Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Duldungsbescheid vom 19.07.2007 wird dahingehend abgeändert, dass die Klägerin nur verpflichtet ist, Wertersatz i.H.v. 42.134,54 € zu leisten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 44 % und der Beklagte zu 56 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Anfechtungs- und Duldungsbescheids.
3Die am 21.10.1981 geborene Klägerin (Klin.) ist die Tochter der Eheleute B. und V. L.. Die Eltern der Klin. waren Geschäftsführer der Firma N. L. GmbH und wurden als solche durch Haftungsbescheide vom 16.12.2005 für Steuerschulden der GmbH i.H.v. 96.291,70 € in Haftung genommen. Die Haftungsbescheide sind bestandskräftig. Vollstreckungsmaßnahmen gegen die N. L. GmbH und die Eltern der Klin. blieben erfolglos. Die Eltern gaben in 2003 eidesstattliche Versicherungen ab.
4Zwischen der Klin. und ihrer am 14.10.1982 geborenen Schwester S1. einerseits und den Eltern andererseits kam es in der Vergangenheit u.a. zu folgenden vertraglichen Beziehungen:
5Im Rahmen der Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eheleute B. und V. L. erklärte der Vater der Klin. mit Schriftsatz vom 20.01.2006 u.a., dass er nicht über Bankvollmachten für Konten verfüge, die nicht auf seinen Namen lauten. Durch einen Kontenabruf beim Bundesamt für Finanzen ermittelte der Beklagte (Bekl.) jedoch Konten, bei denen die Klin. und ihre Schwester S1. als Kontoinhaber registriert sind, während die Eltern als Verfügungsberechtigte ausgewiesen sind. Dabei handelt es sich u.a. um das Konto 000000002 bei der Commerzbank, welches am 02.10.2002 eröffnet worden ist und für das die Eltern der Klin. seit dem 05.04.2003 Kontovollmacht besaßen. Der Bekl. kam aufgrund der von der Bank zur Verfügung gestellten Unterlagen, welche die Buchungstexte erst ab dem 20.09.2005 erkennen lassen, zu dem Schluss, dass die Eltern sowohl ihren eigenen Zahlungsverkehr als auch den Zahlungsverkehr der GmbH über dieses Konto abgewickelt haben. Neben Gutschriften, die betriebliche Einnahmen der Firma C1. L. GmbH darstellen, wurden der Arbeitslohn der Mutter der Klin., das Kindergeld für die Schwester S1. sowie die Rente des Vaters der Klin. auf dem Konto gutgeschrieben. Von dem Konto abgebucht wurden u.a. die Miete für das von den Eltern bewohnte Gebäude H.-Straße 03 in C., Leasingraten für das Fahrzeug der Eltern, Krankenversicherungsbeiträge des Vaters sowie andere Beträge, die den Eltern der Klin. zuzurechnen sind.
9Von den im Zeitraum 01.01.2004 bis 31.01.2006 auf dem Konto erfolgten Zahlungseingängen sind nach den Feststellungen des Beklagten (Bekl.) insgesamt 143.502,10 € den Eltern der Klin. zuzurechnen. Darüber hinaus wurden über das Konto auch Zahlungsvorgänge abgewickelt, die die Klin. selbst oder ihre Schwester S1. betrafen. Zum Beispiel wurde das eigene Arbeitsentgelt der Klin. in zumindest einem Fall dem Konto gutgeschrieben und die Miete und Hauskosten für die Wohnung der Klin. in C2. wurden ebenfalls über dieses Konto gebucht. Zudem war ein Dauerauftrag über 400 € auf ein Konto von S1. eingerichtet.
10Aufgrund der o.g. Feststellungen erließ der Bekl. am 03.04.2006 gegen die Klin. einen Anfechtungs- und Duldungsbescheid, mit dem jeder einzelne durch die Eltern der Klin. veranlasste Zahlungseingang auf dem Konto Nr. 000000002 bei der Commerzbank gem. §§ 3 Abs. 1, 4 Anfechtungsgesetz (AnfG) angefochten und die Klin. zur Zahlung von 96.291,70 € aufgefordert wurde. Eine Aufstellung der einzelnen angefochtenen Zahlungseingänge unter Angabe von Datum und Höhe lag dem Bescheid nicht bei. Ein entsprechender Anfechtungsbescheid ist auch gegenüber S1. L. ergangen.
11Zur Begründung führte der Bekl. im Bescheid und im Einspruchsverfahren aus, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AnfG erfüllt seien, da die einzelnen von den Eltern veranlassten Einzahlungen bzw. Überweisungen mit der jeweiligen Gutschrift auf dem Konto der Klin. in voller Höhe dem Zugriff des Finanzamts zur Befriedigung der oben genannten Haftungsansprüche entzogen worden seien, die Eltern der Klin. es zumindest billigend in Kauf genommen hätten, dass durch diese Rechtshandlungen eine Benachteiligung ihrer Gläubiger erfolge, und der Klin. die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihrer Eltern bekannt gewesen seien.
12Die Eltern der Klin. hätten sich schon seit 1999 in erheblichen existenziellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden. In diesem Jahr sei die C1. L. GmbH, die Vorgängerfirma der N. L. GmbH, insolvent geworden. Die Klin. habe im Jahr 1999 ihr 18. Lebensjahr vollendet und ihre Schwester S1. das 17. Lebensjahr. Bereits 1999 habe der Vollziehungsbeamte des Finanzamts C. regelmäßig Vollstreckungsversuche unter der Wohnanschrift in P. vorgenommen. Im Oktober 2000 sei das Wohnhaus der Familie in P. unter Zwangsverwaltung gestellt worden. In 2003 sei es schließlich zur Veräußerung des Gebäudes gekommen und die Familie L. habe umziehen müssen (Umzug nach C.). Zwar sei die Veräußerung nicht im Rahmen einer Zwangsversteigerung erfolgt, es sei aber aufgrund der bekannten Umstände keine freiwillige Veräußerung gewesen. Die Abmeldung der Eheleute V. und B. L. bei der Stadt P. sei am 29.02.2004 erfolgt. Die Klin. sei zu diesem Zeitpunkt noch mit Nebenwohnsitz in der elterlichen Wohnung gemeldet gewesen, weshalb davon ausgegangen werden könne, dass sie über die wirtschaftlichen Gründe der Veräußerung informiert gewesen sei. Am 31.12.2004 sei der Klin. die Geschäftsführung für die C1. L. GmbH durch ihren Vater übertragen worden. Als Geschäftsführerin sei sie in das Haftungsverfahren wegen der Steuerrückstände der C1. L. GmbH involviert gewesen und habe somit über die Steuerschulden ihrer Eltern Bescheid gewusst. Außerdem könne es der Klin. nicht verborgen geblieben sein, dass ihre Mutter das Grundstück T1.-Straße 01, für das bereits die Zwangsversteigerung angeordnet gewesen sei, Ende 2002 auf ihre Schwester S1. übertragen habe.
