Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Antrag wird abgelehnt.
Gründe:
2I.
3Zu entscheiden ist, ob der Antragstellerin (Astin.) für ein beabsichtigtes Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren ist. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die aus dem ESt-Bescheid 1999 vom 02.11.2001 resultierenden Steuerrückstände inzwischen zahlungsverjährt sind.
4Die Astin. wurde im Veranlagungszeitraum 1999 zunächst mit ihrem Ehemann unter der Steuernummer /5239/0272 zusammenveranlagt, später jedoch auf ihren Antrag hin mit Bescheid vom 02.11.2001 unter der Steuernummer /5239/0636 getrennt zur Einkommensteuer veranlagt; die getrennte Veranlagung ergab einen Steuerrückstand von 7.063,64 EUR. Die Ehe wurde am 19.03.2003 geschieden. Die Astin. verließ die eheliche Wohnung (T-tal 99 in B) am 24.01.2003 und änderte am 06.06.2003 ihren Nachnamen von U-R (Ehenamen) in T-F (Geburtsname).
5Gegenüber dem Finanzamt benutzte die Astin. ihren neuen Namen erstmals in der ESt-Erklärung 2001, die am 06.11.2003 einging. Die Steuererklärung, der eine amtliche Bescheinigung über die Namensänderung beilag und die die aktuelle Anschrift der Astin. nannte, wurde unter der Steuernummer der Ehegatten abgegeben ( /5239/0272). Der Bearbeiter des Veranlagungsbezirks strich diese Nummer durch und gab der Astin. die neue Steuernummer /2657/1870. Dass die Astin. zuvor eigentlich die Steuernummer /5239/0636 hatte, war aus der Steuererklärung nicht ersichtlich und es befinden sich in den Steuerakten auch keine Hinweis darauf, dass dies vom Veranlagungsbeamten erkannt worden ist.
6Insbesondere erfolgte keine Namens- und Adressanpassung für das Steuerkonto /5239/0636, unter welchem die Rückstände aus dem ESt-Bescheid 1999 vom 02.11.2001 erfasst waren. Das Finanzamt hat in der Folgezeit mehrfach versucht, diese Rückstände von der Astin. einzutreiben. U.a. wurden folgende Maßnahmen ergriffen:
7Als Reaktion auf die Vollstreckungsankündigung vom 04.03.2009 erhob die Astin. den Einwand der Zahlungsverjährung und begehrte den Erlass eines Abrechnungsbescheids. Das Finanzamt erließ diesen Abrechnungsbescheid am 20.07.2009 und stellte darin fest, dass keine Zahlungsverjährung eingetreten sei. Hieran hielt es auch in der Einspruchsentscheidung vom 26.03.2010 fest. Die Verjährung sei zumindest durch die vom Vollstreckungsbeamten am 14.06.2002 hinterlassene Zahlungsaufforderung sowie erneut durch die Meldung zum Bundeszentralregister am 16.08.2007 unterbrochen worden.
9Die Astin. ist weiterhin der Ansicht, dass Zahlungsverjährung eingetreten sei. Sie räumt zwar ein, dass im Jahr 2002 verjährungsunterbrechende Handlungen erfolgt seien und sich deshalb die Verjährungsfrist bis Ende 2007 verlängert habe (s. Seite 7 des Schriftsatz vom 02.06.2010, Bl. 85 d.A.). In den Jahren 2003 bis 2007 seien jedoch keine weiteren wirksamen verjährungsunterbrechenden Maßnahmen getätigt worden.
10Insbesondere habe der Umstand, dass das Finanzamt die Astin. am 16.08.2007 zum Bundeszentralregister gemeldet habe, die Verjährung nicht unterbrochen. Eine solche Wirkung trete nur dann ein, wenn die Finanzbehörde den Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Verpflichteten nicht kenne (Verweis auf BFH, Urteil vom 24.11.1992 - VII R 63/92, BStBl II 1993, 220). Hier sei dem Finanzamt jedoch bereits seit dem Jahr 2003 bekannt gewesen, dass sie - die Astin. - wieder ihren Geburtsnamen T-F angenommen habe und wo sie aktuell wohne. Denn schließlich seien diese Angaben in der ESt-Erklärung 2001 enthalten gewesen. Zudem sei das Finanzamt auch mit Schreiben vom 04.11.2003 (Einspruch gegen die ESt-Bescheide 2001 und 2002) durch den Steuerberater L davon unterrichtet worden, dass es zu einem Namens- und Wohnsitzwechsel gekommen sei.
11Darauf, dass jedenfalls die Vollstreckungsstelle hiervon keine Kenntnis gehabt habe, könne sich das Finanzamt nicht berufen. Insbesondere sei die zu § 173 AO entwickelte Rechtsprechung, wonach es auf den Kenntnisstand der organisatorisch zuständigen Person ankomme, im Rahmen des § 231 AO nicht anwendbar. Denn im Rahmen des § 173 AO gehe es darum, dem Informationsvorsprung des Steuerpflichtigen im Rahmen des Erhebungsverfahrens Rechnung zu tragen, während die Unterbrechungstatbestände des § 231 AO lediglich eine Ausnahme darstellen würden, mit Hilfe derer die Finanzverwaltung den Beitreibungszeitraum über fünf Jahre hinaus ausdehnen könne.
