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Der Rückforderungsbescheid vom 08.10.2009 und die Einspruchsentscheidung vom 02.06.2010 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
2Zu entscheiden ist, ob die Klägerin (Klin.) zu Recht als Leistungsempfängerin durch Rückforderungsbescheid in Anspruch genommen wurde, weil sie eine Steuererstattung an einen ihrer früheren Bankkunden mit einem Teil des ihr gegenüber bestehenden Schuldsaldos dieses Bankkunden verrechnet hat.
3Herr T. M. hatte mit der Klin., einer Bank, Geschäftsverbindungen. U.a. war für ihn ein Girokonto eingerichtet, das als Geschäftskonto seiner Einzelfirma fungierte. Es bestand ein Girovertrag (§ 676 f. BGB) mit der Befugnis, das Girokonto in einem bestimmten Rahmen zu nutzen. Darüber hinaus waren Herrn M. zwei weitere Kredite gewährt worden. Die Klin. hatte mit Schreiben vom 15.05.2009 den Girovertrag und die Geschäftsverbindung mit Herrn M. mit Wirkung zum 09.07.2009 bzw. zum 15.08.2009 ordentlich gekündigt. Zu diesen Zeitpunkten bestanden – ausweislich eines später, am 14.07.2010 ergangenen Urteils des Landgerichts Q. (Az. .. O ..../09) – fällige Verbindlichkeiten des Herrn M. gegenüber der Klin. in einer Größenordnung von insgesamt etwa xxx.xxx,xx EUR. Auf zwei Kontokorrentkredite entfallen dabei Teilbeträge von etwa xxx.xxx,xx EUR und xx.xxx,xx EUR.
4Herr T. M. hatte das Kontokorrentkonto, auf dem ein Schuldsaldo bis zum eben genannten Termin von etwa xxx.xxx,xx EUR angesammelt war, zunächst auch als seine Kontoverbindung gegenüber dem Beklagten (Bekl.) angegeben.
5Aus einer Steueranmeldung stand Herrn M. im September 2009 ein Steuererstattungsanspruch i. H. v. 3.848,26 EUR zu.
6Am 24.09.2009 teilte Herr M. dem Bekl. eine neue Kontoverbindung bei einer anderen Bank mit. Dorthin solle das Geld überwiesen werden.
7Der Bekl. übersah jedoch den Hinweis des Herrn M. auf die geänderte Kontenverbindung. Er überwies am 29.09.2009 daher den Steuererstattungsbetrag von 3.848,26 EUR auf das frühere Girokonto des Herrn M. bei der Klin.. Die Klin. verrechnete nunmehr die Gutschrift von 3.848,26 EUR zum 01.10.2009 mit einem Teil des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Schuldsaldos. Die Verbindlichkeiten des Herrn M. aus dieser früheren Girokontenverbindung verminderten sich dadurch zu diesem Zeitpunkt von bisher xxx.xxx,xx EUR auf nunmehr xxx.xxx,xx EUR.
8Nachdem der Bekl. die fehlerhafte Überweisung bemerkt hatte, erließ er gegen die Klin. am 08.10.2009 einen Rückforderungsbescheid über 3.848,26 EUR. Der hiergegen gerichtete Einspruch, mit dem die Klin. geltend machte, sie sei lediglich Zahlstelle und nicht Leistungsempfängerin der Erstattung, hatte keinen Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 02.06.2010 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Klin. sei durch die Fehlüberweisung rechtsgrundlos bereichert. Sie habe aus eigenem Entschluss und gegen den Willen des Überweisungsempfängers, Herrn M., eine Verrechnung mit eigenen Forderungen vorgenommen. Durch diese eigene Zweckbestimmung habe sie nicht mehr als "durchreichende Zahlstelle" gehandelt, sondern sei selbst zur Leistungsempfängerin i. S. d. § 37 Abs. 2 AO geworden.
9Mit der daraufhin erhobenen Klage verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter, den Rückforderungsbescheid ersatzlos aufzuheben und als weitere Folge den von ihr unter Vorbehalt zurückgezahlten Betrag wieder vom Bekl. zurück zu erhalten. Sie meint im Wesentlichen, dass auch ein rechtlich erloschener Girovertrag Nachwirkungen habe. Diese lägen u.a. darin, dass sie berechtigt sei, Zahlungen entgegenzunehmen, die unter Angabe der bisherigen Kontonummer eingegangen seien. Auch dürfe intern auf das entsprechende Konto verbucht werden. Diese Ansicht entspreche höchstrichterlicher Rechtsprechung und zwar sowohl der zivilrechtlichen Rechtsprechung als auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH). Im Streitfall habe sie nichts anderes getan, als die entsprechende Gutschrift auf dem gekündigten Girokonto entsprechend der Regelung des § 676 f Satz 1 BGB zu verbuchen und dadurch auch eine Verrechnung mit einem Teil des bisherigen Schuldsaldos vorzunehmen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 02.07.2010 und 06.09.2010 verwiesen.
