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Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird nach Art. 267 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind Art. 1, 2, 7 und 15 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl 2002, L 114, S. 6) in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des Abkommens dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaates über die Gewährung einer Einkommensteuerermäßigung für in einem Haushalt erbrachte oder ausgeübte Dienst- und Handwerkerleistungen entgegenstehen, nach der die Steuerermäßigung nur gewährt wird, wenn die begünstigten Leistungen in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden, sie damit jedoch im Mitgliedstaat tätigen Arbeitnehmern aus der Schweiz bei einer Dienstleistungserbringung in ihrem Haushalt in der Schweiz verwehrt wird?
Das Verfahren wird bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die o.g. Vorlagefrage ausgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
2I. Sachverhalt und Streitstand
3Die verheirateten Kläger besitzen jeweils die deutsche und schweizerische Staatsangehörigkeit und wohnen in Z in der Schweiz in einem in ihrem Eigentum stehenden Haus. Zudem bewohnte nur der Kläger aufgrund seiner nichtselbständigen Tätigkeit für die Y in X seit 2015 eine Wohnung in Deutschland, im Streitjahr 2019 in W. Im Streitjahr arbeitete der Kläger werktags am Sitz seines Arbeitgebers in X und wohnte in W. An den Wochenenden und teilweise schon freitags kehrte der Kläger regelmäßig nach Z in die Schweiz zurück. Die Kläger beauftragten im Streitjahr diverse schweizerische Handwerker und eine Gartenbaufirma aus der Schweiz, die ihre Arbeiten jeweils am Haus der Kläger in Z in der Schweiz ausführten. Hierfür stellten die Handwerker Arbeitskosten in Höhe von umgerechnet insgesamt ... € und die Gartenbaufirma Arbeitskosten für Gartenpflege in Höhe von umgerechnet insgesamt ... € in Rechnung. Die Rechnungsbeträge wurden von den Klägern in 2019 überwiesen. Rechnungen nebst Zahlungsnachweise liegen dem beklagten Finanzamt vor und werden nicht bestritten.
4Der Kläger erzielte im Streitjahr in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (in Höhe von ... €) und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (in Höhe von ./. ... €). Zudem waren ihm steuerfreie ausländische Einkünfte in Höhe von ... € zuzurechnen, wovon ... € auf außerordentliche Einkünfte entfielen. Die Klägerin erzielte in der Schweiz Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (in Höhe von ... €).
5Mit der beim beklagten Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung 2019 beantragte die Klägerin für sich die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung – EStG – und die Zusammenveranlagung mit dem Kläger nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG. Mit Einkommensteuerbescheid vom 26.02.2021 setzte das beklagte Finanzamt für die Kläger die Einkommensteuer 2019 im Wege der Zusammenveranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung – AO -) auf ... € fest. Sodann beantragten die Kläger mit Schreiben vom 19.04.2021 gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO die Änderung des Einkommensteuerbescheides. Mit ihrem Änderungsantrag begehrten sie die Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer gemäß § 35a Abs. 2 bis 5 EStG wegen der eingangs genannten Handwerkerleistungen in Höhe von 20 % von ... € (= ... €; maximal 1.200 €) und der Kosten für haushaltsnahe Dienstleistungen (Gartenpflege) in Höhe von 20 % von ... € (= ... €). Die Kläger trugen zur Begründung vor, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl 2002, L 114, S. 6; im Folgenden kurz: FZA) verletzt sei. Sie verwiesen auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 28.02.2013 (Az. C-425/11, Ettwein, BStBl II 2013, 896). Er, der Kläger, falle als Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei (Schweiz) und mit einem Arbeitgeber des Aufnahmestaates (Deutschland) ein Arbeitsverhältnis unterhalte, in den Anwendungsbereich des FZA (Art. 6 Anhang I des FZA). Aufgrund dessen sei auch der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 9 Anhang I des FZA anzuwenden. Art. 9 Abs. 2 Anhang I des FZA verweise darauf, dass ein Arbeitnehmer und seine Familienangehörigen im Hoheitsgebiet des anderen Staates (Deutschland) die gleichen steuerlichen und sozialen Vergünstigungen wie inländische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen genießen. Eine Nichtberücksichtigung der haushaltsnahen Dienstleistungen und Handwerkerleistungen, die er, der Kläger, in der Schweiz getragen habe, führe im Vergleich zu inländischen Arbeitnehmern zu einer Ungleichbehandlung, die gegen das Abkommen verstoße. So hätte § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG laut Gesetzeswortlaut ebenfalls nur für Ehegatten gegolten, die ihren Wohnsitz innerhalb der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums gehabt hätten. Das Finanzgericht Baden-Württemberg habe jedoch mit Urteil vom 18.04.2013 (3 K 825/13, DStRE 2015, 591) auf der Basis des o.g. EuGH-Urteils entschieden, dass die Regelung explizit auch für in der Schweiz wohnhafte Ehegatten gelte, die in Deutschland ihre Einkünfte versteuern würden. Daraufhin sei ein entsprechender Hinweis in die Verwaltungsrichtlinien zur Einkommensteuer (Einkommensteuerhinweise) aufgenommen worden.
6Den Änderungsantrag lehnte das beklagte Finanzamt mit Bescheid vom 10.11.2021 ab und bezog sich auf den Wortlaut des § 35a Abs. 4 EStG. Danach könne die Steuerermäßigung nur in Anspruch genommen werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis, die Dienstleistung oder die Handwerkerleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen ausgeübt bzw. erbracht werde. Hieran fehle es beim Kläger, dessen Haushalt sich in der Schweiz befinde.
7Gegen den Ablehnungsbescheid legten die Kläger Einspruch ein und verwiesen auf Art. 13 Abs. 1 des Anhangs I des FZA, der ihre Rechtsansicht decke. Zudem sei Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union aufgrund des FZA nach Art. 216 Abs. 2 AEUV an das FZA gebunden. Das FZA sei weiterhin vorrangig vor sekundärem Unionsrecht sowie vor nationalem Recht.
