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Der Antrag wird abgelehnt, soweit er von der Antragstellerin zu 1) gestellt ist.
Auf den von der Antragstellerin zu 2) gestellten Antrag hin wird das Auskunfts- und Vorlageersuchen vom 11.04.2011 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung von der Vollziehung ausgesetzt.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 1 ) und der Antragsgegner je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 2) trägt der Antragsgegner. Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1) trägt diese selbst.
Gründe:
2I.
3Streitig ist, ob ein Auskunfts- und Vorlageersuchen von der Vollziehung auszusetzen ist.
4Die Antragstellerin (Astin.) zu 2) ist in der Hamburger Niederlassung der Astin. zu 1) – einer GbR – als Rechtsanwältin tätig.
5Mit Beschluss vom 26.06.2007 – 10 IN /07 bestellte das Amtsgericht D die Astin. zu 2) zur vorläufigen Insolvenzverwalterin in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der I Wsysteme GmbH & Co KG. In dem Beschluss heißt u.a. wie folgt:
6"Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens sind nur noch mit Zustimmung der vorläufigen Insolvenzverwalterin wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO).
7Die vorläufige Insolvenzverwalterin ist nicht allgemeine Vertreterin der Schuldnerin.
8...Die vorläufige Insolvenzverwalterin wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen."
9Später wurde der Astin. zu 2) mit Beschluss vom 26.07.2007 die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.09.2007 eröffnet und die Astin. wurde zur Insolvenzverwalterin bestellt.
10Die KG hatte den Antragsgegner (Ag.) ermächtigt, die fälligen Steuerschulden von ihrem Konto 17 bei der Commerzbank D einzuziehen. In Ausübung ihrer Tätigkeit als vorläufige Insolvenzverwalterin veranlasste die Astin. zu 2), dass die folgende Abbuchungen rückgängig gemacht wurden:
11Steuer urspr. Gutschrift Rückbuchung
12Lohnsteuer etc. IV/2007 10.05.2007 20.07.2007
13Verspätungszuschlag zur USt III/2007 07.05.2007 20.07.2007
14USt III/2007 10.05.2007 20.07.2007
15USt IV/2007 10.05.2007 20.07.2007
16Mit Bescheid vom 11.04.2011 forderte der Ag. die Astin. zu 2) unter Bezugnahme auf die o.g. Rückbuchungen auf, bestimmte Auskünfte zu geben und Unterlagen einzureichen. Das Schreiben, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält und adressiert ist an " I GbR / Frau F" (zwei Zeilen) lautet auszugsweise wie folgt:
17"Besteuerungsverfahren der Firma I Wsysteme GmbH & Co KG, (AG D 10 IN /07)
18Auskunfts- und Vorlageersuchen gem. §§ 93, 97 AO
19Sehr geehrte Frau F,
20entsprechend den Angaben der ehemaligen Geschäftsführer vorgenannter Firma haben Sie seinerzeit noch als sog. schwache Insolvenzverwalterin die Rückbuchung folgender mit Lastschrift ...eingezogenen Steuern veranlasst: ...
21Hierzu erbitte ich folgende Auskünfte (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AO) und die Vorlage folgender Urkunden (§ 97 Abs. 1 Satz 1 AO):
22I. Auskunftsersuchen:
231. Haben Sie den Widerruf gegenüber der Commerzbank D schriftlich erklärt?
242. Lagen Ihnen vor der Abfassung des Widerrufsschreibens alle Kontoauszüge der Schuldnerin vor?
253. Wurde der Widerruf formularmäßig ausgesprochen ...
264. Wurde das Konto der Schuldnerin im Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs der Steuern debitorisch geführt?
275. Wenn 4. bejaht wird: Lag eine Kreditzusage vor?
286. Falls 5 nicht zutrifft: Wurde die Überziehung geduldet?
297. Sind durch die Rückbuchung Sicherheiten freigeworden?
308. Welche rechtlichen Prüfungen sind von Ihnen vor der Erklärung des Widerrufs vorgenommen worden?
319. Bitte geben Sie die Namen und Funktionen der Gesprächspartner Ihres Mandanten bei der Commerzbank D an.
32II. Vorlageersuchen
331. Ihr Widerrufsschreiben an die Commerzbank D
342. Aktenvermerke, interne Stellungnahmen u.ä. über den vorzunehmenden Lastschriftwiderruf, auch soweit sie in anderen Vermerken o.ä. enthalten sind
353. Telefon- und sonstige Gesprächsvermerke über Gespräche mit der Commerzbank D, auch soweit sie in anderen Vermerken o.ä. enthalten sind."
