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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob gegenüber der Klägerin zum 31.12.2016 ein EBITDA-Vortrag i.S.v. § 4h Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 8a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) festzustellen ist.
3Die Klägerin ist eine im Jahr 2009 (unter anderer Firma) gegründete GmbH mit Sitz in A. In den Streitjahren firmierte sie unter „B GmbH“. Gegenstand ihres Unternehmens ist das Halten und Verwalten sowie die Finanzierung von Beteiligungen an deutschen und ausländischen – insbesondere europäischen – Gesellschaften, ferner die Leitung und Steuerung der …produktion von verbundenen Unternehmen in … und dem … Raum, und die Erbringung von Dienstleistungen jeglicher Art an verbundene Unternehmen. Die Klägerin ist die geschäftsführende Muttergesellschaft eines Teilkonzerns der C LLC mit Sitz in … (USA), die ihrerseits Teil der in ... ansässigen D-Gruppe ist. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war in den Streitjahren die E SARL mit Sitz in ….
4Im Streitjahr 2016 bestand zwischen der Klägerin sowie ihren unmittelbaren und mittelbaren Tochtergesellschaften – der F GmbH, der F1 GmbH und der F2 GmbH (nachfolgend gemeinsam auch als „Organgesellschaften“ bezeichnet) – jeweils eine ertragsteuerliche Organschaft. Über die Wirksamkeit dieser Organschaftsverhältnisse besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit. Aufgrund der Organschaft galten die Klägerin und die Organgesellschaften gemäß § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG als ein Betrieb im Sinne des § 4h EStG.
5Der so verstandene Betrieb erzielte im Jahr 2016 unstreitig höhere Zinserträge i.S.v. § 4h Abs. 3 Satz 3 EStG als Zinsaufwendungen i.S.v. § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG, so dass sich ein Nettozinsertrag (positiver Zinsüberhang) ergab. In der Anlage Zinsschranke zu ihrer Körperschaftsteuererklärung für 2016 erklärte die Klägerin Zinserträge des laufenden Wirtschaftsjahres i.H.v. … €, im Wirtschaftsjahr 2016 abziehbare Zinsaufwendungen i.H.v. … €, einen zum 31.12.2016 festzustellenden Zinsvortrag von 0 € sowie einen zum 31.12.2016 verbleibenden EBITDA-Vortrag i.H.v. … €.
6Unter dem 21.06.2018 erließ der Beklagte einen Bescheid für 2016 über Körperschaftsteuer und die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerfestsetzung, mit dem er die Körperschaftsteuer unter Berücksichtigung der von der Klägerin deklarierten abziehbaren Zinsaufwendungen auf … € festsetzte und feststellte, dass kein verbleibender Zinsvortrag zum 31.12.2016 bestehe. Die in der Steuererklärung geltend gemachte gesonderte Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 unterließ er. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Seitens der Klägerin wurde hiergegen kein Einspruch eingelegt.
7Ab dem 30.09.2019 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung G (GKBp.) bei der Klägerin eine Betriebsprüfung (Bp.) betreffend die Jahre 2015 bis 2017 durch. In dieser begehrte die Klägerin weiterhin die gesonderte Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 i.H.v. … €. In ihrem abschließenden Prüfungsbericht vom 19.10.2020 vertrat die GKBp. unter Tz. 2.7 die Auffassung, der von der Klägerin beantragte EBITDA-Vortrag zum 31.12.2016 könne keine Berücksichtigung finden. Nach dem Wortlaut des § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG entstehe ein EBITDA-Vortrag nicht in Wirtschaftsjahren, in denen § 4h Abs. 2 EStG die Anwendung von § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ausschließe. Finde die Regelung der Zinsschranke auf den Betrieb keine Anwendung, weil die Freigrenze nicht überschritten werde, die Konzernklausel greife oder der Eigenkapitalvergleich gelinge, könne für dieses Wirtschaftsjahr kein EBITDA-Vortrag entstehen. Bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes seien auch die Fälle eines positiven Zinsüberhangs (Zinserträge des Betriebs sind gleich hoch oder höher als die Zinsaufwendungen) von der Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG erfasst, denn auch in diesem Fall betrügen die Zinsaufwendungen nach Abzug der Zinserträge weniger als 3 Mio. €. Die Regelung des § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG beabsichtige generell, einen EBITDA-Vortrag dann auszuschließen, wenn die Zinsschranke im entsprechenden Wirtschaftsjahr nicht zur Anwendung komme.
8In der Anlage 5 zum Bp.-Bericht, auf die unter Tz. 2.7 Bezug genommen wurde, stellte die GKBp. Berechnungen zur Zinsschranke für die Jahre 2015 bis 2017 an. Danach ergaben sich aufgrund der Prüfungsfeststellungen Zinsvorträge i.H.v. … € zum 31.12.2015 und 0 € zum 31.12.2016 sowie ein EBITDA-Vortrag zum 31.12.2016 i.H.v. 0 €. Wegen der weiteren Einzelheiten und der übrigen, zwischen den Beteiligten nicht streitbefangenen Prüfungsfeststellungen wird auf den Bp.-Bericht vom 19.10.2020 nebst Anlagen Bezug genommen.
9Der Beklagte folgte den Feststellungen und Wertungen der GKBp. und erließ unter dem 09.03.2021 entsprechend geänderte Bescheide, mit denen er den verbleibenden Zinsvortrag zum 31.12.2015 auf … € feststellte und die Körperschaftsteuer 2016 unter Berücksichtigung von nach § 4h EStG i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 8a KStG abziehbaren Beträgen i.H.v. … € auf … € festsetzte. Ferner stellte er fest, dass zum 31.12.2016 kein verbleibender Zinsvortrag festzustellen sei, da kein festzustellender Betrag verbleibe. Zu einem EBITDA-Vortrag enthielt der Bescheid für 2016 weder eine ausdrückliche gesonderte Feststellung noch eine Ermittlung. In den Erläuterungen zu dem Bescheid wurde auf die Ergebnisse der bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung gemäß Prüfungsbericht vom 19.10.2020 verwiesen.
10Mit Schreiben vom 09.04.2021 nahm die Klägerin auf den Körperschaftsteuerbescheid für 2016 Bezug und erhob Einspruch mit dem Antrag, zum 31.12.2016 einen EBITDA-Vortrag in Höhe des nunmehr unstreitigen Betrags von … € festzustellen. Zur Begründung trug sie vor, im Jahr 2016 seien die laufenden Zinserträge höher als die laufenden Zinsaufwendungen gewesen, mit der Folge, dass die Zinsaufwendungen in voller Höhe hätten in Abzug gebracht werden können und zusätzlich noch der zum 31.12.2015 bestehende Zinsvortrag vollumfänglich genutzt worden sei. Entgegen der Auffassung der GKBp. komme es auch in Jahren, in denen ein positiver Zinsüberhang gegeben sei und folglich sämtliche Zinsaufwendungen abgezogen werden könnten, zur Entstehung eines EBITDA-Vortrags in Höhe des vollen verrechenbaren EBITDA. § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG lasse sich nicht entnehmen, dass ein EBITDA-Vortrag nur im Falle eines Nettozinsaufwands (negativer Zinsüberhang) – also bei die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen – entstehen könne. Vielmehr werde durch die gesetzliche Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass das verrechenbare EBITDA nur insoweit zu einem Vortrag werden könne, als es nicht bereits im selben Jahr zur Verrechnung eines negativen Zinsüberhangs verwendet worden sei. Nach dem Wortlaut des § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG sei die Entstehung eines EBITDA-Vortrags nur dann unmöglich, wenn die Voraussetzungen der Freigrenze nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG vorlägen. Danach müssten vom Wortlaut her die Zinsaufwendungen die Zinserträge übersteigen, was bei einem positiven Zinsüberhang gerade nicht der Fall sei. Ziel des § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG sei es zudem, nicht genutztes verrechenbares EBITDA in anderen Jahren nutzbar zu machen. Würde dem Steuerpflichtigen der Aufbau eines EBITDA-Vortrags im Falle eines positiven Zinsüberhangs verwehrt, würde dieser Zweck verfehlt.
11Mit Einspruchsentscheidung vom 13.09.2022 – laut Rubrum wegen Körperschaftsteuer 2016 – wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Nach dem Wortlaut des Gesetzes entstehe ein EBITDA-Vortrag nicht in Wirtschaftsjahren, in denen § 4h Abs. 2 EStG die Anwendung von § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ausschließe. Das Gesetz gebe insoweit eine Prüfungsreihenfolge vor. Zunächst sei zu prüfen, ob ein Anwendungsfall der Zinsschranke vorliege, weil der Nettozinsaufwand die Freigrenze überschreite, der Betrieb zu einem Konzern gehöre und seine Eigenkapitalquote schlechter sei als die des Gesamtkonzerns oder eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung i.S.d. § 8a KStG vorliege. Liege nach dieser Prüfung ein genereller Anwendungsfall der Zinsschranke vor, könne ein EBITDA-Vortrag überhaupt erst entstehen. Von der Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG seien bereits nach dem Gesetzeswortlaut auch die Fälle mit einem positiven Zinsüberhang umfasst, denn auch in diesem Fall betrügen die Zinsaufwendungen nach Abzug der Zinserträge weniger als 3 Mio. €. Da im Streitjahr 2016 ein positiver Zinsüberhang bestanden habe, sei der beantragte EBITDA-Vortrag zum 31.12.2016 zu Recht nicht festgestellt worden.