10Die Klin. beantragt,
11den Rückforderungsbescheid vom 08.10.2009 und die EE vom 02.06.2010 aufzuheben,
12hilfsweise, die Revision zuzulassen.
13Der Bekl. beantragt,
14die Klage abzuweisen,
15hilfsweise, die Revision zuzulassen.
16Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest und meint, dass sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des BFH kein Recht der Bank ergebe, nach Auflösung einer Geschäftsverbindung Verrechnungen vorzunehmen. Tue sie das dennoch, so sei sie als Leistungsempfängerin anzusehen und deshalb verpflichtet, den Steuererstattungsbetrag auch zurückzuzahlen, weil nicht die Bank, sondern ihr Kunde Erstattungsgläubiger hinsichtlich dieses Anspruches sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 03.08.2010 und die EE vom 02.06.2010 Bezug genommen.
17Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24.03.2011 verwiesen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
19Die Klage ist begründet.
20Entgegen der Auffassung des Bekl. ist die Klin. durch die Überweisung des Herrn M. zustehenden Steuererstattungsbetrages auf dessen früheres Konto nicht Leistungsempfängerin i. S. d. § 37 Abs. 2 AO geworden. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Klin. den Erstattungsbetrag auf das gekündigte, aber noch nicht abgerechnete Girokonto des Herrn M. verbucht hat. Unerheblich ist, ob die Klin. mit eigenen Ansprüchen aufrechnen durfte. Die Klin. bleibt auch bei dieser Sachlage lediglich Zahlungsstelle, während Herr M. als Leistungsempfänger anzusehen ist. Da der angefochtene Rückforderungsbescheid des Bekl. auf einer gegenteiligen Auffassung beruht und ein Rückforderungsanspruch nur dann in Betracht kommt, wenn die Klin. auch als Leistungsempfängerin anzusehen wäre, ist die Klin. durch den Rückforderungsbescheid vom 08.10.2009 in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
21Gemäß § 37 Abs. 2 AO ist eine Steuer, die ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, von dem, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, zu erstatten. Der Erstattungsverpflichtete muss als Leistungsempfänger der zuvor geleisteten Zahlung anzusehen sein.
22Wer als Leistungsempfänger i. S. d. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO anzusehen ist, ist aufgrund objektiver Betrachtungsweise zu entscheiden. Sind an einem Erstattungsvorgang mehrere Personen beteiligt, ist derjenige Schuldner des Rückzahlungsanspruches, zu dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die nunmehr zurückgefordert wird. In der Regel ist das derjenige, demgegenüber die Finanzbehörde ihre abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen wollte. Auch wenn ein Dritter eine Zahlung tatsächlich empfängt, ist er dann nicht als Leistungsempfänger anzusehen, wenn er lediglich als Zahlstelle benannt worden ist oder wenn das Finanzamt aufgrund einer Anweisung des Erstattungsberechtigten an ihn gezahlt hat (vgl. BFH-Urteil vom 30. August 2005, VII R 64/04, BStBl. II 2006, 353 und vom 10. November 2009, VII R 6/09, BStBl. II 2010, 255).
23Wenn bei einer Steuererstattung ein vom Steuerpflichtigen angegebenes Kreditinstitut eingeschaltet ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass das Finanzamt mit der Überweisung nicht zugunsten des Kreditinstitutes, sondern mit befreiender Wirkung gegenüber dem anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen als Steuergläubiger (= dem grundsätzlich Erstattungsberechtigten), leisten will. In diesem Fall ist das Kreditinstitut nicht Leistungsempfänger, sondern lediglich Zahlstelle. Der Steuerpflichtige bleibt Leistungsempfänger, so dass ein eventueller (späterer) Erstattungsbetrag nicht von dem Kreditinstitut, sondern nur vom früheren Steuergläubiger (= Kontoinhaber) zurückgefordert werden kann (BFH-Urteil vom 10. November 2009, VII R 6/09, BStBl. II 2010, 255).
