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Der Haftungsbescheid vom 07.04.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 19.05.2006 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
2Streitig ist die Haftungsinanspruchnahme nach § 25 Handelsgesetzbuch (HGB).
3Der Ehemann der Klägerin, Herr I 2, meldete zum 01.07.1988 einen selbständigen Handwerksbetrieb "Bodenleger" mit Betriebssitz in der gemeinsamen Wohnung der Eheleute an. Nach außen trat Herr I 2 unter der Bezeichnung "I Fußböden" auf (Bl. 53 der Gerichtsakte). Den Betrieb meldete er am 07.01.2004 unter Angabe der damaligen Ehewohnung A-Straße 1 in A mit Wirkung zum 31.12.2003 ab. Er gab an, sein Handwerk vollständig aufzugeben. Im Verzeichnis der Inhaber handwerksähnlicher Betriebe der Handwerkskammer O wurde er am 02.01.2004 gelöscht (Bl. 54 - 56 der Gerichtsakte).
4Mit Schreiben vom 06.01.2004 (Bl. 8 der Gerichtsakte) erstattete Herr I 2 Selbstanzeige und überreichte geänderte Steuererklärungen nebst Gewinnermittlung für die Kalenderjahr 2000 bis 2002 und gab berichtigte Umsatzsteuervoranmeldungen für das Kalenderjahr 2003 ab. Die Umsatzsteuervorauszahlungen für das erste und zweite Quartal 2003 wurden am 07.01.2004 fällig, die Vorauszahlung für das dritte Quartal 2003 am 10.05.2004 und für das vierte Quartal 2003 am 10.02.2004. Die Umsatzsteuer 2000 bis 2002 wurde am 24.05.2004 fällig, die Umsatzsteuer 2003 am 31.01.2005. Darüber hinaus wurden Zinsen zur Umsatzsteuer 2000 und 2001 mit Fälligkeit 24.05.2004 festgesetzt (s. Anlage zum Haftungsbescheid). Der Gesamtbetrag der festgesetzten und fälligen Steuern betrug danach 21.315,42 Euro. Die Vollstreckung blieb bei Herrn I 2 ohne Erfolg.
5Am 08.01.2004 meldete die Klägerin bei der Stadt A das Gewerbe "Verlegung von Fliesen, Platten und Mosaik, Parkett, Estrich und Bodenbeläge aller Art sowie deren Einzelhandel" mit Wirkung zum 01.01.2004 als Neugründung an.
6Nach Anhörung der Klägerin zu einer beabsichtigten Inanspruchnahme als Haftende nach § 75 Abgabenordnung (AO), § 25 Handelsgesetzbuch (HGB) nahm der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 07.04.2005 für die vorgenannten Steuerschulden des Ehemanns sowie Säumniszuschläge in Höhe 2.356,50 Euro gemäß § 25 HGB in Anspruch. Die Klägerin habe ein vollkaufmännisches Handelsgeschäft des Herrn I 2 übernommen. Für den Verkehr sei der tatsächliche Erwerb maßgeblich, nicht das interne Vertragsverhältnis. Maßgeblich sei die Kontinuität des Unternehmens nach außen, die sich in der Fortführung des Handelsgeschäfts und der Firma erweise. Es könne nicht um eine Neugründung gehen, denn bei den betrieblichen Örtlichkeiten handele es sich um die private Wohnung der Familie. Ein weiteres Geschäftslokal oder Lager werde nicht unterhalten. Der Hauptauftraggeber werde weiterhin fortgeführt. Bei Rechnungslegung werde der bisherige Firmenname mit dem Zusatz "Inhaber I 1" verwendet. Damit hafte sie für alle Steuerschulden des übernommenen Betriebes. Die Haftung sei nicht nach § 25 Abs. 2 HGB ausgeschlossen. Die Haftungsinanspruchnahme sei wegen der fehlenden Zahlung durch den früheren Betriebsinhaber und fehlende Vollstreckungsmaßnahmen ermessensgerecht.