12Am 12.10.2022 hat die Klägerin Klage erhoben. In der Klageschrift gab sie als Klagegegenstand (u.a.) die „gesonderte Feststellung eines EBITDA-Vortrags im Zusammenhang mit dem Betriebsausgabenabzug für Zinsaufwendungen (Zinsschranke) gem. § 4h EStG i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 8a und 31 Abs. 1 KStG zum 31.12.2016“ an.
13In verfahrensrechtlicher Hinsicht verweist sie darauf, dass die Rechtswirksamkeit eines Einspruchs nach ständiger Rechtsprechung des BFH wegen der Soll-Vorschrift des § 357 Abs. 3 Satz 1 AO nicht von der genauen Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes abhängig sei, sofern sich die Zielrichtung des Begehrens aus der Rechtsbehelfsschrift selbst unter Berücksichtigung der darin enthaltenen Einspruchsbegründung gemäß § 357 Abs. 3 Satz 2 AO ermitteln lasse. Der BFH habe in einem vergleichbaren Fall zutreffend selbst eine innerhalb der Einspruchsfrist nachgereichte Begründung isoliert als einen frist- und formgerechten Einspruch gegen den lediglich in der Begründung, nicht aber im ursprünglichen Einspruchsschreiben benannten Verwaltungsakt eingestuft (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.2001 – I R 93/00, BFH/NV 2002, 613, bestätigt durch BFH-Urteil vom 29.10.2019 – IX R 4/19, BStBl II 2020, 368). Vor diesem Hintergrund könne vorliegend nicht streitig sein, dass Gegenstand ihres Einspruchs (auch) die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gewesen sei, da dies aus dem im Einspruchsschreiben vom 09.04.2021 genau benannten Änderungsbegehren sowie der im Schreiben enthaltenen Begründung zweifelsfrei hervorgehe. Dementsprechend sei auch der Beklagte erkennbar von einem wirksamen Einspruch gegen die gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerfestsetzung zum 31.12.2016 ausgegangen. Ferner könne aus ihrer Sicht dahinstehen, ob die Nichterwähnung des EBITDA-Vortrags in dem angefochtenen Bescheid als negative Feststellung hinsichtlich eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 anzusehen sei. So oder so sei der angefochtene Bescheid dahingehend rechtswidrig, dass der begehrte EBITDA-Vortrag zum 31.12.2016 nicht i.H.v. … € (positiv) festgestellt worden sei.
14In materieller Hinsicht führt die Klägerin aus, im Streitjahr 2016 seien dem Betrieb i.S.v. § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 EStG für die Anwendung der Zinsschranke maßgebliche Zinsaufwendungen i.H.v. … € entstanden. Dieser Betrag setze sich aus einem laufenden Zinsaufwand i.H.v. … € und dem vom Beklagten mit Bescheid vom 09.03.2021 festgestellten verbleibenden Zinsvortrag zum 31.12.2015 i.H.v. … € zusammen. Die durch den Betrieb im Jahr 2016 erzielten Zinserträge hätten sich unstreitig auf … € belaufen, so dass sich ein positiver Zinsüberhang (Nettozinsertrag) von … € ergeben habe. Die Zinsaufwendungen des Betriebs für 2016 seien folglich gemäß § 4h Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG uneingeschränkt abzugsfähig gewesen. Das verrechenbare EBITDA i.S.v. § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG – auf das es für den steuerlichen Zinsabzug im Jahr 2016 jedoch aus Sicht des Beklagten wegen des positiven Zinsüberhangs nicht angekommen sei – habe … € betragen. All dies sei zwischen den Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht unstreitig.
15Streitig sei zwischen ihnen allein die abstrakte Rechtsfrage, ob in einem Wirtschaftsjahr, in dem die Zinsaufwendungen eines Betriebs in voller Höhe gemäß § 4h Abs. 1, 1. Halbsatz EStG abgezogen werden könnten, weil die für die Anwendung der Zinsschranke maßgeblichen Zinserträge des Betriebs dessen maßgebliche Zinsaufwendungen überschritten, ein EBITDA-Vortrag entstehen könne. Diese Frage sei einer zweistufigen Analyse zu unterziehen. Denn für die Entstehung des EBITDA-Vortrages müsse zum einen § 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG einschlägig sein, demzufolge ein EBITDA-Vortrag entstehe, soweit das verrechenbare EBITDA die um die Zinserträge geminderten Zinsaufwendungen des Betriebs übersteige. Zum anderen dürfe die Entstehung des EBITDA-Vortrages nicht nach § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG ausgeschlossen sein.
16Nach wohl herrschender Literaturauffassung setze § 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG lediglich voraus, dass das verrechenbare EBITDA eines Wirtschaftsjahres höher sei, als es für den Abzug des Nettozinssaldos erforderlich wäre. Ein EBITDA-Vortrag entstehe daher in solchen Wirtschaftsjahren, in denen die Zinsaufwendungen nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG in voller Höhe abzugsfähig seien. Das sei auch bei einem positiven Zinsüberhang der Fall. Eine Mindermeinung lege den Begriff „soweit“ in § 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG hingegen dahingehend aus, dass die Vorschrift übersteigende Zinsaufwendungen voraussetze, so dass in Fällen eines positiven Zinsüberhangs kein EBITDA-Vortrag entstehen könne. Diese Mindermeinung könne sich aber weder auf den Wortlaut der Norm noch auf den Sinn und Zweck des Gesetzes stützen. Aus dem Wortlaut des § 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG könnten sich allenfalls Zweifel ergeben, ob in Fällen eines positiven Zinsüberhangs „die um die Zinserträge geminderten Zinsaufwendungen“ mit Null anzusetzen seien, so dass ein EBITDA-Vortrag in Höhe des vollen verrechenbaren EBITDA entstehe oder ob insoweit ein Negativsaldo anzusetzen sei, der den EBITDA-Vortrag noch zusätzlich erhöhe. Während die Literatur insoweit überwiegend der erstgenannten Auslegung folge (d.h. Ansatz der um die Zinserträge geminderten Zinsaufwendungen mit … €), treffe die letztgenannte Auslegung (Ansatz der um die Zinserträge geminderten Zinsaufwendungen mit einem Negativsaldo) nur auf geringe Zustimmung und erscheine nach allgemeinem Sprachverständnis eher fernliegend.
17Auch sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Ausschluss eines EBITDA-Vortrags in Fällen des positiven Zinsüberhangs habe regeln wollen. Soweit der Beklagte meine, der Gesetzgeber könne es nicht gewollt haben, dass Fälle eines positiven Zinsüberhangs im Hinblick auf das Entstehen eines EBITDA-Vortrages anders behandelt würden als Fälle eines die Freigrenze nicht übersteigenden negativen Zinsüberhangs, liefere er hierfür keinen Beleg. In der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 17/15, 17) heiße es: „Die vorgesehene Regelung des EBITDA-Vortrags bewirkt, dass in Jahren, in denen der Betrieb mit seinen Zinsaufwendungen den Abzugsrahmen der Zinsschranke nicht ausschöpft, der nicht ausgeschöpfte Teil dieses Abzugsrahmens in künftige Wirtschaftsjahre vorgetragen wird (EBITDA-Vortrag).“ Es liege auf der Hand, dass ein Betrieb gerade dann den Abzugsrahmen der Zinsschranke nicht ausschöpfe, wenn die Zinserträge die Zinsaufwendungen überschritten. Erkennbares Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, mit der Einführung eines EBITDA-Vortrags ein nicht genutztes verrechenbares EBITDA in anderen Jahren nutzbar zu machen und eine rückwirkende „Glättung des Abzugsvolumens“ bis in das Jahr 2007 hinein zu erreichen. Deshalb widerspräche es dem Gesetzeszweck, wenn im Falle eines positiven Zinsüberhangs der EBITDA-Vortrag versagt bliebe. Durch den EBITDA-Vortrag solle der Steuerpflichtige gerade davon profitieren, dass er in vergangenen Jahren keine das EBITDA-Potential ausschöpfende Nettofremdfinanzierung gehabt habe. Es sei daher kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum diese Wertung nur bei einem negativen Zinsüberhang gelten solle. Im Gegenteil ergäbe es keinen Sinn, ein Unternehmen zu „bestrafen“, das in einem Jahr über einen positiven Zinsüberhang verfüge, vor allem, wenn man das gesetzgeberische Ziel des § 4h EStG insgesamt in den Blick nehme, nämlich, dass inländische Betriebe nicht zu Lasten des deutschen Steuersubstrats übermäßig durch Fremdkapital finanziert werden sollten.
18Dem Ansatz eines EBITDA-Vortrags in Fällen des positiven Zinsüberhangs stehe auch nicht § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG entgegen. Diese Vorschrift sei schwer verständlich und in ihrer grundsätzlichen Wirkungsweise unklar. Es liege jedoch nahe, hinsichtlich der Absätze 1 und 2 des § 4h EStG von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis auszugehen. In diesem Fall könne es überhaupt nur dann zur Anwendung von § 4h Abs. 2 EStG und zur Prüfung der einzelnen Ausnahmetatbestände kommen, wenn die Zinsaufwendungen des Betriebs gemäß § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG nicht oder nicht vollumfänglich abgezogen werden könnten. Könne der Betrieb bereits nach Anwendung von § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG seinen Zinsaufwand in voller Höhe abziehen – was insbesondere bei positivem Zinsüberhang der Fall sei –, bedürfe es der Ausnahmeregelung des § 4h Abs. 2 EStG von vornherein nicht, so dass in diesen Fällen § 4h Abs. 2 EStG die Anwendung von § 4h Abs. 1 EStG nicht ausschließe. Danach setze § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG also voraus, dass ein Tatbestand des § 4h Abs. 2 EStG im konkreten Fall kausal für den Ausschluss der Anwendung von § 4h Abs. 1 EStG sei. Sie, die Klägerin, schließe sich dieser Sichtweise an. Ihres Erachtens ergebe sich das vorgenannte Kausalitätserfordernis aus dem Gesetzeswortlaut. Für ein kausales Verständnis in diesem Sinne spreche auch die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 17/15, 17), der zufolge die Bildung oder Erhöhung des EBITDA-Vortrags nur dann nach § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG zu versagen sei, wenn der Betrieb in dem betreffenden Wirtschaftsjahr „aufgrund“ von § 4h Abs. 2 EStG von der Anwendung der Zinsschranke ausgenommen sei.
