Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Kläger sind seit 2019 je zur Hälfte Miteigentümer der in Z belegenen Eigentumswohnung WE 1 X-Straße ..., ... Z (Grundbuch Y, Blatt 1...). Die Einheit wurde ursprünglich gewerblich genutzt und lt. geänderter Teilungserklärung vom ....2000 in Wohnungseigentum umgewandelt. Sie befindet sich im Souterrain eines vor 1949 errichteten Mehrfamilienhauses (Flur 2... Flurstücke 3... und 4...; Gebäude- und Freifläche 348 qm, Mieteigentumsanteil der Kläger …/1021). Die Wohnung hat nach Angaben der Kläger eine Wohnfläche von 54 qm und ist vermietet. Die Kläger erwarben die Immobilie mit Kaufvertrag vom ....2019 zu einem Kaufpreis von … €.
3Mit Bescheid vom 08.11.2022 stellte der Beklagte den Grundsteuerwert erklärungsgemäß zum 01.01.2022 auf … € fest. Der Bewertung legte er den für die X-Straße einschlägigen Bodenrichtwert von 2.280,- €/qm, einen Grund und Bodenanteil von 35 qm, einen Liegenschaftszins von 2,8 %, eine Restnutzungsdauer von 24 Jahren (30 % von 80 Jahren gem. § 253 Abs. 2 Satz 5 BewG i.V.m. Anlage 38 BewG) und eine nach Maßgabe der Mietniveaustufe 6 ermittelte monatliche Kaltmiete von 10,18 € zugrunde (Anlage 39 I und II zum BewG). Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwertes vom 08.11.2022 verwiesen.
4Die Kläger legten hiergegen fristgerecht Einspruch ein und vertraten die Auffassung, dass die neue Grundsteuerbewertung -wie die Vorgängerregelung- verfassungswidrig sei. Von einer gleichheitsgerechten Bewertung könne mit Blick darauf, dass die Bundesländer jeweils eigene Regeln erlassen dürften, keine Rede sein. Der Grundsteuermessbetrag habe sich wesentlich erhöht. Eine Anpassung der Hebesätze zur kostenneutralen Fortführung der Steuer sei allenfalls ein frommer Wunsch. Auf kommunaler Ebene würde zum Teil an höchst abweichenden Bodenrichtwerten identischer Wohnbezirke festgehalten.
5Mit Schreiben vom 27.09.2023 nahm der Beklagte zum Vorbringen der Kläger Stellung und bat darum, die verfassungsrechtlichen Einwendungen noch einmal zu überdenken und ggf. in einer weiteren schriftlichen Stellungnahme zu substantiieren.
6Die Kläger führten hierauf aus, eine weitergehende Begründung des Einspruches halte man nicht für erforderlich, zumal letztlich das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Grundlage zu befinden habe und baten um Erlass einer klagefähigen Entscheidung.
7Mit Einspruchsentscheidung vom 30.11.2023 wies der Beklagte den Rechtsbehelf als unbegründet zurück. Der festgestellte Grundsteuerwert entspreche unstreitig den Vorgaben des geltenden Rechts.
8Das Grundsteuerrecht sei auch verfassungsgemäß. Der Bund habe gem. Art. 105 Abs. 2 GG uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz erhalten und die Verfahren zur Bewertung des Grundvermögens in Reaktion auf das Urteil des BVerfG vom 10.04.2018 - 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147 ff gleichheitskonform ausgestaltet. Soweit der Gesetzgeber dabei stark typisiert habe, sei das nicht zu beanstanden. Die Differenzierung der einzelnen Grundstücksarten (§ 249 BewG), die darauf beruhende Zuordnung zu einem sachgerechten Bewertungsverfahren (§ 250 BewG) und die typisierende Anwendung spezifischer Bewertungsfaktoren gewährleisteten eine realitätsgerechte Abbildung aller Wirtschaftsgüter innerhalb des Grundvermögens. Der Gesetzgeber könne Praktikabilitätserwägungen Vorrang vor Gesichtspunkten der Ermittlungsgenauigkeit einräumen und dabei auch Bewertungs- und Ermittlungsunschärfen in Kauf nehmen. Das gelte im besonderen Maße bei steuerlichen Massenverfahren wie der Grundsteuerbewertung. Es liege ein rationales Konzept vor, welches den objektiv-realen Grundsteuerwert im Blick habe und konsequent auf das Automationsziel zugeschnitten worden sei. Die Typisierungen dienten nicht nur der Verwaltungsvereinfachung, sondern reduzierten auch die Verfahrenslasten auf Seiten des Steuerpflichtigen. Bei späteren Hauptfeststellungszeitpunkten könne so bei gleichbleibenden tatsächlichen Verhältnissen auf die Anforderung von manuell auszufüllenden Steuererklärungen verzichtet werden. Da Art. 3 Abs. 1 GG Hoheitsträger nur innerhalb ihres jeweiligen Kompetenzbereiches binde, sei es gleichheitsrechtlich unbeachtlich, dass das Grundsteuerrecht in den Bundesländern voneinander abweiche. Dass die endgültige Steuerlast erst feststehe, wenn die jeweilige Gemeinde über ihren Hebesatz entschieden habe, sei kein neuer Aspekt, sondern aufgrund der Hebesatzautonomie der Gemeinden auch im gegenwärtigen Recht der Fall. Soweit es im Einzelfall auf der Ebene der Grundsteuer zu Belastungsverschiebungen kommen sollte, beruhe das auf der jahrelangen Aussetzung der Hauptfeststellung.