7Der Einspruch, mit dem die Klägerin Fehler bei der Ermittlung des Haftungszeitraumes rügte, blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 19.05.2006 blieb der Beklagte bei seiner Auffassung, § 25 HGB sei als Haftungsnorm erfüllt. Die Klägerin habe durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden das Handelsgeschäft ihres Ehemannes erworben. Der Vortrag, es handele sich um eine Neugründung und fehle an einer rechtsgeschäftlichen Übertragung, sei eine Schutzbehauptung. Im Übrigen habe die Klägerin den Tatbestand des § 75 AO neben dem des § 25 HGB erfüllt. Wegen der Darlegung dieses Haftungsgrundes verweise er auf die Ausführungen in dem streitigen Bescheid. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
8Mit der Klage trägt die Klägerin vor, die Voraussetzungen des § 25 HGB seien nicht erfüllt. Die Fortführung der Firma werde bestritten, falls überhaupt eine solche vorliege. Herr I 2 habe kein Handelsgeschäft im Sinne des § 25 HGB betrieben. Er habe nur einen Kunden gehabt, Herrn N, für den Lohnarbeiten ausgeführt worden seien. Umsätze mit anderen Auftraggebern seien unerheblich gewesen. Was sie, die Klägerin, nun genau übernommen haben solle, habe der Beklagte nicht mitgeteilt. Die Übernahme eines Kunden stelle keine Übertragung eines Handelsgeschäfts dar. Ihr Ehemann habe sein Unternehmen vom Wohnzimmer aus betrieben. Ein Warenlager oder nennenswerte Betriebsmittel, insbesondere Maschinen, seien nicht vorhanden gewesen. Letztlich sei er damit Scheinselbständiger bei der Firma N gewesen.
9Es habe ein Erwerb eines Geschäfts unter Lebenden stattgefunden. Der Beklagte unterstelle, dass aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin keinen schriftlichen Vertrag mit ihrem Ehemann vorlegen könne, von einer Schenkung auszugehen sei. Eine solche Annahme sei durch nichts gerechtfertigt. Das Firmenlogo sei, wie der Beklagte zutreffend ausgeführt habe, übernommen worden. Der Name sei aber geändert geworden. Er laute jetzt "Fußbodentechnik I ". Dass der Nachname identisch sei, könne man ihr nicht vorwerfen. Immerhin handele es sich um eine Einzelfirma, ihr Familienname sei auch der Name des Kaufmanns. Der Einzelhandel mit Teppichböden mache zwischenzeitlich einen erheblichen Teil des Umsatzes aus.
10Die Klägerin beantragt,
11den Haftungsbescheid vom 07.04.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 19.05.2006 aufzuheben.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen,
14hilfsweise, die Revision zuzulassen.
15Er verweist auf seine Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor: § 25 HGB sei anwendbar, da die Regelungen des HGB auch für Kleingewerbetreibende gälten, die nicht im Handelsregister eingetragen seien. Für Steuerschulden von Kleingewerbetreibenden könnte der Gesetzgeber die Nichtanwendbarkeit des § 25 Abs. 1 HGB auf diese übersehen und nicht hinreichend berücksichtigt haben. Insofern lägen eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interesslage vor. Dies rechtfertige eine Analogie. Es bestehe das öffentliche Interesse, die Nichtanwendbarkeit des § 25 Abs. 1 HGB auf Kleingewerbetreibende nicht mit dem Risiko des Finanzamts und damit der Allgemeinheit mit dem Steuerausfall zu belasten (§ 68 ff. Gerichtakte). Wegen der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass das Finanzamt außer der zeitlich begrenzten Haftung des § 75 AO keine Möglichkeit habe, den Betriebsübernehmer für ausstehende Steuerschulden des Veräußerers in Haftung zu nehmen, um entstandene Steuerlücken zu schließen. Der Kleingewerbetreibende bedürfe bezüglich der durch den früheren Betreiber verursachten ausstehenden Steuerschulden keines besonderen Schutzes in Form eines Haftungsausschlusses gemäß § 25 HGB. Er habe vielmehr die Möglichkeit, sich gemäß § 2 Satz 1 HGB in das Handelsregister eintragen zu lassen und gleichzeitig die Eintragung eines Haftungsausschusses gemäß § 25 Abs. 2 HGB vorzunehmen. Bei einer Abwägung des öffentlichen Interesses an einer gleichmäßigen Beteiligung der Steuerpflichtigen an einer Finanzierung und Unterhaltung des Staatswesens gegenüber einer Haftung des Betriebsübernehmers für Schulden des Betriebsveräußerers überwiege in dieser Konstellation das Interesse der Allgemeinheit als schützenwerteres Gut.