36Am 10.05.2011 ging ein auf dem Briefbogen der Hamburger Niederlassung der I GbR (Astin. zu 1) erstelltes Schreiben ein, mit dem gegen den Bescheid vom 11.04.2011 Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt wurde. Das Schreiben ist in der "Wir"-Form verfasst und wurde von der Astin. zu 2) unterschrieben. In wessen Namen Einspruch eingelegt bzw. Aussetzung der Vollziehung begehrt wird, wurde nicht ausdrücklich angegeben. Gerügt wurde u.a. die Adressierung des Bescheids.
37Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde mit Bescheid vom 12.05.2011 abgelehnt. Der Ablehnungsbescheid richtet sich allein an die Astin. zu 2). Im Text führte der Ag. aus, dass die Adressierung an die "GbR" den Briefkopfbögen entspreche, die von den der GbR angehörigen Insolvenzverwaltern im Schriftverkehr mit dem Finanzamt D regelmäßig verwendet würden. Er sei davon ausgegangen, dass die GbR Bevollmächtigter i.S.d. § 80 Abs. 3 AO des jeweiligen (vorläufigen) Insolvenzverwalters sei.
38Mit Schreiben vom 27.05.2011 legte die GbR, geschäftsansässig unter gleicher Anschrift wie die Astin. zu 1), gegen den Ablehnungsbescheid Einspruch ein; zugleich wiederholte sie den Einspruch gegen den Bescheid vom 11.04.2001 im Namen sowohl der Insolvenz GbR als auch der Frau F. Zudem wandte sie sich mit Schriftsatz vom gleichen Tag an das Finanzgericht und beantragte sowohl im Namen der Insolvenz GbR als auch im Namen der Frau F Aussetzung der Vollziehung.
39Die Ast. sind der Auffassung, dass der Bescheid vom 11.04.2011 nichtig sei, weil nicht erkennbar sei, an wen sich die darin formulierte Handlungsanweisung richte. Der Bescheid sei adressiert an die " Insolvenz GbR", betreffe laut Betreffzeile aber ein "Besteuerungsverfahren der Firma I Wsysteme GmbH & Co KG" und beziehe sich inhaltlich auf die Tätigkeit der Astin. zu 2) in ihrer Eigenschaft als vorläufige Insolvenzverwalterin. Unter Frage I 9 sei sodann von "Ihres Mandanten" die Rede. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Astin. zur Nichtigkeit des Bescheids wird auf die Ausführungen in der Antragsschrift vom 27.05.2001 unter II 2a Bezug genommen.
40Da nicht erkennbar sei, wer der Inhaltsadressat sei, sei vorsorglich von beiden Ast. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht gestellt worden. Der Antrag der Astin. zu 1) sei insbesondere auch deshalb geboten gewesen, weil der Ag. in seinem Schreiben vom 12.05.2011 ausdrücklich klargestellt habe, dass er sich "gem. § 80 Abs. 3 AO an die Insolvenz GbR als steuerlicher Berater der jeweiligen (vorläufigen) Insolvenzverwalter gewandt" habe. Schon deshalb habe die Astin. zu 1) davon ausgehen müssen, selbst in Anspruch genommen zu werden.
41Richtig sei es, dass die Insolvenzverwalter den Briefbogen der Insolvenz GbR verwenden würden. Sie würden dabei jedoch nicht "unter der Firma" Insolvenz GbR auftreten, sondern dies geschehe in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalter.
42Sofern der Bescheid nicht nichtig sei, sei er jedenfalls rechtswidrig. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen sei auf §§ 93, 97 AO gestützt. Diese Vorschriften würden jedoch einen "für die Besteuerung erheblichen Sachverhalt" voraussetzen, an dem es hier fehle. Insbesondere seien die erbetenen Informationen, die allesamt den Hintergrund der Rückbuchung sowie die allgemeine Finanzlage der KG betreffen würden, für das Erhebungsverfahren nach dem fünften Teil der AO völlig irrelevant.