8Mit Einspruchsentscheidung vom 17.05.2022 wies das beklagte Finanzamt den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Ziel des FZA sei es, die Gleichbehandlung von gleichen Sachverhalten zu erreichen. An dieser Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehle es bereits. Zu vergleichen seien die Kläger mit Eheleuten mit deutscher Staatsbürgerschaft, die mit ihren gesamten Einkünften der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland unterliegen würden. Die Klägerin habe jedoch ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland, sondern zu einem geringen Teil auch in der Schweiz versteuert (Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz i.V.m. § 50d Abs. 8 EStG).
9Zudem würden Eheleuten mit deutscher Staatsbürgerschaft, die in der Schweiz einen weiteren Wohnsitz unterhielten, ebenfalls keine Vergünstigung für in der Schweiz erbrachte Handwerker- oder haushaltsnahe Dienstleistungen erhalten. Damit werde die Vergünstigung ausländischen und inländischen Arbeitnehmern gleichermaßen verwehrt. Der Gesetzgeber habe entschieden, den Begünstigungsrahmen nicht auf Steuerpflichtige auszudehnen, die im Hoheitsgebiet der Schweiz ihren Wohnsitz haben. Schließlich spreche der Lenkungszweck des § 35a EStG gegen eine Anwendung der Vorschrift im Streitfall. Der von Beginn an vom deutschen Gesetzgeber verfolgte Lenkungszweck, einen Anreiz für Beschäftigungsverhältnisse im Privathaushalt zu schaffen und Schwarzarbeit in diesem Bereich zu bekämpfen, sei im Jahr 2008 lediglich um konjunkturpolitische Elemente angereichert worden. Durch eine verbesserte Absetzbarkeit von Arbeitskosten bei Handwerkerleistungen sollten Impulse für eine legale Beschäftigung in Deutschland gesetzt werden. Die gemeinschaftsrechtlich begründete Ausweitung des § 35a Abs. 4 EStG auf Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen, die in Haushalten in der Europäischen Union oder der Europäischen Wirtschaftsraum erbracht oder ausgeübt werden, verfolge zwar nicht unmittelbar diese nationalen Lenkungszwecke, stelle sie aber auch nicht in Frage.
10Hiergegen haben die Kläger am 14.06.2022 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiterverfolgen. Sie beantragen, das beklagte Finanzamt zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2019 zu ändern, indem ihnen die Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer gemäß § 35a Abs. 2 bis 5 EStG wegen der eingangs genannten Handwerker- und Dienstleistungen gewährt wird.
11Das beklagte Finanzamt hält im Klageverfahren an seiner Rechtsauffassung aus dem Verwaltungsverfahren fest und lehnt die Gewährung der Einkommensteuerermäßigung weiterhin ab.
12II. Entscheidungsgründe
13Der Senat legt dem EuGH die im Tenor bezeichnete Frage zur Auslegung der Art. 1, 2, 7 und 15 FZA in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des FZA gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV zur Vorabentscheidung vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
14Die Anrufung des EuGH ist nach Art. 267 Abs. 2 AEUV geboten, weil das Verständnis des FZA für den Streitfall zweifelhaft ist und die Entscheidung von der Beantwortung der Vorlagefrage abhängt. Gemäß Art. 216f. AEUV ist das Freizügigkeitsabkommen Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung und stellt die Handlung eines Gemeinschaftsorgans dar. Damit nimmt der Inhalt des FZA, der für die Organe der Union und die Mitgliedstaaten verbindlich ist (Art. 216 Abs. 2 AEUV), am Vorrang des Unionsrechts gegenüber nationalem Recht teil. Für die Auslegung des Abkommens ist der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren zuständig (vgl. BFH-Beschluss vom 07.09.2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590 unter II.4.b.aa.; Finanzgericht Baden-Württemberg, EuGH-Vorlage vom 15.07.2015 14 K 1229/13, EFG 2016, 1957 unter III.).
15Der Senat hat Zweifel, ob es mit Art. 1, 2, 7 und 15 FZA in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des FZA vereinbar ist, dass die Steuerermäßigungen nach § 35a Abs. 1 bis 3 EStG nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn die begünstigten Dienstleistungen in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden, sie damit jedoch im Mitgliedstaat tätigen Arbeitnehmern aus der Schweiz bei einer Dienstleistungserbringung in ihrem Haushalt in der Schweiz verwehrt werden.
161. Nationales Recht und Abkommen
17Einkommensteuergesetz
18Für die Entscheidung über die Vorlagefrage sind die nachstehenden Vorschriften des deutschen Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.10.2009 (BGBl. I S. 3366, 3862), zuletzt geändert durch Art. 1 bis 3 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I S. 2338) (kurz: EStG) von Bedeutung:
19§ 1 EStG: Steuerpflicht
20(1) 1Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. ...
21(4) Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 und des § 1a beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 haben.
22§ 1a EStG: Steuerpflicht von EU- und EWR-Familienangehörigen
23(1) Für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist, die nach § 1 Absatz 1 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind …, gilt bei Anwendung von … § 26 Absatz 1 Satz 1 Folgendes:
241. …
252Voraussetzung ist, dass
26a) der Empfänger seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates hat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet und
27b) …
282. der nicht dauernd getrenntlebende Ehegatte ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland wird auf Antrag für die Anwendung des § 26 Absatz 1 Satz 1 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt. 2Nummer 1 Satz 2 gilt entsprechend.
29…
30§ 2 EStG: Umfang der Besteuerung, Begriffsbestimmungen
31(1) 1Der Einkommensteuer unterliegen
321. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft,
332. Einkünfte aus Gewerbebetrieb,
343. Einkünfte aus selbständiger Arbeit,
354. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit,
365. Einkünfte aus Kapitalvermögen,
376. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung,
387. sonstige Einkünfte im Sinne des § 22,
39die der Steuerpflichtige während seiner unbeschränkten Einkommensteuerpflicht oder als inländische Einkünfte während seiner beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielt. …
40§ 19 EStG: Nichtselbständige Arbeit
41(1) 1Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören
421. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst;
432. …
44§ 26 EStG: Veranlagung von Ehegatten
45(1) 1Ehegatten können zwischen der Einzelveranlagung (§ 26a) und der Zusammenveranlagung (§ 26b) wählen, wenn
461. beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig im Sinne des § 1 Absatz 1 oder 2 oder des § 1a sind,
472. sie nicht dauernd getrennt leben und
483. bei ihnen die Voraussetzungen aus den Nummern 1 und 2 zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorgelegen haben oder im Laufe des Veranlagungszeitraums eingetreten sind. …
49(2) 1Ehegatten werden einzeln veranlagt, wenn einer der Ehegatten die Einzelveranlagung wählt. 2Ehegatten werden zusammen veranlagt, wenn beide Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen. 3Die Wahl wird für den betreffenden Veranlagungszeitraum durch Angabe in der Steuererklärung getroffen. ...