16Ein Erwerb im Sinne des § 25 HGB liege ebenfalls vor. Es sei kein rechtsgeschäftlicher, vom Vorgänger abgeleiteter Erwerb erforderlich. Dem Beklagten hätten keine schriftlichen Unterlagen oder mündlichen Bekundungen über einen entgeltlichen Erwerbsvorgang vorgelegen. Es sei daher davon auszugehen, dass eine Schenkung im Sinne einer unentgeltlichen Betriebsüberlassung angenommen werden könne. Diese sei vollzogen, in dem der Ehemann der Klägerin das betriebliche Geschehen tatsächlich fortgesetzt und die Arbeiten als Angestellter ausgeführt habe, die er zuvor als Einzelunternehmer vorgenommen habe. Mängel im Übernahmevertrag seien ebenso wie dessen Nichtigkeit oder sogar das Fehlen für § 25 HGB irrelevant. Entscheidend sei, dass die Geschäftstätigkeit des neuen Unternehmensträgers aus der Sicht des Geschäftsverkehrs als Geschäftsübernahme gewertet werden könne. Hier habe die Klägerin den Betrieb von ihrem Ehemann übergangslos übernommen. Schließlich habe die Klägerin auch die Firma des Ehemannes fortgeführt. Hierbei genüge, dass sich der Kern der alten und der neuen Firma glichen. Werde der bisherige Tätigkeitsbereich durch einen annähernd gleichen Tätigkeitsbereich ersetzt und mit dem Namen verknüpft, sei eine Firmenfortführung gegeben. Hier sei auf die Gestaltung der Briefköpfe des Klägers und ihres Ehemannes hinzuweisen.
17Gegenüber dem Argument der Klägerin, es sei kein zu übergebendes Firmenvermögen vorhanden gewesen, werde auf den Kundenstamm des Ehemanns verwiesen. Dieser gehe im Wesentlichen bedingt durch die vorliegende Namensgleichheit auf den Betrieb der Klägerin über. Im Zeitpunkt des Übergangs habe das Unternehmen des Ehemanns auch noch existiert. Der Name I sei zum unverwechselbaren Kennzeichen des Unternehmens geworden. Die neue Firma werde darüber mit der alten Firma im wirtschaftlichen Geschäftsverkehr identifiziert. Bezüglich des Einzelhandels mit Teppichboden habe sie selbst entsprechende Auskünfte gegenüber der im März 2005 durchgeführten Umsatzsteuernachschau erteilt.
18Ob die Tätigkeit des Ehemannes oder der Klägerin als Scheinselbständigkeit im sozial- und arbeitsrechtlichen Sinne zu werten sei, sei für die steuerrechtliche Beurteilung nicht ausschlaggebend.
19Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand am 16.02.2010 mit den Beteiligten erörtert. Der Senat hat am 01.07.2010 mündlich verhandelt. Auf die Niederschriften wird Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe
21Die Klage ist zulässig und begründet.
22Der Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Entgegen der Ansicht des Beklagten trägt § 191 Abs. 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 1 HGB eine Haftung der Klägerin für Betriebsschulden ihres Ehemannes nicht.
231. Nach dieser Vorschrift haftet, wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers einschließlich sämtlicher Steuerschulden. Ob die Haftungsvoraussetzungen des § 25 HGB erfüllt sind, beurteilt sich nach dem maßgebenden Handelsrecht in der Auslegung durch Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichthofs - BGH - (BFH, Urteile vom 17.09.1991 VII R 72/88, BFH/NV 1992, 360; vom 21.01.1986 VII R 179/83, BStBl. II 1986, 383; vgl. auch FG München, Urteil vom 11.12.2007 14 K 4045/05, n. v., juris).
24Das Firmenrecht des HGB ist nur auf ein (voll-)kaufmännisches Handelsgeschäft anzuwenden, gleichgültig ob im Handelsregister eingetragen oder nicht. Auf Nichtkaufleute - Minderkaufleute i.S. des § 4 HGB in der Fassung vor dem Handelsrechtsreformgesetz (HRefG) - findet die Norm keine Anwendung. Dies folgt unmittelbar aus § 1 Abs. 2 Halbs. 2 HGB, wonach ein Handelsgewerbe nicht vorliegt, wenn das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert, und entspricht der Rechtsprechung und herrschender Lehre (BGH, Urteil vom 17.09.1991 XI ZR 256/90, NJW 1992, 112; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 25 Rn. 2 m. w. N.; Lieb in Münchner Kommentar zum HGB, § 25 HGB Rn. 29; so auch Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf eines HRefG, BR-Drucks. 340/97 S. 28 a.E.).
25Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall hat Herr I 2 bis zum 31.12.2003 kein Handelsgewerbe i.S. des § 1 HGB und damit keine Firma i.S. der §§ 17 ff. HGB, insbesondere § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB geführt. Er war sog. Nichtkaufmann.