43Für den Fall, dass das Auskunfts- und Vorlageersuchen der Vorbereitung einer möglichen Haftungsinanspruchnahme der Astin. zu 2) nach §§ 34, 35, 69 AO diene, seien die erbetenen Auskünfte ebenfalls nicht erforderlich i.S.d. § 93 Abs. 1 AO, da eine solche Haftungsinanspruchnahme unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht komme. Ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt sei weder gesetzlicher Vertreter oder Vermögensverwalter i.S.d. § 34 AO noch Verfügungsberechtigter i.S.d. § 35 AO. Dies sehe auch der AEAO zu § 69 AO so, weshalb es dem Ag. ausdrücklich verwehrt sei, vorläufige Insolvenzverwalter nach § 69 AO in Haftung zu nehmen. Zudem zeige die Vorschrift des § 55 Abs. 4 InsO, dass den vorläufigen Insolvenzverwalter keine steuerlichen Pflichten treffen.
44Einziger theoretisch denkbarer Haftungsgrund für einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt sei § 60 InsO. Dieser Anspruch sei allerdings im Zivilrechtswege zu verfolgen und berechtigte das Finanzamt nicht dazu, sich durch Hoheitsakt und damit unter Umgehung des im Zivilverfahren geltenden Beibringungsgrundsatzes Informationen zu beschaffen.
45Soweit der Ag. darauf verweise, dass der Widerruf einer bereits genehmigten Lastschrift einen eigenständigen Erstattungsanspruch wegen rechtsgrundloser Zahlung begründe, verkenne er, dass § 37 Abs. 2 AO nicht greife. Denn § 37 Abs. 2 AO setze eine zweckgerichtete Leistung des Ag. an die Insolvenzschuldnerin voraus, woran es hier fehle. Nicht zweckgerichtete Bereicherungen in sonstiger Weise würden mangels Leistung nicht von § 37 Abs. 2 AO erfasst. Der Schaden, der dem Ag. im Falle eines rechtsmissbräuchlichen Widerrufs entstehen würde, müsse zivilrechtlich geltend gemacht werden. Ein steuerliches Rückgewährschuldverhältnis liege insoweit nicht vor.
46Die Ast. beantragen,
47die Vollziehung des Auskunfts- und Vorlageersuchens vom 11.04.2011 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auszusetzen.
48Der Ag. beantragt,
49den Antrag abzulehnen.
50Er hält den Antrag der Astin. zu 1) bereits für unzulässig, weil sich der Bescheid vom 11.04.2011 nicht an sie richte.
51Bekanntgabeadressat sei allein die Astin. zu 2) und nicht an die Astin. zu 1). Dies sei aus der Formulierung " Insolvenz GbR – Frau F" hinreichend erkennbar, zumal nicht etwa – wie bei Adressierungen an eine einzelne Person innerhalb einer größeren Organisation gleich welcher Rechtsform üblich – an " GbR – z.Hd. Frau F" adressiert worden sei. Die gewählte Adressierung beruhe darauf, dass die Astin. zu 2) sowie andere der Insolvenz GbR angehörige Insolvenzverwalter auch unter der "Firma" auftreten würden, insbesondere auch gegenüber dem Finanzamt, wie hier z.B. die Astin. zu 2) im Einspruchsschreiben vom 09.05.2011. An diesem Auftreten müssten sich die Insolvenzverwalter – hier die Astin. zu 2) - festhalten lassen. Denn schließe wisse das Finanzamt noch nicht einmal, ob die Astin. zu 2) unter der angegebenen Anschrift überhaupt einen eigenen Briefkasten unterhalte oder sowieso Post nur über "" ankomme.
