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Der Körperschaftsteuerbescheid 1998 vom 04.02.2016 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2021 dahingehend geändert, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der zum 31.12.1997 festgestellte Verlustvortrag in Höhe von … DM berücksichtigt wird. Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Streitig ist, ob ein zum 31.12.1997 festgestellter Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung für das Jahr 1998 abzuziehen ist oder dem Verlustabzug § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997, BGBl I 1997, 2590 (§ 8 Abs. 4 KStG n.F.) entgegensteht.
3Die Klägerin ist Teil der Z Gruppe, deren Konzernmuttergesellschaft die Z… eG (Z eG) ist. Ihre heutige Geschäftstätigkeit erstreckt sich im Wesentlichen auf Geschäftsführungs- und Holdingfunktionen sowie die Erbringung von Dienstleistungen. Über ihre Tochtergesellschaften steuert sie die nationalen Geschäftsfelder der Z Gruppe in den Geschäftsbereichen „…“ und „…“.
4Die Klägerin ist eine im Jahr 19… zunächst als KG gegründete Gesellschaft, die unter „Y Kommanditgesellschaft“ firmierte. Im Jahr 1985 beteiligte sich die X AG mit einer Kommanditeinlage von …Mio. DM an der Klägerin. Im gleichen Jahr wurde die Klägerin in eine GmbH umgewandelt, an der die X AG bis zum Jahr 1995 durchgehend 50 % des Stammkapitals hielt. Die Klägerin betrieb damals ein …-Geschäft, mit dem sie erhebliche Verluste erzielte. Der körperschaftsteuerliche Verlustvortrag betrug Ende 1995 etwa … DM.
5Am …05.1995 erwarb die X AG auch die übrigen 50 % der Anteile an der Klägerin.
6In den Jahren 1995 und 1996 erwarb die Z Gruppe sämtliche Anteile an der X AG. Diese wurde im Jahr 1996 in Z1 Holding AG (im Folgenden: Z1 HoldingAG) umfirmiert.
7Die Z1 HoldingAG war im August 1996 auch Gesellschafterin der Z OHG (im Folgenden: OHG). Die OHG betrieb in Deutschland das …geschäft der Z Gruppe. Einziger weiterer Gesellschafter der OHG (zunächst ohne Einlage) war Herr V. Herr V war daneben Mitglied des Vorstandes der Z eG und Geschäftsführer in diversen Konzernunternehmen.
8Am 00.00.1996 wurde eine Kapitalerhöhung der Klägerin um … Mio. DM auf ein Stammkapital von … Mio. DM beschlossen, die mit Eintragung in das Handelsregister am 00.00.1996 zivilrechtlich wirksam wurde. Die Anteile übernahm die Z1 HoldingAG. Die neue Stammeinlage von …Mio. DM war von ihr durch Übertragung ihrer Beteiligung an der OHG auf die Klägerin zu erbringen. Die Übertragung erfolgte mit steuerlicher Rückwirkung zum 01.01.1996. Gesellschafter der OHG waren nunmehr die Klägerin und Herr V. Alleinige Anteilseignerin der Klägerin blieb die Z1 HoldingAG.
9Mit Vertrag vom …01.1997 wurde die OHG auf die Klägerin verschmolzen. Ausweislich des Verschmelzungsvertrags waren vor der Verschmelzung die Klägerin mit einer Vermögenseinlage von … Mio. DM zuzüglich einer Gewinnrücklage von …Mio. DM und Herr V mit einer Vermögenseinlage von (nunmehr) 500 DM an der OHG beteiligt. „Zur Durchführung der Verschmelzung“ (so auch der Eintrag im Handelsregister Amtsgericht T, HRB …, Eintragung … vom …02.1997) wurde das Stammkapital der Klägerin um 500 DM auf …Mio. DM erhöht. Der neue Geschäftsanteil in Höhe von 500 DM wurde Herrn V als Gegenleistung im Rahmen der Verschmelzung gewährt. Als Verschmelzungsstichtag wurde der 00.00.1996, 24 Uhr/00.00.1996, 0 Uhr bestimmt. Unbeschadet dessen sollte gemäß § 20 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) das Vermögen der OHG einschließlich der Verbindlichkeiten mit Eintragung der Verschmelzung im Register des Sitzes der Klägerin auf sie übergehen. In dem Verschmelzungsvertrag wurde die Klägerin zudem in „Z GmbH“ umfirmiert. Die Verschmelzung wurde durch Handelsregistereintragung am 02.1997 wirksam.
