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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes.
3Die Klägerin (Klin.) ist Eigentümerin des Grundstücks M-weg ... in C, das mit einem im Jahr 2001 fertig gestellten Einfamilienhaus bebaut ist. Einige Räume des Hauses vermietete sie mit Mietvertrag vom 30. Juli 2001 an ihren Ehemann, der dort seitdem eine Steuerberaterpraxis betreibt. Im Übrigen wird das Gebäude von den Eheleuten zu Wohnzwecken genutzt. Die vermieteten Räume machen 27,96% der Gesamtfläche des Einfamilienhauses aus.
4Die Klin. ordnete das Grundstück in vollem Umfang ihrem Unternehmensvermögen zu und nahm den gesamten Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes (284.080,55 € x 16% = 45.452,89 €) in Anspruch.
5In ihrer am 27. Juli 2006 beim Beklagten (Bekl.) eingegangenen Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2004 gab die Klin. sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Höhe von 4.099,- € an. Diesen Betrag errechnete sie mit 2% der auf den privat genutzten Teil des Gebäudes (72,04% von 284.080,55 € = 204.651,63 €) entfallenden mit Vorsteuerabzug belasteten Herstellungskosten. Die Umsatzsteuererklärung ergab eine festzusetzende Steuer in Höhe von 964,38 €.
6Mit Änderungsbescheid vom 15. August 2006 erhöhte der Bekl. die Umsatzsteuerfestsetzung auf 3.736,06 €. Dabei berücksichtigte er eine auf die Gebäudenutzung entfallende unentgeltliche Wertabgabe in Höhe von 204.651,63 € x 10% = 20.465,16 € sowie weitere auf Nebenkosten (Wasser, Strom und Heizung) entfallende Beträge.
7Am 15. September 2006 legte die Klin. Einspruch ein, mit dem sie eine Berechnung der unentgeltlichen Wertabgabe mit 2% begehrte und sich gegen die Höhe des Ansatzes der auf die Nebenkosten entfallenden unentgeltlichen Wertabgabe wendete. Nachdem der Bekl. die Umsatzsteuerfestsetzung mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 auf 3.714,07 € herabgesetzt hatte, war die Höhe des Ansatzes der Nebenkosten nicht mehr streitig. Mit Änderungsbescheid vom 11. Oktober 2007 setzte der Bekl. die Umsatzsteuer auf 2.404,31 € fest. Die unentgeltliche Wertabgabe wurde in diesem Bescheid mit 12.279,- € berücksichtigt. Dabei half der Bekl. dem Begehren der Klin. insoweit ab, als er die auf die Monate Januar bis Juni 2004 entfallende unentgeltliche Wertabgabe mit 2% der anteiligen Herstellungskosten berechnete. Für die übrigen Zeiträume blieb es bei der bisherigen Berechnung.
8Mit Einspruchsentscheidung vom 11. August 2008 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Die Berechnung der unentgeltlichen Wertabgabe sei nach der Änderung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG durch das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (EURLUmsG) vom 9. Dezember 2004 mit Wirkung ab dem 1. Juli 2004 mit 10% der mit Vorsteuerabzug belasteten Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzunehmen. Im Gegensatz zu den früheren Zeiträumen gebe es ab diesem Zeitpunkt keine rechtliche Grundlage für den Ansatz der ertragsteuerlichen Abschreibung in Höhe von 2%.
9Die Klin. hat am 12. September 2008 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, die Gesetzesänderung stelle in Bezug auf den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 14. Dezember 2004 eine unzulässige Rückwirkung dar, da der Tatbestand der Privatnutzung insoweit vor der Veröffentlichung der Gesetzesänderung am 15. Dezember 2004 verwirklicht worden sei.
10Die Klin. beantragt (Bl. 20, 52 GA),
11den Umsatzsteueränderungsbescheid 2004 vom 15. August 2006, geändert durch Bescheide vom 23. Oktober 2006 und vom 11. Oktober 2007, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. August 2008, dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer hinsichtlich der unentgeltlichen Wertabgabe dergestalt berechnet wird, dass für die Zeit vom 1.1.2004 bis 14.12.2004 2% und für die Zeit ab 15.12.2004 10% der vorsteuerbelasteten Herstellungskosten berücksichtigt werden.
