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Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
I.
2Streitig ist die ernstliche Zweifelhaftigkeit der Nichtanwendung von § 3 Nr. 5 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) auf Übertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils zwischen den Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
3Die Antragstellerin (Astin.) war mit Frau J am 11.05.2004 vor dem Standesbeamten in K die Lebenspartnerschaft eingegangen. Mit Urteil des Amtsgerichts I vom 20.11.2007 Az.: ... F .../07 ist die Lebenspartnerschaft aufgehoben worden. Mit notarieller Urkunde vom 06.07.2009 (UR-Nr. .../09 Notar Dr. M in I) übertrug Frau J ihren hälftigen Anteil der im Grundbuch von I des Amtsgerichts I Blatt ... eingetragene Eigentumswohnung, Gemarkung I, Flur ..., Flurstück ... verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im 6. Obergeschoss Haus ..., Nr. ... im Aufteilungsplan, auf die Astin. Diese übernahm als Gegenleistung sämtliche im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechte der Sparkasse I. Wegen des Wortlauts wird auf den notariellen Vertrag vom 06.07.2009 Bezug genommen.
4Der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) setzte mit Bescheid vom 22.10.2009 Grunderwerbsteuer (GrESt) in Höhe von 827 EUR ausgehend von einem Wert der steuerlichen Gegenleistung in Höhe von 23.648 EUR entsprechend dem anteiligen Wert der übernommenen Hypothek fest.
5Mit dem dagegen eingelegten Einspruch vom 20.11.2009 machte die Astin. geltend, die Nichtanwendung von § 3 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG verstoße gegen Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) und berief sich hierzu auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2009, 1 BvR 1164/07 (Der Betrieb - DB – 2009, 2441).
6Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des GrESt-Bescheides vom 22.10.2009 wurde vom FA am 25.11.2009 abgelehnt.
7Mit dem Antrag auf AdV beim Finanzgericht (FG) gemäß § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) macht die Astin. wie im Einspruchsverfahren, das noch nicht abgeschlossen ist, geltend, die Übertragung mit dem notariellen Vertrag vom 06.07.2009 sei im Wege der Auseinandersetzung der Lebenspartnerschaft erfolgt. Die Nichtanwendung von § 3 Nr. 5 GrESt sei deshalb verfassungswidrig. Im ursprünglichen Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften vom 16.02.2001, das am 01.08.2001 in Kraft getreten ist (Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG -), seien Lebenspartnerschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern rechtlich anerkannt. Sowohl in dem ursprünglichen Gesetzentwurf als auch im Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 01.01.2005 seien die im ersten Gesetzentwurf enthaltenen und dann dem Entwurf eines Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes zugewiesenen Regelungen, insbesondere die darin vorgesehenen Änderungen des § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG nicht verwirklicht worden. Nach der Entscheidung des BVerfG in DB 2009, 2441 verbiete sich auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten werde. Die Anforderungen seien nach dieser Entscheidung bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen umso strenger, je größer die Gefahr sei, dass eine Anknüpfung an Persönlichkeitsmerkmale, die mit denen des Art. 3 Abs. 3 GG vergleichbar sind, zur Diskriminierung einer Minderheit führte, wie dies bei der sexuellen Orientierung der Fall sei. Insoweit sei der Begünstigungsausschluss von Lebenspartnerschaften im Gegensatz zur Ehe in § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG verfassungswidrig.
8Nachdem die Astin. zur Erlangung der Unbedenklichkeitsbescheinigung die festgesetzte GrESt beglichen hat, beantragt sie,
9die Vollziehung des GrESt-Bescheides vom 22.10.2009 aufzuheben.
10Das FA beantragt,
11den Antrag zurückzuweisen.