13Weder die Grundstücksübertragung noch die Einräumung der Kontenvollmachten noch die Übertragung der Geschäftsführung der C1. L. GmbH auf die Klin. hätten von den Töchtern als normale Vorgänge angesehen werden können. Dass all diese Vorgänge in ihrer Gesamtheit durch die wirtschaftliche Situation der Eltern bedingt gewesen seien und damit im Zusammenhang gestanden hätten, sei den Töchtern bewusst gewesen. Es sei nicht anzunehmen, dass ein erwachsener Mensch diese Zusammenhänge nicht erkenne oder nicht mindestens bei den Eltern hinterfrage, warum er in Dinge einwilligen solle, die für ihn rechtliche sowie finanzielle Konsequenzen in einer derartigen Größenordnung nach sich zögen. Es müsse den Töchtern auch klar geworden (oder klargemacht worden) sein, dass einzig durch die gewählte Konstellation die Vollstreckung in das noch vorhandene elterliche Vermögen habe verhindert werden können.
14Kenntnis davon, um welche Gläubiger es sich hierbei konkret gehandelt habe, sei nicht erforderlich. Allein entscheidend sei die Kenntnis, dass Schulden vorhanden seien und durch die Einrichtung von Fremdgeldkonten den Gläubigern die Vollstreckung unmöglich gemacht werde.
15Auch der Umstand, dass der im Bereich P. zuständige Gerichtsvollzieher I1. die Eltern der Klin. zwischen Herbst 2001 und Sommer 2003 regelmäßig im Hause L. zur Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen besucht habe, lasse darauf schließen, dass die Klin. von den finanziellen Schwierigkeiten gewusst habe. Es sei unmöglich, dass die Töchter hiervon nichts mitbekommen hätten oder dass ihnen dies hätte verheimlicht werden können. Dafür, dass die Klin. und ihre Schwester von den Vollstreckungsmaßnahmen Kenntnis gehabt hätten, würden zudem zwei Kontoauszüge sprechen, die Herr I1. beim Finanzamt eingereicht habe. Demnach seien seinem Vollzieherkonto am 10.02.2003 sowie am 08.04.2003 Beträge i.H.v. 1.200,00 EUR und 1.900,00 EUR gutgeschrieben worden unter Angabe des Zwecks "Für B. und V. L." und des Auftraggebers "S. L. und". Aus dem Kontoauszug sei leider der Name des weiteren Auftraggebers nicht ersichtlich, es dürfte sich jedoch um S1. L. handeln.
16Außerdem sei auch der Anfechtungstatbestand des § 4 AnfG erfüllt, da die auf das Konto Nr. 000000002 bei der Commerzbank eingegangenen Zahlungen jeweils unentgeltliche Leistungen darstellen würden, es sich hierbei nicht um gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke handele und die Anfechtungsfrist von 4 Jahren gewahrt sei.
17Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Der Einspruchsentscheidung vom 11.01.2007 liegt eine Aufstellung bei, in der die einzelnen angefochtenen Zahlungseingänge nach Datum und Höhe bezeichnet sind. Gegen den Duldungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung wurde am 15.02.2007 Klage erhoben.
18Nachdem das Gericht unter Hinweis darauf, dass die einzelnen angefochtenen Rechtshandlungen im Duldungsbescheid nicht bezeichnet worden seien, mit Beschluss vom 29.05.2007 – 11 V 635/07 AO Aussetzung der Vollziehung gewährt hatte, erließ der Bekl. am 19.07.2007 ein neuen Duldungsbescheid, durch den der bisherige Duldungsbescheid ersetzt wurde. Der neue Bescheid ist mit dem bisherigen Bescheid inhaltsgleich, enthält zusätzlich jedoch eine Anlage 3, in der die einzelnen angefochtenen Zahlungseingänge nach Datum und Betrag aufgelistet sind.
19Die Klin. ist der Ansicht, dass der Anfechtungsbescheid rechtswidrig ist.
20Die Voraussetzungen des § 4 AnfG seien nicht erfüllt, da die Gutschriften (Einzahlungen, Überweisungen etc.) der Eltern keine unentgeltlichen Leistungen an sie seien. Auch würden die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AnfG nicht vorliegen, da sie nicht gewusst habe, dass ihre Eltern mit Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt haben könnten, und sie insbesondere deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht gekannt habe. Es habe für sie keinen Anlass gegeben, den Eltern irgendwelche Fragen zu stellen. Anscheinsbeweisgrundsätze seien nicht anwendbar, denn es bestehe für sie – die Klin. – keine Möglichkeit, das Gegenteil (ihre Unkenntnis) zu beweisen.
21Zu den von dem Bekl. herangezogenen Indizien sei anzumerken, dass sie – die Klin. – nicht gewusst habe, dass ihre Eltern eidesstattliche Versicherungen abgegeben hätten. Es müsse verständlich sein, dass Eltern die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vor ihren Kindern verschweigen würden, weil sie sich schämten. Von den Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihre Eltern (Besuch von Gerichtsvollziehern, Zustellungen) habe sie ebenfalls keine Kenntnis gehabt, zumal sie früh aus der elterlichen Wohnung ausgezogen sei. Sie habe mit 16 Jahren eine Ausbildung begonnen und sei im 2. oder 3. Lehrjahr von den Eltern weggezogen. Zunächst habe sie an verschiedenen Orten in P. gelebt und sei dann ungefähr in 2002 nach C2. gezogen, wo sie zwei Jahre lang ein Volontariat absolviert habe und danach fünf Jahre als freier Mitarbeiter für den T3. und andere Auftraggeber gearbeitet habe.