10Mit Vertrag vom 00.00.1997 wurde die Klägerin in die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) umgewandelt. Persönlich haftender Gesellschafter wurde Herr V. Das Stammkapital von …Mio. DM wurde zum Grundkapital des neuen Rechtsträgers. Entsprechend ihrer bisherigen Beteiligung erhielten die Z1 HoldingAG …Mio. (… %) und Herr V … Aktien (… %). Der Formwechsel wurde zum 00.00.1997 zivilrechtlich wirksam.
11Weitere Änderungen auf Gesellschafterebene der Klägerin erfolgten bis zum Ende des Streitjahres nicht.
12Mit Schreiben vom 09.03.1998 beantragte die Klägerin beim damals zuständigen Finanzamt T1 im Hinblick auf die Neufassung des § 8 Abs. 4 KStG in Verbindung mit § 54 Abs. 6 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19.12.1997, BGBl I 1997, 3121 (im Folgenden „§ 54 Abs. 6 KStG“) eine verbindliche Auskunft zur Frage, ob die im Jahr 1997 erzielten Gewinne mit dem restlichen Verlustvortrag aus den Jahren vor 1996 auch unter Berücksichtigung des § 8 Abs. 4 KStG n.F. verrechnet werden könnten. Die Klägerin beabsichtigte ausweislich des Antrags, weitere Umstrukturierungsmaßnahmen im Bereich ihrer Tochterpersonengesellschaften rückwirkend zum 31.12.1997 vorzunehmen und dabei stille Reserven zu heben. Sie verstehe § 8 Abs. 4 KStG n.F. so, dass die Quote des zum Zeitpunkt der Verlustentstehung vorhandenen Gesellschafters niemals unter 50 % gesunken sein dürfe. Dies sei der Fall, weil die Z1 HoldingAG stets zu mindestens 50 % an ihr, der Klägerin, beteiligt gewesen sei. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Übertragung von 50 % der Anteile an ihr auf die Z1 HoldingAG im April 1995 und die Kapitalerhöhung um 500 DM im Zuge der Verschmelzung nicht in dem erforderlichen Gesamtzusammenhang stünden. Äußerst hilfsweise könne die Übertragung des „Mini-Anteils“ von 500 DM aufgrund der Übergangsregelung in § 54 Abs. 6 KStG allenfalls zur Folge haben, dass § 8 Abs. 4 KStG n.F. erstmals im Jahr 1998 Anwendung finde.
13Das Finanzamt T1 erteilte die verbindliche Auskunft am 17.03.1998. Im Ergebnis teile es die Auffassung der Klägerin, dass im Veranlagungszeitraum 1997 entstandene Gewinne mit dem zum 31.12.1996 festgestellten Verlust verrechenbar seien. Allerdings gehe es davon aus, dass § 8 Abs. 4 KStG n.F. grundsätzlich dem Verlustabzug entgegenstehe, da mit der Ausgabe neuer Anteile durch den Verschmelzungsvertrag vom ….01.1997 ein Verlust der wirtschaftlichen Identität eingetreten sei. Allerdings finde die neue Fassung gemäß § 54 Abs. 6 KStG erstmals im Jahr 1998 Anwendung, da der Verlust der wirtschaftlichen Identität im Jahr 1997 vor dem 06.08. eingetreten sei.