24Nach neuerer Rechtsprechung, der der Senat folgt, kommt es dabei nicht darauf an, ob es sich um ein noch bestehendes Konto handelt. Vielmehr ist das Kreditinstitut auch dann als Zahlstelle anzusehen, wenn der Erstattungsbetrag auf ein früheres Konto des Steuerpflichtigen bei diesem Kreditinstitut überwiesen worden ist und wenn der Steuerpflichtige dieses Konto (früher) als sein Konto gegenüber der Finanzbehörde angegeben hat, mit der Maßgabe, dass dorthin Erstattungen erfolgen sollen. Eine so genannte eigene Zweckbestimmung des Kreditinstitutes hinsichtlich des Erstattungsbetrages ist dann unschädlich, wenn der steuerliche Erstattungsberechtigte dennoch tatsächlich in den Genuss der Erstattung kommt (BFH-Urteil vom 10. November 2009, VII R 6/09, BStBl. II 2010, 255 sowie BFH-Beschlüsse vom 26. April 2010, VII B 212/09, BFH/NV 2010, 1414, vom 28. Januar 2004, VII B 139/03, BFH/NV 2004, 762 und vom 06. Juni 2003, VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532, jeweils m. w. N. ).
25Im Streitfall liegt ein derartiger Fall vor. Das Konto des Herrn M. bei der Klin. war von Herrn M. zumindest früher als Zahlstelle angegeben worden. Herr M. hat zwar kurz vor Überweisung des Erstattungsbetrages ein anderes Konto bei einer anderen Bank als Erstattungskonto angegeben. Hierdurch wird jedoch nicht der Umstand beseitigt, dass auch das früher benannte Konto bei der Klin. als Erstattungskonto des Herrn M. erkennbar war, also Zahlstelle für die Klin. sein sollte.
26Entgegen der Auffassung des Bekl. ist es auch unerheblich, dass das Konto des Herrn M. bei der Klin. bereits gekündigt war, denn der Erstattungsbetrag wurde Herrn M. über die Gutschrift auf diesem Konto erkennbar zugeordnet. Herr M. erhielt dadurch gegenüber der Klin. grundsätzlich einen Anspruch auf diesen Erstattungsbetrag. Insoweit ist ihm dieser Betrag auch rechtlich und wirtschaftlich zuzuordnen. Unerheblich ist, ob die Klin. ihm gegenüber trotz Kündigung des Girovertrages und Beendigung der damit einhergehenden ursprünglich geltenden Kontokorrentabrede (§ 355 HGB) mit ihren Gegenansprüchen verrechnen durfte, etwa aus Sicherungsrechten oder der Weitergeltung zumindest eines Teiles der allgemeinen Bankbedingungen.
27Zwar hat der BFH in seiner früheren Rechtsprechung (BFH-Beschlüsse vom 28. Januar 2004, BFH/NV 2004, 762 und vom 06. Juni 2003, BFH/NV 2003, 1532) in diesen Fällen wegen einer eigenen Zweckbestimmung des Kreditinstitutes das Kreditinstitut als Leistungsempfänger angesehen. Hieran ist aber nach Auffassung des Senats nicht mehr festzuhalten.
28Der BFH hat mit seinem neueren Urteil vom 10. November 2009 (BStBl. II 2010, 255) einerseits anknüpfend an das allgemeine Abgrenzungskriterium – Entscheidung danach, an wen aus objektiver Sicht der Erstattungsbetrag geleistet werden sollte – und andererseits in Abgrenzung zu den oben genannten beiden Beschlüssen, die noch eine Veränderung des Leistungsempfängers durch eine eigene Zweckbestimmung der Zahlstelle für möglich halten, damit begonnen, die zu § 37 Abs. 2 AO geltenden Grundsätze an zivilrechtliche Sichtweisen bei Fehlüberweisungen anzupassen. Danach blieb der erstattungsberechtigte Steuerpflichtige auch dann Leistungsempfänger, wenn der Erstattungsbetrag auf einem durch Insolvenz erloschenen Girovertragsverhältnis mit Kontokorrentabrede zunächst verbucht wurde, der Betrag dann aber nach Rechnungsabschluss an den Insolvenzverwalter des früheren Kontoinhabers ausgezahlt wurde.
29Dabei knüpft der BFH an die zivilrechtlichen Grundsätze des Bundesgerichtshofs (BGH) an (BGH-Urteil vom 05. Dezember 2006, XI ZR 21/06, BGHZ 170, 121, NJW 2007, 914), wonach die Bank auch bei einem rechtlich erloschenen Girovertrag verpflichtet ist, in "rechtlicher Nachwirkung dieses Vertrages" die Zahlung entgegenzunehmen, um sie dann auf dem bisherigen, intern geführten Konto entsprechend der Regelung des § 676 f Satz 1 BGB zu verbuchen bzw. nach § 667 BGB herauszugeben. Der BGH sieht in diesem Verfahren eine Handhabung, die dem bisherigen Kontoinhaber zu Gute kommt und schließt dementsprechend bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen die Bank (§ 812 BGB) aus. Mit dem Hinweis auf die Regelung des § 676 f BGB wird die Anwendung der Regelungen aus dem bisherigen Girovertragsverhältnis auch auf das gekündigte Konto für zulässig und rechtmäßig angesehen.