22Auf Nachfrage, warum sie ihren Eltern Konten zur Nutzung überlassen habe, teilte die Klin. im Erörterungstermin vom 29.03.2011 mit, dass sie sich daran erinnern könne, dass irgendwann alle Konten gesperrt gewesen seien, auch ihr eigenes Konto in C2.. Auch meine sie sich daran erinnern zu können, dass ihre Eltern gesagt hätten, sie bräuchten ein Konto. Grund hierfür sei ihres Erachtens gewesen, dass ihre Eltern kein anderes Konto mehr gehabt hätten, weil alle "dicht" gewesen seien. Sie - die Klin. - habe sich um das neu eröffnete Konto nicht gekümmert und auch keine eigene Kontokarte gehabt. Das Konto habe allein durch die Eltern und die C1. L. GmbH genutzt werden sollen. Für Letztere werde das Konto auch heute noch genutzt.
23Dass sie, die Klin., Geschäftsführerin der C1. L. GmbH geworden sei, habe daran gelegen, dass ihr Vater "das nicht mehr habe machen dürfen". Sie selbst habe aber keine Zeit für einen vollen Job in der GmbH gehabt und anfangs auch nicht viel gemacht. In jüngerer Zeit versuche sie nun, sich mehr und mehr um die GmbH zu kümmern. Sie bekomme inzwischen immer häufiger Bescheid von ihrer Mutter oder ihrem Vater, wie es um die Gesellschaft stehe. Die Mutter mache den Großteil der Papiersachen. Ihre Eltern würden auch Schriftstücke oder z.B. Bilanzen vorbereiten, die sie – die Klin. – dann unterschreibe. Sie - die Klin. - vertraue darauf, dass ihre Eltern das richtig machen und sie nicht belügen würden. Auch das Schreiben vom 25.04.2005, mit dem ein Tilgungsplan für die GmbH beim Finanzamt eingereicht wurde und das sie offensichtlich unterschrieben habe, sei vermutlich von den Eltern erstellt worden. Ein Gehalt erhalte sie - die Klin. - für ihre Tätigkeit nicht.
24Was ihr Vater in den Jahren 1998 bis 2006 beruflich gemacht habe, könne sie gar nicht sagen. Ebenso wenig wisse sie, warum ihre Eltern im Jahr 2003 von P. nach C. gezogen seien. Sie habe allerdings mitbekommen, dass ihnen das zuvor selbstgenutzte Wohnhaus nicht mehr gehört habe.
25Daran, dass ihre Eltern an sie Ende 1999 Darlehen abgetreten hätten, könne sie sich nicht mehr erinnern. Sie sei sich aber sicher, dass sie von dem Darlehen noch keinen Cent bekommen habe, insbesondere keine Zinsen.
26Dass ihre Schwester S1. das Grundstück T1.-Straße 01 in P. gekauft habe, sei ihr bekannt. Es handele sich dabei um das Elternhaus ihrer Mutter, in dem die Großmutter auch heute noch wohne. Wieso es zu dem Verkauf gekommen sei und ob S1. das Grundstück von der Großmutter oder der Mutter gekauft habe, wisse sie – die Klin. - nicht. Sie könne lediglich vermuten, dass S1. das Grundstück gekauft habe, weil sie als einzige in der Familie einen Kredit bekommen habe.
27Eine Anfechtung scheitere zudem daran, dass sie – die Klin. - nicht bereichert sei. Die Möglichkeit, Auszahlungsansprüche gegen die Bank geltend zu machen, reiche für eine Bereicherung nicht aus, sondern es komme nur darauf an, ob sie – die Klin. – tatsächlich über die Auszahlungsansprüche verfügt habe. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, da etwaige Leistungen der Eltern an sie sich im Rahmen ihrer Unterhaltsansprüche bewegt hätten oder von ihr aus eigenen Einnahmen finanziert worden seien. U.a. sei am 25.11.2005 von der Firma F. ein für sie bestimmtes Honorar i.H.v. 1.600 € auf das streitgegenständliche Konto eingezahlt worden. Ihr eigenes Konto sei damals gesperrt gewesen, weil sie als Geschäftsführerin für die Steuerschulden der C1. L. GmbH in Haftung genommen worden sei. Wie sie die 1.600 € vom Konto wieder herunter bekommen habe, wisse sie nicht mehr.
28Zudem würden bestimmte Einzahlungen gar nicht anfechtbar sein. Bei dem auf dem Konto eingezahlten Arbeitslohn der Mutter, deren Gehalt gepfändet gewesen sei, habe es sich um die unpfändbaren Lohnanteile gehandelt. Auch die Berufsunfähigkeitsrente sei unpfändbar gewesen, denn ihr Vater habe den Versicherungsvertrag zu einem Zeitpunkt abgeschlossen, als er Arbeitnehmer gewesen sei. Er sei damals nur zu einem geringen Teil an der C1. L. GmbH beteiligt gewesen und habe als deren Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt.
29Auch die Einzahlungen der Fa. X. seien nicht anfechtbar. Es habe sich hierbei um Honorarzahlungen gehandelt, die die Fa. X. der C1. L. GmbH für deren Leistungen geschuldet habe. Wenn die GmbH veranlasse, dass diese Forderungen auf ein Konto der Klin. überwiesen werden, sei dies eine Rechtshandlung der GmbH, und keine Rechtshandlung der Eltern. Dass die für die GmbH bestimmten Gelder auch für diese verwendet worden seien, könne sie – die Klin. - durch Vorlage der Kontoauszüge der GmbH nachweisen.
30Die Klin. beantragt,
31den Duldungsbescheid zuletzt vom 19.07.2007 sowie den vorher ergangenen Duldungsbescheid vom 03.04.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.01.2007 aufzuheben.
32Der Bekl. beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Er verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
35Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Steuerakten sowie die Protokolle des Erörterungstermins vom 29.03.2011 und der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2011 Bezug genommen.
36Entscheidungsgründe:
37Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
38Gem. § 68 Satz 1 FGO ist der Duldungsbescheid vom 19.07.2007 Gegenstand des Verfahrens geworden. Dieser hat den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 03.04.2006 ersetzt.
39Der Duldungsbescheid vom 19.07.2007 ist nur zum Teil rechtmäßig.
40Nach § 191 Abs. 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dazu zählen auch die Fälle, in denen einem Gläubiger zur Befriedigung seiner Forderungen das zur Verfügung gestellt werden muss, was durch anfechtbare Rechtshandlungen aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Gleiches gilt, wenn der Anfechtungsgegner den in anfechtbarer Weise aus dem Schuldnervermögens ausgeschiedenen Gegenstand nicht in Natur zurückgewähren kann und wenn er deshalb verpflichtet ist, Wertersatz zu leisten (§ 11 Abs. 1 AnfG).