12Den Finanzbehörden sei es zuzumuten, alle ihnen möglichen und zumutbaren Schritte zu unternehmen, um den Wohnsitz und den Aufenthaltsort eines Steuerpflichtigen zu ermitteln. Im Streitfall habe das Finanzamt die Ermittlungen im Rahmen der Beitreibung der Steueransprüche nur rudimentär betrieben. Insbesondere sei es unterlassen worden, Rücksprache mit dem Veranlagungsbezirk zu halten. Ihr - der Astin. - sei dagegen kein Vorwurf zu machen, da von einem Steuerpflichtigen nicht erwartet werden könne, sämtlichen organisatorischen Abteilungen des Finanzamts seinen Wohnsitzwechsel anzuzeigen.
13Auch habe die Vollstreckungsankündigung vom 02.12.2006 nicht zu einer Verjährungsunterbrechung geführt, da diese an eine falsche Adresse gesandt worden und ihr - der Astin. - nicht zugegangen sei. Hieran ändere sich auch dann nichts, wenn ihr geschiedener Ehemann das Schreiben an die Sozietät L weitergegeben habe, zumal das Mandat der Sozietät L, auch die Astin. zu vertreten, im Jahr 2006 nicht mehr bestanden habe.
14Die Astin. beantragt,
15ihr unter Beiordnung des Rechtsanwalts F, , Prozesskostenhilfe zu gewähren für eine beabsichtigte Klage gegen den Abrechnungsbescheid vom 20.07.2009.
16Das Finanzamt ist der Ansicht, dass die beabsichtigte Klage keine Aussicht auf Erfolg hat. Für die Frage, ob eine Tatsache bekannt sei, komme es nach der ständigen Rechtsprechung des BFH auf den Kenntnisstand derjenigen Personen an, die innerhalb der Finanzbehörde organisatorisch dazu berufen seien, den betreffenden Steuerfall zu bearbeiten. Dies sei im Streitfall die zuständige Erhebungsstelle, welcher die vorgenommene Namensänderung jedenfalls im Zeitpunkt der Mitteilung an das Bundeszentralregister definitiv nicht bekannt gewesen sei. Eine etwaige Kenntnis des Veranlagungsbezirks sei der Erhebungsstelle nicht zuzurechnen.
17Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Steuerakten Bezug genommen.
18II.
19Der Antrag ist nicht begründet.
20Nach § 142 FGO in Verbindung mit § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Darüber hinaus kann ihm auch ein Rechtsanwalt/Steuerberater beigeordnet werden (§ 142 Abs. 2 FGO).
21Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob die Astin. die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Denn bei summarischer Prüfung hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
22Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO liegt nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen nur dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt eines Antragstellers aufgrund von dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für richtig, zumindest aber für vertretbar hält. Dabei ist über die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung aufgrund einer summarischen Prüfung zu entscheiden.
23Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vermag der Senat im Streitfall eine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage nicht festzustellen. Der Abrechnungsbescheid vom 20.07.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.03.2010 ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig.
24Davon, dass die im Jahr 2002 durchgeführten Maßnahmen ausreichten, um eine Unterbrechung der Zahlungsverjährung i.S.d. § 231 Abs. 1 AO herbeizuführen, geht inzwischen auch die Astin. aus. Zumindest dadurch, dass der Vollstreckungsbeamte, der die Wohnung der Astin. am 14.06.2002 aufgesucht hat, dort eine Zahlungsaufforderung hinterlassen hat, wurde die Verjährung unterbrochen, und zwar selbst dann, wenn die Astin. hiervon tatsächlich keine Kenntnis erlangt haben sollte. Denn eine Willenserklärung geht bereits dann zu, wenn sie - wie hier - in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. Mithin endete die fünfjährige Verjährungsfrist des § 228 AO frühestens mit Ablauf des 31.12.2007.
25Ob die diversen Vollstreckungsversuche, die das Finanzamt in der Folgezeit unternahm, zu Unterbrechungen der Verjährung führten, bedarf keiner näheren Prüfung. Denn zumindest durch die Meldung zum Bundeszentralregister vom 16.08.2007 ist eine neue Verjährungsunterbrechung eingetreten.