9Die Kläger haben dagegen fristgerecht Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, dass der angegriffene Bescheid auf der Grundlage eines verfassungswidrigen Grundsteuergesetzes erlassen und damit ersatzlos aufzuheben sei. Das Gesetz leide an einem kompetenzrechtlichen Konstruktionsfehler. Dem Bund stehe zwar nach dem am 15.11.2019 geänderten Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG (vorbehaltslos) die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer zu. Das Grundsteuermodell sei aber erarbeitet worden, als sich diese Grundgesetzänderung noch nicht abgezeichnet habe. Zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des am 26.11.2019 verabschiedeten Gesetzes habe der Bund nur eine sog. Fortschreibungskompetenz besessen, also die Befugnis, das Gesetz unter Beibehaltung der wesentlichen Elemente zu modifizieren. Der Bund habe sich bemüht, in diesen engen Grenzen der Fortschreibungskompetenz zu bleiben, was realistischerweise nicht habe gelingen können. Die Einheitswerte seien nicht gleichheitsgerecht fortgeschrieben worden, letztlich seien die Werte zu kompliziert. Ein altes komplexes Bewertungsgesetz lasse sich nicht so umbauen, dass moderne gleichheitsgerechte Regelungen entstünden, das Vorhaben aus diesem Grund von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) fordere, dass der Belastungsgrund einer Steuer im Gesetz erkennbar sei und danach die Abgabe bemessen werde. Diesen Verfassungsauftrag erfülle das Grundsteuergesetz des Bundes nicht. Der Belastungsgrund der Steuer sei auch in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht in hinreichender Klarheit geregelt worden. In den allgemeinen Ausführungen sei von anerkannten Vorschriften zur Ermittlung von Verkehrswerten von Grundstücken auf der Grundlage des Baugesetzbuches die Rede. Vorschriften des Baugesetzbuches könnten aber den Belastungsgrund der Grundsteuer nicht erkennbar machen. Auch die verstreuten Hinweise auf den Grundbesitz als Steuergegenstand, auf die verfassungsrechtlichen Grenzen der „Sollertragsteuer“, „Infrastrukturleistungen“ der Gemeinde und auf das erklärte Bewertungsziel eines „objektiviert-realen Wertes“ vermittelten keine Klarheit über den Belastungsgrund. Begriffe, die im Zusammenhang mit der Besteuerung von Vermögen maßgeblich seien, würden gleichsam im Gießkannenprinzip erwähnt. Die Grundsteuer müsse sich von Verfassungs wegen von anderen Steuern, insbesondere von der Einkommensteuer und der Vermögensteuer rechtserheblich unterscheiden. Die Grundsteuer bemesse sich im Bundesmodell -wie früher die Einheitswerte- grundsätzlich nach dem Wert des Grundstückes. Das Modell greife so strukturell in den Bereich der Vermögensteuer ein. Die Grundsteuer dürfe aber keine „kleine Vermögensteuer“ sein. Wenn der Bund die Bemessung der Grundsteuer an den Verkehrswerten und damit an möglichen Verkaufserlösen orientiere, rücke er die Steuerbemessung außerdem in die Nähe der Einkommensteuer, obwohl sich die Steuern auch insoweit von Verfassungswegen unterscheiden müssten. Die Grundsteuer werde im Bundesgesetz nicht in hinreichender Eigenständigkeit entwickelt. Die fehlende Klarheit im Belastungsgrund und die Friktionen in der Bemessung der Abgabe machten die Steuer verfassungswidrig.
10Die Grundsteuer richte sich im Bundesmodell unter anderem nach den Bodenrichtwerten. Die Steuerbemessung nach diesen durchschnittlichen Lagewerten sei aber zum Teil ungenau, insbesondere, wenn Gutachterausschüsse für bestimmte Gebiete fehlten oder wenn die Kaufpreissammlung nicht ausreiche und deshalb zur Bestimmung der Bodenrichtwerte auf vergleichbare Flächen zurückgegriffen werde müsse. Umstände, wie eine abweichende Geschossflächenzahl, blieben unberücksichtigt.
11Die Bodenrichtwerte wiesen systematische Bewertungslücken auf und seien über die Bundesrepublik hinweg wenig vergleichbar. Das streitgegenständliche Grundvermögen sei mit einem Bodenrichtwert von 2.280,- €/qm angesetzt worden, während für die nicht weit entfernt liegende Eigentumswohnung der Kläger in der W-Straße ... im Stadtteil Z (Baujahr 2013) der Bodenrichtwert nur 530,- €/qm betrage. Die dortige Eigentumswohnung liege in einem voll erschlossenen Wohngebiet mit ausgebauter Infrastruktur und sei mit dem streitgegenständlichen Bewertungsobjekt durchaus vergleichbar. In Bezug auf Ausstattung und Bauweise könne der hier in Rede stehende Altbau mit dem Neubau in der W-Straße in keiner Weise mithalten. Das Steuerrecht nutze die Bodenrichtwerte für unterschiedliche Abgaben, lasse aber wegen der nach den durchschnittlichen Lagewerten auftretenden Ungenauigkeiten zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das grundgesetzliche Übermaßverbot den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes der Immobilie zu. Dieser Nachweis sei dem Steuerpflichtigen im Grundsteuermodell des Bundes verwehrt, was zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes führe. Ungereimtheiten bei den Bodenrichtwerten ließen sich am Beispiel der Stadt Berlin verdeutlichen. So sei in der begehrten Wohnlage Wannsee bei einer Geschossflächenzahl von 0,4 ein vergleichbar geringer Bodenwert von 1.500,- €/qm festgestellt worden, während sich in der weniger attraktiven Wohnbaufläche Neukölln bei einer Geschossflächenzahl von 2,5 ein Wert von 3.200,- €/qm ergebe. Die qualitative Arbeit der Gutachterausschüsse variiere sehr stark. Reine Richtwerte dürften nicht -ohne die Möglichkeit eines Gegenbeweises- absolut gesetzt werden.
