Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
2Streitig ist, ob ein in den Vorjahren festgestellter Verlust aus einem privaten Veräußerungsgeschäft im Streitjahr verrechnungsfähig ist.
3Die Kläger (Kl.) sind Eheleute und werden seit Jahren gemeinsam zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.
4Im Jahr 2001 hatten die Kl. einen Verlust aus einem privaten Veräußerungsgeschäft in Höhe von ......... DM bzw. ......... € erzielt. Der Verlust wurde seitdem in allen Jahren jeweils auf den 31.12. als vortragsfähig festgestellt. Sonstige Einkünfte aus Veräußerungen waren nicht weiter angefallen. Eine Verrechnung mit anderen Einkünften war nicht erfolgt.
5Am 27.02.2009 ging beim Beklagten die ESt-Erklärung der Kl. für den Veranlagungszeitraum 2007 ein. Die Kl. erklärten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie Renten- und Kapitaleinkünfte. Der Beklagte setzte mit Bescheiden vom 04.05.2009 die ESt 2007 auf ........ € fest und stellte beim Kl. auf den 31.12.2007 erneut einen verbleibenden Verlustvortrag zur ESt nach § 10 d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von ......... € fest.
6Hiergegen haben die Kl. mit Schreiben vom 07.05.2009 Einspruch eingelegt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass sie eine Verrechnung des aus den Vorjahren festgestellten Verlustes bei der Festsetzung der ESt 2007 beantragen. Aufgrund ihres Alters seien Immobilienprojekte nicht mehr geplant. Aus diesem Grund hätten sie keine Möglichkeit mehr, den Verlust mit möglichen Gewinnen in der Zukunft zu verrechnen oder geltend zu machen. In diesem Zusammenhang haben sie auch auf Artikel 3 des Grundgesetzes hingewiesen.
7Der Beklagte hat mit Schreiben vom 18.05.2009 mitgeteilt, dass nach § 23 Abs. 3 in Verbindung mit § 10 d EStG Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften im aktuellen Jahr oder in den Folgejahren auszugleichen seien. Eine Verrechnung mit anderen Einkünften sei nach dem Gesetz nicht möglich.
8Die Kl. haben mit Schreiben vom 08.06.2009 mitgeteilt, dass sie ihre Einsprüche aufrecht erhalten. Sie wenden sich dagegen, dass Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur mit Gewinnen aus Geschäften gleicher Art verrechnet werden können. Eine Verrechnung sei bei ihnen damit praktisch ausgeschlossen, da sie aufgrund ihres Alters keine Gewinne in Form von Immobilien mehr produzieren wollten. Aufgrund einer Erkrankung des Kl. liege ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz vor.
9Der Beklagte hat mit Einspruchsentscheidung vom 26.06.2009 den Einspruch der Kl. als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass nach § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG in Verbindung mit § 10 b Abs. 4 EStG keine Verrechnung mit anderen Einkünften möglich sei, sondern nur die Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes für eine eventuelle Verrechnung mit späteren Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften. Der Beklagte hat weiter darauf hingewiesen, dass diese Regelung nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz verstoße. Er hat insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 29. November 2005 IX R 49/04, BFHE 201, 330, BStBl. II 2006, 178) sowie auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 9. Juli 1969 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 303, 307 ff.) und auf die Rechtsprechung der Finanzgerichte hingewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 26.06.2009 verwiesen, die sich in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen befindet.
10Mit ihrer am 26.07.2009 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgen die Kl. ihr Begehren weiter. Die Kl. wenden sich mit ihrer Klage gegen die Kernaussage, dass Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften im aktuellen oder in den folgenden Jahren auszugleichen sind. Um Gewinne in den folgenden Jahren erzielen zu können, müssten Möglichkeiten geschaffen werden, Gewinne – in diesem Fall aus Immobilien – zu erzielen. Und genau hier liege das Problem. Wie könnten sie in ihrem Alter von 65 bis 67 Jahren noch Gewinne erwirtschaften. Hinzu komme bei dem Ehemann eine Behinderung von 50 % aufgrund einer Krebserkrankung. Genau an dieser Stelle greife der Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz, nicht wie in der Einspruchsentscheidung vom 26.06.2009 aufgeführt, der Absatz 1. Die Kl. sind der Auffassung, dass das Grundgesetz über allen weiteren Gesetzen stehe, auch über den Steuergesetzen. Die Abweisung ihrer Klage würde gegen Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verstoßen, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden dürfe. Dies gelte auch auf das Alter bezogen.