41Die Entscheidung über die Inanspruchnahme nach § 191 Abs. 1 AO ist zweigliedrig (st. Rspr. des BFH, vgl. u.a. Urteil vom 13.06.1997 - VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4). Das Finanzamt hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung erfüllt sind. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung – vgl. § 5 AO – des Finanzamts an, ob und ggf. wen es als Duldungsverpflichteten in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung) überprüfbar (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 11.03.2004 - VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579 unter II 1a m.w.N.).
42Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine Anfechtung nur teilweise vor:
431. Der Bekl. ist anfechtungsberechtigter Gläubiger i.S.d. § 2 AnfG. Die gegenüber den Eltern der Klin. festgesetzten Haftungsschulden sind fällig und vollstreckbar und die Vollstreckung in das Vermögen der Eltern ist erfolglos geblieben.
442. Nach § 1 AnfG sind alle Rechtshandlungen eines Schuldners anfechtbar, die seine Gläubiger benachteiligen. Rechtshandlung im Sinne des Anfechtungsgesetzes ist jedes – rechtliche oder tatsächliche – Handeln oder Unterlassen des Schuldners, das "rechtliche" Folgen hat. Dabei kommt es auf die Wirksamkeit der Rechtshandlung nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob der Schuldner durch sein Handeln (jedenfalls) dazu beigetragen hat, dass ein Vermögensgegenstand einem Dritten zugewandt worden ist (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 13.09.2001 - 8 U 108/00, ZInsO 2001, 1102; Huber, AnfG § 1 Rn 5 ff.).
45Bei Einzahlungen auf einem fremden Konto handelt es sich um Rechtshandlungen des Anfechtungsschuldners, wenn er diese veranlasst hat und er mit der Einzahlung einen Vermögensgegenstand verliert, etwa Bargeld oder eine Forderung. Erfasst werden nicht nur die Fälle, in denen der Anfechtungsschuldner Bargeld einzahlt, Schecks einreicht oder eigene Überweisungen auf das Fremdkonto vornimmt, sondern auch die Fälle, in denen er seine Schuldner (Dritte) anweist, die ihm zustehenden Forderungsbeträge auf das Fremdkonto zu überweisen. Denn im Falle einer Zahlungsanweisung wird mit der Einzahlung durch den Dritten dessen Schuld gegenüber dem Anweisenden – hier: dem Anfechtungsschuldner – zum Erlöschen gebracht (§ 362 BGB). Der entsprechende Gegenwert wird dem Kontoinhaber zugewendet, denn dieser erlangt mit der Gutschrift auf seinem Konto einen Zahlungsanspruch gegenüber der Bank, aufgrund dessen er in der Lage ist, über die Geldbeträge zu verfügen.
46Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Rechtshandlungen des Anfechtungsschuldners vorliegen, trägt der Anfechtende. Bezogen auf den Streitfall bedeutet das, dass der Bekl. nachweisen muss, dass die angefochtenen Einzahlungen auf dem Konto der Klin. tatsächlich deren Eltern zuzurechnen sind. Auf etwaige Beweiserleichterungen kann der Bekl. sich dabei nicht berufen. Insbesondere führt der Umstand, dass die zur Erfüllung der Darlegungslast benötigten Kenntnisse und Unterlagen letztlich in der Sphäre des Anfechtungsgegners liegen, nicht zu einer Beweislastumkehr. Dem Anfechtungsgegner obliegt es im Rahmen seiner sekundären Beweislast lediglich, substantiierte Einwendungen zu erheben. Werden solche Einwendungen erhoben, muss der Anfechtende darlegen und notfalls beweisen, dass es sich tatsächlich um Rechtshandlungen des Anfechtungsschuldners handelt.
47Die Klin. ist der Behauptung des Bekl., dass sämtliche in der Anlage 3 des Duldungsbescheids vom 19.07.2007 genannten angefochtenen Einzahlungen von den Eltern der Klin. veranlasst seien, substantiiert entgegen getreten. Vorgetragen wurde zum einen, dass es sich bei der Einzahlung vom 25.11.2005 über 1.600 € um eine Honorarzahlung der Fa. F. an die Klin. handele. Zum anderen wurde vorgetragen, dass die Fa. X. mit der C1. L. GmbH in Vertragsbeziehung gestanden habe und mit den Einzahlungen auf dem Konto der Klin. mithin nicht Forderungen der Eltern, sondern Forderungen der GmbH zum Erlöschen gebracht worden seien.
48Dass diese Behauptungen der Klin. unzutreffend sind und es sich doch um Rechtshandlungen der Eltern der Klin. handelt, hat der Bekl. nicht nachgewiesen. Insbesondere ist für den Senat nicht erkennbar, dass es sich bei Einzahlungen der Fa. X. um Rechtshandlungen der Eltern handelt. Zwar mögen die Eltern der Klin. die Einzahlungen letztlich veranlasst haben, z.B. indem sie in ihrer Eigenschaft als faktische Geschäftsführer der C1. L. GmbH eine entsprechende Zahlungsanweisung gegenüber der Fa. X. ausgesprochen haben oder für die GmbH bestimmte Schecks eigenhändig auf das Konto der Klin. eingezahlt haben. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um eine Rechtshandlung der Eltern i.S.d. § 1 AnfG anzunehmen. Denn eine Rechtshandlung i.S.d. AnfG liegt nur dann vor, wenn sich hierdurch auch Auswirkungen auf das Vermögen des Vollstreckungsschuldners ergeben. Standen die Forderungen der GmbH zu, hat jedoch nur diese mit der Einzahlung der Forderungsbeträge auf dem Konto der Klin. einen Vermögensgegenstand verloren. Die o.g. Unklarheiten im Sachverhalt gehen zu Lasten des Bekl.