12Mit dem normierten novellierten Ertragswertverfahren habe der Bund versucht, die Einheitswerte zu simplifizieren. Zwar dürfe der Gesetzgeber Steuergesetze vereinfachen und zu diesem Zweck auch grobe Typisierungen und Pauschalierungen nutzen. Diesen weiten Entscheidungsraum habe der Gesetzgeber aber nicht genutzt, weil er -anders als z.B. die Bundesländer Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen- gerade kein einfaches, im Massenverfahren leicht anwendbares Bewertungssystem entwickelt habe. Das Bundesmodell greife im Vergleich zu den Ländermodellen mit den pauschalierten Nettokaltmieten, der Gebäudeart, Wohnfläche, des Baujahres, den Mietniveaustufen, Bewirtschaftungskosten, dem Liegenschaftszins, der Restnutzungsdauer und des abgezinsten Bodenwertes auf deutlich mehr Parameter zurück. Das veränderte Ertragswertverfahren sei danach kein unkompliziertes Grundsteuermodell, bei dem Härten verfassungsrechtlich hingenommen werden könnten. Das Grundgesetz eröffne dem Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum, nach seinem Willen sachgerechte Konzepte zu entwerfen. Dieser Gestaltungsraum werde aber von vornherein nicht betreten, wenn der Bund -wie hier- in der Annahme bestehender kompetenzrechtlicher Schranken kein neues Grundsteuersystem entwerfe, sondern versuche, die veralteten komplexen Einheitswerte ohne eine Systementscheidung zu simplifizieren. Sowohl in Bezug auf die absolut gesetzten Bodenrichtwerte als auch durch die Anlehnung an pauschalierte Nettokaltmieten, die lediglich durch die Gebäudeart des Objektes, die Wohnfläche, das Baujahr des Gebäudes und die Mietniveaustufen bestimmt würden, sei der Gesetzgeber gleichheitswidrig von gängigen steuerlichen Bemessungen z.B. bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer abgewichen. Die Bemessung der pauschalierten Nettokaltmiete spiegele die Wirklichkeit nicht immer hinreichend wieder. Das gelte im Ergebnis auch für den Vervielfältiger, den Abzinsungsfaktor, die Bewirtschaftungskosten und die maßgebende Restnutzungsdauer. Der Gleichheitsverstoß werde am Beispiel der begehrten Altbauten z.B. aus der Gründerzeit deutlich. Altbauten würden strukturell zu gering bewertet.
13Maßgebliche Parameter wie individuelle privatrechtliche Vereinbarungen und Belastungen, individuelle öffentlich-rechtliche Merkmale wie Baulasten, Denkmalschutzauflagen, Immissionen, ein besonders guter Erhaltungszustand oder Baumängel blieben gleichheitswidrig außer Ansatz. Die vorgenommene halbherzige Vereinfachung verletze das Gebot der folgerichtigen Steuerbemessung. Die verfassungsrechtliche Vorgabe einer realitätsgerechten Bewertung sei, anders als in der Gesetzesbegründung behauptet, nicht folgerichtig gelungen. In der ersten Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums sei erläutert worden, dass im Rahmen der Einheitsbewertung für Wohngrundstücke 20 und bei Gewerbegrundstücken mehr als 30 Parameter maßgeblich gewesen seien und man nunmehr mit fünf bzw. acht Parametern auskomme. Das folge zwar dem begrüßenswerten Anliegen der Vereinfachung, eine solche erhebliche Reduktion der entscheidenden Faktoren erzeuge jedoch ein anderes Bewertungssystem. Immobilienwerte seien entweder in zahlreichen Faktoren genau zu ermitteln oder in klaren vereinfachenden Typisierungen gleichheitsgerecht zu bewerten. Das Grundsteuermodell des Bundes wähle einen verfassungswidrigen Mittelweg. So spiegele die nach Altersstufen der Immobilie gestaffelte Miete den Wert einer Immobilie nicht zwangsläufig wieder. Betonbauten aus den 2020er Jahren seien -entgegen den geregelten Mietstufen- nicht per se wertvoller als eine Gründerzeitvilla der 1920er Jahre, Steinhäuser trotz des höheren Alters strukturell höher zu bewerten als Fertighäuser. Das neue grundsteuerliche Bewertungssystem verletze das Gebot der folgerichtigen Besteuerung. Zugleich drohe eine Übermaßbesteuerung. Die steuerliche Leistungsfähigkeit von Grund und Boden sei jedenfalls in den Fällen einer kreditbelasteten Immobilie schwerlich zu begründen. Grundbesitz werde zudem regelmäßig aus einer Finanzkraft erworben, die bereits der Ertragsbesteuerung unterlegen habe. Hinzutrete die Grunderwerbsteuer beim Kauf. Die so bewirkte kumulative Steuerlast bleibe bei der Grundsteuer unberücksichtigt. Die Kumulation müsse aber das Maß der Verfassung wahren und verhältnismäßig sein. Die Verfassung lasse für die Grundsteuer daher nur einen engen Belastungskorridor. Generell privilegiere die Grundsteuer Eigentümer, die einen Ertrag erwirtschafteten, aus dem die Steuer dann bezahlt werden könne. Die Steuer dränge Steuerpflichtige, das Eigentum wirtschaftlich zu nutzen und es in Extremfällen gar zu veräußern. Soweit die Grundsteuerlast auf die Mieter abgewälzt werde, handele es sich um eine Art Wohnsteuer bzw. Einwohnersteuer. Sie dürfe in diesen Wirkungen aber nicht in den elementaren Schutz des Wohnens eingreifen und nicht das Existenzminimum berühren. Die öffentliche Hand greife mit der Grundsteuer auf das Wohnen und damit auf eine Existenzbedingung zu, die sie andererseits in Gestalt der Wohnungsbauförderung und des Wohngeldes unterstütze. In dieser gegenläufigen Wirkung im existentiellen Bereich werde teilweise ein Verfassungsverstoß, jedenfalls aber eine kaum zu stemmende steuerliche Rechtfertigungslast gesehen. Gerade in Städten mit hohen Mieten müssten die Folgen der neuen grundsteuerlichen Bemessungsregeln sorgsam antizipiert und gewertet werden. Das Grundsteuermodell drohe den insgesamt engen verfassungsrechtlichen Belastungskorridor der Steuer zu verlassen.