12Es führt aus, die Befreiungsvorschrift von § 3 Nr. 5 GrEStG sei mangels wirksamer Eheschließung nicht anwendbar. Der Begriff "Ehegatte" könne nur im Sinne eines Partners einer Ehe des bürgerlichen Rechts verstanden werden. Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft seien daher nicht begünstigt. Daran ändere auch das LPartG nichts. Ferner beruft sich das FA auf das Urteil des BVerfG vom 17.07.2002, 1 BvF 1, 2/01 (Entscheidungen des BVerfG - BVerfGE - 105, 313). Dort habe dieses entschieden, der Gesetzgeber könne den eingetragenen Lebenspartnern dieselben Vergünstigungen einräumen wie Ehegatten, müsse dies aber nicht tun. Im Übrigen gehe das BVerfG in diesem Beschluss hinsichtlich der steuerlichen Folgen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ausdrücklich von einer getrennten Ausgestaltung im 2. Gesetz aus und nicht davon, dass es eines solchen nicht bedürfe, weil sich die Angleichung an die steuerrechtlichen Folgen einer Ehe bereits aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ergebe. Auch aus Art. 3 Abs. 3 GG könne die Pflicht des Gesetzgebers, die eingetragenen Lebenspartner grundsätzlich steuerrechtlich den Ehegatten gleichzustellen, nicht hergeleitet werden (Hinweis auf BFH-Urteil vom 01.02.2007 II R 43/05, nv. – Verfassungsbeschwerde anhängig 1 BvR 611/07 - und vom 20.06.2007 II R 56/05, BStBl. II 2007, 649). Ferner ist das FA der Auffassung, dass der von der Astin. angeführte Beschluss in DB 2009, 2441 nicht einschlägig sei, da dieser zur Hinterbliebenenversorgung von Lebenspartnern ergangen ist.
13II.
14Der Antrag ist unbegründet.
15Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass die GrESt-Befreiung für die Astin. bei Anwendung der derzeit geltenden Fassung von § 3 Nr. 5 GrEStG nicht in Betracht kommt. Das nach den besonderen Umständen des Streitfalls erforderliche besondere Aussetzungsinteresse liegt nicht vor. Auf die Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen GrESt-Bescheides im Sinne von § 69 Abs. 3 Satz 1 Abs. 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO bestehen, kommt es daher nicht an.
16Grundsätzlich ist bei Bestehen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts die Vollziehung auszusetzen oder aufzuheben. Nur in besonderen Ausnahmenfällen kann trotz Vorliegens solcher Zweifel die AdV abgelehnt werden (vgl. Beschluss des BFH vom 01.04.2010 II B 168/09, BFH/NV 2010, 1033 m. w. N.).
17Bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts in besonderen, atypischen Fällen, insbesondere wenn sich die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts aus Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift ergeben, ist die Gewährung der AdV zwar nicht ausgeschlossen, sie setzt jedoch nach der Rechtsprechung des BFH wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Ast. an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes voraus (vgl. BFH in BFH/NV 2010, 1033 m. w. N.). Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung von AdV sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer AdV hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an. Das Gewicht der ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betroffenen Vorschrift ist bei dieser Abwägung nicht von ausschlaggebender Bedeutung (vgl. BFH in BFH/NV 2010, 1033). Die Anwendung des § 69 FGO in dieser Weise wird vom BVerfG nicht beanstandet (vgl. BVerfG-Beschluss vom 03.04.1992 2 BvR 283/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1992, 726). Nach dem Beschluss des BFH in BFH/NV 2010, 1033 besteht z. B. ein besonderes Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen mit Vorrang vor den öffentlichen Interessen, wenn irreparable Nachteile durch den sofortigen Vollzug zu befürchten sind.
18Wegen des verhältnismäßig geringen streitigen Betrages von 827 EUR, der in der Zwischenzeit von der Astin. bereits bezahlt worden ist, scheidet das besondere Aussetzungsinteresse wegen zu befürchtender irreparabler Nachteile durch den sofortigen Vollzug aus. Der BFH hatte in der Entscheidung in BFH/NV 2010, 1033 die Entrichtung einer Erbschaftsteuer in Höhe von 4.590 EUR, die lediglich knapp 20 v. H. des dem Steuerpflichtigen des Verfahrens zugewendeten Geldbetrags betrug, als ohne weiteres zumutbar bezeichnet.
19Der Senat sieht kein besonderes Aussetzungsinteresse der Astin. gegenüber dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG bestehenden Geltungsanspruch der § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG als formell verfassungsgemäß zustande gekommenes Gesetz, da die AdV des GrESt-Bescheides im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung dieser Vorschriften führt und demgegenüber die Schwere des durch die weitere Vollziehung des angefochtenen Bescheides im Einzelfall bei der Ast. als eher gering einzustufen ist sowie der Vollzug keine dauerhaft nachteilige Wirkung hat.
20Zu berücksichtigen ist auch, dass letztlich die vorläufige Nichtanwendung zahlreicher steuerrechtlicher Begünstigungen der Ehe nicht nur im GrEStG, sondern auch im Bereich der Einkommens- und Erbschaftsteuer zumindest mittelbar betroffen sind.