26Eine Eintragung seines Gewerbes nach § 2 Satz 1 HGB ist nicht erfolgt, auch nicht die Eintragung einer Firma nach § 5 HGB, wobei der Senat die Frage offen lässt, ob letzteres überhaupt eine Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB eröffnet. Die Vermutung des § 1 Abs. 2 Halbsatz 1 HGB ist widerlegt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtbild seines Betriebes, dessen Elemente zwischen den Beteiligten unstreitig sind. Er hatte als Bodenverleger kein vielfältiges Warensortiment oder Angebot an Dienstleistungen. Er wurde nur im Inland und im Wesentlichen nur für einen Kunden tätig. Er beschäftigte keine Arbeitnehmer. Das Gewerbe wurde von der Familienwohnung aus betrieben. Das Umsatzvolumen war gering (vgl. dazu Kindler in Ebenroth/Boujong/Joost/Stohm, Handelsgesetzbuch, 2008, § 1 Rz. 52 m. w. N.). Anlage- und Betriebskapital oder besondere Gerätschaften waren zur Ausübung objektiv ebenso wenig erforderlich wie eine kaufmännisch eingerichtete Buchführung und die Erstellung von Bilanzen. Der Hinweis der Klägerin auf die Scheinselbständigkeit (§ 7 Abs. 4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch a.F.) ihres Ehemannes ist zwar, worauf der Beklagte zu Recht hinweist, für die steuerrechtliche Beurteilung unerheblich (vgl. nur BFH, Beschluss vom 24.01.2008 VIII B 197/06, BFH/NV 2008, 1133 m. w. N.). Er lässt aber erkennen, mit welch geringen eigenen kaufmännischen Mitteln der Betrieb unterhalten werden konnte. Der Beklagte ist der Einordnung der Tätigkeit des Herrn I 2 als Kleingewerbe in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr entgegengetreten.
27Der Beklagte hat nichts vorgetragen, was die Anwendung der Beweislastregel des § 1 Abs. 2 Halbs. 2 HGB zu seinen Gunsten hindern könnte, etwa dass Herr I 2 im Geschäftsverkehr allgemein oder gegenüber dem Fiskus als Kaufmann aufgetreten sei und damit den Rechtsschein seiner Kaufmannseigenschaft gesetzt hätte. Seine Briefköpfe und Rechnungen geben hierzu nichts her. Er ist lediglich mit der Gewerbebezeichnung und seinem Namen nach außen in Erscheinung getreten. Dies steht nach der Handelsrechtsreform auch Nichtkaufleuten frei. Der maßgebliche Rechtsformzusatz i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 HGB i. d. F. des HRefG fehlt jedoch (vgl. dazu FG Münster, Urteil vom 12.03.2009 8 K 2496/06; EFG 2009, 989; LG Bonn, Urteil vom 16.09.2005 15 O 193/05, NJW-RR 2005, 1559).
28Der Hinweis des Beklagten auf die Möglichkeit des Haftungsausschlusses nach § 25 Abs. 2 HGB geht fehl. Dies machte eine Eintragung des Herrn I 2 im Handelsregister nach § 25 Abs. 1 HGB überhaupt erst notwendig. Für Kleingewerbetreibende war es aber gerade Intention des Gesetzgebers, ihnen die Wahlfreiheit zu lassen, ob sie in das Handelsregister - mit allen daraus sich ergebenden Konsequenzen - eingetragen werden wollen oder nicht (vgl. nur Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates, BR-Drucks. 340/1/97, S. 2). Das gedankliche Konstrukt des Beklagten führt dann zu einer faktischen Pflicht zur Eintragung, wenn die Haftungsfolgen vermieden werden sollen. Dies widerspricht dem Willen des Gesetzgebers, wie er im Wortlaut des § 1 Abs. 2 HGB seinen Niederschlag gefunden hat.
292. Auch soweit der Beklagte eine Haftung auf die analoge Anwendung des § 25 Abs. 1 HGB stützen will, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Die Voraussetzungen für eine Analogie liegen nicht vor. Die vom Beklagten angenommene planwidrige Regelungslücke im Haftungssystem für Kleingewerbetreibende zu Lasten des Fiskus besteht nicht.