52Selbst wenn entgegen der obigen Ausführungen Zweifel an der Adressierung bestehen sollten, ändere das nichts daran, dass jedenfalls der Inhaltsadressat einwandfrei erkennbar sei. Dies sei die Astin. zu 2), die in der Anredeformel namentlich genannt sei. Wäre auch die Insolvenz GbR angesprochen gewesen, hätte die Anrede "Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau F" lauten müssen. Im Übrigen sei allein die Astin. zu 2) zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt worden. Welches Insolvenzverfahren gemeint sei, ergebe sich aus der Betreffzeile, und der Umstand, dass die Astin. zu 2) in ihrer Eigenschaft als vorläufige Insolvenzverwalterin angesprochen worden sei, aus dem Einleitungssatz.
53Würde man die Argumentationsweise der Astin. auf deren eigene Handlungsweise anwenden, sei im Übrigen auch der Antrag der Astin. zu 2) unzulässig, da es dann an dem Tatbestandsmerkmal "angefochtener Verwaltungsakt" fehle. Bei wörtlichem Verständnis des Einspruchsschreibens vom 10.05.2011 habe nur die Insolvenz GbR Einspruch eingelegt und hierbei – da eine steuerliche Vertretungsbefugnis ausdrücklich bestritten werde – auch nicht als steuerliche Vertreterin der Astin. zu 2) gehandelt.
54Jedenfalls aber sei der Antrag der Astin. zu 2) unbegründet. Insbesondere sei der Verwaltungsakt nicht nichtig; jeder verständige Dritte könne verstehen, was genau das Finanzamt von der Astin. zu 2) habe wissen wollen. Auch sei das Ersuchen nicht deshalb rechtswidrig, weil es angeblich nicht erforderlich sei. Die Auskunft vermöge schon deshalb zu steuerlich erheblichen Tatsachen zu führen, weil bei Lastschrifteinzug zumindest unter Geltung der sog. Genehmigungstheorie entscheidend sei, ob die Lastschrift ausdrücklich, konkludent oder fiktiv nach den AGB der Banken/Sparkassen genehmigt worden sei (Hinweis auf BGH, Urteil vom 04.11.2004 – IX ZR 22/03 juris). Sei sie genehmigt, sei steuerlich Zahlung eingetreten, §§ 47, 224 Abs. 2 Nr. 3 AO. Dann werde z.B. ein Geschäftsführer von der Haftung frei, selbst wenn die Lastschrift später (rechtwidrig) widerrufen werde. Außerdem habe der rechtswidrige Widerruf einer bereits genehmigten Lastschrift nicht die Folge, dass der ursprüngliche Steueranspruch wieder auflebe (FG Münster, Urteil vom 02.07.2009 – 10 K 1549/08 L, EFG 2009, 1616). Vielmehr entstehe ein eigenständiger Erstattungsanspruch, dessen Fälligkeit nach der Fälligkeit der ursprünglichen Steuerforderung liege. Dies habe Bedeutung sowohl für die Tilgungsreihenfolge (§ 225 AO) als auch für die Anmeldung der Insolvenzforderungen. Die verlangten Auskünfte würden mithin auch der Feststellung der materiell-rechtlich richtigen steuerlichen Rechtslage dienen.
55Die Auskunft könne auch zu steuerlich erheblichen Tatsachen für die Frage führen, ob die Astin. zu 2) nach §§ 35, 69 AO hafte. Das Finanzamt vertrete die Auffassung, dass vorläufige Insolvenzverwalter, die bereits ausdrücklich, konkludent oder fiktiv genehmigte Lastschriften ungeprüft (schematisch i.S.d. der BGH-Rechtsprechung und nicht nur ohne anerkennenswerte Gründe und damit pauschal i.S. dieser Rechtsprechung) widerrufen und damit "in die Staatskasse gegriffen" hätten, wegen der damit erfolgten ungerechtfertigten Steuererstattung, die im nachfolgenden Insolvenzverfahren ausfalle, haften würden, wenn die Prüfung ergebe, dass die Lastschrift bereits ausdrücklich, konkludent oder fiktiv genehmigt gewesen sei. Bei dieser möglichen Haftung handele es sich nicht um die Haftung nach §§ 35, 69 AO wegen Nichtzahlung der Steuern (§ 69 S. 1 3.Alt. AO), sondern um eine Haftung nach §§ 35, 69 AO wegen rechtswidriger Verschaffung einer Steuererstattung (§ 69 Satz 1 a.E. AO).