14Da die endgültige Steuerlast erst feststehe, wenn die Gemeinden über die Hebesätze entschieden hätten, drohe im Übrigen eine Rechtsschutzlücke, da bis dahin die überwiegende Zahl der Grundlagenbescheide bestandskräftig sei. Wegen der nicht absehbaren Folgen des Gesetzes sei auch der Bestimmtheitsgrundsatz herausgefordert.
15Trotz der Ungereimtheiten in Bezug auf die Steuerlast bewirke die Bewertung nach dem Bundesmodell bereits jetzt im Vergleich zu den einfachen Grundsteuermodellen der Bundesländer Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen eine mehr als doppelt so hohe Zahllast. Insbesondere in Zonen mit deutlich erhöhten Richtwerten, hohen pauschalen Nettokaltmieten, bei älteren Immobilien und bei Immobilien, bei denen es nicht berücksichtigte wertmindernde Faktoren gebe, drohten Überbelastungen.
16Der Bund habe sich aus kompetenzrechtlichen Gründen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes gar nicht mehr relevant gewesen seien, grundlos für ein höchst komplexes Modell entschieden, das dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht genüge. Ohne sachlichen Grund mute er den Grundsteuerpflichtigen hohe Lasten zu. Die Grundsteuermodelle der Länder Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen belegten, dass der Bund sich nicht für die mildeste gleich effektive grundsteuerliche Last entschieden habe. Auch sei es nicht zumutbar, wenn die öffentliche Hand Steuererklärungen mit Informationen von Steuerpflichtigen fordere und sie mit entsprechenden Ermittlungen belaste, obwohl dem Staat diese Informationen vorliegen würden. Das Bundesmodell verletze in seiner unnötigen Komplexität die Freiheitsrechte und lasse eine verfassungswidrig hohe Belastung befürchten.
17Zur weiteren Begründung berufen sich die Kläger auf die Ausführungen von Kirchhof in seinem Gutachten aus April 2023 und auf die Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz im Verfahren 4 V 1429/23 vom 23.11.2023, die Ausführungen von Degen in DStR 2023, 2314 ff und Graf, Zeitschrift Wirtschaftsdienst 2023, 275 ff.
18Die Kläger beantragen,
19den Bescheid auf den 01.01.2022 über die Feststellung des Grundsteuerwertes vom 08.11.2022 für das Grundstück X-Straße ..., ... Z (St.Nr. 5...) aufzuheben,
20hilfsweise die Revision zuzulassen.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen,
23hilfsweise die Revision zuzulassen.
24Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.
25Der Grundsteuerwert sei zutreffend auf der Grundlage der §§ 218 ff BewG ermittelt worden. Die beanstandeten Bewertungsgrundlagen seien auch verfassungsgemäß. Insoweit werde auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.
26Der Vorwurf eines erheblichen kompetenzrechtlichen „Konstruktionsfehlers“ gehe fehl und begründe auch keinen Verfassungsverstoß. Die Klagebegründung stelle im Wesentlichen auf den Umstand ab, dass der Referentenentwurf für das Grundsteuer-Reformgesetz bereits im Herbst 2019 -d.h. vor der Festschreibung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in Art. 105 Abs. 2 GG- erarbeitet worden sei. Das sei verfassungsrechtlich aber nicht zu beanstanden. Nehme die gesetzgebende Körperschaft einen notwendigen Zusammenhang zwischen einer Verfassungsänderung und einem einfachen Gesetz an, dürfe das einfache Gesetz erst nach der Verfassungsänderung verkündet werden. Das sei hier beachtet und das Gesetz erst am 26.11.2019 -nach Inkrafttreten der Grundgesetzänderung mit Wirkung zum 21.11.2019- verkündet worden. Der Bund sei nicht verpflichtet gewesen, ein völlig neues, über die engen Grenzen der Fortschreibungskompetenz hinausreichendes Grundsteuerrecht zu erlassen. Der Belastungsgrund der Grundsteuer sei klar erkennbar. Der Gesetzgeber habe sich eindeutig dazu bekannt, die durch den Grundbesitz vermittelte objektive Leistungsfähigkeit als Belastungsgrund zu besteuern (Hinweis auf den Gesetzentwurf zum Grundsteuer-Reformgesetz, BT-Drucks. 19/11085 S. 84). Der Einwand der Kläger, es liege keine hinreichende Unterscheidung zur Einkommen- und Vermögensteuer vor, sei nicht verständlich. Eine verfassungsrechtliche Unterscheidungspflicht für die Grundsteuer könne der Rechtsprechung nicht entnommen werden. Im Übrigen habe der verfassungsändernde Gesetzgeber die Grundsteuer in ihrer traditionellen Struktur durch die Neufassung des Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG noch einmal ausdrücklich in seinen Willen aufgenommen. Das BVerfG habe eine Grundsteuer, die über den Sollertragsgedanken an die mit dem Grundbesitz einhergehende objektive Leistungsfähigkeit anknüpfe, bisher auch nicht bemängelt und in Rdn. 166 seines Urteils vom 10.04.2018 1 BvL 11/14 im Ergebnis seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Erhebung der Grundsteuer dem Grunde nach und in ihrer wesentlichen Struktur der Verfassung entsprechen würde. Vor diesem Hintergrund gehe auch die Kritik der Kläger fehl, dass die Grundsteuer als Objektsteuer ohne Ansehen der Person erhoben werde, privat genutztes Vermögen strukturell benachteilige, pointiert als Wohnungssteuer kritisiert werde, freiheitsrechtliche Verstöße gegen Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG vorlägen und eine kumulative Steuerbelastung drohe.