49Die Zahlungen, bei denen es sich um Einzahlungen der Fa. X. handeln könnte, bestimmt der Senat wie folgt:
08.03.05 | 4.756,00 € |
05.04.05 | 4.756,00 € |
09.05.05 | 4.756,00 € |
03.06.05 | 4.756,00 € |
05.07.05 | 4.756,00 € |
03.08.05 | 4.756,00 € |
06.10.05 | 4.756,00 € |
07.11.05 | 4.756,00 € |
05.12.05 | 5.336,00 € |
06.01.06 | 4.756,00 € |
07.02.06 | 4.756,00 € |
52.896,00 € |
Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei der Umstand, dass auf dem Kontoauszug vom 20.10.2005 (Bl. 169 der Akte "Sonstige Unterlagen") bei der per "Scheck/Lastschrift" vorgenommenen Einzahlung vom 06.10.2005 über 4.756 € handschriftlich "X." vermerkt ist. Dies lässt den Schluss zu, dass auch die übrigen Zahlungen, die monatlich wiederkehrend erfolgt sind und sich auf den gleichen oder einen ähnlichen Betrag belaufen, in Zusammenhang mit der Fa. X. stehen. Die Beteiligten wurden mit gerichtlicher Verfügung vom 27.10.2011 von diesen Überlegungen unterrichtet und um Überprüfung gebeten. Einwände gegen die Höhe bzw. Zusammensetzung des Betrags von 52.896 € wurden nicht erhoben.
523. Gem. § 1 Abs. 1 AnfG sind zudem nur solche Rechtshandlungen anfechtbar, die die Gläubiger des Anfechtungsschuldners benachteiligen. Diese Voraussetzung ist bei der Nutzung von Fremdkonten grundsätzlich gegeben. Denn die jeweiligen Kontoguthaben gehören zum Vermögen des Kontoinhabers (hier der Klin. und ihrer Schwester) und auf das Vermögen Dritter können die Gläubiger des Vollstreckungsschuldners mit ihren gegen diesen (hier gegen die Eltern) gerichteten Vollstreckungstiteln nicht zugreifen.
53Dennoch kann es in bestimmten Fällen an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlen, u.a. dann, wenn eine Forderung, die durch Einzahlung auf das Konto zum Erlöschen gebracht wurde, nicht pfändbar war. Denn wenn die Gläubiger eine bestimmte Sache ohnehin nicht pfänden konnten, wurden ihre Zugriffsmöglichkeiten durch die Weggabe der Sache auch nicht beeinträchtigt (vgl. Huber, AnfG, § 1 Rn. 37). Die Beweislast dafür, dass eine objektive Gläubigerbenachteiligung vorliegt, trifft den anfechtenden Gläubiger. Seitens des Anfechtungsgegners genügt es, substantiierte Einwendungen zu erheben.
54Die Klin. hat vorgetragen, dass der Arbeitslohn ihrer Mutter gepfändet worden sei und es sich bei den auf ihr Konto überwiesenen Beträgen nur um die unpfändbaren Lohnteile gehandelt habe. Ausweislich der Kontoauszüge handelte sich um eine Gesamtsumme von 31.957,23 €, die sich wie folgt zusammen setzt:
02.01.04 | 1.464,18 € | 31.01.05 | 1.168,34 € |
30.01.04 | 1.157,38 € | 28.02.05 | 1.174,14 € |
27.02.02 | 1.152,78 € | 31.03.05 | 1.165,44 € |
31.03.04 | 1.152,78 € | 29.04.05 | 1.150,74 € |
30.04.04 | 1.138,19 € | 31.05.05 | 1.133,54 € |
28.05.04 | 1.160,49 € | 30.06.05 | 1.124,84 € |
30.06.04 | 1.174,99 € | 29.07.05 | 1.167,34 € |
30.07.04 | 1.148,89 € | 06.09.05 | 1.164,44 € |
31.08.04 | 1.160,49 € | 30.09.05 | 1.120,94 € |
30.09.04 | 1.166,29 € | 31.10.05 | 1.164,44 € |
29.10.04 | 1.169,19 € | 30.11.05 | 1.652,78 € |
30.11.04 | 1.626,61 € | 29.12.05 | 1.469,30 € |
30.12.04 | 1.472,95 € | 31.01.06 | 1.155,74 € |
Der Bekl. ist den Behauptungen der Klin. nicht entgegen getreten. Hinsichtlich der o.g. Einzahlungen steht damit nicht fest, dass durch die Rechtshandlungen Gläubiger benachteiligt wurden. Dies geht zu Lasten des Bekl.
57Das Gleiche gilt letztlich auch hinsichtlich der Berufsunfähigkeitsrente des Vaters der Klin. Berufsunfähigkeitsrenten waren in den Streitjahren allerdings nicht per se unpfändbar, sondern nur, soweit es sich um Arbeitseinkommen i.S.d. § 850 Abs. 3 lit. b ZPO handelte, was wiederum nach der Rechtsprechung des BGH nur dann der Fall war, wenn der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrages entweder Beamter oder Arbeitnehmer war oder in einem arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnis stand (vgl. BGH, Beschluss vom 15.11.2007 – IX ZB 99/05, WM 2008, 256). Ob diese Voraussetzungen im Streitfall tatsächlich vorlagen, ist unklar. Dies geht zu Lasten des Beklagten, welcher - wie bereits dargestellt - als anfechtender Gläubiger die Beweislast dafür trägt, dass die angefochtene Rechtshandlung Gläubiger benachteiligt. Seitens der Klin. reichte es aus zu behaupten, dass ihr Vater bei Abschluss des Versicherungsvertrags Arbeitnehmer gewesen sei. Diesen konkreten Vortrag hat sie zwar erst in der mündlichen Verhandlung gebracht, jedoch wurde die Pfändbarkeit bereits im Erörterungstermin vom 29.03.2011 in Frage gestellt. Der Beklagte hatte damit genügend Zeit, seinerseits Nachforschungen hinsichtlich der Pfändbarkeit der Berufsunfähigkeitsrente anzustellen und Beweismittel anzubieten.
58Unter Berücksichtigung des von der Klin. in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreibens der Y. Versicherung vom 07.04.2005 ließen sich die folgenden Zahlungen als Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsrente identifizieren:
5911.04.2005 4.393,83 €
6030.06.2005 1.921,50 €
6130.09.2005 1.921,50 €
6227.12.2005 1.921,50 €
6310.158,33 €
64Auch das Kindergeld i.H.v. 4.312 € (siehe vorletzte Zeile der Anlage 3 zum Duldungsbescheid) war gem. § 76 EStG nicht durch den Bekl. pfändbar.