50§ 35a EStG: Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen
51(1) Für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, bei denen es sich um eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt, ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 510 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen.
52(2) 1Für andere als in Absatz 1 aufgeführte haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach Absatz 3 sind, ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 4.000 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen. …
53(3) 1Für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 1 200 Euro. …
54(4) 1Die Steuerermäßigung nach den Absätzen 1 bis 3 kann nur in Anspruch genommen werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis, die Dienstleistung oder die Handwerkerleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen … ausgeübt oder erbracht wird. …
55(5) 1Die Steuerermäßigungen nach den Absätzen 1 bis 3 können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Aufwendungen nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen und soweit sie nicht als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden sind; für Aufwendungen, die dem Grunde nach unter § 10 Absatz 1 Nummer 5 fallen, ist eine Inanspruchnahme ebenfalls ausgeschlossen. 2Der Abzug von der tariflichen Einkommensteuer nach den Absätzen 2 und 3 gilt nur für Arbeitskosten. 3Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach Absatz 2 oder für Handwerkerleistungen nach Absatz 3 ist, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist. …
56§ 50d Abs. 8 EStG: Besonderheiten im Fall von Doppelbesteuerungsabkommen und der §§ 43b und 50g
57…
58(8) 1Sind Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19) nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, wird die Freistellung bei der Veranlagung ungeachtet des Abkommens nur gewährt, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. 2Wird ein solcher Nachweis erst geführt, nachdem die Einkünfte in eine Veranlagung zur Einkommensteuer einbezogen wurden, ist der Steuerbescheid insoweit zu ändern. 3§ 175 Absatz 1 Satz 2 der Abgabenordnung ist entsprechend anzuwenden. …
59Abgabenordnung
60Für die Entscheidung über die Vorlagefrage sind die nachstehenden Vorschriften der Abgabenordnung in der Neufassung der Abgabenordnung durch Artikel 73 Abs. 2 des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21. 08.2002 (BGBl. I S. 3322; kurz: AO) maßgebend:
61§ 8 AO: Wohnsitz
62Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
63§ 9 AO: Gewöhnlicher Aufenthalt
641Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. 2Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. 3Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.
65§ 164 AO: Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung
66(1) 1Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. …
67(2) 1Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. 2Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. 3Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden. …
68Verwaltungsvorschrift
69Für die Entscheidung über die Vorlagefrage ist das nachstehende Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 16.09.2013 (Az. IV C 3-S 1325/11/10014, BStBl I 2013, 1325) erheblich:
70Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit Urteil vom 28. Februar 2013 in der Rechtssache C-425/11 „Ettwein“ (BStBl 2013 II S. 896), entschieden:
71„Art. 1 Buchst. a des zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits geschlossenen Abkommens über die Freizügigkeit , unterzeichnet in Luxemburg am 21. Juni 1999, sowie die Art. 9 Abs. 2 , 13 Abs. 1 und 15 Abs. 2 des Anhangs I dieses Abkommens sind dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der Eheleuten, die Staatsangehörige dieses Staates sind und mit ihren gesamten steuerpflichtigen Einkünften der Besteuerung in diesem Staat unterliegen, die in dieser Regelung vorgesehene Zusammenveranlagung unter Berücksichtigung des Splitting-Verfahrens allein deshalb verweigert wird, weil ihr Wohnsitz im Hoheitsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft liegt.“
72Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung von § 1a Abs. 1 EStG im Hinblick auf die Auslegung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit und nach Maßgabe des o. g. Urteils Folgendes:
73§ 1a Abs. 1 EStG ist bei Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch anwendbar, wenn
74- der Empfänger der Leistungen im Sinne der Nummern 1 und 1a,
75- die ausgleichsberechtigte Person im Sinne der Nummer 1b oder
76- der Ehegatte/Lebenspartner im Sinne der Nummer 2
77seinen/ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben.
78Das gilt für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle.
79Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland - Schweiz
80Für die Entscheidung über die Vorlagefrage sind die nachstehenden Vorschriften des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 29.12.1972 (BGBl. 1973 II S. 74, BStBl. 1973 I S. 61; zuletzt geändert durch Art. 5 des Protokolls vom 27.10.2010 BGBl. 2011 II S. 1090, 1093, BStBl. 2012 I S. 512, 514; kurz: DBA Schweiz) relevant:
81Art. 4 Ansässige Person
82(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist.
83(2) …
84Art. 15 Einkünfte aus unselbständiger Arbeit
85(1) Vorbehaltlich der Artikel 15 a bis 19 können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.
86(2) …
87Freizügigkeitsabkommen
88Für die Entscheidung über die Vorlagefrage sind die nachstehenden Vorschriften des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit in der Fassung vom 21.06.1999; (ABl 2002, L 114, S. 6, in Deutschland in Kraft seit 01.06.2002: BGBl II 2001, 810 und 2002, 1692) in der zuletzt durch das Protokoll vom 04.03.2016 im Hinblick auf die Aufnahme der Republik Kroatien als Vertragspartei infolge ihres Beitritts zur Europäischen Union (ABl. 2017, L 31, S. 3) angepassten Fassung (im Folgenden: FZA) von Bedeutung.
89Art. 1 FZA: Ziel
90Ziel dieses Abkommens zu Gunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz ist Folgendes:
91a) Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbstständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien;
92b) Erleichterung der Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien, insbesondere Liberalisierung kurzzeitiger Dienstleistungen;
93c) Einräumung eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien für Personen, die im Aufnahmestaat keine Erwerbstätigkeit ausüben;
94d) Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer.
95Art. 2 FZA: Nichtdiskriminierung
96Die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, werden bei der Anwendung dieses Abkommens gemäß den Anhängen I, II und III nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert.