27Dass die endgültige Steuerlast erst feststehe, wenn die Gemeinden über die Hebesätze entschieden hätten, sei auch bisher so gewesen und mit Blick auf Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Typisierungen im Ertragswertverfahren (z.B. Ansatz des Bodenrichtwertes, pauschalierte Nettokaltmieten, Restnutzungsdauer) seien nach der gebotenen Gesamtabwägung gleichheitskonform ausgestaltet worden. Der Ansatz etwa von in Baujahresklassen eingeteilten pauschalierten Nettokaltmieten gem. Anlage 39 BewG entspreche der vom Bundesverfassungsgericht zugelassenen Typisierung. Speziell für das Ausblenden der tatsächlich vereinbarten Miete bei vermieteten Wohngrundstücken spreche der Umstand, dass dadurch selbstgenutzte und vermietete Wohngrundstücke in gleicher Weise besteuert würden. Angesichts der Masse an Bewertungsobjekten wäre die Berücksichtigung tatsächlich vereinbarter Mieten mit einem deutlich höheren Vollzugsaufwand verbunden. Bei selbstgenutzten Grundstücken käme erschwerend hinzu, dass durchweg eine übliche Miete individuell und vollzugsaufwendig ermittelt werden müsste. Gleiches gelte auch für die weiteren pauschalierten Besteuerungsgrundlagen.
28Es sei nicht ersichtlich, warum die von den Klägern angesprochene Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung zur Verfassungswidrigkeit des reformierten Bewertungsrechts führen sollte. Abgesehen davon seien die mit der Steuererklärung abgefragten Informationen zu Wohn- und Nutzfläche, Garagen, Kernsanierungen etc. nicht zuverlässig bekannt gewesen.
29Der in Ansatz gebrachte Bodenrichtwert entspreche dem für die X-Straße ermittelten Wert. Dem Gutachterausschuss komme aufgrund seiner besonderen Sachkunde und Erfahrung (§ 192 Abs. 3 Satz 1 BauGB) und der größeren Ortsnähe eine vorgreifliche Kompetenz bei der Feststellung der in hohem Maße von Beurteilungs- und Ermessenserwägungen abhängigen Werte zu. Nach ständiger Rechtsprechung stellten die Bodenrichtwerte eine anerkannte und verfassungsrechtlich unbedenkliche Wertermittlungsmethode dar (Begründung des Gesetzentwurfs zum Grundsteuer-Reformgesetz, BT-Drucks. 19/11085, S. 109).
30Entscheidungsgründe
31Die Klage ist unbegründet.
32Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
33I.
34Der Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwertes auf den 01.01.2022 entspricht der eingereichten Steuererklärung und berücksichtigt gesetzeskonform die Bewertungsvorschriften der §§ 218 ff BewG. Das wird auch von der Klägerseite nicht in Abrede gestellt.
35II.
36Das neue Bewertungsrecht zur Grundsteuer ist auch verfassungsgemäß. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG kam daher nicht in Betracht.
371. Der Bund war für den Erlass der Bewertungsvorschriften zuständig.
38Nach Art. 105 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes i.d.F. vom 15.11.2019 steht dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer zu, ohne dass dies an die weiteren Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG geknüpft ist. Die Gesetzgebungskompetenz für eine Steuer umfasst auch die Kompetenz für die Regelung ihrer Bemessungsgrundlage und der dazu erforderlichen Bewertungsregelungen (vgl. BVerfG-Urteile vom 10.04.2018 - 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 639/11 und 1 BvR 889/12 Rz. 83, BVerfGE 148, 147 ff). Die Zuweisung der uneingeschränkten konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG ist durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 72, 105 und 125b) vom 15.11.2019 (BGBl I 2019, 1546) mit Wirkung zum 21.11.2019 und damit noch vor Inkrafttreten des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794) eingefügt worden. Unschädlich ist, dass sich der Gesetzgeber mit der Begründung, dass fortgeltendes Bundesrecht lediglich fortgeschrieben wird, zugleich auf die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG gestützt hat (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 27.05.2024 II B 78/23, BStBl II 2024, 543).
392. Die Bewertungsregelungen der §§ 218 ff BewG sind nach Dafürhalten des Senats auch materiell-rechtlich verfassungskonform und entsprechen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 (a.a.O. BVerfGE 148, 147ff).
40a) Anlass der gesetzlichen Neuregelung war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018, wonach die bisherige Einheitsbewertung nicht mehr mit dem Grundgesetz in Einklang steht und nur noch übergangsweise bis zum 31.12.2024 fortgelten darf. Das Bundesverfassungsgericht hat moniert, dass es aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs zu strukturell bedingten Bewertungsverzerrungen gekommen ist, die mit dem Gleichheitssatz nicht mehr vereinbar sind und dem Gesetzgeber aufgegeben, einen verfassungsgemäßen Zustand zu schaffen, der „von der Reparatur der beanstandeten Regelungen“ bis zur „vollständigen Neugestaltung der Bewertungsvorschriften“ reichen dürfe (vgl. BVerfG vom 10.04.2018 a.a.O., Rz. 166). Die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer muss nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts so gewählt und ihre Erfassung so ausgestaltet sein, dass sie den mit der Steuer verfolgten Belastungsgrund in der Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht abbildet (BVerfG vom 10.04.2018 a.a.O. Rz. 97). Um eine diesbezügliche Beurteilung zu ermöglichen, muss das Gesetz das für den steuerlichen Belastungsgrund als maßgeblich erachtete Bemessungsziel erkennen lassen (BVerfG vom 10.04.2018 a.a.O., Rz. 97). Für die Wahl der Bemessungsgrundlage und die Ausgestaltung der Regeln ihrer Ermittlung hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen großen Spielraum zugebilligt, solange die Regeln prinzipiell geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen (BVerfG vom 10.04.2018 a.a.O., Rz. 98).