19Zuzugeben sei, dass man dieser Auffassung ggf. entgegenhalten könne, dass § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG dann – jedenfalls in Bezug auf § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG – faktisch ins Leere laufe. Denn der Ausnahmekatalog des § 4h Abs. 2 EStG komme überhaupt erst dann zur Anwendung, wenn und soweit ein Zinsaufwand nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG nicht abzugsfähig sei. Dies setze wiederum voraus, dass der Nettozinsaufwand höher sei als das verrechenbare EBITDA. In diesem Fall könne sich aber bereits von vornherein kein EBITDA-Vortrag ergeben, dessen Bildung § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG einschränken könnte. Die Gegenansicht, die bei der Anwendung von § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG von einer abstrakten Betrachtungsweise ausgehe – d.h. die Entstehung eines EBITDA-Vortrags ablehne, soweit lediglich abstrakt ein Tatbestand des § 4h Abs. 2 EStG erfüllt sei – führe allerdings zu Wertungswidersprüchen mit dem bereits dargestellten gesetzgeberischen Ziel, die krisenverschärfende Wirkung der Zinsschrankenregelung abzumildern. Denn nach dieser Auffassung könnten auch profitable Betriebe sanktioniert werden. Vor diesem Hintergrund sei die Gegenauffassung abzulehnen.
20Dass § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG in jeder Auslegungsvariante zu Wertungswidersprüchen führe, liege in der Natur dieser misslungenen Vorschrift. Vor diesem Hintergrund vermöge auch das vom Beklagten im Klageverfahren gebildete Beispiel ihre Argumentation (die der Klägerin) nicht zu entkräften und belege auch kein willkürliches Ergebnis. Vielmehr sei es einer jeden Freigrenzenregelung immanent, dass ein geringfügiges Über- oder Unterschreiten der Freigrenze zu anderen Ergebnissen führe. So könne beispielsweise im Grundfall des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG ein Betrieb mit einem verrechenbaren EBITDA von 0 € und einem negativen Zinsüberhang von … € diesen negativen Zinsüberhang vollständig abziehen, während der gleiche Betrieb bei einem negativen Zinsüberhang von … € von diesem nichts abziehen könne.
21Für den Streitfall könne die Frage der konkret-kausalen oder abstrakten Auslegung von § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG aber letztlich dahinstehen. Selbst die abzulehnende abstrakte Betrachtungsweise führe zu keinem anderen Ergebnis als die von ihr, der Klägerin, vertretene Ansicht, da die Fälle des positiven Zinsüberhangs entgegen der Verwaltungsauffassung keinen Anwendungsfall der Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG darstellten. Der Wortlaut von § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG könne vernünftigerweise nur so verstanden werden, dass er einen Überschuss der Zinsaufwendungen über die Zinserträge voraussetze, was in Fällen des positiven Zinsüberhangs gerade nicht der Fall sei. Die gegenteilige Auffassung könne sich allenfalls auf ein „sehr gekünstelt-mathematisierendes Sprachverständnis“ stützen. Nach dem für die Gesetzesauslegung nach dem Wortlaut allgemein heranzuziehenden Sprachverständnis (juristische Fachsprache, allgemeiner Sprachgebrauch) erscheine diese Auslegung abwegig.
22In Bezug auf die mit dem Kreditzweitmarktförderungsgesetz erfolgte Ergänzung des zweiten Halbsatzes des § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG trägt die Klägerin vor, nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 20/9782, 192) solle es sich lediglich um eine Klarstellung gehandelt haben, obwohl das Gesetz in § 52 Abs. 8b EStG anordne, dass § 4h EStG in der Fassung des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden sei, die nach dem 14.12.2023 begännen und nicht vor dem 01.01.2024 endeten. Es sei bereits ausführlich und differenziert dargelegt worden, wieso nach der zuvor geltenden Rechtslage ein EBITDA-Vortrag auch in solchen Wirtschaftsjahren habe entstehen können, in denen ein positiver Zinsüberhang bestanden habe. Dieser Auffassung entsprechend handele es sich – auch nach herrschender Literaturmeinung – bei der Änderung des § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG um eine Neuregelung mit konstitutiver Wirkung. Die gegenteilige Darstellung in der Gesetzesbegründung sei nach der Rechtsprechung des BVerfG für das Gericht nicht bindend. Zur verbindlichen Auslegung einer Norm hinsichtlich der Frage, ob sie deklaratorische oder konstitutive Wirkung entfalte, sei allein das Gericht berufen. Der Gesetzgeber könne die Prüfungskompetenz des Gerichts gerade nicht durch die Behauptung unterlaufen, eine Norm habe nur klarstellenden Charakter.
23Die Klägerin beantragt,
24den Beklagten unter Aufhebung des negativen Bescheids vom 09.03.2021 über die gesonderte Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 und der diesbezüglichen Einspruchsentscheidung vom 13.09.2022 dazu zu verpflichten, zum 31.12.2016 einen EBITDA-Vortrag i.H.v. … € festzustellen,
25hilfsweise, die Revision zuzulassen.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Seines Erachtens sei dem Bescheid vom 09.03.2021 über die gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerfestsetzung 2016 die negative Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 zu entnehmen.
29Ergänzend zur Einspruchsentscheidung trägt der Beklagte ferner vor, den grundsätzlichen Eingangsüberlegungen der Klägerin, wonach die Entstehung eines EBITDA-Vortrags neben den Voraussetzungen des § 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG gemäß § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG voraussetze, dass kein Anwendungsfall des § 4h Abs. 2 EStG vorliege, sei zwar zuzustimmen. Streitig sei aber, wie die Ausnahmeregelung des § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG anzuwenden sei und ob die Konstellation eines positiven Zinsüberhangs von § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG erfasst werde.
30Er, der Beklagte, sei der Auffassung, dass im Streitjahr 2016 ein Anwendungsfall des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG vorliege und ein EBITDA-Vortrag somit gemäß § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG nicht entstanden sei. Das Gesetz gebe eine Reihenfolge für die Prüfung vor. In einem ersten Schritt sei zu prüfen, ob überhaupt dem Grunde nach ein Anwendungsfall der Zinsschranke vorliege, weil der Nettozinsaufwand die Freigrenze überschreite, der Betrieb zu einem Konzern gehöre und seine Eigenkapitalquote schlechter sei als die des Gesamtkonzerns oder eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung i.S.d. § 8a KStG vorliege. Nur wenn als Ergebnis dieser Prüfung ein genereller Anwendungsfall der Zinsschranke vorliege, könne ein EBITDA-Vortrag entstehen. Dass § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG auch in den Fällen anzuwenden sei, in denen die Ausnahmetatbestände des § 4h Abs. 2 EStG nicht konkret kausal für die volle Abziehbarkeit der Zinsaufwendungen seien, ergebe sich bereits daraus, dass die Regelung andernfalls vollkommen obsolet wäre. Die beschriebene Prüfungsreihenfolge sei daher denknotwendig für die Anwendung des § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG.
31Wie bereits in der Einspruchsentscheidung dargelegt, handele es sich auch bei Fällen mit einem positiven Zinsüberhang nach dem Wortlaut der Regelung um Anwendungsfälle der Freigrenze gemäß § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG. Der Wortlaut dieser Regelung („soweit der Betrag der Zinsaufwendungen den Betrag der Zinserträge übersteigt“) unterscheide sich insoweit auch entscheidend von dem des § 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG („soweit das verrechenbare EBITDA die um die Zinserträge geminderten Zinsaufwendungen übersteigt“), weshalb der Aussage der Klägerin, der Verwaltungsauffassung liege ein „gekünstelt-mathematisierendes Sprachverständnis“ zugrunde, zu widersprechen sei. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG erfasse auch Fälle des positiven Zinsüberhangs, da in diesen Fällen die Zinsaufwendungen, gemindert um die Zinserträge, eindeutig weniger als 3 Mio. € betrügen.
32Auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift gebe es keinen sachlichen Grund, Fälle mit einem Nettozinsaufwand von weniger als 3 Mio. € anders zu behandeln als Fälle mit einem positiven Zinsüberhang. Durch § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG würden beide Fallgruppen von einem EBITDA-Vortrag ausgeschlossen. Eine unterschiedliche Behandlung der genannten Fallgruppen hätte zur Folge, dass bereits geringe Differenzen zwischen Zinsertrag und Zinsaufwand den Ausschlag gäben, ob ein positiver oder negativer Zinsüberhang entstehe und somit, ob ein EBITDA-Vortrag festzustellen sei. Dieses willkürlich anmutende Ergebnis könne vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sein. So würden beispielsweise bei einem gedachten Zinsaufwand (gemeint wohl: Zinsertrag) von … € Zinsaufwendungen von ... € zur Entstehung eines (möglicherweise sehr hohen) EBITDA-Vortrags führen, während lediglich 1 € mehr an Zinsaufwendungen als klarer „Freigrenzen-Fall“ gemäß § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG keinen EBITDA-Vortrag zur Folge hätte.