97Art. 7 FZA: Sonstige Rechte
98Die Vertragsparteien regeln insbesondere die folgenden mit der Freizügigkeit zusammenhängenden Rechte gemäß Anhang I:
99a) Recht auf Gleichbehandlung mit den Inländern in Bezug auf den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit und deren Ausübung sowie auf die Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen;
100b) Recht auf berufliche und geographische Mobilität, das es den Staatsangehörigen der Vertragsparteien gestattet, sich im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates frei zu bewegen und den Beruf ihrer Wahl auszuüben;
101c) Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit;
102d) Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit;
103e) Recht der Familienangehörigen auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit;
104f) Recht auf Erwerb von Immobilien im Zusammenhang mit der Ausübung der im Rahmen dieses Abkommens eingeräumten Rechte;
105g) während der Übergangszeit: Recht auf Rückkehr in das Hoheitsgebiet einer Vertragspartei nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit oder eines Aufenthalts in diesem Gebiet zwecks Ausübung einer Erwerbstätigkeit sowie Recht auf Umwandlung einer befristeten in eine ständige Aufenthaltserlaubnis.
106Art. 13 FZA: Stand still
107Die Vertragsparteien verpflichten sich, in den unter dieses Abkommen fallenden Bereichen keine neuen Beschränkungen für Staatsangehörige der anderen Vertragspartei einzuführen.
108Art. 15 FZA: Anhänge und Protokolle
109Die Anhänge und Protokolle sind Bestandteile dieses Abkommens. Die Erklärungen sind in der Schlussakte enthalten.
110Art 16 FZA: Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht
111(1) Zur Erreichung der Ziele dieses Abkommens treffen die Vertragsparteien alle erforderlichen Maßnahmen, damit in ihren Beziehungen gleichwertige Rechte und Pflichten wie in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, auf die Bezug genommen wird, Anwendung finden.
112(2) Soweit für die Anwendung dieses Abkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, wird hierfür die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung berücksichtigt. Über die Rechtsprechung nach dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens wird die Schweiz unterrichtet. Um das ordnungsgemäße Funktionieren dieses Abkommens sicherzustellen, stellt der Gemischte Ausschuss auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen dieser Rechtsprechung fest.
113Art. 21 FZA: Beziehung zu den bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen
114(1) Die Bestimmungen der bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft bleiben von den Bestimmungen dieses Abkommens unberührt. Insbesondere lassen die Bestimmungen dieses Abkommens die in den Doppelbesteuerungsabkommen festgelegte Begriffsbestimmung des Grenzgängers unberührt.
115(2) Keine Bestimmung dieses Abkommens ist so auszulegen, dass sie die Vertragsparteien daran hindert, bei der Anwendung ihrer Steuervorschriften eine Unterscheidung zwischen Steuerpflichtigen zu machen, die sich – insbesondere hinsichtlich ihres Wohnsitzes – nicht in vergleichbaren Situationen befinden.
116(3) Keine Bestimmung dieses Abkommens hindert die Vertragsparteien daran, Massnahmen zu beschliessen oder anzuwenden, um nach Massgabe der Bestimmungen der nationalen Steuergesetzgebung einer Vertragspartei oder der zwischen der Schweiz einerseits und einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft andererseits geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen oder sonstiger steuerrechtlicher Vereinbarungen die Besteuerung sowie die Zahlung und die tatsächliche Erhebung der Steuern zu gewährleisten oder die Steuerflucht zu verhindern.
117Anhang I
118I. Allgemeine Bestimmungen
119Art. 3 Anhang I: Familienangehörige
120(2) Als Familienangehörige gelten ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit:
121a) der Ehegatte und die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird;
122b) die Verwandten und die Verwandten des Ehegatten in aufsteigender Linie, denen Unterhalt gewährt wird;
123c) im Fall von Studierenden der Ehegatte und die unterhaltsberechtigten Kinder.
124Die Vertragsparteien begünstigen die Aufnahme aller nicht unter den Buchstaben a, b und c genannten Familienangehörigen, denen der Staatsangehörige einer Vertragspartei Unterhalt gewährt oder mit denen er im Herkunftsland in einer häuslichen Gemeinschaft lebt.
125(3) …
126II. Arbeitnehmer
127Art. 6 Anhang I: Aufenthaltsregelung
128(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist (im Folgenden «Arbeitnehmer» genannt) und mit einem Arbeitgeber des Aufnahmestaates ein Arbeitsverhältnis mit einer Dauer von mindestens einem Jahr eingegangen ist, erhält eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer von mindestens fünf Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis. Diese wird automatisch um mindestens fünf Jahre verlängert. Bei der ersten Verlängerung kann die Gültigkeitsdauer beschränkt werden, wenn der Inhaber seit mehr als zwölf aufeinander folgenden Monaten unfreiwillig arbeitslos ist; sie darf jedoch ein Jahr nicht unterschreiten.
129(2) …
130Art. 9 Anhang I: Gleichbehandlung
131(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.
132(2) Ein Arbeitnehmer und seine in Artikel 3 dieses Anhangs genannten Familienangehörigen genießen dort die gleichen steuerlichen und sozialen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen.
133(3) …
1342. Beurteilung des Streitfalls nach nationalem Recht
135Die von den Klägern begehrten Steuerermäßigungen für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 und 3 EStG können diese nicht in Anspruch nehmen, da die Handwerkerleistungen und haushaltsnahen Dienstleistungen in der Schweiz und damit nicht in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt der Kläger ausgeübt und erbracht wurden (§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG).