41b) Ausgehend davon begegnet das neue Grundsteuerrecht keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken und verstößt insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
42aa) Die von den Klägern bekundete Rechtsansicht, der Belastungsgrund sei nicht ausreichend bezeichnet, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Als Belastungsgrund nennt die Gesetzesbegründung die durch das Innehaben von Grundbesitz vermittelte (objektive) Leistungsfähigkeit. Die Grundsteuer „folg[e] als Sollertragsteuer aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip“ (BT-Drucks 19/11085, S. 84, 87; siehe auch BFH-Beschluss vom 27.05.2024 II B 78/23, BStBl II 2024, 543). Die Gesetzesbegründung ist damit -anders als der im Vorfeld kritisierte Referentenentwurf- eindeutig und entspricht, unabhängig davon, ob man den Belastungsgrund für rechtspolitisch überzeugend hält, den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Erkennbarkeit des Bemessungsziels und ermöglicht eine Überprüfung am Maßstab des Art. 3 GG (siehe dazu auch Hey, ZG 2019, 297 (307)).
43bb) Die Bewertungsvorschriften sind unter Berücksichtigung des aufgezeigten Belastungsgrundes aus Sicht des Senates verfassungskonform ausgestaltet worden.
44aaa) Zwar ist eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügende und folgerichtige Besteuerung wegen der o.g. Belastungsgrundentscheidung grundsätzlich nur dann gewährleistet, wenn sich das Gesetz auf der Bewertungsebene am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientiert und den Sollertrag mittels einer verkehrswertorientierten Bemessungsgrundlage bemisst (vgl. BFH-Beschluss vom 27.05.2024 a.a.O., BStBl II 2024, 543; siehe auch BT-Drucks. 19/11085, S. 90). Dies verlangt aber keine exakte und individuelle Verkehrswertbestimmung jeder Bewertungseinheit. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass der Gesetzgeber gerade in Massenverfahren über einen großen Typisierungs- und Pauschalierungsspielraum verfügt. Typisierungen und Pauschalierungen sind notwendigerweise mit Ungenauigkeiten verbunden und führen zwangsläufig dazu, dass es bei der Bewertung Abweichungen nach oben und unten gibt, ohne dass dies allein den Vorwurf eines Gleichheitsrechtsverstoßes zu begründen vermag. Eine vollständige Realisierung der Einzelfallgerechtigkeit wäre bei über 36 Mio. zu bewertenden Einheiten praktisch auch nicht möglich. Die hieraus resultierenden Vollzugsdefizite würden ihrerseits zwangsläufig in Konflikt geraten mit dem Gleichheitssatz. Denn eine Gleichheit kann nur gewährleistet werden, wenn Vorschriften nicht nur i.S.d. Art. 3 GG verfasst, sondern auch vollzogen werden und so die vom Gleichheitssatz geforderte Gleichheit im Belastungserfolg der Betroffenen erreicht wird. Dies ist aber nur so lange möglich, wie die Masse an Steuerfällen noch mit verhältnismäßigem Verwaltungsaufwand bearbeitet werden kann. Insofern fordert der Gleichheitssatz eine zur effektiven Verwaltung nötige Praktikabilität von Gesetzen (vgl. Heidner, DStZ 2021, 454).
45bbb) Grund für die Verwerfung der (früheren) Einheitsbewertung war nicht eine zu grobe bzw. zu typisierende Wertermittlung, sondern der Umstand, dass die Bewertung nach dem gesetzlichen Konzept darauf angelegt war, in gewissen Intervallen durch neue (aktualisierte) Hauptfeststellungen fortgeschrieben zu werden, diese Fortschreibungen aber trotz der vom Gesetzgeber erkannten Notwendigkeit der Aktualisierung jahrzehntelang unterblieben sind. Das hat flächendeckend zu strukturell bedingten Bewertungsverzerrungen und damit zu einer systemindizierten erheblichen ungleichen Verteilung der Steuerlast geführt, ohne dass es dafür aus dem Bewertungssystem heraus eine hinreichende Rechtfertigung gab.
46Das nunmehr geschaffene Bewertungsmodell hat den Hinweisen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen und den durch Art. 3 GG vorgegebenen verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraum nach Überzeugung des Senates eingehalten. Als vorrangige Bewertungsmethode hat der Gesetzgeber der Systematik der Grundsteuer als Sollertragsteuer folgend ein typisiertes, vereinfachtes Ertragswertverfahren und als Auffangverfahren für Nichtwohngrundstücke ein vereinfachtes Sachwertverfahren normiert.
47(1) Verfassungsrechtlicher Maßstab für eine der Belastungsentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tragende Bewertung bilden die Grundsätze der Folgerichtigkeit und der Verhältnismäßigkeit, wobei Praktikabilitätsgesichtspunkte an Bedeutung gewinnen, je mehr Bewertungsvorgänge zu bewältigen sind.
48(2) Die Grundstücksbewertung in §§ 218 ff BewG ist nachvollziehbar darauf angelegt, einen erneuten Bewertungsstau zu vermeiden, indem künftige Fortschreibungen automationsgerecht durchgeführt werden können. Insoweit ist auch die Vollzugsfähigkeit der Grundsteuer tangiert. Bei der Bewertung von über 36 Mio. Grundstücken ist es -auch und gerade im Hinblick auf das anzuerkennende Ziel, die Erhebung der Grundsteuer zukünftig automationsgerecht durchzuführen und bei gleichbleibenden Verhältnissen zu späteren Hauptfeststellungszeitpunkten auf die Anforderung von manuell auszufüllenden Steuererklärungen möglichst zu verzichten und damit auch die Verfahrenslasten auf Seiten des Steuerpflichtigen in Grenzen zu halten- unumgänglich, die Bewertung in gewissem Umfang zu ent-individualisieren. Demgemäß lässt sich folgerichtig allenfalls ein wertorientierter Näherungswert erreichen. Die Gesetzesbegründung spricht insoweit von einem „objektiviert-realen Grundsteuerwert“ innerhalb eines Wertekorridors des gemeinen Wertes (BT-Drucks 19/11085 S. 84ff und 90). Der Gesetzgeber hat sich für ein auf den Massenvollzug zugeschnittenes grobes, aber praktikables Bewertungsverfahren entschieden, dass konzeptionell einer Verkehrswertorientierung folgt. Für die gesetzliche Typisierung hat er keinen atypischen Fall als Leitbild gewählt (vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 21.06.2006 - 2 BvL 2/99, Rz. 75, BVerfGE 116, 164ff), sondern sich an statistisch ermittelten Durchschnittswerten orientiert. Der erhöhte Pauschalierungsgrad ist den Anforderungen der Digitalisierung geschuldet.