33Er, der Beklagte, verkenne insoweit keineswegs die „harte“ Regelungsnatur der Freigrenze nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG. Die vom Gesetzgeber erkennbar bewusst in Kauf genommene Trennschärfe ab einem bestimmten Betrag durch Schaffung einer Freigrenze könne allerdings nicht ohne Weiteres auf die Grundvoraussetzung der Regelung – das Verhältnis zwischen Zinsaufwendungen und Zinserträgen – übertragen werden. Hierbei liege dieser Schluss deutlich ferner. Aus der gesetzlichen Formulierung eine abweichende Behandlung von Fällen mit geringfügig negativem Zinsüberhang und geringfügig positivem Zinsüberhang herauszulesen, sei in der Sache kaum nachvollziehbar.
34Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Änderung von § 4h EStG durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz lediglich klarstellender Natur sei und somit auch für vergangene Jahre Anwendung finde.
35In der mündlichen Verhandlung am 26.06.2025 hat der Senat mit den Beteiligten die Frage einer möglichen Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf das vor dem BVerfG anhängige Verfahren 2 BvL 1/16 erörtert. In diesem Zusammenhang wurde von keinem der Beteiligten ein Interesse daran geäußert, zunächst den Ausgang des vorgenannten Verfahrens abzuwarten. Ferner haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts übereinstimmend bestätigt, dass die Ausnahmetatbestände nach § 8a KStG i.V.m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b und c EStG im Streitfall nicht erfüllt seien. Der Vertreter der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat überdies anwaltlich versichert, dass sich die vorliegend streitige Rechtsfrage, ob im Falle eines positiven Zinsüberhangs ein EBITDA-Vortrag entstehe, gegenwärtig noch in zahlreichen anderen Betriebsprüfungen für Veranlagungszeiträume vor der Neuregelung durch das Kredit-zweitmarktförderungsgesetz stelle.
36Entscheidungsgründe
37Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 09.03.2021 über die gesonderte Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13.09.2022 sind rechtmäßig (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, gegenüber der Klägerin zum 31.12.2016 einen EBITDA-Vortrag i.H.v. … € festzustellen.
38I. Der Senat versteht das von der Klägerin im vorliegenden Verfahren verfolgte Ziel dahingehend, dass sie die erstmalige positive Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 begehrt. Die Klage betrifft nach dem Verständnis des Senats allein diese gesonderte Feststellung nach § 4h Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 EStG i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 8a KStG, nicht dagegen die gesonderte Feststellung des Zinsvortrags zum 31.12.2016 oder sonstiger Besteuerungsgrundlagen, die im Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerfestsetzung 2016 festzustellen sind. Das Rubrum wurde daher nach vorheriger Erörterung mit den Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung entsprechend korrigiert.
39II. Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 40 Abs. 1, 2. Alternative FGO statthaft und zulässig.
401. Bei der gesonderten Feststellung eines EBITDA-Vortrags nach § 4h Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 EStG i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 8a KStG handelt es sich um einen nur äußerlich regelmäßig mit der Körperschaftsteuerfestsetzung verbundenen selbständigen Verwaltungsakt, auf den die verfahrensrechtlichen Vorschriften der §§ 179 ff. AO und § 10d Abs. 4 EStG entsprechend anzuwenden sind, soweit sich aus § 4h Abs. 4 EStG keine spezielleren Regelungen ergeben. Einwendungen gegen die Höhe eines festgestellten EBITDA-Vortrags sind daher verfahrensrechtlich gegen den Feststellungsbescheid geltend zu machen (vgl. Hick in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rn. 100).
41Wird, wie im Streitfall, der erstmalige Erlass eines positiven Bescheids über die Feststellung eines EBITDA-Vortrags nach § 4h Abs. 4 EStG begehrt, so ist dieses Begehren regelmäßig im Wege der Verpflichtungsklage gemäß § 40 Abs. 1, 2. Alternative FGO zu verfolgen. Danach kann durch eine Verpflichtungsklage die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Lehnt die Finanzbehörde den Erlass eines vom Steuerpflichtigen begehrten Verwaltungsakts ab, so ist dagegen – da auch die Ablehnung eines Verwaltungsakts selbst einen Verwaltungsakt darstellt – an sich zwar auch eine Anfechtungsklage denkbar. Diese würde jedoch nur zur Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsakts führen, womit dem Begehren des Klägers noch nicht vollumfänglich entsprochen wäre. Will der Kläger erreichen, dass das Finanzamt verpflichtet wird, den von ihm begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, so liegt eine Verpflichtungsklage vor, die die Anfechtung absorbiert, wenn es um die Anfechtung einer Ablehnung geht (vgl. bereits BFH-Urteil vom 12.03.1970 – IV 7/65, BStBl II 1970, 625 zur Ablehnung einer Gewinnfeststellung; BFH-Urteil vom 11.04.2012 – I R 63/11, BStBl II 2012, 539; Braun in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 40 FGO Rn. 85; von Beckerath in: Gosch, AO/FGO, § 40 FGO Rn. 78; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 40 FGO Rn. 13).
422. Der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage steht nicht entgegen, dass im Streitfall kein Bescheid ergangen ist, mit dem der Beklagte einen Antrag der Klägerin auf Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 ausdrücklich abgelehnt hat. Ebenso wenig scheitert die Zulässigkeit der Klage daran, dass es an einem ganz oder zum Teil erfolglos gebliebenen Vorverfahren i.S.v. § 44 Abs. 1 FGO fehlen würde.
43a) Der Bescheid vom 09.03.2021 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerfestsetzung für 2016 ist aus Sicht des Senats dahingehend auszulegen, dass er die konkludente Ablehnung der Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 enthält.
44Ob und mit welchem Inhalt ein Verwaltungsakt erlassen worden ist, ist unter entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 18.02.1997 − VII R 96/95, BStBl II 1997, 339). Maßgebend ist der erklärte Wille der Finanzbehörde und der daraus folgende objektive Erklärungsgehalt der Regelung, wie ihn ein objektiver Empfänger unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben verstehen konnte und durfte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22.08.2007 − X R 39/02, BStBl II 2008, 4; vom 09.04.2008 − II R 31/06, BFH/NV 2008, 1435; vom 10.05.2012 – IV R 34/09, BStBl II 2013, 471; BFH-Beschluss vom 01.09.2008 − IV B 12/08, BFH/NV 2008, 2039). Dabei ist der gesamte Inhalt der Regelung unter Einbeziehung der Gesamtumstände des Einzelfalls ebenso zu berücksichtigen wie beigefügte Unterlagen oder vorausgegangene Bescheide (vgl. BFH-Urteile vom 29.11.2005 − IX R 54/04, BFH/NV 2006, 1241; vom 15.03.2007 − II R 5/04, BStBl II 2007, 472). Insbesondere können die dem Bescheid beigefügten Erläuterungen zu seiner Auslegung herangezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 27.08.2003 – II R 18/02, BFH/NV 2004, 203; BFH-Beschluss vom 25.02.2008 – XI B 198/06, BFH/NV 2008, 744).
45Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Bescheid vom 09.03.2021 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerfestsetzung für 2016 als Ablehnungsbescheid hinsichtlich der Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 aufzufassen. Zwar hat der Beklagte in dem Bescheid weder ausdrücklich festgestellt, dass kein EBITDA-Vortrag zum 31.12.2016 festzustellen sei, noch hat er durch den Bescheid explizit ausgesprochen, dass er den Antrag der Klägerin auf Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 ablehne. Vielmehr findet der EBITDA-Vortrag in dem Bescheid vom 09.03.2021 für 2016 schlicht keine Erwähnung. Allerdings wurde im Erläuterungsteil auf den Bp.-Bericht vom 19.10.2020 Bezug genommen, in dem unter Tz. 2.7 ausgeführt wird, dass der von der Klägerin beantragte EBITDA-Vortrag zum 31.12.2016 nicht gewährt werden könne.
46Aus Sicht des Senats lässt sich aus diesem Verweis in Verbindung mit der Nichterwähnung des EBITDA-Vortrags im Tenor des Bescheids im Wege der Auslegung eine durch den Bescheid erfolgte konkludente Ablehnung des Beklagten ableiten, gegenüber der Klägerin zum 31.12.2016 einen EBITDA-Vortrag festzustellen. Dass er dem Bescheid diesen Erklärungsgehalt beilegen wollte, hat der Beklagte im Klageverfahren selbst bestätigt. Entsprechend wurde er von der Klägerin auch aufgefasst, da von ihr kein Untätigkeitseinspruch im Sinne von § 347 Abs. 1 Satz 2 AO eingelegt wurde, sie also offensichtlich von einer (ablehnenden) Entscheidung des Beklagten über ihren Antrag auf Feststellung des EBITDA-Vortrags ausgegangen ist.