136a. Der Kläger besitzt die deutsche und schweizerische Staatsangehörigkeit und ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz EStG in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, da er in Deutschland, in W, unstreitig einen Wohnsitz i.S.d. § 8 der Abgabenordnung (AO) hat. Er erzielt in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG. Seine Ehefrau, die in Deutschland weder einen Wohnsitz (§ 8 AO) noch einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) hat, wird auf Antrag gemäß § 1a Abs. 1 Nr. 2 Sätze 1 und 2 EStG in Verbindung mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 16.09.2013 (Az. IV C 3-S 1325/11/10014) in Deutschland als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, nachdem der Regelungsbereich des § 1a Abs. 1 Nr. 2 Sätze 1 und 2 EStG auf in der Schweiz wohnhafte Ehegatten nach den Vorschriften des FZA erweitert wurde (vgl. EuGH-Urteil vom 28.02.2013 C-425/11, BStBl II 2013, 896). Damit unterliegen zunächst sämtliche Einkünfte der Eheleute der deutschen Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin wurden letztlich nach den Regelungen der Art. 4 Abs. 1, 15 Abs. 1 DBA Schweiz und § 50 Abs. 8 EStG von der Besteuerung in Deutschland ausgenommen. Dem entsprechend haben die Kläger mit der beim beklagten Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung die Zusammenveranlagung gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG gewählt. Die weiteren Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nach § 26 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG liegen unstreitig vor.
137b. Nach § 35a Abs. 1 bis 3 EStG kann die tarifliche Einkommensteuer ermäßigt werden, wenn der Steuerpflichtige Handwerkerleistungen oder haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch genommen hat. Die Ermäßigung beträgt nach den im Streitfall einschlägigen § 35a Abs. 2 und 3 EStG 20 % der nach § 35 Abs. 5 Satz 2 EStG begünstigten Arbeitskosten, jedoch maximal 1.200 € für Handwerkerleistungen und maximal 4.000 € für haushaltsnahe Dienstleistungen (§ 35a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG). Die Beträge vermindern unmittelbar die tarifliche Einkommensteuer.
138Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Ermäßigungen nach § 35a Abs. 2 und 3 EStG ist, dass der Steuerpflichtige für die Leistungen ordnungsgemäße Rechnungen erhält und der Rechnungsbetrag vom Steuerpflichtigen überwiesen wurde (§ 35a Abs. 5 Satz 3 EStG). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall für die vom Kläger geltend gemachten Dienstleistungen unstreitig gegeben.
139Weitere Voraussetzung ist nach § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG, dass die Handwerkerleistungen und haushaltsnahen Dienstleistungen in einem Haushalt in der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums ausgeübt oder erbracht wurden. Hieran fehlt es im Streitfall, da der Haushalt der Kläger, in dem die Handwerkerleistungen und Dienstleistungen erbracht wurden, in Z in der Schweiz lag.
140c. § 35a EStG wurde ursprünglich durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I 2002, 4621; BStBl. I 2003, 3) in das Einkommensteuergesetz eingefügt. Der Gesetzgeber verfolgte damals mit der Vorschrift das Ziel, einen Anreiz für Beschäftigungsverhältnisse in Privathaushalten in Deutschland zu schaffen und damit die Schwarzarbeit in diesem Bereich zu bekämpfen (BT-Drs. 15/91, 19). Daher begünstigt er – bis heute - auch nur die Arbeitskosten (§ 35 Abs. 5 Satz 2 EStG), nicht hingegen die Materialaufwendungen.
141Mit dem Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.2007 (BGBl. I 2007, 3150; BStBl. I 2008, 218) wurde die bis dahin bestehende Beschränkung der Steuerermäßigung auf einen inländischen Haushalt vom Gesetzgeber aufgegeben und zur Anpassung der Vorschrift an die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts auf Leistungen in einem in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt erweitert.
1423. Zur Vorlagefrage
143Der Senat hat jedoch Zweifel, ob die Ablehnung der beantragten Steuerermäßigungen nach § 35a Abs. 2 und 3 EStG durch das beklagte Finanzamt mit Art. 1, 2, 7 und 15 FZA in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des FZA vereinbar ist. Möglicherweise können die Kläger sich mit Erfolg auf diese Vorschriften berufen.
144a. Zunächst ist zu klären, ob das FZA auf die Situation der Kläger Anwendung findet.
145(1) Ziel des FZA ist es, für wirtschaftlich tätige Personen, die die Staatsangehörigkeit einer der Vertragsstaaten besitzen, die Freizügigkeit zu realisieren. Hierzu gewährt Art. 1 FZA in Bezug auf unselbständig Erwerbstätige das Recht auf Einreise, Aufenthalt, und Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit sowie das Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien (Art. 1 Buchstabe a FZA). Selbständigen steht das Recht auf Niederlassung zu (Art. 1 Buchstabe a FZA) und grenzüberschreitende Dienstleistungserbringer erhalten Erleichterungen für ihre Tätigkeit (Art. 1 Buchstabe b FZA). Zudem wird ein Einreise- und Aufenthaltsrecht für nicht erwerbstätige Personen gewährt (Art. 1 Buchstabe c FZA). Schließlich werden die gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer von den Vertragsstaaten garantiert (Art. 1 Buchstabe d FZA). Zur Erreichung dieser Ziele darf nach Art. 2 FZA die in den Anwendungsbereich des FZA fallende Person nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit gemäß den Anhängen I, II und III des FZA diskriminiert werden. Dieser Grundsatz der Nichtdiskriminierung umfasst aber nicht generell und absolut jede Ungleichbehandlung von Staatsangehörigen einer der Vertragsparteien, die sich im Hoheitsgebiet der anderen Partei aufhalten. Es verbietet nur Diskriminierungen, soweit die Situation dieser Staatsangehörigen in den sachlichen Anwendungsbereich der Bestimmungen der Anhänge I bis III dieses Abkommens fällt (vgl. EuGH-Urteil vom 15.07.2010, Hengartner/ Gasser, C-70/09, ABl EU 2010, Nr C 246, 5, IStR 2012, 338 Rn. 39 und BFH-Urteil vom 09.05.2012 X R 43/10, HFR 2013, 19 Rn. 26). So schützt das Diskriminierungsverbot die Staatsangehörigen der Vertragsstaaten nicht in ihrer passiven Dienstleistungsfreiheit, also beim Empfang von Dienstleistungen. Dienstleistungsempfänger, die sich zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung in einen Vertragsstaat begeben, steht lediglich nach Art. 5 Abs. 3 FZA ein zu diesem Zwecke gewährtes Einreise- und Aufenthaltsrecht zu (vgl. zum Schulbesuch in der Schweiz: BFH-Urteil vom 09.05.2012 X R 43/10, HFR 2013, 19 Rn. 26ff.; siehe auch zur Jagdpacht in einem EU-Mitgliedstaat: EuGH-Urteil vom 15.07.2010, Hengartner/ Gasser, C-70/09, ABl EU 2010, Nr C 246, 5, IStR 2012, 338 Rn. 39ff.; s. auch Cordewener IStR 2008, 536, 539f.).