49(a) Mit der Gebäudekomponente knüpft die Bewertung am Rohertrag an, unter Ansatz pauschalisierter, aus dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes abgeleiteter durchschnittlicher Nettokaltmieten je Quadratmeter Wohnfläche. Diese sind nach drei Gebäudearten, drei Wohnflächengruppen und fünf Baujahresgruppen unterschieden, wobei dann in einer zweiten Stufe nach sieben gemeindeschärferen Mietniveaustufen differenziert wird. Die Einordnung der Gemeinden in die jeweilige Mietniveaustufe ergibt sich aus der MietNEinV (BGBl I 2021, 3738, vgl. auch § 263 Abs. 2 BewG). Die grundsteuerliche Einstufung der Gemeinden orientiert sich an der Einordnung nach § 12 Abs. 3 Wohngeldgesetz i.V.m. § 1 Abs. 3 WoGV und der Anlage WoGV und erfolgte damit nach Maßgabe allgemein gültiger außersteuerlicher Normen.
50Damit werden zwar tatsächlich gezahlte Mieten für vermieteten Wohnraum ausgeblendet. Das gewährleistet aber auf der anderen Seite eine Gleichbehandlung von selbstgenutzten und vermieteten Grundstücken und trägt damit in gewisser Weise zu einer gleichheitsgerechten Ausgestaltung bei. Denn die Konkurrenz eines marktnahen Kriteriums (tatsächlich gezahlte Miete) mit einem lediglich verkehrswertorientierten Maßstab (Mieten der Anlage 39 zu § 254 BewG) würde zwingend zu Verzerrungen im Bewertungsergebnis zwischen eigentlich gleichen Bewertungseinheiten führen (vgl. Breinersdorfer, DStJG 44 (2022), 285). Abgesehen von dem erheblichen Verifizierungsaufwand würde eine Anknüpfung an die real gezahlte Miete außerdem eine automationsgerechte Fortschreibung der Grundsteuerwerte zu den künftigen Bewertungsstichtagen verhindern und das Modell damit nicht mehr praktikabel machen. Lageunterschiede innerhalb der Gemeinde werden zwar nicht über einen weiter differenzierten Mietwert erfasst. Die Standortwertigkeit wird aber über den Bodenrichtwert, den Liegenschaftszinssatz und den Kapitalisierungsfaktor abgebildet und bleibt damit nicht vollständig außer Betracht. Den unterschiedlichen Ausprägungen einzelner Grundstücksarten wird durch spezifische Bewirtschaftungs- und Liegenschaftszinssätze folgerichtig Rechnung getragen.
51(b) Bei der Bodenkomponente wird die Grundstücksfläche mit dem Bodenrichtwert multipliziert mit der Folge, dass Besonderheiten des einzelnen Grundstücks zum Teil zwar vernachlässigt werden. So sind objektspezifische Anpassungen nur in den in § 247 Abs. 1 Satz 2 und § 257 Abs. 1 BewG i.V.m. Anlage 36 geregelten Fällen -bei abweichendem Entwicklungszustand, abweichender Art der Nutzung bei überlagernden BRW-Zonen und abweichender Grundstücksgröße von Ein- und Zweifamilienhäusern vorgesehen. Die Anknüpfung an die von den Gutachterausschüssen festgestellten Bodenrichtwerte und die Begrenzung der objektspezifischen Anpassungen auf die im Gesetz genannten Fälle bedeutet aber eine unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten angemessene Vereinfachung.
52(aa) Der Bodenrichtwert ist der durchschnittliche Lagewert des Bodens für eine Mehrheit von Grundstücken innerhalb eines abgegrenzten Gebietes (Bodenrichtwertzone), die nach ihren Grundstücksmerkmalen weitgehend übereinstimmen und für die im Wesentlichen gleiche allgemeine Wertverhältnisse vorliegen. Die Heranziehung von Bodenrichtwerten hat sich steuerrechtlich sowohl im Rahmen der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Grunderwerbsteuer als auch im Zuge ertragsteuerlicher Wertermittlungsanlässe, wie z.B. der Kaufpreisaufteilung, in langjähriger Praxis bewährt. Sie werden darüber hinaus auch im Rahmen von Verkehrsermittlungen von Grundstücken herangezogen. Um die Bodenrichtwerte für das Massenverfahren der Grundsteuer praktikabel anwenden zu können, wurde in § 15 Abs. 1 ImmoWertV vorgegeben, dass lagebedingte Wertunterschiede innerhalb der Bodenrichtwertzonen i.S.d. § 196 Abs. 1 S. 3 BauGB grundsätzlich nicht mehr als 30 % betragen dürfen. Damit ist ein vertretbarer Bewertungskorridor abgesteckt und eine grobe Verkehrswertorientierung gewährleistet. Der Gesetzgeber hat auf abstrakter Ebene die Ermittlung der Bodenrichtwerte ausreichend vorgesteuert (vgl. auch Krumm, FR 2023, 957).