56Der Beklagte stimme der Astin. zu 2) insoweit zu, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter nicht per se Verfügungsberechtigter i.S.d. § 35 AO sei. Die Rechtsprechung habe die Anwendung des § 35 AO in Bezug auf die Lohnsteuerzahlungsverpflichtung oder die Befugnis zum Widerruf der dem Finanzamt erteilten Lastschrifteinzugsermächtigung zu Recht verneint. Für den hier vorliegenden Fall des Widerrufs einer bereits erfolgten Lastschrift liege die Rechtslage jedoch anders. Dass der vorläufige Insolvenzverwalter eine eigene Befugnis i.S.d. § 35 AO habe, zeige sich schon daran, dass der Lastschriftschuldner die Genehmigung der Lastschrift persönlich nur versagen dürfe, wenn er im Verhältnis zum Gläubiger anerkennenswerte Gründe habe. Der vorläufige Insolvenzverwalter dürfe die Genehmigung nach der Rechtsprechung des BGH (z.B. Urteil vom 04.11.2004 – IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49) dagegen auch ohne anerkennenswerte Gründe ("pauschal") und damit nahezu unbeschränkt versagen. Die Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters seien mithin nicht von den Befugnissen des Insolvenzschuldners oder dem bloßen Zustimmungsrecht des vorläufigen Insolvenzverwalters abgeleitet, sondern würden deutlich darüber hinaus gehen. Der vorläufige Insolvenzverwalter treffe auch eine eigene Verfügung, da er den bestehenden Schwebezustand, der durch Zeitablauf enden und zur fiktiven Genehmigung der Abbuchung führen würde, beseitige, und zwar ohne dass ihn der Schuldner daran hindern könne. Die steuerliche Pflicht, die verletzt werde, sei gerichtet auf eine Unterlassung, nämlich, es zu unterlassen, der Masse die Erstattung bereits wirksam gezahlter Steuern mit dem rechtswidrig verwendeten bloß technischen Mittel des Lastschriftwiderrufs zu verschaffen.
57Da der vorläufige Insolvenzverwalter nach der Rechtsprechung des BGH eine ungenehmigte Lastschrift zwar ohne anerkennenswerte Gründe ("pauschal"), aber nicht ungeprüft "schematisch" widerrufen dürfe, könne in der Unterlassung jeglicher gebotenen Prüfung u.U. eine bedingt vorsätzliche, mindestens aber grob fahrlässige Schadensverursachung liegen. Hierbei sei zu berücksichtigten, dass der vorläufige Insolvenzverwalter, der sich auf die für die Masse günstige Rechtsfolge beruft, dass die mit der Lastschriftbuchung erlangte Buchposition ungerechtfertigt erlangt sei, die Darlegungs- und Beweislast auch für das Fehlen der Genehmigung und daher eine vorrangige Prüfungspflicht habe.
58Hinzu komme, dass nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung bei der Anmeldung und Bezahlung von Selbstberechnungssteuern bereits wenige Tage nach Zusendung des jeweiligen Tageskontoauszugs von einer konkludenten Genehmigung auszugehen sei (z.B. BGH, Urteil vom 01.03.2011 – XI ZR 320/09, juris). Über die hier in Streit stehenden Lastschriften habe die Schuldnerin - die KG - Tageskontoauszüge bekommen.
59Kein Gericht habe jemals bejaht, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Pflicht habe, bereits genehmigte Lastschriften noch zu widerrufen. Im Gegenteil: der BGH habe für diesen Fall sogar eine Schadensersatzpflicht aus § 826 BGB angenommen (BGH, Urteil vom 20.07.2010 – IX ZR 37/09, juris).
60Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die übersandte Steuerakte Bezug genommen.
61II.
621. Der Antrag der Astin. zu 1) ist unzulässig.
63Denn sie ist durch den Bescheid vom 11.04.2011 nicht beschwert.
64Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes kann nur derjenige beantragen, der durch den Bescheid beschwert ist. Ebenso wie für die Rechtsbehelfs- bzw. Klagebefugnis gegen einen Verwaltungsakt (vgl. § 350 AO; § 40 Abs. 2 FGO) ist Voraussetzung für die Antragsbefugnis eine Verletzung rechtlich geschützter Interessen durch den angefochtenen Verwaltungsakt. Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides kann deshalb grundsätzlich nur derjenige beantragen, der von dem Steuerbescheid betroffen ist, d.h. derjenige, gegen den sich der Steuerbescheid richtet (z.B. BFH-Beschluss vom 29.11.1995 - X B 328/94, BStBl II 1996, 322). Hierbei ist zwischen dem Bekanntgabeadressaten und dem Inhaltsadressaten zu unterscheiden. Ersterer erhält den Bescheid lediglich zum Zweck der Bekanntgabe und ist – weil er nicht von dessen Inhalt betroffen ist – nicht antragsbefugt. Antragsbefugt ist vielmehr allein der Inhaltsadressat, denn nur er ist derjenige, an den sich der Bescheid richtet.
65Inhaltsadressat ist im Streitfall lediglich die Astin. zu 2) in ihrer Eigenschaft als vorläufige Insolvenzverwalterin der KG. Dies ergibt sich eindeutig daraus, dass zunächst auf das Insolvenzverfahren Bezug genommen wird (Name der KG + Aktenzeichen des Insolvenzverfahrens), die Astin. zu 2) in der Anrede namentlich angesprochen wird ("Sehr geehrte Frau F"), sodann auf die von ihr "als vorläufige sog. schwache Insolvenzverwalterin" veranlasste Rückbuchung Bezug genommen wird und danach konkrete Fragen zu genau dieser Handlung gestellt werden. Spätestens mit der ersten Frage ("Haben Sie den Widerruf ... schriftlich erklärt?") kann keinerlei Missverständnis mehr darüber bestehen, dass sich das Ersuchen an die Astin. zu 2) richtet. Auch I 2, 8 und II 1 nehmen direkten Bezug auf Handlungen der Astin. zu 2) und mit der dortigen persönlichen Ansprache ("Lagen Ihnen..." / "sind von Ihnen" / "Ihr Widerrufsschreiben") kann ausschließlich sie gemeint sein.
66Die Astin. zu 1) ist dagegen allein in der ersten Zeile der Anschrift genannt und allenfalls Bekanntgabeadressat. Irgendwelche Auskünfte oder sonstige Handlungen werden von ihr nicht verlangt. Daran ändert auch die Formulierung "Gesprächspartner Ihres Mandanten" in Frage I 9 nichts. Zwar ist die Formulierung irreführend, da es kein Mandantschaftsverhältnis gibt, und zwar weder im Verhältnis der Astin. zu 2) zur Astin. zu 1) noch im Verhältnis der Astin. zu 2) zu der insolventen KG. Jedoch wiegt die hierdurch entstehende Unsicherheit nicht so schwer, dass Zweifel an dem Inhaltsadressaten des gesamten Bescheids aufkommen könnten. Insbesondere gibt es keinen Grund für die Annahme, dass diese Frage plötzlich an die Astin. zu 1) gerichtet sein könnte.
672. Der Antrag der Astin. zu 2) ist zulässig.
68Insbesondere hat die Astin. zu 2) spätestens mit Schreiben vom 27.05.2011 gegen den Bescheid vom 11.04.2011 Einspruch eingelegt. Dieser Einspruch erfolgte auch rechtzeitig, da der Bescheid vom 11.04.2011 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt und infolgedessen die auf ein Jahr verlängerte Einspruchsfrist des § 356 Abs. 2 AO gilt.
69Der Antrag ist auch begründet.
70Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 2 FGO soll das Gericht auf Antrag des Steuerpflichtigen die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen bzw. dessen Vollziehung aufheben, wenn ernsthafte Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechts- oder Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen (BFH, Beschluss vom 10.02.1967 - III B 9/66, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung).
71a) Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Auskunfts- und Vorlageersuchens vom 11.04.2011.
72aa) Im Rahmen seiner Ermittlungen darf sich das Finanzamt der Beweismittel bedienen, die es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich hält, insbesondere Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren einholen und Urkunden beiziehen (§ 92 Satz 1 Nr. 1 und 3 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Verlangen ergibt sich aus §§ 93 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 Satz 1 AO. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhaltes erforderlichen Auskünfte zu erteilen und nach § 97 Abs. 1 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde von den Beteiligten und anderen Personen die Vorlage von Büchern, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht verlangen. Sowohl die Auskunfts- als auch die Vorlageersuchen müssen zur Ermittlung eines steuerlich erheblichen Sachverhalts geeignet und erforderlich, verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar sein.