14Wegen der Einzelheiten der verbindlichen Auskunft vom 17.03.1998 sowie der weiteren im Vorfeld der Umstrukturierungsmaßnahmen eingeholten verbindlichen Auskünfte und erfolgten Abstimmungen mit dem Finanzamt T1 wird auf den vom Beklagten vorgelegten Aktenband „Verbindliche Auskünfte wg. Verlustvortrag“ Bezug genommen.
15Für das Streitjahr reichte die Klägerin erstmals im Jahr 2001 Steuererklärungen ein. Darin zog sie einen verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.1997 in Höhe von … DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte ab. Das damals zuständige Finanzamt T1 folgte dem nicht und setzte am 04.02.2002 die Körperschaftsteuer 1998 unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der verbindlichen Auskunft vom 17.03.1998 ohne Berücksichtigung des Verlustabzugs sowie unter Zugrundelegung eines zu versteuernden Einkommens von ca. … DM unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.
16In der Folge ergingen mehrere Änderungsbescheide, in denen jeweils der Verlustabzug ebenfalls nicht berücksichtigt wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Rechtsbehelfe gegen diese Bescheide wurden nach Aktenlage nicht eingelegt.
17Im Jahr … verlegte die Klägerin ihren Sitz in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten.
18Ausweislich des abschließenden Berichts des Finanzamts T2 vom 22.12.2009 über eine Außenprüfung bei der Klägerin für die Jahre 1996 und 1997 kam die Betriebsprüfung (Bp.) zu dem Ergebnis, dass der zum 31.12.1997 festzustellende Verlustvortrag … DM (statt zuvor … DM) betrage. Hinsichtlich der Abzugsmöglichkeit der zum 31.12.1996 festgestellten Verluste im Jahr 1997 zitierte die Bp. die erteilte verbindliche Auskunft vom 17.03.1998. Ferner stellte sie unter Bezugnahme darauf fest, dass der zum 31.12.1997 verbleibende Verlustabzug in 1998 nicht mehr berücksichtigungsfähig sei (Seite 38 des Berichts).
19Als Anteilseigner der Klägerin zum 31.12.1997 werden in dem Bericht die Z1 HoldingAG mit einer Beteiligung von …Mio. DM und die Z AG W, „treuhänderisch durch V, U“ mit einer Beteiligung von 500 DM aufgeführt. Zur notariellen Urkunde vom …01.1997 ist niedergelegt, dass Herr V die neue Stammeinlage von 500 DM treuhänderisch für die Z AG W halte (Seite 4 des Berichts).
20Der Beklagte folgte der Auffassung der Bp. und stellte den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1997 mit Änderungsbescheid vom 01.06.2010 mit … DM fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er auf. Der Bescheid ist bestandskräftig.
21Ebenfalls am 01.06.2010 änderte der Beklagte die Körperschaftsteuerfestsetzung 1998 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Ein Abzug des zum 31.12.1997 festgestellten Verlusts erfolgte wiederum nicht. Aus dem Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.1998 vom gleichen Tag ist ersichtlich, dass der Beklagte den vollständigen zum 31.12.1997 festgestellten Verlust als nach § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG n.F. nicht zu berücksichtigen behandelte. Den Verlustvortrag auf den 31.12.1998 stellte er daher mit … DM fest.
22Am 20.02.2014 endete eine vom Finanzamt T2 aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 16.10.2003 durchgeführte Außenprüfung für die Jahre 1998 bis 2002, mit der bereits am 03.06.2004 begonnen worden war. Als Anteilseigner am 31.12.2002 wird im Prüfungsbericht vom 29.10.2015 (Bl. 105 ff. d.A.) neben der Z1 HoldingAG die „Z AG W, treuhänderisch durch V“ aufgeführt. Wegen der übrigen Ergebnisse und Einzelheiten der Außenprüfung wird auf den Bericht Bezug genommen.