26Dass Meldungen zum Bundeszentralregister mit dem Zweck der Aufenthaltsermittlung grundsätzlich unter das Tatbestandsmerkmal "Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen" des § 231 Abs. 1 AO fallen, ist nicht fraglich und wird auch nicht von der Astin. in Frage gestellt (s. Bl. 8 des Schriftsatzes vom 02.06.2010, Bl. 86 d.A.). Allerdings genügen keine pauschalen Anfragen, sondern vielmehr muss nach der Rechtsprechung des BFH ein spezieller Anlass gegeben sein, welcher nur dann besteht, wenn die Finanzbehörde den Wohnsitz oder den Aufenthaltsort des Verpflichteten nicht kennt (z.B. BFH, Urteil vom 24.11.1992 - VII R 63/92, BStBl II 1993, 220). Hintergrund der Rechtsprechung ist es, dass verhindert werden soll, dass die Finanzbehörde die Anfrage beim Einwohnermeldeamt o.ä. lediglich als Vorwand nimmt, um auf einfachem Wege eine Verjährungsunterbrechung herbeizuführen, obwohl ihr mangels berechtigter Zweifel an dem Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs auch anderweitig möglich wäre. Lediglich dann, wenn die Ermittlungen ernst gemeint sind, d.h. tatsächlich darauf abzielen, den Zahlungspflichtigen ausfindig zu machen, liegen "Ermittlungen" i.S.d. § 231 Abs. 1 AO vor (vgl. auch Kruse in Tipke/Kruse, AO, § 231 Rn. 31).
27Im Streitfall lagen ernst gemeinte Ermittlungen im o.g. Sinne vor. Zwar hatte im Streitfall die Veranlagungsstelle seit dem Eingang der ESt-Erklärung 2001 Kenntnis davon, dass die Astin. ihren Namen geändert hat und umgezogen ist, jedoch wurden diese Änderungen nicht mit dem Steuerkonto /5239/0636 verknüpft. Grund hierfür war u.a., dass die Astin. in der Steuererklärung die gemeinsame Steuernummer der Ehegatten eingetragen hatte. Der Sachbearbeiter hat offensichtlich übersehen, dass die Astin. für Zwecke der getrennten Veranlagung bereits eine eigene Steuernummer besaß, und erteilte ihr deshalb eine neue eigene Steuernummer. Unter der alten Steuernummer /5239/0636 war sie infolgedessen auch weiterhin mit ihrem Ehenamen und der Anschrift der Ehewohnung geführt.
28Dies wiederum führte dazu, dass der Erhebungs- bzw. Vollstreckungsstelle, welche die Beitreibung der unter der Steuernummer /5239/0636 offenen Rückstände versuchte, die Namens- und Wohnsitzänderung der Astin. unbekannt blieben. Es folgte eine Kette von erfolglosen Betreibungsversuchen, die nicht zuletzt auch daran scheiterten, dass noch der Ehename der Astin. verwendet wurde. Erst noch am 06.06.2007 war das Finanzamt H um Vollstreckung unter der mutmaßlichen Adresse in H gebeten worden, welche sich dabei als falsch herausstellte. Aus Sicht der Vollstreckungsstelle gab es mithin hinreichenden Anlass dafür, die Astin. zum Bundeszentralregister zu melden, wobei auch hier konsequenterweise der Ehename der Astin. und deren alte Steuernummer verwendet wurden. Es handelte sich mithin um eine ernst gemeinte Ermittlung nach einem - jedenfalls für die Vollstreckungsstelle - unbekannten Wohnsitz mit der Folge, dass die Verjährung unterbrochen wurde.
29Dass eine andere organisatorische Stelle des Finanzamt den aktuellen Wohnsitz der Astin. kannte, ändert an der verjährungsunterbrechenden Wirkung nichts. Dabei ist unerheblich, ob die zu § 173 AO entwickelten Rechtsgrundsätze auch im Rahmen des § 231 AO anwendbar sind. Denn anders als bei § 173 AO, bei dem die Kenntnis von einer Tatsache - genauer gesagt deren nachträgliches Bekanntwerden - ausdrückliches Tatbestandsmerkmal ist, ist dies bei § 231 Abs. 1 AO nicht der Fall. Das Erfordernis, dass Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsermittlungen nur dann die Verjährung unterbrechen, wenn der Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort unbekannt sind, wird vielmehr - wie bereits dargestellt - lediglich im Wege der ergänzenden Auslegung in das Tatbestandsmerkmal "Ermittlungen" hineingelesen, um einen Missbrauch dieser Vorschrift seitens des Finanzamts zu verhindern. Diesem Zweck ist jedoch auch schon dann Genüge getan, wenn jedenfalls der Vollstreckungs-/Erhebungsstelle der Wohnsitz/Aufenthaltsort unbekannt ist, denn auch dann sind deren Ermittlungen ernstgemeint. Ein anderes Ergebnis wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sich die Vollstreckungs-/Erhebungsstelle einer sich aufdrängenden Kenntnis verschließen würde. Hiervon kann im vorliegenden Sachverhalt jedoch keine Rede sein, zumal die unter der Steuernummer /5239/0636 mit dem Namen U-R erfasste Vollstreckungsschuldnerin nicht ohne Weiteres mit der unter der Steuernummer /2657/1870 und dem Namen T-F erfassten Person in Verbindung gebracht werden konnte.
30Folge der am 16.08.2007 durch die Mitteilung an das Bundeszentralregister eingetreten Verjährungsunterbrechung ist es gem. § 231 Abs. 3 AO, dass die fünfjährige Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2007 neu begonnen hat. Eine Verjährung ist folglich noch nicht eingetreten.