30Mit § 75 AO steht ein auch diese Gewerbegruppe erfassender Haftungstatbestand für steuerliche Zwecke. Einen tragenden Grund, dass die Finanzverwaltung sich auf weitergehende Haftungsnormen unabhängig davon berufen können muss, dass deren tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Darüber hinaus ist der Senat der Auffassung, dass der Gesetzgeber bewusst keine Einzelausnahmen von seiner grundsätzlichen Neuregelung des Kaufmannsrechts und des Firmenrechts durch das HRefG außerhalb des von § 1 Abs. 2 HGB eröffneten Regelungsbereichs zugelassen hat. Mit dem Halbsatz 2 dieser Norm ist eine Sonderregelung für Kleingewerbetreibende geschaffen worden, die allgemein gefasst ist, auf die bewährten Abgrenzungskriterien zur Abgrenzung von kaufmännischen und nicht-kaufmännischen Unternehmen zurückgreift und weitere Ausnahmen nicht notwendig macht. Insbesondere die weitere Nichtanwendung des Firmenrechts im HGB auf die Gruppe von Nichtkaufleuten entspricht dem erklärten Willen des Gesetzgebers (Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf eines HRefG, BR-Drucks. 340/97, S. 24 f., S. 27 ff. und S. 47 f.; Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates, a. a. O.). Aus diesem Grund entspricht es zu Recht herrschender Lehre und Rechtsprechung im Handelsrecht, dass § 25 HGB nicht entsprechend auf Kleingewerbetreibende angewendet werden kann (BGH in NJW 1992, 112; OLG Köln, Urteil vom 28.03.20012 W 32/01, ZIP 2001, 975; LG Bonn in NJW-RR 2005, 1559; Hopt, a. a. O. § 25 HGB Rz. 2; Roth in Koller/Roth/Morck, HGB, 6. Aufl. 2007, Vor § 1 Rz. 13; Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Stohm, Handelsgesetzbuch, 2008, § 25 Rz. 24; jeweils m. w. N.).
31Dies gilt auch für den Fiskus. Der Steuergläubiger hat in der Regelungsstruktur des HGB und seiner Haftungsregelungen keine Ausnahmestellung. Er ist ein Gläubiger in gleichem Rang wie alle anderen, auch bei Kleingewerbetreibenden. Ggf. wird ihm zugute kommen, dass § 1 Abs. 2 HGB als Beweislastregel konzipiert ist, so dass sich ein entsprechendes Auftreten des Kleingewerbetreibenden im Geschäftsverkehr auch zu seinen Gunsten auswirken kann. Hieran fehlt es aber - wie oben ausgeführt - im Streitfall.
32Soweit K. Schmidt (Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 8 II 1 a; ZHR 145, 21; JuS 1997, 1069) auf Grund abweichender Begrifflichkeit eine analoge Anwendung des § 25 HGB befürwortet, folgt ihm der Senat nicht. Es ist kein Grund ersichtlich, die gesetzestechnische Verwendung des Begriffs der Firma in der Regierungsbegründung zum Entwurf eines HRefG - gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers, wie oben dargelegt - korrigierend auf alle Unternehmensträger zu erstrecken.
33Da handelsrechtliche Grundsätzen eine entsprechende Anwendung des § 25 HGB auf Kleingewerbetreibende nicht zulassen, führte die Ansicht des Beklagten zu einer haftungsbegründenden Analogie. Deren Zulässigkeit im Steuerrecht verneint der Senat in Parallele zur steuerbegründenden Analogie (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 4 AO Rz. 360 ff.).
343. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu den übrigen Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB.
35Der Senat weist allerdings vorsorglich darauf hin, dass die Haftungsinanspruchnahme für Zinsen zur Umsatzsteuer 2000 und 2001 ohnehin rechtswidrig ist. Hierbei handelt es sich um keine Geschäftsverbindlichkeiten, die im Zeitpunkt des Firmenüberganges bereits bestanden haben, da ihre Entstehung nicht den Grundsätzen des § 38 AO folgt, sondern eine Steuerfestsetzung voraussetzt, die den Zinsanspruch gem. § 233a AO auslöst (vgl. dazu Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.02.2008 6 A 11154/07, n,v., juris; BFH, Urteil vom 14.05. 2002 VII R 6/01, BStBl. II 2002, 677).
364. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 155 FGO und §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
37Die Revision ist nicht zuzulassen. Ein Revisionsgrund i. S. des § 115 Abs. 2 FGO liegt nicht vor. Die Subsumtion unter § 1 Abs. 2 Halbsatz 2, § 25 Abs. 1 HGB ist Tatfrage. Die Rechtsfrage zur Anwendung des § 25 HGB auf Kleingewerbetreibende hat der Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung beantwortet. Ein Klärungsbedarf durch höchstrichterliche Rechtsprechung besteht mangels divergierender Rechtsprechung und Literatur nicht. Dies gilt auch für die vom Beklagten zu einer Analogie zu Gunsten des Fiskus vorgetragenen Argumente.