23Mit Bescheid vom 04.02.2016 änderte der Beklagte erneut den Körperschaftsteuerbescheid 1998 nach § 164 Abs. 2 AO und setzte die Körperschaftsteuer auf … DM fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er auf. Im Rahmen der Berechnung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigte er den zum 31.12.1997 festgestellten Verlustvortrag weiterhin nicht. Der am gleichen Tag erlassene Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.1998 entsprach inhaltlich jenem vom 01.06.2010.
24Gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1998 legte die Klägerin fristgemäß Einspruch ein, mit dem sie sich allein gegen die Versagung des Verlustabzugs wendete.
25Herr V sei zur Durchführung der Verschmelzung mit einer „Mini-Einlage“ von 500 DM an der OHG beteiligt worden. Die „Mini-Einlage“ sei erforderlich gewesen, um Herrn V mit einem Anteil an der aufnehmenden GmbH, also an ihr, zu beteiligen, was im Rahmen der Verschmelzung zwingend gewesen sei. Die neu geschaffenen Geschäftsanteile habe Herr V als Treuhänder für die Z AG gehalten.
26Sie, die Klägerin, habe ihre wirtschaftliche Identität nicht gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG n.F. verloren. Es liege kein mit dem in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. aufgeführten Regelbeispiel wirtschaftlich vergleichbarer Sachverhalt vor. Es mangele an der Übertragung von mehr als 50 % der Anteile und im Übrigen auch an einer schädlichen Zuführung von Betriebsvermögen.
27Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 20.08.2003, I R 61/01, BFHE 203, 135, BStBl II 2004, 616) seien mittelbare Anteilsübertragungen nicht zu berücksichtigen. Die erfolgten Anteilsübertragungen bzw. gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen (Kapitalerhöhungen) führten jeweils einzeln betrachtet nicht zur Übertragung von mehr als 50 % der Anteile an ihr. Eine Zusammenrechnung mehrerer Übertragungen sei nur unter bestimmten Voraussetzungen bei einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang möglich. Als Betrachtungszeitraum für einen zeitlichen Zusammenhang komme nach Auffassung der Finanzverwaltung maximal ein Zeitraum von fünf Jahren in Betracht. Schon deshalb sei die Übernahme des hälftigen Anteils durch die Z1 HoldingAG in den Jahren 1985 bzw. 1986 nicht zu berücksichtigen.
28Der Erwerb der weiteren 50 % im Jahr 1995 sei alleine nicht schädlich. Im Zuge der Stammkapitalerhöhung im Jahr 1996 sei keine Änderung der Beteiligungsverhältnisse eingetreten, weshalb diese ebenfalls irrelevant sei. Die mit der Verschmelzung mit rechtlicher Wirkung zum ….02.1997 einhergehende Stammkapitalerhöhung um 500 DM habe wirtschaftlich zu einer Übertragung von … % der Anteile geführt. Nur wenn die Übertragung im Jahr 1995 und die Kapitalerhöhung im Jahr 1997 zusammenzurechnen wären, käme eine schädliche Übertragung von mehr als 50 % der Anteile überhaupt in Betracht.
29Eine derartige Zusammenrechnung scheide mangels zeitlichem und sachlichem Zusammenhang allerdings aus. Zeitlich liege ein Zeitraum von 22 Monaten zwischen beiden Maßnahmen. Der von der Finanzverwaltung angenommene Zeitraum von fünf Jahren sei nicht kodifiziert und in der Literatur auf erhebliche Kritik gestoßen. Der BFH habe bislang nur zur ähnlich gelagerten Frage des Zusammenhangs zwischen Anteilsübertragung und Betriebsvermögenszuführung entschieden. Hier könne ein Zeitraum von bis zu einem Jahr einen Zusammenhang indizieren (BFH, Urteil vom 14.03.2006 – I R 8/05, BFHE 212, 517, BStBl. II 2007, 602). Bei längeren Zeiträumen sei eine Einzelfallprüfung und die Darlegung eines sachlichen Zusammenhangs erforderlich.