146Soweit jedoch das Freizügigkeitsrecht der vom FZA geschützten Personengruppen betroffen ist, wird zur Gewährleistung der Freizügigkeit im Anhang I des FZA unter anderem das Recht auf Gleichbehandlung mit den Inländern in Bezug auf die Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen (Art. 7 Buchstabe a FZA und Anhang I des FZA) geregelt.
147(2) Der Kläger, der sowohl die deutsche als auch die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzt und in Z in der Schweiz mit seiner Familie wohnt, hat sich in die Bundesrepublik Deutschland begeben, um dort bei seinem Arbeitgeber, der Firma Y, eine unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben. Durch die Ausübung dieser Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland macht er von seinem Freizügigkeitsrecht als unselbständiger Erwerbstätiger aktiv im Sinne des FZA Gebrauch. Hierfür reist er in die Bundesrepublik ein, hält sich dort auf und bezieht nahe dem Ort seiner Beschäftigung eine Wohnung. Somit fällt der Kläger in den Anwendungsbereich des FZA und kann die dort garantierte Freizügigkeit für sich in Anspruch nehmen (vgl. EuGH-Urteil vom 26.02.2019 Wächtler, C-581/17, ABl EU 2019, Nr. C 139, 16, HFR 2019, 439 Rn. 41ff.). In Ausübung seines Freizügigkeitsrechts werden ihm nach Art. 1 Buchstabe d und Art. 7 Buchstabe a FZA die gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen eingeräumt, wie Inländern.
148Zwar empfängt der Kläger mit den Handwerkleistungen und haushaltsnahen Dienstleistungen in der Schweiz auch passiv Dienstleistungen in der Schweiz, dies führt für ihn aber nicht zu dem nur eingeschränkten Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 FZA. Anders als in den Fällen des reinen Dienstleistungsempfangs ohne eine abhängige Erwerbstätigkeit in dem anderen Mitgliedstaat auszuüben oder sich dort als Selbständiger niederzulassen (so: EuGH-Urteil vom 15.07.2010, Hengartner/ Gasser, C-70/09, ABl EU 2010, Nr C 246, 5, IStR 2012, 338 und BFH-Urteil vom 09.05.2012 X R 43/10, HFR 2013, 19; s. auch EuGH-Urteil vom 11.09.2007 Schwarz/Grootjes-Schwarz, C-76/05 ABl EU 2007, Nr C 269, 5, HFR 2007, 1253 Rn. 33), begibt sich der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland, um dort aktiv eine unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben.
149Die Klägerin fällt als Familienangehörige ebenfalls in den Schutzbereich des FZA (Art. Art. 1 FZA, Art. 15 FZA in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Buchstabe a) des Anhangs I des FZA).
150b. Der Senat hält es für die Gewährleistung der Freizügigkeit für möglich, dass sich der Kläger auf das Gleichbehandlungsrecht in Bezug auf Steuervergünstigungen nach Art. 15 FZA in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des FZA berufen kann.
151(1) Das Gleichbehandlungsrecht nach Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des FZA steht allen Arbeitnehmern (Art. 6 Abs. 1 des Anhangs I des FZA) und ihren Familienangehörigen (Art. 3 des Anhangs I des FZA) zu. Nach Art. 6 Abs. 1 des Anhangs I des FZA ist Arbeitnehmer, wer Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist und mit einem Arbeitgeber des Aufnahmestaats ein Arbeitsverhältnis mit einer Dauer von mindestens einem Jahr eingegangen ist. Der Kläger besitzt die schweizerische und deutsche Staatsangehörigkeit und ist in Deutschland ein langfristiges Arbeitsverhältnis mit der Firma Y eingegangen, so dass er Arbeitnehmer i.S.d. Art. 6 Abs. 1 des Anhangs I des FZA ist. Damit unterfällt er dem persönlichen Geltungsbereich des Anhangs I des FZA.
152(2) Nach Anhang I des FZA umfasst das Recht auf Freizügigkeit, in sachlicher Hinsicht nicht nur das Recht auf Ein- und Ausreise (Art. 1 des Anhangs I des FZA) und das Recht auf Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (Art. 2 des Anhangs I des FZA), sondern für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen nach Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des FZA auch das Recht im Beschäftigungsstaat die gleichen steuerlichen Vergünstigungen zu erhalten, wie inländische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen. Als direkte Steuerermäßigung ist § 35a Abs. 2 und 3 EStG eine Steuervergünstigung in diesem Sinne.
153Der Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet dabei nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale, wie des Kriteriums des Wohnsitzes, tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (vgl. EuGH-Urteil vom 30.05.2024 C-627/22, ABl EU C, C/2024/4291, HFR 2024, 677 Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung des EuGH). Eine Regelung, die eine Unterscheidung aufgrund des Kriteriums des Wohnsitzes trifft, kann also zum gleichen Ergebnis führen wie eine nach Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des FZA verbotene Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit (vgl. EuGH-Urteil vom 30.05.2024 C-627/22, ABl EU C, C/2024/4291, HFR 2024, 677 Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung des EuGH). Da die Gleichbehandlung ein Begriff des Unionsrechts ist, gilt diese Rechtsprechung nach Art. 16 Abs. 2 FZA auch für das FZA selbst (vgl. EuGH-Urteil vom 30.05.2024 C-627/22, ABl EU C, C/2024/4291, HFR 2024, 677 Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung des EuGH).