11Die Kl. beantragen,
12den ESt-Bescheid 2007 vom 04.05.2009 und die Einspruchsentscheidung vom 26.06.2009 dahingehend zu ändern, dass eine Verrechnung des Verlustes aus privaten Veräußerungsgeschäft in Höhe von ......... € bei der ESt-Festsetzung 2007 steuermindernd berücksichtigt wird.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er ist der Auffassung, dass nach Gesetzeslage eine Verrechnung mit anderen Einkünften nicht möglich ist.
16Der Senat hat am 17. März 2011 in der Sache mündlich verhandelt; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die Klage ist unbegründet.
19Der ESt-Bescheid vom 04.05.2009 wegen ESt 2007 und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt auf den 31.12.2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 26.06.2009 sind rechtmäßig und verletzen die Kl. nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
20Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den aus den Vorjahren festgestellten Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von ...... € im Streitjahr 2007 mit anderen Einkünften der Kl. zu verrechnen.
21Gemäß § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG dürfen Verluste nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden; sie dürfen nicht nach § 10 d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10 d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeitraum aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Abs. 1 erzielt hat oder erzielt; § 10 d Abs. 4 EStG gilt entsprechend.
22Der Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG schließt einen solchen sogenannten vertikalen Verlustausgleich zwischen privaten Veräußerungsverlusten (im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG) und positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausdrücklich aus. Danach sind Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, auszugleichen, nicht aber nach § 10 d EStG abzuziehen. Sie mindern lediglich nach Maßgabe des § 10 d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Abs. 1 erzielt hat oder erzielt.
23Die Beschränkung des Verlustausgleichs bei privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG durch § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG ist verfassungsgemäß (siehe BFH-Urteil vom 18.10.2006 IX R 28/05, BFHE 215, 202, BStBl. II 2007, 259). Es liegt insbesondere kein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz vor.
24Ausgangspunkt für die verfassungsrechtliche Prüfung ist die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gegebene generelle Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der Fassung ab 1999 und damit auch für das Streitjahr 2007 (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 2005 IX R 49/04, BFHE 201, 330, BStBl. II 2006, 178; zur Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 EStG im Übrigen siehe auch Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 9. Juli 1969 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302, 307 ff.; vom 8. Oktober 1975, 1 BvR 141/75, HFR 1975, 581; vom 16. August 1977, I BvR 836/76, HFR 1977, 510).
25Des Weiteren hat der BFH zwischenzeitlich die Urteile der Finanzgerichte, die diese Regelung ebenfalls für verfassungsgemäß halten, bestätigt (siehe Finanzgericht Berlin, Urteil vom 22. Juni 2004 7 K 7000/02, EFG 2004, 1842 bestätigt durch BFH-Urteil vom 6. März 2007, IX R 31/04, BFH/NV 2007, 1478; Finanzgericht München, Urteil vom 22. Juli 2005, VIII K 4787/03, EFG 2006, 27, bestätigt durch BFH-Urteil vom 18. Oktober 2006, IX R 28/05, BFHE 215, 202, BStBl. II 2007, 259; Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 29. September 2005, 16 K 1483/03 E, bestätigt durch BFH-Urteil vom 18. September 2007 IX R 43/05, BFH/NV 2008, 40 und Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 29. September 2005, 16 K 4184/03 E, EFG 2006, 486, bestätigt durch Urteil des BFH vom 18. September 2007 IX R 42/05, BFHE 219, 81, BStBl. II 2008, 26). Dieser Rechtsprechung folgt auch der Senat.