30Ein solcher Zusammenhang sei nicht gegeben. Entsprechend der Rechtsprechung des FG Thüringen (Urteil vom 16.09.2015 – 3 K 450/12, EFG 2016, 1024) liege er vor, wenn die einzelnen Erwerbsakte auf einem einheitlichen Konzept der Beteiligten beruhten. Ein solcher „Gesamtplan“ sei nicht gefasst worden. Herr V sei vor der Verschmelzung persönlich haftender Gesellschafter der OHG ohne vermögensmäßige Beteiligung gewesen. Die Z1 HoldingAG sei daher unmittelbar zu 100 % an ihr, der Klägerin, und mittelbar zu 100 % an der OHG beteiligt gewesen. Es sei von der Z-Gruppe gewollt gewesen, auch weiterhin 100 % der Beteiligung zu halten. Die Abgabe der … Aktien an Herrn V sei nur ein gesellschaftsrechtlich erforderlicher Nebeneffekt der Kapitalerhöhung im Zuge der Verschmelzung mit der OHG gewesen und habe keine wirtschaftlichen Gründe gehabt. Bei Verschmelzungen sehe § 2 UmwG eine Pflicht zur Anteilsgewährung an die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers vor. Eine Ausnahme bestehe gemäß § 54 UmwG nur insoweit, wie die Übernehmerin an der Überträgerin beteiligt sei. § 2 UmwG stelle hinsichtlich der Anteilsgewährungspflicht nur auf die Gesellschafterstellung, nicht auf die vermögensmäßige Beteiligung ab. Dass diese Beteiligung wirtschaftlich nicht gewollt gewesen sei, zeige, dass Herr V die gewährten Anteile nach der Verschmelzung nur treuhänderisch für die Z AG gehalten habe.
31Selbst wenn man allerdings einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang annehme, liege keine Überschreitung der 50 %-Grenze vor. Zur Überschreitung dieser Grenze komme man nur bei einer rein mathematischen Addition der beiden Vorgänge. Dies werde jedoch dem Gesetzeszweck nicht gerecht. Danach solle die wirtschaftliche Identität wegfallen, wenn die Gesellschaft nicht mehr zu mindestens 50 % von den Altgesellschaftern gehalten werde. Solange Altgesellschafter zu mindestens 50 % beteiligt seien, liege wirtschaftlich betrachtet kein relevanter Anteilseignerwechsel vor. Auch nach Rn. 5 des BMF-Schreibens vom 16.04.1999, IV C 6 – S 2745 – 12/99, BStBl. I 2009, 455 (im Folgenden: „BMF-Schreiben vom 16.04.1999“), werde die mehrfache Übertragung eines nämlichen Anteils nur einmal gezählt.
32Die Z1 HoldingAG sei seit 1985 durchgängig zu mindestens 50 % beteiligt gewesen. Wirtschaftlich betrachtet seien daher niemals mehr als 50 % der Anteile übertragen worden.
33Zur Nachfolgevorschrift des § 8c KStG habe sich das FG Niedersachsen (Urteil vom 13.09.2012 – 6 K 51/10, EFG 2012, 2311) entgegen der Finanzverwaltung der in der Literatur herrschenden Auffassung angeschlossen, wonach die Vorschrift nicht anzuwenden sei, wenn zwar insgesamt mehr als 25 % der Anteile einer Kapitalgesellschaft von einem Erwerber erworben würden, dieser aber aufgrund zwischenzeitlicher Anteilsveräußerungen zu keinem Zeitpunkt zu mehr als 25 % beteiligt gewesen sei. Da § 8c KStG ebenfalls der Gedanke des Wechsels der wirtschaftlichen Identität durch einen Wechsel der Anteilseigner zugrunde liege, könne diese Rechtsprechung auf die im Streitfall anwendbare Rechtslage übertragen werden.