12Der Bekl. beantragt (Bl. 27 GA),
13die Klage abzuweisen.
14Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung. Die Gesetzesänderung beinhalte keine unzulässige Rückwirkung, da bereits seit dem 13. April 2004 kein Vertrauensschutz mehr bestanden habe. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) habe bereits in seinem Schreiben vom 13. April 2004 die Meinung vertreten, dass der Begriff der "Kosten" in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG in der bis zum 30. Juni 2004 gültigen Fassung (UStG a. F.) dahingehend auszulegen sei, dass Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht auf den ertragsteuerlichen Abschreibungszeitraum, sondern auf den nach § 15a UStG maßgeblichen Berichtigungszeitraum zu verteilen seien.
15In der Sache hat am 12. November 2009 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter stattgefunden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen. Der Bekl. hat im Erörterungstermin und die Klin. hat mit Schriftsatz vom 15. Januar 2010 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
16Entscheidungsgründe
17Die zulässige Klage ist unbegründet.
18Der geänderte Umsatzsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klin. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung, FGO). Der Bekl. hat die private Nutzung des Einfamilienhauses für das Streitjahr 2004 zutreffend als steuerpflichtigen Umsatz in Höhe von 12.279,- € erfasst.
19Soweit ein Teil des vollständig dem Unternehmen der Klin. zugeordneten Einfamilienhauses (72,04%) zu Wohnzwecken genutzt wird, liegt eine Verwendung eines Gegenstandes vor, die gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt ist.
20Der Bekl. ist zutreffend für die Bemessung der unentgeltlichen Wertabgabe für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2004 von 2% der auf den privat genutzten Teil entfallenden vorsteuerbelasteten Herstellungskosten des Gebäudes und für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2004 von 10% dieser Herstellungskosten ausgegangen.
21Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a. F. ist eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, zu bemessen. Soweit Kosten im Sinne dieser Vorschrift Herstellungskosten eines Gebäudes darstellen, sind diese für bis zum 30. Juni 2004 ausgeführte Umsätze nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf 50 Jahre zu verteilen (BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 56/04, BStBl II 2007, 676). Insoweit ist die vom Bekl. vorgenommene Berechnung zwischen den Beteiligten unstreitig.
22Für nach dem 30. Juni 2004 ausgeführte Umsätze sind die Herstellungskosten nicht auf 50, sondern auf 10 Jahre zu verteilen. Dies ergibt sich aus § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 UStG in der durch Art. 5 Nr. 7 a) EURLUmsG vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310, 3319) geänderten Fassung, nach der Anschaffungs- und Herstellungskosten ab 500,- € gleichmäßig auf den maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG zu verteilen sind. Dieser Berichtigungszeitraum beträgt für Grundstücke einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile (z. B. Gebäude, § 94 des Bürgerlichen Gesetzbuches) 10 Jahre (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG). Die Neuregelung ist nach Art. 22 Abs. 3 EURLUmsG (BGBl. I 2004, 3310, 3330) mit Wirkung vom 1. Juli 2004 in Kraft getreten.
23Die gesetzliche Anordnung der Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) folgende Rückwirkungsverbot vor.
24Nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschlüsse vom 22. März 1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, 353, und vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BB 1986, 1421) entfaltet eine Rechtsnorm Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, d. h. gültig geworden ist. Dabei betrifft der zeitliche Anwendungsbereich einer Norm, wie er vom BVerfG verstanden wird, allein die zeitliche Zuordnung der normativ angeordneten Rechtsfolgen im Hinblick auf den Zeitpunkt der Verkündung der Norm. Gefragt wird danach, ob diese Rechtsfolgen für einen bestimmten, vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten sollen (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) oder ob dies für einen nach oder mit der Verkündung beginnenden Zeitraum geschehen soll. Während die Rechtsfolgen bei der veranlagten Einkommensteuer in der Regel erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums eintreten (BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BB 1986, 1421; BFH-Urteil vom 22. Juli 1986 VIII R 93/85, BStBl II 1986, 845), ist für die Umsatzsteuer der Ablauf des Voranmeldungszeitraums maßgeblich (Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 16a). Für Leistungen nach § 3 Abs. 9a entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem diese Leistungen ausgeführt werden (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 UStG).
