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Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens tragen die Erinnerungsführer. Gerichtskosten werden nicht erhoben
Gründe
2I.
3Im Klageverfahren 9 K 3390/07 haben die Beteiligten nach der Zusage einer Teilabhilfe durch das Finanzamt (FA) noch während des vorbereitenden Verfahrens den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Daraufhin hat der Berichterstatter mit Beschluss vom 3. November 2009 die Kosten des Verfahrens zu 69% dem FA und zu 31% den Klägern und Erinnerungsführern (Erinnerungsführer) auferlegt.
4In ihrem Kostenfestsetzungsantrag haben die Erinnerungsführer die Erledigungsgebühr nach Nr. 1004 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) nach einem Satz von 1,3 bemessen. Der Urkundsbeamte hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. Januar 2010 nur einen Satz von 1,0 (Nr. 1002 VV-RVG) zugrunde gelegt, die zu erstattenden Kosten auf 4.230,06 EUR festgesetzt und den darüber hinaus gehenden Kostenfestsetzungsantrag abgelehnt.
5Mit ihrer fristgerecht eingegangenen Erinnerung begehren die Erinnerungsführer weiterhin, die Erledigungsgebühr nach einem Satz von 1,3 zu bemessen. Sie sind der Auffassung, das finanzgerichtliche Verfahren sei als Berufungsverfahren im Sinne dieses Gebührentatbestands anzusehen. Ferner sind sie der Auffassung, dass nicht der Berichterstatter, sondern der Senat über die Erinnerung zu entscheiden hat.
6Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
7II.
8Für die Entscheidung über die Erinnerung ist gemäß § 79a Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 4 FGO nicht der Senat, sondern der Berichterstatter zuständig.
9Zwar enthält § 149 FGO für Erinnerungen gegen die Festsetzung des Kostenerstattungsanspruchs - anders als § 66 des Gerichtskostengesetzes (GKG) für Erinnerungen gegen den Ansatz der Gerichtskosten - keine ausdrückliche Zuweisung an den Einzelrichter.
10Die gesetzliche Zuständigkeit des Berichterstatters für die Entscheidung über Kosten (§ 79a Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 4 FGO) erstreckt sich jedoch auch auf die Entscheidung über Erinnerungen, sofern die Kostenentscheidung im vorbereitenden Verfahren durch den Berichterstatter getroffen worden ist. Dies war hier der Fall.
11Zur Begründung verweist das Gericht auf die ausführlich begründeten Beschlüsse des FG des Saarlandes vom 29. Juli 1994 2 S 69/94 (EFG 1995, 379) und des FG Düsseldorf vom 7. Februar 2001 14 Ko 583/01 (DStRE 2001, 1131). Dabei ist insbesondere hervorzuheben, dass nach der Gegenauffassung für die Zuständigkeitsvorschrift des § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO (Entscheidung "über Kosten") kein eigener Anwendungsbereich verbliebe, da die Kostengrundentscheidung in Fällen der Klagerücknahme bzw. Hauptsacheerledigung bereits unter § 79a Abs. 1 Nr. 2 oder 3 FGO fiele. Dies entspricht auch der ganz herrschenden Meinung in Finanzgerichtsbarkeit und Literatur (vgl. nur die Beschlüsse des FG Baden-Württemberg vom 1. Juni 1993 6 Ko 3/92, EFG 1994, 52; vom 7. Januar 1994 6 Ko 6/92, EFG 1994, 669, und vom 27. August 2007 8 Ko 1/07, EFG 2007, 1972, unter V.; FG Münster, Beschluss vom 21. April 1994 6 Ko 6774/93, EFG 1994, 671; Seer in Tipke/Kruse, § 79a FGO Tz. 11, Stand Februar 2009; Brandis in Tipke/Kruse, § 149 FGO Tz. 21, Stand Januar 2010; Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 79a FGO Rz. 82, Stand Juni 2009).
12Dieser instanzgerichtlichen Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit hat sich - zur Parallelvorschrift des § 87a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) angeschlossen (BVerwG-Beschluss vom 13. März 1995 4 A 1/92, NJW 1995, 2179, unter II.1.).
13Zum Parallelproblem der Zuständigkeit für Erinnerungen gegen Gerichtskostenfestsetzungen (vor Schaffung der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 66 GKG) wurde von der überwiegenden Meinung zudem dieselbe Auffassung vertreten (vgl. FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Dezember 1993 6 Ko 12/93, EFG 1994, 668; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Januar 1996 6 Ko 5/94, EFG 1996, 560; Niedersächsisches FG, Beschluss vom 9. Februar 2001 2 Ko 16/99, EFG 2001, 654).
14Der Senat ist nur dann zuständig, wenn die Kostenentscheidung nicht im vorbereitenden Verfahren ergeht, d.h. insbesondere dann, wenn bereits die Kostengrundentscheidung in einem Senatsbeschluss enthalten war (vgl. hierzu FG Münster, Beschluss vom 7. November 2002 15 Ko 4204/02, EFG 2003, 345).
15Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung teilweise die Gegenauffassung vertreten wird (FG Bremen, Beschluss vom 15. Dezember 1994 2 94.238 E2, EFG 1995, 381; FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. Mai 2006 4 Ko 269/06, EFG 2006, 1344; Gräber/Koch, FGO, 6. Auflage 2006, § 79a Rn. 15; Just, DStR 2008, Beihefter zu Heft 40, 77), vermag das Gericht dem aus den genannten Gründen nicht zu folgen. Weitere in diesem Zusammenhang genannte Entscheidungen, in denen scheinbar die Gegenauffassung vertreten wird, sind im Streitfall schon deshalb nicht einschlägig, weil in den dortigen Fällen entweder bereits die Kostengrundentscheidung durch den Senat getroffen worden war (FG Bremen, Beschluss vom 3. November 1993 2 93.079 E2, EFG 1994, 162; FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. September 1995 II 1/95 Ko, EFG 1996, 149), oder weil die Entscheidungen Erinnerungen nach dem GKG vor Inkrafttreten des § 66 GKG betrafen (FG Bremen, Beschluss vom 8. Dezember 1993 2 93.322 E2, EFG 1994, 305).
16III.
17Die Erinnerung ist unbegründet. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtmäßig.
181. Nach Nr. 1004 VV-RVG beläuft sich der Satz der Erledigungsgebühr auf 1,3, wenn über den Gegenstand ein Berufungs- oder Revisionsverfahren anhängig ist. Ist hingegen "ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren" anhängig, beträgt der Gebührensatz 1,0 (Nr. 1003 VV-RVG).
19Das erstinstanzliche finanzgerichtliche Verfahren ist weder ein Berufungs- noch ein Revisionsverfahren. Vielmehr werden beim FG "Klagen" angebracht (vgl. §§ 40, 41, 45, 46 FGO). Die Voraussetzungen der Nr. 1004 VV-RVG sind daher nach dem klaren Wortlaut dieser Norm nicht erfüllt.
202. Nichts anderes folgt aus der Systematik der vergütungsrechtlichen Vorschriften.
21Nach Abs. 1 Nr. 1 der Vorbemerkung 3.2.1 VV-RVG ist der - grundsätzlich nur für Berufungen geltende - Unterabschnitt 1 des Abschnitts 2 des Teils 3 des VV-RVG auch in Verfahren vor dem FG anzuwenden. Diese Vorbemerkung zeigt, dass der Gesetzgeber für die vergütungsrechtliche Gleichstellung des Klageverfahrens vor dem FG mit einem Berufungsverfahren eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für erforderlich gehalten hat.
22Dass der Gesetzgeber für die im Unterabschnitt 3.2.1 genannten Gebühren eine solche ausdrückliche Regelung getroffen hat, in Teil 1 des VV-RVG hingegen nicht, zeigt, dass er für den Teil 1 des VV-RVG keine Gleichstellung des finanzgerichtlichen Verfahrens mit einem Berufungsverfahren wollte.
23Zwar ist den Erinnerungsführern zuzugeben, dass nach der hier vertretenen Auffassung für unstreitige Erledigungen andere Grundsätze gelten als für die Verfahrens- und Terminsgebühren. Indes wäre eine Erweiterung der Nr. 1004 VV-RVG angesichts des klaren Wortlauts der vergütungsrechtlichen Regelungen nach Auffassung des Gerichts Sache des Gesetzgebers.
24Soweit die Erinnerungsführer darauf verweisen, dass Richter am Finanzgericht nach denselben Grundsätzen besoldet werden wie Richter an Berufungsgerichten, kann dies der Erinnerung ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Die Besoldungsregelungen für das richterliche Justizpersonal einerseits und die Vergütungsregelungen für Beteiligtenvertreter andererseits sind zu unterschiedlich ausgestaltet, um aus Normen, die für den einen Regelungsbereich gelten, Rückschlüsse für die Auslegung von Normen des anderen Regelungsbereichs ziehen zu können. So ist wesentliches Element der Bemessung der Gebühren der Beteiligtenvertreter der Gegenstandswert der Sache. Dieser ist für die Höhe der Richterbesoldung hingegen ohne jede Bedeutung. Dafür ist die Richterbesoldung entscheidend von persönlichen Merkmalen wie Alter, Familienstand oder der Anzahl der Kinder abhängig. Derartige Merkmale sind wiederum für die Höhe der Vergütung eines Prozessbevollmächtigten ohne Belang.
253. Der von den Erinnerungsführern zitierte Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 26. November 2007 6 Ko 2195/07, EFG 2008, 409 (ebenso FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Dezember 2006 8 Ko 11/06, Jur Büro 2007, 198) begründet seine abweichende Auffassung allein mit einem Verweis auf die Gesetzesmaterialien (fraktionsübergreifender Gesetzentwurf vom 11. November 2003, Bundestags-Drucksache 15/1971, 213).
26Diese Ausführungen in den Gesetzesmaterialien beziehen sich aber ausschließlich auf die - unter 2. bereits angesprochene - Vorbemerkung 3.2.1 VV-RVG, nicht jedoch auf die hier allein interessierende Frage der Auslegung der Nr. 1004 VV-RVG. Die Begründung des Gesetzentwurfs zu Nr. 1004 VV-RVG (Bundestags-Drucksache 15/1971, 204 f.) lässt hingegen nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber auch hier die Gleichstellung des finanzgerichtlichen Verfahrens mit einem Berufungsverfahren wollte. Im Gegenteil nimmt die Entwurfsbegründung dort ausdrücklich eine Abgrenzung zu Verfahren "in der ersten Instanz" vor.
274. Dass der Kostenfestsetzungsbeschluss aus sonstigen Gründen unrichtig sein könnte, wird weder von den Erinnerungsführern vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
285. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gerichtskosten sind in Ermangelung eines gesetzlichen Gebührentatbestands nicht zu erheben.