34Zudem mangele es auch an der Zuführung von neuem Betriebsvermögen. Insofern komme allein die Übertragung der Anteile an der OHG mit Vertrag vom ….08.1996 in Betracht, die unstreitig als Zuführung neuen Betriebsvermögens anzusehen sei. Diese stehe aber nicht in einem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang mit dem Anteilseignerwechsel. Die Finanzverwaltung behandele Zuführungen in zeitlicher Hinsicht nur dann als schädlich, wenn sie nach dem schädlichen Anteilseignerwechsel erfolgten (BMF-Schreiben vom 16.04.1999, Rn. 12). Da hier der – nach Auffassung des Beklagten – schädliche Anteilseignerwechsel erst im Februar 1997 erfolgt sei, die Zuführung des neuen Betriebsvermögens aber schon im Jahr 1996, liege bereits deshalb der erforderliche zeitliche Zusammenhang nicht vor. Soweit die Finanzverwaltung hiervon Ausnahmen für den Fall eines kollusiven Zusammenwirkens von Veräußerer und Erwerber vorsehe, seien diese nicht einschlägig. Wie dargestellt sei eine Beteiligung des Herrn V an ihr, der Klägerin, nicht beabsichtigt gewesen und nur aufgrund rechtlicher Erfordernisse erfolgt.
35Zudem fehle es an einem sachlichen Zusammenhang. Ein solcher werde vom BFH im Zuge einer sachlich gebotenen Auslegung des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. gefordert. Es sei eine Beherrschung des Geschehensablaufs durch die beteiligten Anteilseigner nach Maßgabe eines – hier nicht vorliegenden – Gesamtplans erforderlich.
36In der Verschmelzung der OHG auf sie, die Klägerin, liege keine Zuführung neuen Vermögens, da sie an der OHG bereits beteiligt gewesen sei. Zur Begründung werde auf das Urteil des BFH vom 12.10.2010 (HFR 2011, 431) Bezug genommen.
37Auf Nachfrage des Beklagten zu dem Treuhandverhältnis, dessen Nachweis er zwischenzeitlich als entscheidungserheblich ansah, teilte die Klägerin mit, dass der Treuhandvertrag zwischen der Z AG und Herrn V nicht mehr auffindbar sei. Jedoch sei das Treuhandverhältnis im Betriebsprüfungsbericht für 1996 und 1997 und im Prüfungsbericht der S AG zu ihrem Jahresabschluss zum 31.12.1997 erwähnt. Über die Aufhebung des Treuhandverhältnisses im Jahr 2004 lägen ebenfalls keine Unterlagen mehr vor. Vorgelegt werden könne ein Überweisungsbeleg vom 20.03.1997 über eine Überweisung in Höhe von 500 DM von der Z AG an Herrn V mit dem Verwendungszweck „Erstattung Einlage Z OHG“ und ein Vermerk zur entsprechenden Buchung vom 21.03.1997. Danach sei Herr V treuhänderisch für die Z AG in die OHG als Gesellschafter eingetreten und die Kapitaleinlage von ihm ausgelegt worden, weshalb sie zu erstatten sei. Weitere Unterlagen hätten nicht aufgefunden werden können.
38Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 09.09.2021 als unbegründet zurück.
39Durch den Verschmelzungsvertrag vom ….01.1997 sei die wirtschaftliche Identität der Klägerin mit der Körperschaft, welche den Verlust erlitten habe, verloren gegangen. Weil der Verlust der wirtschaftlichen Identität im Jahr 1997 vor dem 06.08. erfolgt sei, sei § 8 Abs. 4 KStG n.F. gemäß § 54 Abs. 6 KStG anzuwenden.
40Es sei unstreitig, dass eine Anteilsübertragung im Jahr 1997 deshalb zu einem Verlustuntergang im Jahr 1998 führen könne.