53Soweit er die Bewertungskompetenz den rechtlich unabhängigen, nicht weisungsgebundenen und ressortfremden Gutachterausschüssen zugewiesen hat, entspricht dies der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebilligten Rechtspraxis bei der Bedarfsbewertung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12.01.2021 II B 61/19, BFH/NV 2021, 529; Urteil vom 24.08.2022 II R 14/20 BStBl II 2023, 693). Den Gutachterausschüssen wird auf Grund ihrer besonderen Sach- und Fachkenntnis und ihrer größeren Ortsnähe eine vorgreifliche Kompetenz bei der Feststellung von Boden(richt)werten zuerkannt. Davon haben die Gutachterausschüsse nach den vom erkennenden Senat im Zuge der Bedarfsbewertung gewonnenen Erfahrungen fachkundig und verantwortungsbewusst Gebrauch gemacht. Sollte es im Einzelfall Defizite bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte durch die Gutachterausschüsse vor Ort geben, ist das kein verfassungsrechtlich durchgreifendes Argument gegen die gesetzliche Typisierungsanordnung in § 247 Abs. 1 BewG als solche und vermag die Verfassungsmäßigkeit der grundsteuerlichen Bewertungsvorschriften nicht generell in Frage zu stellen (vgl. auch Krumm, FR 2023, 957).
54(bb) Inwieweit die grundsätzliche Bindungswirkung der von den Gutachterausschüssen festgestellten Bodenrichtwerte im Einzelfall Ausnahmen erfährt, wenn es Hinweise darauf gibt, dass die konkrete Ermittlung des Bodenrichtwerts nicht lege artis durchgeführt worden sein sollte, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, denn dafür bestehen im vorliegend zu beurteilenden Fall keinerlei Anhaltspunkte. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass in der Richtwertzone des streitgegenständlichen Grundstücks in der X-Straße ein Bodenrichtwert von 2.280,- € festgestellt wurde, während der Gutachterausschuss für die unweit entfernt liegende weitere Immobilie der Kläger in der W‑Straße ... einen Bodenrichtwert von (lediglich) 530,- € ermittelt hat. Denn die Wohnung in der W-Straße liegt in einer als „Gewerbe/Industrie/Sondergebiet“ ausgewiesenen Zone in der Nähe einer Bahntrasse, während das streitgegenständliche Grundstück -wie der Senat auch aus eigener Ortskenntnis weiß- in einer gefragten Wohnlage von Z belegen ist. Die gefragte Wohnlage in der X-Straße zeigt sich letztlich auch in dem 2019 gezahlten Kaufpreis (… €), der noch deutlich über dem Grundsteuerwert 01.01.2022 (… €) liegt. Es spricht nichts dafür, dass der Bodenrichtwert für den Bereich X-Straße von 2.280,- €/qm nicht gesetzeskonform ermittelt wurde bzw. dieser die örtlichen Gegebenheiten nicht realitätsgerecht wiedergibt.
55cc) Soweit die im Gesetz vorgesehenen weitreichenden Typisierungen und Pauschalierungen dazu führen sollten, dass im konkreten Einzelfall eine Verletzung des Übermaßverbotes droht, hat der Bundesfinanzhof in seinen Beschlüssen vom 27.05.2024 II B 78/23 und II B 79/23 die Möglichkeit aufgezeigt, in den betroffenen Fällen im Wege einer verfassungskonformen Auslegung den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes zuzulassen. Der Gesetzgeber des Landes NRW hat dies inzwischen aufgegriffen und in Ergänzung zu § 220 BewG in § 2 des NWGrStHsG vom 04.07.2024 geregelt, dass ein niedrigerer gemeiner Wert anzusetzen ist, wenn eine erhebliche Abweichung von dem nach dem BewG ermittelten Grundsteuerwert nachgewiesen wird und damit ein Entlastungsventil geschaffen.
56Im Streitfall bedarf der Aspekt der Übermaßbesteuerung keiner Vertiefung, da vorliegend kein „Typisierungsausreißer“ betroffen ist. Die hier erfolgte Bewertung mit … € erreicht nur etwa 66 % des rd. 2 ½ Jahre vor dem Bewertungsstichtag gezahlten Kaufpreises von … €. Das Übermaßverbot ist damit nicht tangiert.
57c) Mit ihren weiteren Einwendungen zielen die Kläger letztlich auf eine generelle Verwerfung der Grundsteuer in der bisherigen Form ab, weil die Steuer aus ihrer Sicht als Sollertragsteuer zu viele Überschneidungen mit der Einkommensteuer und der früheren Vermögensteuer aufweist. Die Entscheidung für die Beibehaltung oder Abschaffung der Grundsteuer in ihrer bisherigen Struktur und Systematik ist aber eine politische Entscheidung, die dem Gesetzgeber obliegt. Schon in ihrer tradierten Form war die Grundsteuer als Sollertragsteuer ausgestaltet, ohne dass die daraus resultierende Überschneidung mit anderen Steuern, insbesondere der Einkommensteuer und der früheren – inzwischen abgeschafften – Vermögensteuer, vom Bundesverfassungsgericht beanstandet worden ist. Auch in dem Urteil vom 10.04.2018 hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass die Grundsteuer als solche im Grundgesetz in Art. 106 Abs. 6 GG ausdrücklich vorgesehen ist und eine „Reparatur“ der bisherigen Regeln als eine Handlungsmöglichkeit des Gesetzgebers aufgezeigt. Mit der auf die kompetenzrechtliche Verfassungsfestigkeit der neuen Grundsteuer zugeschnittenen Grundgesetzregelung in Art. 105 Abs. 2 GG hat auch der verfassungsändernde Gesetzgeber die Grundsteuer in ihrer traditionellen Struktur noch einmal in seinen Willen aufgenommen (zur Verfassungsfestigkeit der Grundsteuer als Sollertragsteuer vgl. auch Krumm/Paeßens, GrStG, 1. Aufl. Rn. 92 ff).
58III.
59Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
60IV.
61Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.