der Depotkosten sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung kann dahinstehen, da selbst für den Fall, dass die geringeren Einnahmen und alle anderen durch den Kläger geltend gemachten Abzugsposten berücksichtigt werden, die maßgeblichen Einkünfte des Kindes mit 8.655,73 € über dem Grenzbetrag von 8.004 € liegen.
42Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.