154Diese Auslegung könnte aus der Sicht des Senats auch für das Unterscheidungsmerkmal des Ausübungsortes der begünstigten Dienstleistung im Rahmen der Steuerermäßigung nach § 35a EStG gelten. Die Steuerermäßigung nach § 35a EStG wird von der Erbringung oder Ausübung der Dienstleistung im Inland oder - diesem gleichgestellt - in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums abhängig gemacht. Bereits mit seinem Urteil vom 13.11.2003 (Az. C-209/01– Schilling -, ABl EU 2004, Nr C 7, 5, HFR 2004, 178), hatte der EuGH entschieden, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Artikel 48 EG-Vertrag (nunmehr: Art. 45 AEUV) der Versagung des Sonderausgabenabzugs für Aufwendungen für ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis entgegensteht, wenn der Sonderausgabenabzug von der Entrichtung von Pflichtbeiträgen in die inländische Rentenversicherung abhängig gemacht wird (vgl. EuGH-Urteil vom 13.11.2003 Schilling, C-209/01, ABl EU 2004, Nr C 7, 5, HFR 2004, 178 Rn. 21ff.; zur Bedeutung der Entscheidung für § 35a EStG Daiber/Offermanns, NWB Fach 3, 12763 (10/2004)).
155Als Arbeitnehmer hat der Kläger von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht. Im Rahmen dessen hat er in Deutschland zusätzlich zu seiner Hauptwohnung in der Schweiz eine zweite Wohnung bezogen, um dort an den Arbeitstagen zu wohnen. Durch den dadurch begründeten Wohnsitz (§ 8 AO) ist der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Seine in Deutschland erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unterliegen der deutschen Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG). Durch diese Ausübung seines Freizügigkeitsrechts als Arbeitnehmer erleidet der Kläger jedoch in der Bundesrepublik Deutschland einen steuerlichen Nachteil im Verhältnis zu inländischen Arbeitnehmern, deren Haupt- und Zweitwohnung innerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland liegen. Die inländischen Arbeitnehmer können für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen im Haushalt ihrer inländischen Wohnungen die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 und 3 EStG in Anspruch nehmen.
156Der Kläger ist zudem steuerlich benachteiligt gegenüber Arbeitnehmern, die aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums stammen und im Herkunftsland ihren Haushalt beibehalten, gleichzeitig aber in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten und auch dort wohnen. Denn diese Arbeitnehmer können – in Ausübung ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV - seit dem Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.2007 (BGBl. I 2007, 3150; BStBl. I 2008, 218) für Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen Haushalt ebenfalls die Steuerermäßigungen nach § 35a Abs. 2 und 3 EStG in Anspruch nehmen, während diese dem Kläger versagt wird.
157Soweit das beklagte Finanzamt anführt, dass allen Inländern, Unionsbürgern oder Bürgern eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraums – unabhängig von einer die Freizügigkeit beanspruchenden Tätigkeit - eine Inanspruchnahme der Steuerermäßigung nach § 35a EStG verwehrt werde, wenn die begünstigte Dienstleistung in einem Haushalt in der Schweiz erbracht bzw. ausgeübt werde, überzeugt dies den Senat aus den zuvor dargelegten Gründen nicht. Die Situation des Klägers ist mit der Situation von inländischen Arbeitnehmern mit einer zweiten Wohnung am Arbeitsort oder Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten bzw. Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums zu vergleichen, die sich in die Bundesrepublik Deutschland begeben, um hier ein Arbeitsverhältnis einzugehen und auszuüben, dabei jedoch ihren Haushalt im Herkunftsland nicht aufgeben.
158Diese Ungleichbehandlung, die zu einem Liquiditätsnachteil beim Kläger führt, erscheint aus der Sicht des Senats dazu geeignet zu sein, den Kläger davon abzuhalten, von seinem nach dem FZA garantierten Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer Gebrauch zu machen.
159c. Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung sind für den Senat nicht erkennbar.
160(1) Zwar ist nach Art. 21 Abs. 2 FZA im Bereich der Steuern eine differenzierte Behandlung von Steuerpflichtigen zulässig, die sich – insbesondere hinsichtlich ihres Wohnsitzes – nicht in vergleichbaren Situationen befinden (vgl. EuGH-Urteile vom 21.09.2016, Radgen, C-478/15, DStR 2016, 2331 Rn. 45ff.; vom 26.02.2019 Wächtler, C-581/17, ABl EU 2019, Nr. C 139, 16, HFR 2019, 439 Rn. 58ff.).
161Der EuGH hat jedoch entschieden, dass sich der gebietsfremde Steuerpflichtige, der seine gesamten oder nahezu seine gesamten Einkünfte in dem Staat erzielt, in dem er seine berufliche Tätigkeit ausübt, hinsichtlich der Einkommensteuer objektiv in derselben Situation befindet wie der in diesem Staat Ansässige, der dort die gleiche Tätigkeit ausübt. Diese beiden Gruppen von Steuerpflichtigen befinden sich in einer vergleichbaren Situation (vgl. EuGH-Urteile vom 14.02.1995, Schumacker, C-279/93, Slg 1995, I-225 Rn. 37 und 38 und vom 28.02.2013 Ettwein, C-425/11, ABl EU 2013, Nr C 114, 13, BStBl II 2013, 896 Rn. 47).
162Damit befindet sich der Kläger in einer vergleichbaren Situation zu inländischen Arbeitnehmern und zu europäischen Arbeitnehmern, die sowohl im Herkunftsland als auch im Inland einen (weiteren) Wohnsitz haben. Jedoch ist ihm die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung nach § 35a EStG für in der Schweiz erbrachte Dienstleistungen nicht möglich, da er dort keine eigenen Einkünfte erzielt. Soweit die zu den Einkünften des Klägers verhältnismäßig geringen Einkünfte seiner Ehefrau nach den Regelungen des DBA Schweiz letztlich in der Schweiz der Besteuerung unterliegen, ändert dies nichts an der Vergleichbarkeit der Situation des Klägers zu inländischen bzw. europäischen Arbeitnehmern. Diese können die Steuerermäßigung nach § 35a EStG für die begünstigten Dienstleistungen in Anspruch nehmen, auch wenn sie einen Teil ihrer Einkünfte in einem anderen Land versteuern.
163Eine differenzierte Behandlung des Klägers ist aus der Sicht des Senats daher nicht gerechtfertigt (vgl. EuGH-Urteil vom 28.02.2013 Ettwein, C-425/11, ABl EU 2013, Nr C 114, 13, BStBl II 2013, 896 Rn. 47).
164(2) Es sind auch keine Gründe nach Art. 21 Abs. 3 FZA oder zwingende Gründe des Allgemeinwohls ersichtlich, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.