65Zusammengefasst ist damit festzuhalten, dass hinsichtlich folgender in der Anlage 3 des Duldungsbescheids vom 19.07.2007 genannten angefochtenen Einzahlungen die Anfechtungsvoraussetzungen nicht nachgewiesen sind:
66Arbeitslohn Mutter 31.957,23 €
67Berufsunfähigkeitsrente 10.158,33 €
68Kindergeld 4.312,00 €
69Fa. X. 52.896,00 €
70Fa. F. ..1.600,00 €
71100.923,56 €
72Von der ursprünglichen Gesamtsumme (143.058,10 €) verbleibt damit noch ein Betrag von 42.134,54 €. Nur hinsichtlich dieser Rechtshandlungen sind die allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen der §§ 1, 2 AnfG erfüllt.
734. Dafür, dass die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 4 AnfG, welcher eine unentgeltliche Leistung des Schuldners verlangt, erfüllt sind, ist nichts ersichtlich. Denn eine unentgeltliche Leistung setzt voraus, dass es auf Seiten des Schuldners zu einer Vermögensminderung und auf Seiten des Anfechtungsgegners zu einer entsprechenden Vermögensvermehrung gekommen ist. Sowohl die Vermögensminderung als auch die Vermögensmehrung sind jedoch zu verneinen, wenn zeitgleich zum Geldeingang auf dem Konto des Anfechtungsgegners ein Herausgabeanspruch des Schuldners entsteht, d.h. wenn der Vermögenswert dem Kontoinhaber gerade nicht dauerhaft zugewandt werden soll. Ob dieser Herausgabeanspruch aus einem Auftragsverhältnis, Verwahrvertrag oder Treuhandverhältnis resultiert – so bei einvernehmlicher Nutzung des Kontos - oder aus einer Leistung ohne Rechtsgrund - so bei Überweisung des Geldes auf das Konto ohne Wissen und Willen des Kontoinhabers - spielt hierbei letztlich keine Rolle.
74Im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, dass die Eltern der Klin. im Zeitpunkt der Einzahlungen auf dem Konto der Töchter den Willen hatten, der Klin. und ihrer Schwester Vermögenswerte dauerhaft zuzuwenden. Vielmehr war es nach der übereinstimmenden Vorstellung der Eltern und ihrer Kinder so, dass die Eltern das ihnen zur Verfügung gestellte Konto wie ein eigenes Konto nutzen sollten und sie - jedenfalls im Innenverhältnis - die alleinige Verfügungsgewalt über die von ihnen eingezahlten Gelder behalten sollten. Folglich waren die Klin. und ihre Schwester zur Herausgabe der eingegangenen Gelder an ihre Eltern verpflichtet.
755. Es sind jedoch die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 AnfG gegeben. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz vornimmt, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 AnfG wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
76Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ist dem Schuldner bekannt, dass er zahlungsunfähig ist oder dass Zahlungsunfähigkeit droht, handelt er in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. Dies ergibt sich mittelbar aus § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG. Da für den anderen Teil die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird, wenn er wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte, können für den Vorsatz des Schuldners selbst keine strengeren Anforderungen gelten (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2011 - IX ZR 134/10, DB 2011, 1688 m.w.N. zu § 133 InsO).
77Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze ist als bewiesen anzusehen, dass die Eltern der Klin. mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelten. Denn diese hatten im Zeitpunkt der einzelnen Einzahlungen auf dem Fremdkonto bereits eidesstattliche Versicherungen abgegeben und waren zahlungsunfähig. Zu beachten ist auch, dass die Eltern nach Aktenlage eigene Konten besaßen, die jedoch gepfändet waren. Derjenige, der sich ein Fremdkonto einrichten lässt und durch dessen Nutzung verhindert, dass auf seinen eigenen gepfändeten Konten Gelder eingehen, handelt regelmäßig in der Absicht, die Befriedigung seiner Gläubiger – nämlich zumindest der Pfändungsgläubiger - zu verhindern. Zudem hat der Vater der Klin. im Schreiben vom 20.01.2006 wider besseren Wissens behauptet, über keine Vollmacht für Konten zu verfügen, die nicht auf seinen Namen lauteten. Er hat mithin versucht, das streitgegenständliche Konto vor einem Gläubiger - hier dem Bekl. - geheim zu halten. Dies ist ebenfalls als Indiz für das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht zu werten.
78Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ist auch davon auszugehen, dass die Klin. Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht ihrer Eltern hatte.
79§ 3 Abs. 1 AnfG verlangt positive Kenntnis; bloße Vermutungen ("wird wohl gewusst haben") oder eine grob fahrlässige Unkenntnis reichen nicht aus. Auch kann der Nachweis der Kenntnis grundsätzlich nicht im Wege eines Anscheinsbeweises geführt werden (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 13.01.1987 - VII R 10/84, BFH/NV 1987, 728-731). Hiervon abzugrenzen sind die Fälle des sich bewussten Verschließens vor der Kenntnis. So kann sich z.B. derjenige, der ein Dokument unterschrieben hat, grundsätzlich nicht darauf berufen, dass er das Dokument vor der Unterschrift nicht gelesen habe und deshalb von dem Inhalt keine Kenntnis habe. Die Unterschrift reicht hier als objektives Beweisanzeichen für die Kenntnis vom Inhalt des Dokuments aus.
80Im Streitfall weisen eine Vielzahl von Einzeltatsachen darauf hin, dass die Klin. mit ihren Eltern kollusiv zusammengewirkt hat und diesen bewusst dabei geholfen hat, Vermögen vor Gläubigern zu schützen. Allen voran ist der Umstand zu nennen, dass das streitgegenständliche Konto nach eigenem Vortrag der Klin. gerade deshalb eröffnet und den Eltern überlassen wurde, weil deren eigenen Konten gepfändet gewesen seien. Dies ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Klin. die Hilfstatsachen des § 3 Abs. 1 S. 2 AnfG - Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der Benachteiligung der Gläubiger - kannte. Denn aufgrund der Kontopfändung musste sich ihr sowohl aufdrängen, dass die Eltern erhebliche finanzielle Schwierigkeiten hatten, als auch, dass zumindest die Gläubiger, die die bereits existierenden Konten gepfändet hatten, benachteiligt werden, wenn statt dieser Konten ein Fremdkonto genutzt wird.