47b) Gegen den die Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 konkludent ablehnenden Bescheid vom 09.03.2021 hat die Klägerin bei gebotener Auslegung ihres Schreibens vom 09.04.2021 form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
48Gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 AO soll bei der Einlegung des Rechtsbehelfs der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den der Einspruch gerichtet ist. Danach ist die Rechtswirksamkeit des eingelegten Rechtsbehelfs nicht von einer genauen Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts abhängig. Es ist jedoch erforderlich, dass sich die Zielrichtung des Begehrens aus der Rechtsbehelfsschrift in der Weise ergibt, dass sich der angefochtene Verwaltungsakt entweder aus dem Inhalt der Rechtsbehelfsschrift selbst ermitteln lässt oder Zweifel oder Unklarheiten hinsichtlich des Gewollten beseitigt werden können. Fehlt es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des Gewollten, ist der wirkliche Wille des Steuerpflichtigen durch Auslegung seiner Erklärungen in entsprechender Anwendung des § 133 BGB zu ermitteln. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Verwaltungsakt anfechten will, der angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen (sog. Grundsatz der meistbegünstigenden Auslegung). Dies gilt grundsätzlich auch für Erklärungen rechtskundiger Personen (vgl. zum Ganzen z.B. BFH-Urteil vom 29.10.2019 – IX R 4/19, BStBl II 2020, 368 m.w.N.).
49Dies zugrunde gelegt ist das Einspruchsschreiben der Klägerin vom 09.04.2021 zu ihren Gunsten dahingehend auszulegen, dass sie einen Einspruch gegen den konkludenten Ablehnungsbescheid vom 09.03.2021 über die gesonderte Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 einlegen wollte. Zwar hat sie sich in der Einspruchsschrift formal nur auf den Körperschaftsteuerbescheid 2016 vom 09.03.2021 bezogen. Allerdings hat sie zugleich ausdrücklich beantragt, dass der Beklagte zum 31.12.2016 einen EBITDA-Vortrag i.H.v. … € feststellen möge. Ungeachtet der ungenauen Bezeichnung des mit dem Einspruch angegriffenen Bescheids ergab sich aus dem im Schreiben vom 09.04.2021 gestellten Antrag daher unmissverständlich das von der Klägerin verfolgte Ziel, die positive Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 zu erreichen. Nicht anders wurde der Gegenstand ihres Einspruchs, wie nachfolgend ausgeführt, vom Beklagten auch aufgefasst.
50c) Das Einspruchsverfahren wegen der konkludenten Ablehnung der Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 ist im Sinne des § 44 Abs. 1 FGO erfolglos geblieben, da der Beklagte den diesbezüglichen Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 13.09.2022 als unbegründet zurückgewiesen hat. Zwar weist das Rubrum seiner Einspruchsentscheidung nur die Körperschaftsteuer aus und erwähnt die gesonderten Feststellungen im Zusammenhang mit der Körperschaftsteuerfestsetzung – konkret die gesonderte Feststellung eines EBITDA-Vortrags – nicht. Aus der Einspruchsentscheidung im Übrigen geht jedoch eindeutig hervor, dass zwischen den Beteiligten nach ihrem übereinstimmenden Verständnis streitig war, ob gegenüber der Klägerin zum 31.12.2016 ein EBITDA-Vortrag festzustellen ist. Ausweislich der Gründe der Entscheidung hat der Beklagte den Einspruch der Klägerin dahingehend aufgefasst, dass sie mit diesem die von ihm abgelehnte Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 begehrte. An der Formulierung des Einspruchsschreibens vom 09.04.2021 hat er sich nicht gestört. Trotz anderslautender Angabe des Streitgegenstands im Rubrum hat der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2022 aus Sicht eines objektiven Empfängers daher abschlägig über einen Einspruch wegen der (Ablehnung der) Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 entschieden.
51III. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Feststellung eines EBITDA-Vortrags.
521. Der EBITDA-Vortrag i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG steht im Kontext der Regelungen zur sog. Zinsschranke nach § 4h EStG in der für das Streitjahr 2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) vom 22.12.2009 (BGBl. I 2009, 81). Die Zinsschranke begrenzt als Nachfolgeregelung zu § 8a KStG a.F. (frühere Gesellschafterfremdfinanzierung) den steuerlichen Betriebsausgabenabzug für Zinsaufwendungen. Über § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG ist § 4h EStG auch bei der Ermittlung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage anzuwenden, wobei sich aus § 8a KStG für einzelne Bestimmungen der Vorschrift spezifische Modifikationen für Zwecke der Körperschaftsteuer ergeben.
53Nach § 4h Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG sind Zinsaufwendungen eines Betriebs bis zur Höhe des Zinsertrags uneingeschränkt abziehbar, darüber hinaus nur bis zur Höhe des sog. verrechenbaren EBITDA (§ 4h Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz EStG). § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG definiert das verrechenbare EBITDA als 30 % des um die Zinsaufwendungen und um die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG abzuziehenden, nach § 6 Abs. 2a Satz 2 EStG gewinnmindernd aufzulösenden und nach § 7 EStG abgesetzten Beträge erhöhten und um die Zinserträge verminderten maßgeblichen Gewinns. Soweit das verrechenbare EBITDA die um die Zinserträge geminderten Zinsaufwendungen des Betriebs übersteigt, ist es gemäß § 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG in die folgenden fünf Wirtschaftsjahre vorzutragen (EBITDA-Vortrag). Nach § 4h Abs. 4 Satz 1 EStG ist der EBITDA-Vortrag gesondert festzustellen. § 10d Abs. 4 EStG gilt insoweit sinngemäß (§ 4h Abs. 4 Satz 3 EStG).
54Gemäß § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG entsteht ein EBITDA-Vortrag nicht in Wirtschaftsjahren, in denen § 4h Abs. 2 EStG die Anwendung von § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ausschließt. Nach § 4h Abs. 2 Satz 1 EStG ist § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG nicht anzuwenden, wenn der Betrag der Zinsaufwendungen, soweit er den Betrag der Zinserträge übersteigt, weniger als 3 Mio. € beträgt (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG), der Betrieb nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG) oder der Betrieb zu einem Konzern gehört und seine Eigenkapitalquote am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtages gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns (Eigenkapitalvergleich; § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG).
55Im Falle des Bestehens einer Organschaft sind für die Anwendung der Zinsschranke zudem die Sonderregelungen des § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG zu beachten. Nach § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG ist § 4h EStG (i.V.m. § 8a KStG) bei der Organgesellschaft nicht anzuwenden. Vielmehr sind Zinsaufwendungen und Zinserträge i.S.v. § 4h Abs. 3 EStG, die in dem dem Organträger zugerechneten Einkommen der Organgesellschaft enthalten sind, bei Anwendung des § 4h Abs. 1 EStG beim Organträger einzubeziehen (§ 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG). Dabei gelten Organträger und Organgesellschaften gemäß § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG als ein Betrieb i.S.d. § 4h EStG. Diese Fiktion bewirkt, dass sowohl der Grundtatbestand als auch die Ausnahmetatbestände der Zinsschranke einheitlich auf den gesamten Organkreis angewandt werden (vgl. Rödder/Liekenbrock in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 2023, § 15 Rn. 110).
562. Nach Maßgabe dieser gesetzlichen Grundlagen hat der Beklagte die von der Klägerin begehrte Feststellung eines EBITDA-Vortrags zum 31.12.2016 zutreffend abgelehnt.
57a) Die Klägerin war im Streitjahr mit den Organgesellschaften gemäß § 14 KStG im Rahmen einer wirksamen körperschaftsteuerlichen Organschaft verbunden. Darüber besteht zwischen den Beteiligten auch nach der von der GKBp. durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre 2015 bis 2017 Einvernehmen. Der Senat hat keine Veranlassung, am Bestehen und der Wirksamkeit dieses Organschaftsverhältnisses zu zweifeln. Aufgrund der Organschaft galten die Klägerin und die Organgesellschaften, wie bereits ausgeführt, für Zwecke der Zinsschranke als ein Betrieb (§ 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG).
58b) Auf Ebene der Klägerin als Organträgerin war zum 31.12.2016 nach §§ 8 Abs. 1, 8a, 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 EStG kein EBITDA-Vortrag festzustellen, da die Zinsaufwendungen des Betriebs dessen Zinserträge im Wirtschaftsjahr 2016 unstreitig unterschritten und daher ohne teilweise Ausschöpfung des verrechenbaren EBITDA gemäß § 4h Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz EStG bereits nach § 4h Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG uneingeschränkt abzugsfähig waren.
59aa) Ob es in einer solchen Konstellation zur Entstehung eines EBITDA-Vortrags i.S.v. § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG kommt, war bis zur Änderung der Vorschrift durch das Gesetz zur Förderung geordneter Kreditzweitmärkte und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2167 über Kreditdienstleister und Kreditkäufer sowie zur Änderung weiterer finanzrechtlicher Bestimmungen (Kreditzweitmarktförderungsgesetz) vom 22.12.2013 (BGBl. I 2023 Nr. 411) umstritten. Inzwischen hat der Gesetzgeber mit dem Kredit-zweitmarktförderungsgesetz zwar in § 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG hinter die Wörter „die um die Zinserträge geminderten Zinsaufwendungen des Betriebs“ den Klammerzusatz „(Nettozinsaufwendungen)“ eingefügt und § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG um die Formulierung „in denen die Zinsaufwendungen die Zinserträge nicht übersteigen“ ergänzt. Die vorgenannten Änderungen sind allerdings erst für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 14.12.2023 beginnen und nicht vor dem 01.01.2024 enden (vgl. § 52 Abs. 8b EStG). Für frühere Wirtschaftsjahre – und damit auch für das Streitjahr 2016 – besteht im Hinblick auf die frühere Gesetzesfassung weiterhin Streit, ob in den Fällen eines positiven Zinsüberhangs ein EBITDA-Vortrag entsteht. Finanzgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage liegt, soweit ersichtlich, bislang nicht vor.