41Entgegen der im Einspruchsverfahren von ihm, dem Beklagten, vertretenen Auffassung komme es nicht auf das Bestehen des vorgetragenen Treuhandverhältnisses an, da das Treuhandverhältnis nicht zur Z1Holding AG, sondern zur Z AG behauptet werde.
42Der erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den „Anteilsübertragungen“ sei gegeben. Zwischen dem Erwerb von 50 % der Anteile durch die Z1 HoldingAG im Jahr 1995 und der Eintragung der Kapitalerhöhung im Februar 1997 mit Übernahme des neu geschaffenen Anteils durch Herrn V liege ein Zeitraum von 22 Monaten. Nach Verwaltungsauffassung sei ein zeitlicher Zusammenhang stets anzunehmen, wenn weniger als fünf Jahre zwischen den Übertragungen lägen.
43Ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Übertragungen sei nach dem BMF-Schreiben vom 16.04.1999 für die Annahme des Verlusts der wirtschaftlichen Identität nicht erforderlich. Das FG Thüringen (Urteil vom 16.09.2015 – 3 K 450/12, EFG 2016, 1024) habe einen solchen sachlichen Zusammenhang zwar gefordert, höchstrichterliche Rechtsprechung dazu gebe es aber noch nicht.
44Durch die Zusammenrechnung der beiden Vorgänge sei die 50 %-Grenze überschritten. Die Argumentation der Klägerin, wonach die Z1 HoldingAG wirtschaftlich lediglich von den hinzuerworbenen Anteilen … % an Herrn V weiterübertragen habe, überzeuge nur in Teilen. Das BMF-Schreiben vom 16.04.1999, Rn. 5, nehme zwar die mehrfache Übertragung nämlicher Anteile aus. Bei einer Kapitalerhöhung könne es sich jedoch denknotwendig nicht um die Mehrfachübertragung nämlicher Anteile handeln, da hierbei neue Anteile geschaffen würden. Die Kapitalerhöhung stelle daher auch keine Übertragung im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG, sondern einen ähnlichen Sachverhalt dar. Gebe die Z1 HoldingAG wirtschaftlich von ihren hinzuerworbenen Anteilen wieder einen Teil im Zuge der Kapitalerhöhung ab, sei dies mit der Übertragung nämlicher Anteile gleichzusetzen. An dieser Stelle sei die Kapitalerhöhung jedoch den einzelnen nämlichen Anteilen zuzuordnen. Dies führe dazu, dass die Kapitalerhöhung in Höhe von 250 DM auf die bestehenden Altanteile und in Höhe von 250 DM auf die hinzuerworbenen Anteile entfalle. Für eine vollständige Zuordnung zu den hinzuerworbenen Anteilen ergebe sich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten keine Grundlage. Folge man diesen Überlegungen, so ergebe sich ein schädlicher Anteilserwerb von … % und somit eine Überschreitung der 50 %-Grenze.
45Zwischen dem Anteilseignerwechsel und der Zuführung neuen Betriebsvermögens durch die Einlage der Anteile an der OHG am …08.1996 bestehe zudem ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang. Hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhangs sei nach dem BMF-Schreiben vom 16.04.1999 ebenfalls auf einen Fünfjahreszeitraum abzustellen. Das BMF habe diese Regelung im Jahr 2007 an die BFH-Rechtsprechung angepasst und die Frist auf zwei Jahre verkürzt. Zugleich habe es dieser verkürzten Frist eine Vermutungswirkung hinsichtlich des sachlichen Zusammenhangs zugesprochen.