81Zudem hat die Klin. ihren Eltern bei sonstigen Vermögensverschiebungen geholfen. Insbesondere hat sie sich bereit erklärt, die Abtretungsvereinbarungen vom 04.12.1999 und 29.12.1999 zu unterschreiben, obwohl - wie der weitere Geschehenslauf zeigt - von vornherein nicht beabsichtigt war, dass die Darlehensforderungen einschließlich der Zinsen tatsächlich der Klin. und ihrer Schwester zustehen sollten. Der Vermögensgegenstand sollte vielmehr in der Verfügungsgewalt der Eltern bleiben, was sich daran zeigt, dass diese die Darlehensrückzahlungen vereinnahmt und für sich verwendet haben. Die Abtretung geschah mithin lediglich "auf dem Papier". Dies war auch der Klin. klar, was sich daran zeigt, dass sie niemals versucht hat, die auf sie übertragenen Darlehensforderungen bzw. die ihr zustehenden Zinsen von der GmbH einzufordern. Derjenige, der nach außen hin ein Rechtsgeschäft vortäuscht, das nach den Absprachen im Innenverhältnis gar nicht tatsächlich durchgeführt werden soll, ist regelmäßig bösgläubig. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Scheinvertrag dazu dient, Vermögen vor dem Vollstreckungszugriff zu schützen und dieser Zweck – wie hier - offensichtlich ist. Es gibt keinen anderen nachvollziehbaren Grund dafür, sich Darlehensforderungen von über 500.000 DM lediglich zum Schein abtreten zu lassen.
82Auch der Umstand, dass die Klin. Ende 2004 offizielle Geschäftsführerin der C1. L. GmbH geworden ist, zeigt, dass sie uneingeschränkt bereit war, ihre Eltern auch bei fragwürdigen Maßnahmen zu unterstützen. Der Klin. war von vornherein klar, dass sie die Rolle der Geschäftsführerin lediglich als Strohfrau einnehmen sollte. Hierfür spricht zum einen, dass die Klin. in C2. lebte und sich deshalb schon aus räumlichen Gründen nur bedingt um die Geschäfte der in C. geschäftsansässigen GmbH hätte kümmern können, und zum anderen, dass sie die Rolle der Geschäftsführerin bis heute nicht eigenverantwortlich ausübt. Vielmehr ist es nach dem eigenen Vortrag der Klin. so, dass die Geschäfte von ihren Eltern geführt werden und sie lediglich vorbereitete Unterlagen unterschreibt. Als Grund für die Einsetzung als Geschäftsführerin verweist die Klin. darauf, dass ihr Vater "das nicht mehr habe machen dürfen". Damit gibt sie – zumindest indirekt – zu, dass ihr die Schwierigkeiten ihres Vaters bekannt waren. Spätestens seit Erlass des Haftungsbescheids vom 12.04.2005, der den Hinweis trägt, dass ihr Vater in gleicher Höhe in Haftung genommen worden sei, war der Klin. zudem positiv bekannt, dass ihr Vater Steuerschulden hatte.
83Zudem hatte die Klin. mitbekommen, dass ihre Schwester S1. das Grundstück T1.-Straße 01 gekauft hatte. Zwar mögen der Klin. die Einzelheiten des Verkaufs - insbesondere der Umstand, dass das Grundstück zur Zwangsversteigerung anstand - nicht bekannt gewesen sein. Dennoch drängt sich die Frage auf, warum jemand, der sich noch in Ausbildung befindet und keine ausreichenden finanziellen Mittel besitzt, ein Grundstück von einem Familienangehörigen kaufen sollte. Der Kommentar der Klin. zum Erörterungstermin, dass S1. ohnehin die einzige im Familienkreis gewesen sei, die einen Kredit bekommen würde, zeigt jedenfalls, dass der Klin. die schwierige finanzielle Situation ihrer Eltern bewusst war. Hierfür spricht auch, dass die Eltern ihre Immobilien in P. veräußern und in eine Mietwohnung umziehen mussten. Auch dies hatte die Klin. mitbekommen.
84Nicht als Indiz wertet es der Senat dagegen, dass auf dem vom Bekl. benannten Gerichtsvollzieherkonto Überweisungen eingegangen sind, die die Klin. und ihre Schwester als Auftraggeber benennen. Denn diese Angabe kann auch darauf beruhen, dass die Überweisungen vom streitgegenständlichen Konto erfolgt sind und die Bezeichnung der Kontoinhaber programmgesteuert beigefügt wurde. Eine tatsächliche Kenntnis der Klin. von den Vollziehungsmaßnahmen ist dadurch nicht bewiesen.
856. Die Rechtsfolgen der Anfechtung sind in § 11 AnfG geregelt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG muss dem Gläubiger das, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, zur Verfügung gestellt werden. Anknüpfungspunkt für die Anfechtung ist daher nicht das, was der Anfechtungsgegner erlangt hat (hier: Auszahlungsanspruch gegenüber der Bank), sondern das, was der Schuldner aus seinem Vermögen weggegeben hat. Dies waren im Streitfall die durch Einzahlung auf das Konto erloschenen Forderungen der Eltern gegen ihre Schuldner. Diese Forderungen können jedoch nicht zurückgewährt werden, sodass die Klin. Wertersatz zu leisten hat. Dieser besteht darin, dass sie verpflichtet ist, bis zur Höhe der erloschenen Forderungen Zahlungen auf die Steuerschulden zu leisten, die mit dem Duldungsanspruch verbunden sind.
86Auf Entreicherung kann sich die Klin. nicht berufen. Dieses Recht steht nach § 11 Abs. 2 AnfG nur dem gutgläubigen Empfänger einer unentgeltlichen Leistung zu. In allen übrigen Fällen gelten über § 11 Abs. 1 Satz 2 AnfG die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, entsprechend. Dies bedeutet u.a., dass der Anfechtungsgegner sich nicht nach § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung berufen kann, sondern nach §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB nach den allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts haftet. Im Streitfall geht es weder um die Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung noch war die Klin. - wie die Ausführungen unter 5) zeigen – gutgläubig. Damit kommt es auf die von ihr aufgeworfenen Entreicherungsfragen nicht an.
877. Von der Frage der Entreicherung ist die Frage zu unterscheiden, welche Rolle es spielt, dass die Eltern der Klin. im Einklang mit den Absprachen im Innenverhältnis über die von ihnen eingezahlten Gelder eigenhändig verfügt haben und die Klin. insoweit ihrer Pflicht zur Herausgabe der Gelder nachgekommen ist.