25Grundsätzlich entfällt das schutzwürdige Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Bestand der bisherigen Rechtslage im Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses des Bundestages über die Neuregelung. Mit dem Tag des Gesetzesbeschlusses müssen die Betroffenen mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen. Es ist ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage hin einzurichten. Der Gesetzgeber ist deshalb berechtigt, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Regelung auch auf einen Zeitpunkt von dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken (ständige Rechtsprechung, z. B. BVerfG-Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 79 m. w. N. und vom 3. Juli 2001 1 BvR 382/01, HFR 2001, 905).
26Die Rückbewirkung von Rechtsfolgen ("echte Rückwirkung") auf Zeiträume vor dem Gesetzesbeschluss ist nur unter engen Voraussetzungen, etwa aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls oder wegen eines nicht - oder nicht mehr - vorhandenen schutzbedürftigen Vertrauens des Einzelnen zulässig (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 258 und vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 80). Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer günstigen Rechtslage besteht nicht, wenn damit zu rechnen ist, dass der Gesetzgeber eine Neuregelung schaffen wird, um eine aufgrund geänderter Rechtsprechung entstandene Regelungslücke zu schließen (BVerfG-Beschluss vom 23. Juni 1993 1 BvR 133/89, BVerfGE 89, 48). Eine Änderung mit Rückwirkung ist auch dann zulässig, wenn das geltende Recht, das durch die Norm mit Rückwirkung verändert wurde, unklar und verworren war. Dies ist dann der Fall, wenn die geänderte Norm von vornherein Anlass zu zahlreichen Auslegungsproblemen gegeben hat, deren Lösung nicht allein aus dem Wortlaut, sondern nur in einer Zusammenschau von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, System und gesetzgeberischer Zielsetzung möglich war (BVerfG-Beschluss vom 17. Januar 1979 1 BvR 446/77, 1 BvR 1174/77, BVerfGE 50, 177).
27Knüpft indessen eine Regelung mit Wirkung für die Zukunft die Rechtsfolgen an einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt an, so handelt es sich bei dieser sachlichen Erstreckung um eine tatbestandliche Rückanknüpfung ("unechte Rückwirkung"), die weniger strengen Beschränkungen unterliegt (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 15. Mai 1995 2 BvL 19/91, 2 BvR 1206/91, 2 BvR 1584/91, 2 BvR 2601/93, BVerfGE 92, 277, 344 und vom 3. Juli 2001 1 BvR 382/01, HFR 2001, 905). Insoweit sind belastende Änderungen zulässig, wenn die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der bestehenden Rechtslage überwiegen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 8. März 1983 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312, 329 f. und vom 25. Mai 1993 1 BvR 1509/91, 1648/91, BVerfGE 88, 384).
28Im Hinblick auf die Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG durch das EURLUmsG vom 9. Dezember 2004 liegt zwar nach den o. g. Grundsätzen eine echte Rückwirkung insoweit vor, als Voranmeldungszeiträume, in denen eine Privatnutzung im Sinne von § 3 Abs. 9a UStG erfolgt ist, bereits vor dem Bundestagesbeschluss am 28. Oktober 2004 abgelaufen waren. Es bestehen jedoch selbst insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung der Neuregelung ab dem 1. Juli 2004, wenn die engeren Voraussetzungen der echten Rückwirkung der Prüfung zu Grunde gelegt werden.