26Der horizontale Verlustausgleich in § 23 Satz 7 und 8 EStG in Verbindung mit § 10 d EStG verstößt auch nicht gegen Artikel 3 Satz 3 Grundgesetz. Danach darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
27Die Kl. weisen zwar darauf hin, dass sie aufgrund ihres Alters und der Erkrankung des Kl. in der Zukunft keine Immobiliengeschäfte mehr abwickeln würden und deshalb voraussichtlich nicht mehr in den Genuss der Verrechnung des Verlustes mit Veräußerungsgewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften kommen würden. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Kl. seit 2001 den Verlust vor sich hertragen und nicht zur Verrechnung bringen konnten. Gleichwohl braucht der Gesetzgeber nicht dahingehend differenzierend Regelungen zu treffen, dass eine etwa entgegenstehende Erkrankung oder ein hohes Alters Anlass für eine weitere Differenzierung im Gesetz sein sollte. Der Senat sieht jedenfalls in der gültigen Regelung keine generelle Benachteiligung kranker oder alter Menschen. Vielmehr haben die Regelung und die eingeschränkte Verrechenbarkeit ihren speziellen Grund in der Abwicklung von Veräußerungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Erwerb des später veräußerten Objektes geknüpft. Veräußerungen außerhalb dieses Zeitraums mit oder ohne Realisierung von Wertsteigerungen sollen danach – anders als bei den Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 Nr. 1, §§ 4 ff. EStG) – grundsätzlich nicht steuerbar sein (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl. II 2004, 284 mit weiteren Nachweisen); nur die innerhalb der Fristen des § 23 Abs. 1 EStG durch Veräußerung realisierten Wertveränderungen werden der ESt unterworfen.
28Der Bundesfinanzhof sieht darin die Möglichkeit, durch die Wahl des Veräußerungszeitpunkts über den Eintritt des Steuertatbestandes zu entscheiden und damit sein Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz in An- spruch nehmen zu können (siehe BFH-Urteil vom 18. Oktober 2006, IX R 28/05, BFHE 215, 202, BStBl. II 2007, 259). Diese Regelung knüpft somit nach Ansicht des Senats an die einkommensspezifischen Besonderheiten an und diskriminiert damit nicht das Alter oder kranke bzw. behinderte Menschen.
29Die Kl. lassen zudem außer Acht, dass weder ein hohes Alter noch eine Behinderung/Erkrankung den Kauf und Verkauf von Grundstücken unmöglich machen. Insbesondere steht der Eintritt in das Rentenalter dem Erzielen von privaten Veräußerungsgewinnen nicht entgegen, zumal Spekulationsgewinne – anders als oftmals Gewinne anderer Einkunftsarten – auch innerhalb kürzester Zeiten erzielt werden können und deshalb keine lange Lebensspanne voraussetzen. Der Entschluss, derartige Geschäfte nicht mehr vorzunehmen, ist mithin nicht eine zwangsläufige Folge von Alter/Krankheit, sondern beruht auf einer freien Willensentscheidung der Kl. Dies tragen die Kl. letztlich selbst vor, wenn sie darauf hinweisen, dass sie keine Immobilienprojekte mehr geplant hätten (s. Einspruchsschreiben vom 07.05.2009). Der Streitfall entscheidet sich damit nicht wesentlich von den Fällen, in denen ein junger und gesunder Mensch keine Grundstücke (mehr) kaufen möchte oder mangels finanzieller Mittel nicht (mehr) kaufen kann. Die Entscheidung des Gesetzgebers, dass Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur mit Gewinnen gleicher Art verrechnet werden können, gilt für alle Fallgruppen gleichermaßen und würde unterlaufen, wenn auf die unverbindlichen Planungen des Steuerpflichtigen abgestellt würde.
30Ist hiernach im Streitjahr 2007 eine Verrechnung des in den Vorjahren festgestellten Verlustes aus privaten Veräußerungsgeschäften mit den anderen in diesem Jahr erzielten Einkünften nicht zulässig, ist der Verlust – wie mit dem Bescheid vom 04.05.2009 geschehen – weiterhin als verbleibender Verlustvortrag zur ESt auf den 31.12.2007 gesondert festzustellen.
31Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.