88a) Der BFH misst dem Umstand, dass dem Kontoinhaber nach den Vereinbarungen im Innenverhältnis kein eigenes Verfügungsrecht über die auf seinem Konto verwahrten Gelder zustehen soll und er gegenüber dem Vollstreckungsschuldner zur Herausgabe verpflichtet ist, - soweit erkennbar - keine besondere Bedeutung zu. In dem Verfahren VII B 282/99 (Beschluss vom 17.01.2000, BFH/NV 2000, 857), in dem es um die Einziehung von Forderungen über das Konto der Lebensgefährtin des Vollstreckungsschuldners ging, führte der BFH aus, dass es nicht darauf ankomme, ob die eingegangenen Gelder der Kontoinhaberin zu Gute gekommen seien. Denn die Art und Weise der späteren Verwendung der übertragenen Geldmittel könne nicht ungeschehen machen, dass den Gläubigern der Vollstreckungszugriff auf die dem Vollstreckungsschuldner ursprünglich zustehenden Forderungen durch dessen Verhalten vereitelt worden sei.
89b) Die zivilrechtliche Rechtsprechung lässt es dagegen zu, den Wertersatzanspruch in bestimmten Fällen der Nutzung von Fremdgeldkonten auf die Beträge zu begrenzen, die sich noch auf dem Konto befinden bzw. die dem Kontoinhaber zu Gute gekommen sind. Bejaht wird dies ausdrücklich bei Treuhandkonten (z.B. BGH, Urteil vom 09.12.1993 - IX ZR 100/93, NJW 1994, 726; OLG Celle 18.05.2006 - 13 U 120/03, DB 2006, 1784). Ein Treuhandverhältnis, aufgrund dessen das Guthaben dem Vermögen des Auftraggebers zuzurechnen ist, kommt grundsätzlich allerdings nur dann in Betracht, wenn die Einzahlungen auf ein ausschließlich zur Verwaltung von Fremdgeldern eingerichtetes und benutztes Sonderkonto erfolgt sind (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.1996 - IX ZR 151/95, NJW 1996, 1543; AG Düsseldorf, Urteil vom 11.02.2008 -28 C 11228/07, juris). Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht gegeben, da auf dem streitgegenständlichen Konto verschiedene Vermögenssphären vermischt wurden. Neben Geldern, die ausschließlich der Mutter der Klin. oder ausschließlich dem Vater der Klin. oder beiden zusammen zustanden, wurden auch Gelder der C1. L. GmbH eingezahlt sowie Gelder, die der Klin. zustanden. (Honorar Fa. F.). Die zu Treuhandverhältnissen entwickelte Rechtsprechung ist daher im Streitfall nicht unmittelbar anwendbar. Die dort genannten Argumente lassen es jedoch als möglich erscheinen, die Rechtsgrundsätze auch auf andere Rechtsverhältnisse auszuweiten, in denen der Kontoinhaber dem Vollstreckungsschuldner zur Herausgabe der von diesem auf das Konto geleiteten Beträge verpflichtet ist.
90c) Eine abschließende Entscheidung dieser Rechtsfrage ist im Streitfall nicht erforderlich. Denn selbst wenn man in Fortentwicklung der zivilrechtlichen Rechtsprechung davon ausgehen würde, dass der Kontoinhaber den von ihm zu leistenden Wertersatz auch bei Mischkonten auf die Beträge reduzieren kann, die sich noch auf dem Konto befinden bzw. die ihm zu Gute gekommen sind, verbliebe es im Streitfall bei dem bereits festgestellten Wertersatzanspruch von 42.134,54 €. Denn die Klin. hat nicht nachgewiesen, dass ihr von den anfechtbar eingegangenen Geldbeträgen nichts zu Gute gekommen ist. Es hätte eines substantiierten Vortrags zu jeder einzelnen angefochtenen Einzahlung und zu deren Verwendung bedurft. Die bloße Behauptung des Kontoinhabers, es sei ihm nichts zu Gute gekommen, reicht nicht aus, zumal eine derartige Behauptung im Streitfall auch nachweislich falsch wäre. Denn von dem streitgegenständlichen Konto wurde u.a. die Miete für die Wohnung der Klin. in C2. gezahlt. Auch ein bloßer Verweis auf die Kontoauszüge reicht nicht aus. Denn jedenfalls in den Fällen, in denen kein Treuhandkonto vorliegt, kann es nach der Auffassung des Senats nicht die Aufgabe des Anfechtungsgegners bzw. des Gerichts sein, die Kontoauszüge eigenständig nach etwaigen für den Anfechtungsgegner entlastenden Abbuchungen zu durchsuchen, sondern entsprechend der allgemeinen Beweislastregeln muss es dem Anfechtungsgegner obliegen, die Umstände nachzuweisen, die den dem Grunde nach entstandenen Wertersatzanspruch der Höhe nach zu seinen Gunsten einschränken (a.A. für Treuhandkonten BGH, Urteil vom 09.12.1993 - IX ZR 100/93, NJW 1994, 726). Hat es der Kontoinhaber hingenommen, dass auf seinem Konto mehrere Vermögenssphären vermischt werden, und lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit klären, welche Gelder wofür verwendet wurden, so geht dies zu seinen Lasten.
918. Die Ermessensentscheidung des Beklagten, die Klin. überhaupt durch Duldungsbescheid in Anspruch zu nehmen, ist nicht zu beanstanden. Das Vermögen ihrer Eltern als Vollstreckungsschuldner war für eine vollständige Befriedigung der Forderungen des Finanzamts unzulänglich. Das reicht grundsätzlich aus, um einen Anfechtungs- und Duldungsbescheid zu erlassen (vgl. BFH, Beschluss vom 28.05 2003 - VII B 106/03, BFH/NV 2003, 1146). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
929. Spätestens mit dem Erlass des ersetzenden Bescheids vom 19.07.2007 hat der Bekl. die Anfechtung auch formell ordnungsgemäß durch Duldungsbescheid i.S. des § 191 Abs. 1 AO geltend gemacht hat. Aus dem zuletzt ergangenen Duldungsbescheid lassen sich eindeutig Duldungspflichtiger und Steuerschuldner sowie die einzelnen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, für die eine Duldungspflicht besteht, gegliedert nach Art, Zeitraum und Höhe erkennen. Auch die angefochtenen Rechtshandlungen, die mit Datum und Betrag einzeln aufgelistet sind, sind hinreichend erkennbar.
9310. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Revision wurde zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).