60(1) Die Finanzverwaltung verneint die Entstehung eines EBITDA-Vortrags bei Vorliegen eines positiven Zinsüberhangs. Nach der vom Gesetz vorgegebenen Prüfungsreihenfolge sei in einem ersten Schritt zunächst nach § 4h Abs. 2 EStG zu prüfen, ob überhaupt ein Anwendungsfall der Zinsschranke gegeben sei. Erst wenn dies bejaht werde, seien in einem zweiten Schritt nach § 4h Abs. 1 EStG die abziehbaren Zinsaufwendungen, das verrechenbare EBITDA und der EBITDA-Vortrag zu ermitteln. Der Fall eines positiven Zinsüberhangs sei bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes von der Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG umfasst, denn auch in diesem Fall betrügen die Zinsaufwendungen nach Abzug der Zinserträge weniger als 3 Mio. €. Auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG sei ein EBITDA-Vortrag für Wirtschaftsjahre mit einem positiven Zinsüberschuss zu versagen. Denn die Regelung beabsichtigte generell, einen EBITDA-Vortrag dann auszuschließen, wenn in einem Wirtschaftsjahr die Zinsschranke nicht zur Anwendung komme. Es gebe keinen Differenzierungsgrund, Fälle mit einem Nettozinsaufwand von weniger als 3 Mio. € anders zu behandeln als Fälle mit einem positiven Zinsüberschuss, denn beide Fallgruppen kennzeichne der Umstand, dass die Zinsschranke von vornherein nicht zur Anwendung komme (vgl. OFD Frankfurt am Main, Verfügung vom 17.07.2012 – S 2742a A - 4 - St 51, DStR 2012, 1660; Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein, Erlass vom 10.08.2012 – VI 301 - S 2741 - 109, juris; OFD Niedersachsen, Verfügung vom 21.09.2012 – S 2742a – 31 - St 241, juris; OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 11.07.2013 – S 2742a - 2003 - St 137, DStR 2013, 1947; OFD Karlsruhe, Verfügung vom 10.10.2014 – S 274.2 b/1/21 - St 221, juris).
61In der Literatur wird die vorgenannte Verwaltungsauffassung teilweise geteilt (vgl. Loewens in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 4h EStG (bis zur 170. Ergänzungslieferung) Rn. 47; Förster in: Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 8a Rn. 95; Herzig/Liekenbrock, DB 2010, 690, Möhlenbrock, JbFfSt 2010/2011, 129; Möhlenbrock/Maiworm in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8a KStG Rn. 240b, 240d (unter Zugrundelegung eines abstrakten Verständnisses von § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 EStG); Schenke in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4h Rn. B 57, B 62a; Korn in: Korn, EStG, § 4h Rn. 46). Zur Begründung wird allerdings teilweise abweichend von der Argumentation der Finanzverwaltung darauf abgestellt, dass die in § 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG verwendete restriktive Konjunktion „soweit“ das verrechenbare EBITDA auf den „übersteigenden“ Betrag und damit auf einen Zinsaufwandsüberhang beziehe. Im Falle eines Ertragsüberhangs entstehe damit kein EBITDA-Vortrag (so Loewens in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 4h EStG (bis zur 170. Ergänzungslieferung) Rn. 47).
62(2) Die überwiegende Literaturansicht (vgl. Hick in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rn. 30; Adrian in: Kirchhof/Kulosa/Ratschow, BeckOK EStG, 21. Edition (Stand: 01.04.2025), § 4h Rn. 68; Seiler in: Kirchhof/Seer, EStG, § 4h Rn. 21 (Fn. 1); Frotscher in: Frotscher/Geurts, EStG, § 4h Rn. 53e; Loschelder in: Schmidt, EStG, 44. Aufl. 2025, § 4h Rn. 12; Stangl in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 2023, § 8a Rn. 40 (Fn. 257); Schober in: Bott/Walter, KStG, § 8a Rn. 431; Bohn in: Micker/Pohl, BeckOK KStG, 25. Edition (Stand: 15.06.2025), § 8a Rn. 274; Schänzle/Mattern in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl. 2018, § 8a Rn. 633, 638; Rödder, JbFStR 2010/2011, 115 ff.; ders., DStR 2010, 529; Fischer, DStR 2012, 2000; Liekenbrock, DB 2012, 2488; Bohn/Loose, DStR 2011, 241, 243) vertritt demgegenüber die Auffassung, auch in Wirtschaftsjahren mit einem positiven Zinsüberhang entstehe dem Grunde nach ein EBITDA-Vortrag. Zum Teil wird sogar angenommen, dieser entspreche der Höhe nach nicht nur dem vollen verrechenbaren EBITDA, sondern werde zusätzlich um den positiven Zinssaldo erhöht (vgl. Bohn/Loose, DStR 2011, 241, 243; Bohn in: Micker/Pohl, BeckOK KStG, 25. Edition (Stand: 15.06.2025), § 8a Rn. 274.3). Überwiegend gehen die Vertreter dieser Ansicht aber davon aus, der EBITDA-Vortrag entstehe im Falle eines positiven Zinsüberhangs in Höhe des vollen verrechenbaren EBITDA. Nach dem Gesetzeswortlaut spiele es für die Ermittlung des verrechenbaren EBITDA i.S.v. § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG keine Rolle, ob tatsächlich ein Zinsaufwand angefallen sei und ob dieser die Zinserträge übersteige. Auch § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ändere nichts an der Definition des verrechenbaren EBITDA. Die Entstehung eines EBITDA-Vortrags gemäß § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG sei nur davon abhängig, welcher Betrag des verrechenbaren EBITDA in dessen Entstehungsjahr zur Ermöglichung des Zinsabzugs aufgebraucht werde; der Restbetrag fließe automatisch in den EBITDA-Vortrag ein. § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG erfasse den Fall eines positiven Zinsüberhangs zudem nicht, da § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG seinem Wortlaut nach einen Überhang der Zinsaufwendungen über die Zinserträge voraussetze. Schließlich widerspräche es auch Sinn und Zweck des Gesetzes, einen Betrieb, der in einem Wirtschaftsjahr über einen positiven Zinsüberhang verfüge, durch die Versagung des EBITDA-Vortrags zu „bestrafen“.
63bb) Der Senat schließt sich im Ergebnis der von der Finanzverwaltung und Teilen der Literatur vertretenen Auffassung an und geht davon aus, dass kein EBITDA-Vortrag entsteht, wenn die Zinserträge die Zinsaufwendungen eines Betriebs übersteigen.
64(1) Der Wortlaut des Gesetzes ist aus Sicht des Senats nicht eindeutig und lässt sowohl die Lesart zu, dass im Falle eines positiven Zinsüberhangs ein EBITDA-Vortrag entsteht, als auch, dass die Entstehung eines EBITDA-Vortrags in einem solchen Fall ausgeschlossen ist. So kann § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG zwar nach seinem reinen Wortlaut im Sinne der Klägerin dahingehend verstanden werden, dass das verrechenbare EBITDA immer – also losgelöst von § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG und der Frage, ob überhaupt und in welcher Höhe ein Zinsaufwand angefallen ist – ermittelt wird. Auch § 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG kann seinem Wortlaut nach grundsätzlich so verstanden werden, dass der für den Zinsabzug im laufenden Wirtschaftsjahr ungenutzte Teils des verrechenbaren EBITDA – der im Falle eines positiven Zinsüberhangs dem vollen Betrag des verrechenbaren EBITDA entspricht – stets in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen ist. Die gesetzliche Formulierung „Betrag der Zinsaufwendungen, soweit er den Betrag der Zinserträge übersteigt“ in der Ausnahmeregelung des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG lässt ebenfalls durchaus das Verständnis zu, dass die Vorschrift dem Grunde nach einen Überschuss der Zinsaufwendungen über die Zinserträge voraussetzt, im Falle eines positiven Zinsüberhangs also nicht eingreift und die Entstehung eines EBITDA-Vortrags daher nicht nach § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG auszuschließen vermag.
65Zwingend ist dieses Verständnis jedoch nicht. Ebenso gut lässt sich aus Sicht des Senats aufgrund des Gesetzeswortlauts vertreten, dass § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG sowie § 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG im Zusammenhang mit § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG zu sehen sind und einen negativen Zinsüberhang voraussetzen. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG kann überdies auch ohne Zugrundelegung eines „gekünstelt-mathematischen Sprachverständnisses“ so gelesen werden, dass der den Betrag der Zinserträge übersteigende Betrag der Zinsaufwendungen im Falle eines positiven Zinsüberhangs bei 0 € liegt, was die Freigrenze von 3 Mio. € unzweifelhaft unterschreitet, so dass die Entstehung eines EBITDA-Vortrags in diesem Fall nach § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG ausgeschlossen ist.
66(2) Dass es bei einem positiven Zinsüberhang nicht zur Entstehung eines EBITDA-Vortrags kommt, folgt nach Überzeugung des Senats aus der § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG zugrundeliegenden Gesetzessystematik, ohne dass hierfür § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG herangezogen werden müsste. Ob § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz EStG eine abstrakte oder eine konkret-kausale Betrachtungsweise zugrunde zu legen ist und der Wortlaut des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG einen negativen Zinsüberschuss voraussetzt, ist aus Sicht des Senats daher letztlich nicht entscheidungserheblich. Auch auf § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b und c EStG kommt es nicht an, da diese Ausnahmetatbestände im Streitfall unstreitig nicht erfüllt sind.