21Das besondere Aussetzungsinteresse ist auch nicht deshalb gegeben, weil das BVerfG bereits eine ähnliche Vorschrift für nichtig erklärt hat (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1033 und vom 15.12.2000 IX B 128/99, BStBl. II 2001, 411). Eine solche Entscheidung kann nicht in der des BVerfG in DB 2009, 2441 gesehen werden. Zwar hat das BVerfG dort in der Ungleichbehandlung der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar angesehen, es handelt sich dabei aber um die Beurteilung der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), der kein Gesetzesrang zukommt. Allerdings verkennt der Senat nicht, dass die Ausführungen des BVerfG in dieser Entscheidung Zweifel begründen an der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Mitgliedern einer eigengetragenen Lebenspartnerschaft auch von steuerlichen Vergünstigungen, die Ehegatten gewährt werden, weil die darin liegende Diskriminierung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe nicht mit bloßem Verweis auf Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden darf. Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG erfordert es nicht, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen. Danach ist es verfassungsrechtlich nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften mit Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind. Insofern bedarf es eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und –ziel die Benachteiligung anderer Lebensformen rechtfertigt (vgl. BVerfG in DB 2009, 2441, Tz. 105). Zweifel dieser Art könnten nach weiterer Prüfung eine Vorlage an das BVerfG im Klageverfahren der Hauptsache nach Art. 100 Abs. 1 GG, die für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes durch das BVerfG vorgesehen ist, rechtfertigen.
22Schließlich hält der Senat eine Aufhebung der Vollziehung nicht für geboten, weil das BVerfG mit der Entscheidung in BVerfGE 105, 313 bereits mit der besonderen verfassungsrechtlichen Problematik der Regelungen des Rechts der eingetragenen Lebenspartnerschaft, insbesondere der Teilung des ursprünglichen Gesetzentwurfs in ein zustimmungsfreies Gesetz, das als LPartG in Kraft getreten ist und in das Gesetz zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftgesetzes und anderer Gesetze (Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz – LPartGErgG), das u. a. auch die jetzt streitige grunderwerbsteuerliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe vorsah. Dieses Gesetz hat die erforderliche Zustimmung im Bundesrat nicht gefunden (Sitzung des Bundesrats vom 01.12.2000, Unterrichtung durch den Bundesrat, Bundestagsdrucksache 14/4875) und ist deshalb nicht in Kraft getreten. Dabei hat das BVerfG bereits im Urteil in BVerfGE 105, 313, 356 erkannt, dass es wegen des Nichtinkrafttretens des LPartErgG und der daraus folgenden steuerlichen Ungleichbehandlung gegen-über Ehegatten zu Benachteiligungen von Steuerpflichtigen, die in einer eingetragene Lebenspartnerschaft leben, kommen kann. Da das LPartG Unterhaltsverpflichtungen für Lebenspartner normiert, die dadurch entstehenden Unterhaltslasten jedoch nicht wie vorgesehen steuerlich begünstigt worden sind, stellte sich schon für das BVerfG in BVerfGE 105, 356 die Frage, ob die wirtschaftliche Belastung von unterhaltspflichtigen Lebenspartnern eine Änderung des Rechtszustands bewirkt haben könnte, der diese Belastung einkommensteuerlich gleichheitswidrig außer Betracht lässt. Das BVerfG hat die Entlastung nach § 33 a EStG jedoch –damals- als Regelung angesehen, die in ausreichendem Maße den Unterhaltsanspruch eines Lebenspartners einkommensteuermindernd berücksichtigt.
23Schließlich sieht sich der Senat auch deshalb nicht zu einer AdV veranlasst, weil bisher nicht weiter dargelegt und anscheinend auch nicht geprüft worden ist, ob im Streitfall die Voraussetzungen von § 3 Nr. 5 GrEStG überhaupt vorlägen, wenn es sich um eine Übertragung zwischen geschiedenen Ehegatten gehandelt hätte. Im Hauptsacheverfahren sollte daher (vorsorglich) festgestellt werden, ob der Grundstückserwerb im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Aufhebung der Lebenspartnerschaft erfolgt ist. Die notarielle Urkunde gibt, anders als von der Astin. vorgetragen, keinen ausdrücklichen Hinweis darauf.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Unanfechtbarkeit folgt aus § 128 Abs. 3 FGO.