29Die Rückwirkung für einen Zeitraum von drei Monaten ist zulässig, da mit einer gesetzlichen Neuregelung zu rechnen war und die bisherige Rechtslage unklar und verworren war. Der Senat teilt die insoweit gegen die Zulässigkeit dieser Rückwirkung vereinzelt vorgebrachten Bedenken nicht (Radeisen in Birkenfeld, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 125 Rn. 182; Meyer, Anmerkung zu FG Köln, Urteil vom 25. Oktober 2006 7 K 4695/04, EFG 2007, 228; offen gelassen von Nds. FG, Urteile vom 13. August 2009 16 K 462/07, EFG 2010, 284 und 16 K 463/07, EFG 2009, 2058).
30Die Neuregelung war eine Reaktion des Gesetzgebers auf das EuGH-Urteil vom 8. Mai 2003 (C-269/00 – Seeling – Slg. 2003 I-4101) und der folgenden Entscheidung des BFH (Urteil vom 24. Juli 2003 V R 39/99, BStBl II 2004, 371). Nach dieser Rechtsprechung fällt die teilweise Nutzung eines vollständig dem Unternehmensvermögen zugeordneten Gebäudes zu Wohnzwecken – entgegen der bisherigen nationalen Rechtsprechung (z. B. BFH-Urteil vom 15. September 1994 XI R 82/92, BFH/NV 1995, 645 m. w. N.) - nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12a UStG. Dies hat zur Folge, dass auch die auf den privat genutzten Teil entfallenden Vorsteuern auf die Herstellungskosten zunächst abzugsfähig sind. Eine Kompensation erfolgt erst in der Zukunft über den Tatbestand des § 3 Abs. 9a UStG. Bemessungsgrundlage für diese sonstige Leistung waren nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a. F. die "Kosten". Über die Verteilung von Herstellungskosten auf mehrere Jahre enthielt das UStG a. F. keine Regelung. Rechtsprechung, Literatur und Finanzverwaltung vertraten zur Altregelung jedoch ursprünglich mehrheitlich die Auffassung, dass Herstellungskosten eines Gebäudes entsprechend § 7 Abs. 4 EStG auf 50 Jahre zu verteilen seien (vgl. Nachweise in BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 56/04, BStBl II 2007, 676). Bei dieser Auslegung war die Rechtsprechung sich indessen bewusst, dass diese im Ergebnis der gesetzlichen Zielsetzung (Neutralität der Umsatzsteuer) nicht entsprach.
31Mit BMF-Schreiben vom 13. April 2004 (BStBl I 2004, 468) änderte die Finanzverwaltung ihre bisherige Auffassung und vertrat nunmehr die Ansicht, dass Herstellungskosten eines Gebäudes entsprechend des Berichtigungszeitraums nach § 15a UStG auf zehn Jahre zu verteilen seien. Ab diesem Zeitpunkt konnte die bisherige Auslegung des Begriffs der "Kosten" in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a. F. nicht mehr als herrschend bezeichnet werden. Da das Gesetz keine Regelung darüber enthielt, auf welchen Zeitraum Herstellungskosten zu verteilen sind, konnten hierzu verschiedene Auffassungen vertreten werden. Erst durch BFH-Urteil vom 19. April 2007 (V R 56/04, BStBl II 2007, 676) wurde endgültige Klarheit über die Auslegung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a. F. geschaffen.
32Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Neuregelung war zum maßgeblichen Zeitpunkt (1. Juli 2004) einerseits mit einer Neuregelung zu rechnen, da absehbar war, dass der Gesetzgeber auf die "Seeling-Rechtsprechung" reagieren würde, um eine Kompensation der auf den privat genutzten Teil der Herstellungskosten eines Gebäudes entfallenden Vorsteuern innerhalb eines kürzeren Zeitraums als 50 Jahre vornehmen zu können. Andererseits war auch die Rechtslage seit dem Ergehen des BMF-Schreibens vom 13. April 2004 unklar, da keine Einigkeit mehr über die Auslegung des Kostenbegriffs bestand.
33Die ab 1.7.2004 geltende Neuregelung ist auch europarechtskonform (EuGH-Urteil vom 14. September 2006 C-72/05 – Wollny – Slg. 2006 I-8297).
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
35Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Der Senat hat die vom BVerfG entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit der Rückwirkung auf das EURLUmsG angewendet.