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Unter Änderung des Abrechnungsbescheids vom 07.12.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2008 wird festgestellt, dass folgende Steuerforderungen erloschen sind:
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e st a n d:
2Streitig ist, ob Zahlungsverjährung eingetreten ist.
3Der Kläger ist als Steuerberater selbständig tätig. Die Umsatzsteuer 1991 nebst Verspätungszuschlag und Zinsen wurde vom Kläger nicht vollständig beglichen. Mit Verfügung vom 20.10.1995 hat der Beklagte beim Amtsgericht I-Stadt einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt, welcher mit Beschluss vom 25.03.1996 wegen Masseunzulänglichkeit abgelehnt wurde. Zuvor, nämlich am 24.01.1996 hatte der Kläger, der vom Amtsgericht M-Stadt mit Schreiben vom 19.01.1996 von dem Konkursantrag unterrichtet worden war, beim Finanzgericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung auf Rücknahme des Konkursantrags gestellt.
4Am 31.08.2001 und 29.11.2006 erließ der Beklagte Vollstreckungsankündigungen gegenüber dem Kläger. Gegen Letztere wandte sich der Kläger mit dem Einwand, dass bereits Zahlungsverjährung eingetreten sei.
5Der Beklagte erließ daraufhin am 07.12.2007 einen Abrechnungsbescheid, mit dem er feststellte, dass die USt 1991 nebst Verspätungszuschlag und Zinsen noch in Höhe von 53.188,71 € offen, insbesondere nicht durch Zahlungsverjährung erloschen sei. Der Betrag setzt sich zusammen wie folgt:
6USt 1991 fällig 02.11.1993 43.815,72 €
7Verspätungszuschlag fällig 02.11.1993 2.045,17 €
8Zinsen § 233a AO fällig 02.11.1993 1.551,26 €
9Sonstige Zinsen fällig 06.02.1995 4.061,70 €
10USt 1991 fällig 02.01.1996 381,42 €
11Zinsen § 233a AO fällig 02.01.1996 57,26 €
12Sonstige Zinsen fällig 08.02.1996 1.176,18 €
13Begründet wurde die Entscheidung vom Beklagten damit, dass die Zahlungsverjährung im Jahr 1995 durch Stellung des Konkursantrags unterbrochen worden sei. Da über diesen Antrag erst am 25.03.1996 entschieden worden sei, habe die neue Verjährungsfrist auch erst mit Ablauf des 31.12.1996 zu laufen begonnen. Durch die Vollstreckungsankündigungen vom 31.08.2001 und 29.11.2006 sei die Verjährung erneut unterbrochen worden und neue Verjährungsfristen in Gang gesetzt worden.
14Gegen den Abrechnungsbescheid hat der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben. Er ist weiterhin der Ansicht, dass bereits Zahlungsverjährung eingetreten sei.
15Dass es sich bei einem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens grundsätzlich um eine verjährungsunterbrechende Maßnahme i.S.d. § 231 Abs. 1 AO handele, werde nicht in Frage gestellt. Jedoch sei die verjährungsunterbrechende Wirkung im Streitfall nicht eingetreten, da es sich bei dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens um einen Verwaltungsakt handele und dieser mangels Bekanntgabe nicht wirksam geworden sei. Nicht der Beklagte, sondern nur das Amtsgericht M-Stadt habe ihn – den Kläger – von dem Insolvenzantrag unterrichtet. Die hierin liegende Bekanntgabe sei dem Beklagten jedoch nicht zuzurechnen.
16Aber auch dann, wenn die Zahlungsverjährung durch den Konkursantrag im Jahr 1995 unterbrochen worden sein sollte, sei inzwischen Zahlungsverjährung eingetreten. Denn anders als der Beklagte meine, führe die Antragsstellung nicht zu einer Dauerunterbrechung i.S.d. § 231 Abs. 2 AO, weshalb die Verjährungsfrist wieder mit Ablauf des Jahres 1995 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2000 geendet habe und die Vollstreckungsankündigung vom 31.08.2001 zu spät erfolgt sei. Abgesehen davon, dass die Aufzählung der Unterbrechungshandlungen in § 231 Abs. 2 AO abschließend sei und eine analoge Anwendung ausschließe, sei die Konkurs-/Insolvenzantragstellung auch nicht mit dem in § 231 Abs. 2 AO genannten Fall der Anmeldung im Konkurs-/Insolvenzverfahren vergleichbar, da der Beklagte bis zur Entscheidung über den Konkurs-/Insolvenzantrag (anders als nach Eröffnung des Konkurs-/Insolvenzverfahrens) nicht in der Vollstreckung beschränkt sei und es mithin kein Bedürfnis für eine Dauerunterbrechung gebe.
17Nach einem Hinweis der Berichterstatterin hält der Kläger nicht länger daran fest, dass die erst in 1996 fällig gewordenen Steuerforderungen schon zahlungsverjährt seien. Er weist jedoch darauf hin, dass ihm bezüglich der "sonstigen Zinsen USt 1991 in Höhe von 1.161,18 €" kein Zinsbescheid vorliege.
18Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß,
19unter Änderung des Abrechnungsbescheids vom 07.12.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2008 festzustellen, dass folgende Steuerforderungen erloschen sind:
20USt 1991 fällig 02.11.1993 43.815,72 €
21Verspätungszuschlag fällig 02.11.1993 2.045,17 €
22Zinsen § 233a AO fällig 02.11.1993 1.551,26 €
23Sonstige Zinsen fällig 06.02.1995 4.061,70 €
24Sonstige Zinsen fällig 08.02.1996 1.176,18 €
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Er ist der Ansicht, dass der Konkursantrag auch ohne Bekanntgabe an den Kläger seine verjährungsunterbrechende Wirkung entfalte und verweist insoweit auf das Urteil des BFH vom 24.09.1996 – VII R 31/96, BStBl II 1997, 8. Es handele sich bei dem Konkursantrag um eine Vollstreckungsmaßnahme mit Außenwirkung, die ihrer Zielrichtung nach ein Tätigwerden der Finanzbehörde gegenüber Dritten erforderlich mache. Die verjährungsunterbrechende Wirkung einer derartigen Vollstreckungsmaßnahme ergebe sich aus dem Tätigwerden des Konkursgerichts gegenüber dem Vollstreckungsschuldner, der durch die Mitteilung des Gerichts von der weiteren Geltendmachung des Zahlungsanspruchs in Kenntnis gesetzt werde.
28Die durch die Konkursantragstellung eingetretene Verjährungsunterbrechung habe fortgedauert, bis das Konkursgericht im Jahr 1996 entschieden habe, das Konkursverfahren nicht zu eröffnen. Denn erst mit dieser Entscheidung habe die vom Finanzamt ergriffene Vollstreckungsmaßnahme geendet.
29Soweit in § 231 Abs. 2 AO eine Fortdauer der Verjährungsunterbrechung für den Fall der Anmeldung einer Steuerforderung zur Insolvenztabelle statuiert werde, müsse diese Fortdauer auch für das dem Konkurs-/Insolvenzverfahren zwangsläufig vorhergehende Konkurs-/Insolvenzeröffnungsverfahren gelten, auch wenn die förmlichen Wirkungen eines eröffneten Konkurs-/Insolvenzverfahrens insoweit noch nicht eintreten. Die Vollstreckungsmaßnahme als solche sei jedoch in gleicher Weise auf Dauer angelegt und nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 231 Abs. 2 AO verjährungstechnisch gleich zu behandeln. Bei den in der Vorschrift angeführten verjährungsunterbrechenden Handlungen werde erkennbar jeweils auf die Dauer der Maßnahme bzw. auf eine Entscheidung im die Unterbrechung bewirkenden Verfahren abgestellt.
30Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Finanzamtsakte Bezug genommen.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
32Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
33Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
341. Der Abrechnungsbescheid vom 07.12.2007 ist rechtswidrig, soweit dieser feststellt, dass die vor 1996 fällig gewordenen Steuerforderungen noch offen seien. Diese sind inzwischen verjährt.
35a. Hinsichtlich der Steuerforderungen, die schon vor 1996 fällig geworden sind, wurde die Verjährung am 20.10.1995 durch Stellung des Konkursantrags unterbrochen.
36Ein Antrag auf Eröffnung des Konkurs-/Insolvenzverfahrens ist eine Vollstreckungsmaßnahme i.S.d. § 231 Abs. 1 AO (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 24.09.1996 - VII R 31/96, BStBl II 1997, 8 unter 2d) und als solche grundsätzlich geeignet, die Zahlungsverjährung zu unterbrechen. Dies wird vom Kläger auch nicht bestritten.
37Anders als der Kläger meint, handelt es sich bei einem Antrag auf Eröffnung des Konkurs-/Insolvenzverfahrens nach herrschender Meinung allerdings nicht um einen Verwaltungsakt (vgl. Tipke/Kruse, FGO, § 251 Tz 18 m.w.N.). Denn durch den Konkurs-/Insolvenzantrag wird nicht bereits eine Regelung getroffen, sondern vielmehr wird eine Regelung - nämlich die Eröffnung des Konkurs-/Insolvenzverfahrens - erst angestrebt.
38Für den Streitfall ist die Frage, welche Rechtsnatur ein Konkurs-/Insolvenzantrag hat, allerdings unerheblich. Denn nach der Rechtsprechung des BFH können bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen, die ihrer Zielrichtung nach ein Tätigwerden gegenüber Dritten erforderlich machen, ihre die Unterbrechung der Verjährung herbeiführende Wirkung auch ohne Bekanntgabe an den Vollstreckungsschuldner entfalten. Als Maßnahme in diesem Sinne nennt der BFH im Urteil vom 24.09.1996 - VII R 31/96 (BStBl II 1997, 8) ausdrücklich den Antrag auf Konkurseröffnung. Selbst wenn es sich bei dem Konkursantrag um einen Verwaltungsakt handeln würde, würde mithin – ebenso wie bei einem Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek, siehe hierzu BFH, Urteil vom 17.10.1989 – VII R 77/88, BStBl II 1990, 44 – die Unterbrechungswirkung bereits zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem der Antrag beim Konkursgericht eingeht. Dies war im Streitfall Ende 1995 der Fall mit der Folge, dass die Zahlungsverjährung in 1995 unterbrochen wurde.