67§ 4h Abs. 1 EStG ist nach dem Dafürhalten des Senats streng stufenbezogen ausgestaltet und dementsprechend zu verstehen. Gemäß § 4h Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG sind Zinsaufwendungen bis zur Höhe der Zinserträge ohne jegliche Beschränkung durch die nachfolgenden Zinsschrankenregelungen abziehbar (1. Stufe). Ein Betrieb, der in einem Wirtschaftsjahr höhere Zinserträge als Zinsaufwendungen erzielt, wird durch die Zinsschranke in diesem Jahr somit in keiner Weise tangiert. Erst – wie es das Gesetz in § 4h Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz EStG formuliert – „darüber hinaus“, wenn also die Zinsaufwendungen die Zinserträge übersteigen, ist das verrechenbare EBITDA i.S.v. § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG und der sich unter Ausschöpfung desselben nach § 4h Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz EStG ergebende abziehbare Nettozinsaufwand zu ermitteln (2. Stufe). Übersteigt das verrechenbare EBITDA in einem Wirtschaftsjahr den nach § 4h Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz i.V.m. Satz 2 EStG abziehbaren Nettozinsaufwand, so entsteht in Höhe des für den Abzug dieses Nettozinsaufwands ungenutzten Teils des verrechenbaren EBITDA nach § 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG ein in den Folgejahren zur Erhöhung des Zinsabzugsvolumens nutzbarer EBITDA-Vortrag (3. Stufe).
68Ausgehend von diesem stufenbezogenen Verständnis des § 4h Abs. 1 EStG kann im Falle eines positiven Zinsüberhangs kein EBITDA-Vortrag entstehen, da bereits auf der ersten Stufe (§ 4h Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz EStG) sämtliche Zinsaufwendungen abziehbar sind und weder die zweite Stufe (§ 4h Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz i.V.m. Satz 2 EStG) noch die dritte Stufe (§ 4h Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG) erreicht werden. Übersteigen die Zinserträge die Zinsaufwendungen, ist der Tatbestand des § 4h Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz EStG („darüber hinaus“) nicht erfüllt. Damit fehlt die Grundvoraussetzung für die an § 4h Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz EStG anknüpfende Ermittlung des verrechenbaren EBITDA nach § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG. Kommt es aber nicht zur Ermittlung des verrechenbaren EBITDA und zum Abzug von Zinsaufwendungen unter dessen teilweiser Ausnutzung, so bleibt auch kein Raum für die Entstehung eines EBITDA-Vortrags. Anders ausgedrückt definiert § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG das verrechenbare EBITDA nach Auffassung des Senats allein für Zwecke der Bestimmung des nach § 4h Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz EStG abziehbaren Nettozinsaufwands. Das verrechenbare EBITDA wird daher nur ermittelt, wenn überhaupt Zinsaufwendungen vorliegen, deren Abzug nach § 4h Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz EStG auf die Höhe des verrechenbaren EBITDA begrenzt werden könnte. Dies setzt die Zinserträge übersteigende Zinsaufwendungen voraus. Ist dies nicht der Fall, fehlt es somit an dem erforderlichen Bezugsrahmen für einen EBITDA-Vortrag. Dessen Entstehung setzt aus Sicht des Senats systematisch voraus, dass das verrechenbare EBITDA teilweise ausgenutzt wird, um den vollen Abzug der Zinsaufwendungen zu erreichen.
69(3) In dieser Beurteilung sieht sich der Senat auch durch den Wortsinn des Begriffs „Vortrag“ und den Gesetzeszweck bestätigt.
70Ein EBITDA-Vortrag i.S.d. § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG meint nach dem vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Begriffsverständnis den nicht ausgeschöpften Teil des verrechenbaren EBITDA, der aufgrund von die Summe aus Zinserträgen und verrechenbarem EBITDA unterschreitenden Zinsaufwendungen im laufenden Wirtschaftsjahr nicht für deren Abzug benötigt wurde (vgl. auch BT-Drs. 17/15, 17). Eine „nicht vollständige“ Ausnutzung des verrechenbaren EBITDA setzt aber begrifflich voraus, dass das verrechenbare EBITDA überhaupt für den Zinsabzug genutzt wurde, was nur bei einem negativen Zinsüberhang der Fall ist. Wenn kein negativer Zinsüberhang besteht, wurde das verrechenbare EBITDA nicht einmal anteilig zur Abdeckung des Zinsaufwands genutzt und bleibt daher auch kein „Rest“ übrig, der vorgetragen werden könnte. Bei vollständiger oder – wie im Falle eines positiven Zinsüberhangs – gänzlich fehlender Nutzung des verrechenbaren EBITDA für den Zinsabzug fehlt es somit an einem Vortragstatbestand.
71Darüber hinaus hält der Senat es für nicht mit dem Normzweck des § 4h EStG vereinbar, einem Betrieb, der in einem Wirtschaftsjahr höhere Zinserträge als Zinsaufwendungen erzielt hat, einen EBITDA-Vortrag zu gewähren. Der Zweck des § 4h EStG besteht in der Begrenzung des Zinsabzugs bei übermäßiger Fremdfinanzierung. Die Vorschrift will verhindern, dass der Zinsabzug im Inland von international tätigen Konzernen zur Gewinnverlagerung ins Ausland genutzt wird (vgl. BT-Drs. 16/4841, 47 f.). Wenn ein Betrieb aber einen positiven Zinsüberhang ausweist, fehlt es bereits an einem systematischen Anknüpfungspunkt für eine Zinsschrankenwirkung – und damit auch für einen EBITDA-Vortrag, der auf künftige Zinsabzugsbeschränkungen vorbereitet. Würde in Jahren mit einer positiven Zinsdifferenz jeweils ein EBITDA-Vortrag aufgebaut, ohne dass der Betrieb überhaupt von den Beschränkungen des § 4h EStG betroffen ist, so würde ihm ein vom Gesetz nicht bezweckter Vorteil zuteil. Durch die Gewährung eines EBITDA-Vortrags bei positivem Zinsüberhang käme es zu einer Privilegierung ohne wirtschaftliche Notwendigkeit und ohne sachliche Grundlage.
72Entgegen dem Vorbringen der Klägerin wird ein Unternehmen, das in einem Jahr über einen positiven Zinsüberhang verfügt, durch die Versagung eines EBITDA-Vortrags auch nicht „bestraft“, sondern mangels Notwendigkeit schlicht nicht (doppelt) „begünstigt“. Nach Auffassung des Senats soll ein EBITDA-Vortrag nur dann entstehen, wenn er eine Funktion im System der Zinsschranke erfüllt. Das ist aber gerade nicht der Fall, wenn die Nettozinsaufwendungen eines Betriebs unterhalb der Freigrenze des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG bleiben oder die Zinsaufwendungen durch die Zinserträge mehr als ausgeglichen werden. In beiden Fällen greift das Instrument der Zinsschranke nicht ein, weshalb auch kein Anlass besteht, das Instrument des EBITDA-Vortrags anzuwenden.
73Kleine und mittlere Unternehmen sollen zudem durch die Freigrenzenregelung des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG vom Anwendungsbereich der Zinsschranke ausgenommen und von einer Beschränkung der Abzugsfähigkeit ihrer Zinsaufwendungen entlastet werden (vgl. BT-Drs. 16/4841, 48). Hierdurch erfüllt die Regelung auch einen gewissen Vereinfachungszweck (vgl. Hick in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h Rn. 41). Dieser Zweck würde jedoch letztlich verfehlt, wenn die gesonderte Feststellung eines EBITDA-Vortrags zwar wegen § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG für Betriebe mit einem negativen Zinsüberhang von weniger als 3 Mio. € unterbliebe, für sämtliche Betriebe mit einem positiven Zinsüberhang jedoch vorzunehmen wäre, selbst wenn sie in absehbarer Zeit überhaupt nicht von den Beschränkungen des § 4h EStG berührt werden. Die von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung hätte eine flächendeckende Feststellung von EBITDA-Vorträgen selbst für Unternehmen zur Folge, auf die die Zinsschranke – mit Rücksicht auf die Escape-Möglichkeiten – nie zur Anwendung gelangt. Dass der damit verbundene zwecklose Verwaltungsaufwand vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen worden sein sollte, erscheint für den Senat ausgeschlossen.
74Ferner ist der Finanzverwaltung darin beizupflichten, dass es keinen nachvollziehbaren Grund dafür gibt, Betriebe mit einem negativen Zinsüberhang von weniger als 3 Mio. € und Betriebe mit einem positiven Zinsüberhang im Hinblick auf die Feststellung eines EBITDA-Vortrags unterschiedlich zu behandeln. Aus Sicht des Senats ergibt es keinen Sinn, Betriebe mit einem positiven Zinsüberhang gleichermaßen von der Bildung eines EBITDA-Vortrags profitieren zu lassen wie Betriebe mit einem negativen Zinsüberhang von mindestens 3 Mio. €, während Betriebe mit einem negativen Zinsüberhang von weniger als 3 Mio. € unstreitig nicht in den Genuss eines EBITDA-Vortrags kommen (so auch Korn in: Korn, EStG, § 4h Rn. 46). Wenn es bei einem negativen Zinsüberhang von weniger als 3 Mio. € nach § 4h Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG nicht zu einem EBITDA-Vortrag kommt, so vermag ein solcher Vortrag nach Überzeugung des Senats vielmehr umso weniger zu entstehen, wenn ein positiver Zinsüberhang vorliegt (ähnlich Loewens in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 4h EStG (bis zur 170. Ergänzungslieferung) Rn. 47; Möhlenbrock, JbFfSt 2010/2011, 129).