73bb) Nach den Angaben des Ag. in dessen Schriftsatz vom 27.06.2011 soll das streitige Auskunfts- und Vorlageersuchen dazu dienen herauszufinden, ob die Lastschriften ausdrücklich, konkludent oder fiktiv nach den AGB der Banken/Sparkassen genehmigt worden seien, weil der Widerruf einer bereits genehmigten Lastschrift zu einem eigenständigen Erstattungsanspruch führe. Eine derartige Intention kommt in dem Auskunfts- und Vorlageersuchen allerdings nicht zum Ausdruck und es ist zur Erreichung dieses Zwecks auch nicht geeignet. Denn es wird gerade nicht nachgeforscht, ob die Geschäftsführer der KG bereits eine ausdrückliche oder konkludente Genehmigung erteilt haben bzw. welche Vereinbarungen zwischen der KG und der Commerzbank D in Bezug auf das Konto gelten; derartige Anfragen wären im Übrigen auch primär an die Geschäftsführer der KG bzw. an die verantwortlichen Mitarbeiter der Commerzbank zu richten, da die erbetenen Auskünfte in deren Wissenssphäre liegen.
74Da das Auskunfts- und Vorlageersuchen schon dem Grunde nach nicht dazu geeignet ist, zur Aufklärung der Frage beizutragen, ob von der Astin. zu 2) bereits genehmigte Lastschriften widerrufen wurden, sind die von den Beteiligten aufgeworfenen Rechtsfragen, ob ein Insolvenzverwalter in einem derartigen Fall überhaupt in Haftung genommen werden kann und ob der ggfs. entstehende Erstattungsanspruch steuerrechtlicher oder zivilrechtlicher Natur ist, nicht entscheidungsrelevant.
75cc) Seinem tatsächlichen Inhalt nach ist das Auskunfts- und Vorlageersuchen darauf gerichtet, die Begleitumstände des Widerrufs durch die Astin. zu 2) näher aufzuklären. Diese Umstände sind allerdings nur dann rechtlich relevant, wenn der Ag. davon ausgeht, dass die Lastschriften noch nicht genehmigt waren - d.h. sich rechtlich noch im Schwebezustand befanden -, und es darum geht herauszufinden, ob dem vorläufigen Insolvenzverwalter vorgeworfen werden kann, den Widerruf "mechanisch" ausgesprochen zu haben.
76Inwiefern diese Information steuerlich von Bedeutung sein soll, erschließt sich dem Senat bei summarischer Prüfung nicht. Soweit der Ag. auf § 224 AO verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Rückruf einer noch nicht genehmigten Lastschrift weder zum Erlöschen des ursprünglichen Steueranspruchs noch zum Entstehen eines neuen eigenständigen Erstattungsanspruchs führt. Es verbleibt dann vielmehr dabei, dass der ursprüngliche Steueranspruch mit der bei dessen Festsetzung ausgewiesenen Fälligkeit bestehen bleibt. Auch ist bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich, inwiefern die in einem "mechanischen" Widerruf möglicherweise liegende Pflichtverletzung eine Haftung nach § 69 AO i.V.m. §§ 34, 35 AO auslösen soll. Die Astin. zu 2) war zu dem Zeitpunkt, als sie die hier betroffenen Lastschriften widerrief, noch sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt. Als solcher war sie weder gesetzlicher Vertreter oder Vermögensverwalter der KG i.S.d. § 34 AO noch Verfügungsberechtigter i.S.d. § 35 AO.