39b. Entgegen der Auffassung des Beklagten dauerte die Unterbrechung nicht an, bis das Amtsgericht M-Stadt mit Beschluss vom 25.03.1996 über den Konkursantrag entschieden hat.
40Welchen verjährungsunterbrechenden Maßnahmen eine Dauerwirkung zukommt, ist in § 231 Abs. 2 AO abschließend geregelt.
41Ein Konkurs-/Insolvenzantrag lässt sich nicht unter die dort genannten Dauertatbestände subsumieren. Insbesondere umfasst § 231 Abs. 2 - anders als Abs. 1 - nicht alle Vollstreckungsmaßnahmen, sondern ausdrücklich nur solche, "die zu einem Pfändungspfandrecht, einer Zwangshypothek oder einem sonstigen Vorzugsrecht auf Befriedigung" führen. Der Gesetzgeber hat mithin bewusst und gewollt eine Auswahl getroffen, welchen Vollstreckungsmaßnahmen eine Dauerwirkung zukommt. Der Konkurs-/Insolvenzantrag führt jedoch zu keinem Vorzugsrecht des Antragstellers im obigen Sinne, sondern dieser hat nach Eröffnung des Verfahrens nur die gleichen Rechte wie die übrigen Insolvenzgläubiger.
42Es kann auch keine Rede davon sein, dass der Gesetzgeber bei der Abfassung des § 231 Abs. 2 AO die Tatbestandsvariante "Stellen eines Konkurs-/Insolvenzantrags" lediglich vergessen hat aufzunehmen. Vielmehr sind bei der Aufzählung verjährungsunterbrechender Maßnahmen verschiedene Maßnahmen des Konkurs-/Insolvenzverfahren ausdrücklich genannt (Anmeldung zur Tabelle, Aufnahme in einen Insolvenzplan oder einen gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, Einbeziehung in ein Restschuldbefreiungsverfahren) und nur bei diesen sieht § 231 Abs. 2 AO eine Fortdauer der Unterbrechenswirkung bis zum Ende des jeweiligen Verfahrens vor. Das gezielte Ansprechen bestimmter Maßnahmen des Konkurs-/Insolvenzverfahrens spricht dafür, dass alle übrigen zu diesen Verfahren gehörenden Maßnahmen nicht begünstigt sein sollen.
43Die durch die Stellung des Konkursantrags herbeigeführte Unterbrechenswirkung endete mithin schon in 1995 mit der Folge, dass nach § 231 Abs. 3 AO mit Ablauf des Jahres 1995 eine neue Verjährungsfrist begann. Diese endete fünf Jahre später, d.h. mit Ablauf des Jahres 2000 (§ 228 Satz 2 AO). Die Vollstreckungsankündigung vom 31.08.2001 kam somit zu spät, um eine weitere Unterbrechung der Verjährung herbeizuführen.
442. Soweit sich der Kläger gegen die Feststellung richtet, es seien noch "Sonstige Zinsen" mit Fälligkeit am 08.02.1996 i.H.v. 1.176,18 € offen, hat die Klage keinen Erfolg. Verjährung ist insoweit nicht eingetreten, da die Verjährungsfrist wegen der erst in 1996 eingetretenen Fälligkeit erst mit Ablauf des Jahres 1996 begann und durch die Vollstreckungsankündigungen vom 31.08.2001 und 29.11.2006 wirksam unterbrochen worden ist.
45Der Senat hatte auch keinen Grund, an der Entstehung dieser Zinsen zu zweifeln. Der Beklagte vermochte zwar keinen Bescheid mehr vorzulegen, aus denen die Art und Berechnung der Zinsen erkennbar sind. Jedoch spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Zinsen wirksam festgesetzt worden sind, denn der Kläger hat die Vollstreckungsankündigungen vom 31.08.2001 und 29.11.2006, die sich auch auf die Zinsen bezogen, widerspruchslos hingenommen. Der Umstand, dass sich der Kläger nunmehr - d.h. 13 Jahren nach Fälligkeit - nicht mehr an die Einzelheiten der Zinsfestsetzung erinnern kann, hat vor dem Hintergrund der deutlich zeitnäheren widerspruchslosen Hinnahme der Vollstreckungsankündigungen kein entscheidungserhebliches Gewicht.
463. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Die Kosten wurden dem Beklagten in vollem Umfang auferlegt, da der Kläger nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
47Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
48Die Revision wurde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Die Frage, ob der Stellung eines Konkurs-/Insolvenzantrags eine Dauerunterbrechungswirkung i.S.d. § 231 Abs. 2 AO zukommt, wurde – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht entschieden.