165(a) Art. 21 Abs. 3 FZA bestimmt insbesondere, dass das FZA die Vertragsparteien nicht daran hindert, Maßnahmen zu beschließen oder anzuwenden, um nach Maßgabe der Bestimmungen der nationalen Steuergesetzgebung einer Vertragspartei die Besteuerung sowie die Zahlung und die tatsächliche Erhebung der Steuern zu gewährleisten oder die Steuerflucht zu verhindern (vgl. EuGH-Urteil vom 30.05.2024 C-627/22, ABl EU C, C/2024/4291, 15.07.2024, HFR 2024, 677 Rn. 104). In diesem Fall muss die unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zwecks zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (vgl. EuGH-Urteile vom 21.09.2016, Radgen, C-478/15, DStR 2016, 2331 Rn. 46; vom 26.02.2019, Wächtler, C-581/17, ABl EU 2019, Nr. C 139, 16, HFR 2019, 439 Rn. 63 und vom 30.05.2024 C-627/22, ABl EU C, C/2024/4291, 15.07.2024, HFR 2024, 677 Rn. 104).
166Die Ablehnung der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 und 3 EStG ist jedoch keine geeignete Maßnahme, um die Besteuerung sowie die Zahlung und die tatsächliche Erhebung der Einkommensteuer zu gewährleisten oder Steuerflucht zu verhindern. Die Gewährung der Steuerermäßigung führt nicht zu einer nachzufordernden Steuerschuld und daraus resultierenden Schwierigkeiten im Erhebungsverfahren für die Bundesrepublik Deutschland. Auch bedarf es keiner besonderen Amtshilfe zur Sachverhaltsermittlung und Steuererhebung, da die erbrachten oder ausgeübten Dienstleistungen durch ordnungsgemäße Rechnungen und die Zahlung des Rechnungsbetrags durch entsprechende Bankbelege nachgewiesen werden müssen (§ 35a Abs. 5 Satz 3 EStG).
167(b) Auch aus der Kohärenz des Steuersystems ergibt sich im Streitfall kein Rechtfertigungsgrund. Zwar ist durch den EuGH anerkannt, dass der im Allgemeininteresse liegende zwingende Grund, dass die steuerliche Kohärenz gewährleistet werden muss, geltend gemacht werden kann, um eine nach Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des FZA grundsätzlich verbotene Ungleichbehandlung zu rechtfertigen (vgl. EuGH-Urteil vom 21.09.2016, Radgen, C-478/15, EU:C:2016:705, Rn. 50, 52 und 54; vom 30.05.2024 C-627/22, ABl EU C, C/2024/4291, 15.07.2024, HFR 2024, 677 Rn. 108). Voraussetzung ist jedoch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der betreffenden steuerlichen Vergünstigung und deren Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung (vgl. EuGH-Urteil vom 30.05.2024 C-627/22, ABl EU C, C/2024/4291, 15.07.2024, HFR 2024, 677 Rn. 108). Im Streitfall fehlt es an einem unmittelbaren steuersystematischen Zusammenhang zwischen der Steuerbegünstigung nach § 35a EStG und einem etwaigen Ausgleich dieses Vorteils durch eine steuerliche Belastung.
168(c) Sonstige Allgemeinwohlgründe sind für den Senat nicht ersichtlich. Das ursprüngliche Ziel des Gesetzgebers, die Schwarzarbeit in Deutschland im Bereich der Dienstleistungen und Handwerkerleistungen in Privathaushalten zu bekämpfen, ist mit dem Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.2007 (BGBl. I 2007, 3150; BStBl. I 2008, 218) auf das Gebiet der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum ausgeweitet worden. Es ist kein Grund ersichtlich, diese Ausweitung nicht auch auf Haushalte in der Schweiz vorzunehmen, wenn die weiteren Voraussetzungen, wie das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung und die Überweisung des Rechnungsbetrags erfüllt sind. Hierdurch wird das allgemeine Ziel, die Schwarzarbeit zu bekämpfen, gewährleistet. Im Übrigen kann dieses durchaus berechtigte Ziel keine Beeinträchtigung der Rechte rechtfertigen, die der Einzelne aus den Bestimmungen des FZA herleitet, in denen das Recht auf Freizügigkeit verankert ist (vgl. EuGH-Urteil vom 13.11.2003 Schilling, C-209/01, Slg 2003, I-13389 Rn. 40).
169(3) Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch Art. 13 FZA (Stand still-Klausel) könnte sich schon deshalb nicht ergeben, weil die Vorschrift des § 35a EStG erst durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I 2002, 4621; BStBl. I 2003, 3) und damit nach Abschluss des FZA am 01.06.2002 in Kraft getreten ist (vgl. EuGH-Urteil vom 30.05.2024 C-627/22, ABl EU C, C/2024/4291, 15.07.2024, HFR 2024, 677 Rn. 110ff.).
170d. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich. Sollten sich die Kläger unmittelbar auf Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I berufen können, wäre ihnen die Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer nach § 35a Abs. 2 und 3 EStG wie folgt zu gewähren:
171Einkommensteuerermäßigung für Handwerkerleistungen:
17220 % von ... € = ... €; maximal 1.200 €
173Einkommensteuerermäßigung für Kosten haushaltsnaher Dienstleistungen:
17420 % von ... € = ... €
175III. Das Verfahren war auszusetzen. Ob die Aussetzung des Verfahrens unmittelbar auf § 74 FGO beruht (so BFH, EuGH-Vorlage vom 05.06.2014 XI R 31/09, BFHE 245, 447 Rn. 90) oder einen unselbständigen Teil der Vorlage bildet (so BFH-Beschluss vom 27.01.1981 VII B 56/80, BFHE 132, 217, BStBl II 1981, 324 Rn. 4), kann der Senat im Ergebnis offenlassen.
176IV. Die Unzulässigkeit der Beschwerde folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 128 Abs. 2 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 27.01.1981 VII B 56/80, BFHE 132, 217, BStBl II 1981, 324; BFH-Urteil vom 02.04.1996 VII R 119/94, BFHE 180, 231, BFH/NV BFH/R 1996, 306 Rn. 14).