75(4) Der Entstehungsgeschichte von § 4h EStG und den Gesetzesmaterialien zu dieser Vorschrift lassen sich im Übrigen keine Hinweise darauf entnehmen, dass in Fällen eines positiven Zinsüberhangs entgegen der durch den Senat vertretenen Auffassung ein EBITDA-Vortrag entstehen würde.
76§ 4h EStG wurde im Zuge des Unternehmensteuerreformgesetzes vom 14.08.2007 (BGBl. I 2007, 1912) eingeführt, wobei die ursprüngliche Fassung der Norm ebenso wenig einen EBITDA-Vortrag kannte wie die nachfolgenden, durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. I 2008, 2794) und das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16.07.2009 (BGBl. I 2009, 1959) geänderten Fassungen. Aus den Gesetzesmaterialien zu diesen Gesetzesvorhaben können sich daher naturgemäß keine Hinweise auf die Entstehung eines EBITDA-Vortrags in Fällen eines positiven Zinsüberhangs ergeben.
77Auch den Gesetzesmaterialien zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz, mit dem der EBITDA-Vortrag erstmals Eingang in das Gesetz gefunden hat, lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber die Entstehung eines EBITDA-Vortrags bei einem positiven Zinsüberhang beabsichtigt hat. Wie von der Klägerin zitiert, wird in der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 17/15, 17) ausgeführt: „Die vorgesehene Regelung des EBITDA-Vortrags bewirkt, dass in Jahren, in denen der Betrieb mit seinen Zinsaufwendungen den Abzugsrahmen der Zinsschranke nicht ausschöpft, der nicht ausgeschöpfte Teil dieses Abzugsrahmens in künftige Wirtschaftsjahre vorgetragen wird (EBITDA-Vortrag). Ein EBITDA-Vortrag erhöht sich nur dann, wenn der Betrieb in dem betreffenden Wirtschaftsjahr nicht aufgrund von § 4h Abs. 2 EStG von der Anwendung der Zinsschranke ausgenommen ist (sog. Zinsschrankenescape).“ Diese Ausführungen geben für die von der Klägerin vertretene Auffassung aus Sicht des Senats letztlich nichts her, sondern bestätigen eher die Annahme, dass ein EBITDA-Vortrag systematisch nur dann entstehen kann, wenn der Betrieb in den Anwendungsbereich der Zinsschranke fällt. Letzteres ist jedoch im Falle eines positiven Zinsüberhangs gerade nicht der Fall. § 4h EStG greift nicht ein, wenn es an einem negativen Zinssaldo eines Betriebs fehlt (§ 4h Abs. 1 Satz 1 EStG; vgl. Hick in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG Rn. 20).
78Aus dem den zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelungen zum EBITDA-Vortrag betreffenden § 52 Abs. 12d Satz 4 und 5 EStG in der Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes und der Gesetzesbegründung hierzu lässt sich ebenfalls kein auf die Entstehung eines EBITDA-Vortrags bei positivem Zinsüberhang gerichteter Wille des Gesetzgebers ableiten. Zwar sehen § 52 Abs. 12d Satz 4 und 5 EStG vor, dass die Regelungen zum EBITDA-Vortrag erstmals für nach dem 31.12.2009 endende Wirtschaftsjahre anzuwenden sind, auf Antrag aber rückwirkend für nach dem 31.12.2006 beginnende und vor dem 01.01.2010 endende Wirtschaftsjahre ein sog. fiktiver EBITDA-Vortrag zu ermitteln (jedoch nicht gesondert festzustellen) ist, der das verrechenbare EBITDA im ersten Wirtschaftsjahr, das nach dem 31.12.2009 endet, erhöht. Allerdings erfolgt die Erhöhung nach der Gesetzesbegründung nur um „fiktiv unter Anwendung des § 4h Abs. 1 EStG“ in der Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes ermittelte EBITDA-Vorträge. Da der fiktive EBITDA-Vortrag nach § 52 Abs. 12d Satz 5 EStG seinerseits „nach den Grundsätzen des § 4h Abs. 1 EStG“ zu ermitteln ist, stellt sich insoweit wiederum die Frage, ob für zurückliegende Wirtschaftsjahre mit positivem Zinsüberhang fiktive EBITDA-Vorträge gebildet werden können. Weder die Regelungen zum fiktiven EBITDA-Vortrag selbst noch die diesbezügliche Gesetzesbegründung liefern aus Sicht des Senats für eine Bejahung dieser Frage sprechende Anhaltspunkte (a.A. Schober in: Bott/Walter, KStG, § 8a Rn. 431).
79Soweit der Gesetzgeber hinsichtlich der bereits dargestellten, im Rahmen des Kredit-zweitmarktförderungsgesetzes vorgenommenen Änderungen des § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG von einer bloßen „Klarstellung“ spricht (vgl. BT-Drs. 20/9782, 192), ist dies nach Einschätzung des Senats somit zutreffend (a.A. Loschelder in: Schmidt, EStG, 44. Aufl. 2025, § 4h Rn. 12; Grotherr, DStZ 2023, 713, 718).
803. Der Senat sieht nach alledem keine Veranlassung, das Klageverfahren in analoger Anwendung von § 74 FGO bis zu einer Entscheidung des BVerfG in dem Verfahren 2 BvL 1/16 auszusetzen.
81a) Nach § 74 FGO kann das Gericht die Aussetzung des Verfahrens u.a. dann anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ist eine Ermessensentscheidung des Gerichts, bei der insbesondere prozessökonomische Gesichtspunkte und die Interessen der Beteiligten abzuwägen sind. Eine Aussetzung des Klageverfahrens entsprechend § 74 FGO kann auch dann geboten sein, wenn vor dem BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, zahlreiche Parallelverfahren vorliegen und keiner der Verfahrensbeteiligten ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30.03.2017 – IV R 11/15, BStBl II 2019, 29; vom 05.02.2015 – III R 19/14, BStBl II 2015, 840; BFH-Beschlüsse vom 01.08.2012 – IV R 55/11, BFH/NV 2012, 1826; vom 14.04.2020 – VII B 53/19, BFH/NV 2021, 177; jeweils m.w.N.). Auch bei einem anhängigen Musterverfahren bleibt die Aussetzung aber eine einzelfallbezogene Ermessensentscheidung (vgl. Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 74 FGO Rn. 14).
82b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sieht es der Senat als ermessensgerecht an, das vorliegende Verfahren nicht im Hinblick auf das vor dem BVerfG anhängige Normenkontrollverfahren 2 BvL 1/16 auszusetzen. In diesem Verfahren wird die Frage zu klären sein, ob § 4h EStG in der Fassung des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung i.V.m. § 8 Abs. 1 und § 8a KStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstößt (vgl. Vorlagebeschluss des BFH vom 14.10.2015 – I R 20/15, BStBl II 2017, 1240). Im Streitfall ist jedoch zum einen nicht § 4h EStG in der Fassung des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung, sondern in der Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes maßgeblich. Zum anderen greift die Vorschrift bei der Klägerin im Streitjahr nach Überzeugung des Senats insgesamt nicht ein, so dass es auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm für den Streitfall nicht ankommt. Die Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvL 1/16 dürfte – unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats – keine entscheidungserheblichen Auswirkungen für das vorliegende Verfahren haben (zur fehlenden Rechtfertigung der Aussetzung in einem derartigen Fall vgl. Thürmer in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 74 FGO Rn. 87 m.w.N.). Wenn § 4h EStG verfassungswidrig wäre, bestünde zudem ohnehin keine Grundlage für die von der Klägerin begehrte Feststellung eines EBITDA-Vortrags.
83Überdies hat keiner der Beteiligten eine Aussetzung beantragt. Beide Beteiligten haben im Rahmen der Erörterung in der mündlichen Verhandlung keinerlei Interesse daran bekundet, den Ausgang des Verfahrens 2 BvL 1/16 abzuwarten.
84IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
85V. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 1. Alternative FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Zwar ist die zwischen den Beteiligten streitige abstrakte Rechtsfrage, ob in Wirtschaftsjahren mit einem positiven Zinsüberhang ein EBITDA-Vortrag entsteht, nach Änderung des § 4h EStG durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz für nach dem 14.12.2023 beginnende und nicht vor dem 01.01.2024 endende Wirtschaftsjahre geklärt. Nach aktueller Gesetzeslage ist die Entstehung eines positiven Zinsüberhangs in Wirtschaftsjahren, in denen die Zinsaufwendungen die Zinserträge nicht übersteigen, gemäß § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG ausgeschlossen. Die von der Klägerin im vorliegenden Verfahren aufgeworfene Streitfrage betrifft somit ausgelaufenes Recht (zur in diesem Fall regelmäßig fehlenden grundsätzlichen Bedeutung vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15.09.2022 – IX B 69/21, BFH/NV 2022, 1292 m.w.N.).
86Allerdings war diese Frage in Bezug auf die frühere Rechtslage zwischen Finanzverwaltung und Literatur umstritten und ist durch die (höchstrichterliche) Rechtsprechung bislang ungeklärt. Nach Angaben der Prozessbevollmächtigen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung besitzt die Rechtsfrage überdies noch Relevanz für eine Vielzahl offener Betriebsprüfungsfälle. Der Streitfall gibt daher aus Sicht des Senats im allgemeinen Interesse Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung der für diese Frage maßgeblichen Bestimmungen des materiellen Rechts aufzustellen (vgl. zu dieser Voraussetzung z.B. BFH-Beschlüsse vom 09.02.2017 – VI B 58/16, BFH/NV 2017, 763; vom 07.05.2014 – IX B 146/13, BFH/NV 2014, 1204).