30Der BFH hat in seiner letzten Entscheidung vom 10. November 2009 (BStBl. II 2010, 255) unter Hinweis auf die zivilrechtliche Entscheidung des BGH vom 05. Dezember 2006 (BGHZ 170, 121, NJW 2007, 914) ausdrücklich betont, dass diese zivilrechtliche Lage auch bei Fehlüberweisungen durch die Finanzbehörde im Rahmen der Entscheidung der Frage entscheidend zu beachten ist, ob die Zahlung auf das frühere Konto als Zahlung an den Steuerpflichtigen zu behandeln ist.
31In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung sieht der (im hier zu entscheidenden Streitfall) erkennende Senat die Bank auch dann weiterhin als bloße Zahlstelle des erstattungsberechtigten Steuerpflichtigen an, wenn der nach Kündigung auf dem bisherigen Girokonto eingegangene Betrag dort gutgeschrieben wurde. Entscheidend ist, dass der für die streitige Überweisung vom 29.09.2009 noch geltende § 676 f BGB – für Zahlungsvorgänge ab dem 01.11.2009 gelten die Neuregelungen der §§ 675 c ff. BGB, u.a. auch § 675 f BGB und § 675 t BGB, die auch Regelungen des bisherigen § 676 f BGB aufnehmen – auch bei einem durch Kündigung erloschenen Girovertrag "in dessen Nachwirkung" Anwendung findet, wie der BGH in seinem Urteil vom 05. Dezember 2006 (XI ZR 21/06, BGHZ 170, 121, NJW 2007, 914) ausführt. Für den Giroverkehr stellt diese Regelung eine Spezialregelung zum allgemeinen Herausgabeanspruch des § 667 BGB dar, mit der die Zuordnung des Überweisungsbetrages zum Vermögensbereich des (früheren) Kontoinhabers erfolgt (vgl. Casper in Münchner Kommentar, BGB, Band 4, 5. Auflage 2009, 3 676 f Rdn 8). Soweit, wie im Streitfall, ein schlichter Rückruf des angewiesenen Betrages durch den Überweisenden und seine Bank nach § 676 a BGB nicht mehr möglich ist, schließt der durch die Gutschrift entstandene Herausgabeanspruch des (früheren) Kontoinhabers zivilrechtlich einen Bereicherungsanspruch (nach § 812 BGB) des Überweisenden gegen die die Gutschrift vornehmende Empfängerbank (hier also gegen die Klin.) aus (vgl. in diesem Sinne BGH-Urteil vom 05. Dezember 2006 XI ZR 21/06, BGHZ 170, 121, NJW 2007, 914).
32Unerheblich ist, dass der BGH in diesem Urteil die dort von der Bank zunächst vorgenommene Verrechnung als unzulässig angesehen hat, denn diese Aussage beruht allein auf den Sonderregelungen der im dortigen Fall noch zu beachtenden Bestimmungen der Insolvenzordnung (InsO). Diese beenden mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Bestimmungen in den §§ 115, 116 InsO nicht nur das bisherige Girovertragsverhältnis und die damit einhergehende Kontokorrentabrede (§ 355 HGB), sondern schließt durch § 96 Abs. 1 Nr. 1-3 InsO im Regelfall auch eine Aufrechnung aus (vgl. nur Sinz in Uhlenbruck, InsO, 13. Auflage 2010, §§ 115, 116 Rdn 16-19 mwN). Da der BGH in seinem Streitfall über eine Überweisung nach Insolvenzeröffnung zu entscheiden hatte, waren auch diese Regelungen zu beachten. Das ändert aber nichts an der Grundaussage, dass die den Überweisungsbetrag annehmende Bank im Falle der Gutschrift auf dem (früheren) Konto des Überweisungsempfängers dessen Zahlstelle und damit bloße Leistungsmittlerin bleibt (vgl. BGH-Urteil vom 05. Dezember 2006 XI ZR 21/06, BGHZ 170, 121, NJW 2007, 914).
33Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf die weitere Frage, ob die Klin. berechtigt war, den Gutschriftsbetrag mit eigenen Forderungen gegen Herrn M. zu verrechnen, nicht mehr an.
34Abgesehen davon geht der Senat auch von einer zulässigen Aufrechnung aus. Soweit diese nicht schon aufgrund der Allgemeinen Bank- und Kreditbedingungen zulässig sein sollte, die im Regelfall auch nach einer Kündigung des Vertragsverhältnisses durch die Bank bis zur Abwicklung der gegenseitigen Ansprüche weiter gelten, folgt das aus den allgemeinen Regelungen des BGB. Würde man, anders als oben ausgeführt, eine Gutschrift nach § 676 f BGB nicht als ausreichend betrachten, sondern entscheidend darauf abstellen, dass dem Bankkunden in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation ein Herausgabeanspruch nach § 667 BGB (= Auszahlungsanspruch) zusteht, wenn die Bank nach Kündigung des Kontos noch einen Überweisungsbetrag vereinnahmt, weil die Kontokorrentabrede nicht mehr gilt, stünden diesem Anspruch unbestrittene Gegenansprüche der Bank gegenüber, wie sie sich u.a. aus dem von der Klin. vorgelegten Urteil des LG Q. ergeben – zwischen den Beteiligten ist es im Übrigen unstreitig, dass der Klin. Zahlungsansprüche gegen Herrn M. bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der Gutschrift zustanden. Die dortigen Zahlungsansprüche der Klin. sind als gleichartige Ansprüche im Sinne des § 387 BGB anzusehen, mit denen eine Aufrechnung gegenüber einem Herausgabeanspruch nach § 667 BGB, der durch Geldzahlung zu erfüllen ist, grundsätzlich zulässig ist. Ausschlussgründe für eine Aufrechnung sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich nach Ansicht des Senats auch nicht aus der Natur des früheren Vertragsverhältnisses. In der Herrn M. mitgeteilten Verrechnung (vgl. insoweit auch die von der Klin. vorgelegte Forderungsabrechnung) liegt eine wirksame Aufrechnungserklärung. Mit der Verrechnung des Erstattungsbetrages mit Gegenansprüchen der Bank kommt der Erstattungsbetrag dem Erstattungsberechtigten Herrn M. tatsächlich auch in der Weise zu Gute, dass dieser in Höhe des verrechneten Betrages von einer Verpflichtung gegenüber der Bank befreit wird. Aus diesem Grunde kommt auch nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts der gezahlte Betrag im Falle einer Aufrechnung durch den Auftragnehmer, hier also die Bank (= Klin.), wirtschaftlich und rechtlich beim Auftraggeber an, indem er in Höhe des Aufrechnungsbetrages von einer Verpflichtung gegenüber seinem Auftragnehmer befreit wird. Der Auftragnehmer, hier also die Klin., ist bei einer derartigen Sach- und Rechtslage ebenfalls nicht im Sinne des § 812 BGB ungerechtfertigt bereichert.
35Da der BFH in seiner letzten Entscheidung vom 10. November 2009 (BStBl. II 2010, 255) unter Hinweis auf die zivilrechtliche Entscheidung des BGH vom 05. Dezember 2006 (BGHZ 170, 121, NJW 2007, 914) ausdrücklich betont, dass bei Fehlüberweisungen durch die Finanzbehörde an die zivilrechtliche Lage anzuknüpfen ist, wenn es um die Frage geht, ob gegen die Bank des Zahlungsempfängers ein Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO besteht, scheidet unter Berücksichtigung der obigen Hilfsargumentation auch dann ein Rückforderungsanspruch gegen die Klin. aus, wenn man nicht (allein) auf die Gutschrift, sondern (auch) auf den Umstand der Aufrechnung abstellt. Einer Auszahlung des Überweisungsbetrages durch die Klin. an Herrn M. bedarf es nach Auffassung des Senats aus den genannten Gründen in keinem Fall, um eine Rückforderung gegen die Klin. auszuschließen.
36Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
37Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 10. November 2009 (BStBl. II 2010, 255) sich zwar der zivilrechtlichen Rechtsprechung angeschlossen, aber zum Schluss ausdrücklich offengelassen, ob auch in anderen Fällen an der Rechtsprechung noch festgehalten werden könne, die aus seinen früheren Entscheidungen (BFH-Beschlüsse vom 06. März 2003, BFH/NV 2003, 1532 und vom 28. April 2004, BFH/NV 2004, 762) ersichtlich ist. Insoweit fehlt es an einer endgültigen Klärung für die vorliegende Fallgestaltung.
38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709, 711 der Zivilprozessordnung.