77Als Verfügungsberechtigter nach § 35 AO kann eine Person nur dann angesehen werden, wenn sie auch in der Lage ist, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters rechtlich und tatsächlich zu erfüllen. Tatsächliche Verfügungsmöglichkeiten reichen dabei nicht aus; es bedarf vielmehr auch der rechtlichen Verfügungsmacht bzw. der Fähigkeit, sich selbst die rechtliche Möglichkeit zu verschaffen, über das Vermögen des Schuldners zu verfügen (BFH, Beschluss vom 27.05.2009 - VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591). Bei einem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Denn er ist nicht in der Lage, ohne Mitwirkung des Insolvenzgerichts seine Verwaltungsbefugnisse beliebig auszudehnen und sich eine Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners zu verschaffen, die ihm vom Insolvenzgericht bewusst - noch - nicht übertragen war. In der Rechtsprechung wurde deshalb bereits eine Haftung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 69 AO verneint (vgl. BFH, Beschluss vom 27.05.2009 - VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591; FG Münster, Urteil vom 01.07.2010 – 3 K 3206/06 L, EFG 2010, 1670)
78Der Senat sieht im Rahmen der im Aussetzungsverfahren gebotenen, lediglich summarischen Prüfung keinen Grund, von der vorgenannten Rechtsprechung abzuweichen. Es mag zwar zutreffen, dass der schwache vorläufige Insolvenzverwalter - wie vom Ag. vorgetragen - in Bezug auf den Widerruf von Lastschriften mehr Rechte hat als sie der Lastschriftschuldner selbst hätte. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um ihn zum Verfügungsberechtigten über das Vermögen des Schuldners zu machen. Auch der Gesichtspunkt, dass der Insolvenzverwalter möglicherweise seine Befugnisse überschritten haben könnte, indem er einen rechtswidrigen Widerruf veranlasst haben mag, ändert daran nichts. Der BFH hat mit Beschluss vom 27.05.2009 (VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591) ausdrücklich entschieden, dass ein sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt selbst dann nicht als Vermögensverwalter i.S. von § 34 Abs. 3 AO oder als Verfügungsberechtigter i.S. von § 35 AO angesehen werden kann, wenn er die ihm vom Insolvenzgericht übertragenen Verwaltungsbefugnisse überschreitet und tatsächlich über Gelder des noch verfügungsberechtigten Schuldners verfügt.
79Weitere Vorschriften, aus denen sich eine steuerliche Relevanz der vom Ag. erbetenen Auskünfte und Unterlagen ergeben könnten, sind bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich. Insbesondere stehen diese offensichtlich nicht in Zusammenhang mit Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der KG. Das Insolvenzverfahren war bei Bescheiderlass längst eröffnet und eine Einzelvollstreckung der Steuerschulden infolgedessen nicht mehr möglich.
80dd) Inwieweit dem Ag. gegenüber der Astin. zu 2) insolvenzrechtliche oder sonstige zivilrechtliche Ansprüche zustehen könnten, bedarf keiner Ausführungen, da es insoweit an dem Tatbestandsmerkmal "zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts" i.S.d. §§ 93 Abs. 1, 97 AO fehlt. Hinsichtlich der auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgenden Ansprüche ist es dem Finanzamt nicht gestattet, sich vom Anspruchsgegner durch Hoheitsakt Informationen zu beschaffen.
81b) Zusätzlich war dem Aussetzungsantrag der Astin. zu 2) auch aus dem Gesichtspunkt der unbilligen Härte stattzugeben. Eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO ist u.a. dann gegeben, wenn von dem Betroffenen ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangt wird, dessen nachteilige Folgen nicht wieder rückgängig gemacht werden können und Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht gänzlich ausgeschlossen sind (vgl. Seer in Tipke/Kruse, FGO, § 69 Rn. 102, 104). Ein solcher irreparabler Schaden wäre auch im Streitfall gegeben, da dem Finanzamt bei einem für die Astin. zu 2) erfolgreichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens die Kenntnisse, die es aus etwaigen bereits erteilten Auskünften und vorgelegten Urkunden gewonnen hat, nicht wieder genommen werden können.
823. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 AO. In den Fällen, in denen bei nicht notwendiger Streitgenossenschaft ein Streitgenosse obsiegt und der anderer unterliegt, haben der unterlegene Streitgenosse und sein Gegner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (vgl. BFH, Beschluss vom 06.08.1971 – III B 7/71, BStBl II 1972, 17). Zudem ist zwischen den gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu trennen (BFH, Beschluss vom 13.12.1999 – III B 15/99, BFH/NV 2000, 827).