46Die zweijährige Frist beginne grundsätzlich mit der Übertragung von mehr als 50 % der Anteile. Danach könnte die Einbringung der OHG-Anteile im Jahr 1996 nicht zu berücksichtigen sein, weil diese zeitlich vor der schädlichen Anteilsübernahme durch Herrn V erfolgt sei. Der beispielhaft genannte Ausnahmefall im BMF-Schreiben vom 16.04.1999, Rn. 31, sei nicht einschlägig, da es sich nicht um eine Gestaltung handele, in der der Erwerber auf den Veräußerer derart einwirke, dass die Zuführung von Betriebsvermögen bereits vor der Anteilsübertragung vorgenommen werde, um § 8 Abs. 4 KStG zu umgehen. Dieser Fall werde im BMF-Schreiben allerdings nur als Beispiel für eine Abkehr von der typischen, gesetzlich nicht zwingenden Reihenfolge angeführt. Fraglich sei daher, ob im Falle einer schrittweisen Überschreitung der 50 %-Grenze die Frist bereits mit der ersten – im Nachhinein schädlichen – Übertragung beginne. Das FG Berlin habe sich im Urteil vom 16.01.2006 – 8 K 8465/05 ebenfalls für eine mögliche Abkehr von der typischen Reihenfolge ausgesprochen und habe dies zuvorderst auf den Umstand gestützt, dass der Gesetzgeber in der geänderten – vorliegend ebenfalls relevanten – Fassung durch die Streichung des Wortes „danach“ eine zwingende zeitliche Reihenfolge nicht mehr vorgebe. Insbesondere in Fällen, in denen es die Beteiligten selbst in der Hand hätten, den Zeitlauf zu bestimmen, könne ein zeitlicher Zusammenhang auch dann gegeben sein, wenn die Zuführung des Betriebsvermögens zuerst erfolge.
47Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung sei im vorliegenden Fall ein zeitlicher Zusammenhang zu sehen. Die Z1 Holding AG habe es seit dem Jahr 1995 als Alleinanteilseigner selbst in der Hand gehabt, die nachfolgende Umstrukturierung zu gestalten. Insbesondere sei deshalb nicht nur ein zeitlicher, sondern auch ein sachlicher Zusammenhang zwischen beiden Schritten gegeben. Der sachliche Zusammenhang werde zudem durch den zeitlichen widerlegbar vermutet. Während im Urteilsfall des FG Berlin die schädliche Anteilsübertragung in einem Schritt erfolgt sei, habe vorliegend der überwiegende Teil der mehrschrittigen Anteilsübertragung sogar vor „Zuführung der Anteile“ an der OHG stattgefunden.
48Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage.
49Die Klägerin vertritt weiter ihre bereits im Einspruchsverfahren vertretene Rechtsauffassung, wonach kein Verlust der wirtschaftlichen Identität eingetreten sei, weil weder das Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. erfüllt noch ein vergleichbarer Sachverhalt gegeben sei. Zur Ermittlung, ob mehr als die Hälfte der Anteile übertragen worden seien, sei eine Saldobetrachtung der Beteiligungshöhe anzustellen. Die Z1 Holding AG habe seit 1986 zu keinem Zeitpunkt weniger als 50 % der Anteile innegehabt, was bedeute, dass auch zu keinem Zeitpunkt wirtschaftlich mehr als 50 % der Anteile übertragen worden sein könnten.
50Diese Saldobetrachtung ergebe sich aus dem Missbrauchsvermeidungszweck der Regelung. Die Übertragung von Gesellschaften mit Verlusten, die wirtschaftlich überwiegend neuen Gesellschaftern zugutekämen, solle vermieden werden. Vorliegend komme der Verlust aber seit 1986 zu maximal 50 % neuen Gesellschaftern zugute, da die Z1 Holding AG zuvor bereits zu 50 % beteiligt gewesen sei.
51Eine Kapitalerhöhung könne zwar ein Sonderfall der Anteilsübertragung bzw. mit einer solchen wirtschaftlich vergleichbar sein. Damit könne sie den Tatbestand der Generalklausel des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG n.F. erfüllen, wenn die Erhöhung disquotal erfolge und damit andere Gesellschafter nach der Kapitalerhöhung überproportional an einem Verlust der Gesellschaft partizipierten. Aber auch bei einer Kapitalerhöhung könne nicht einfach darauf abgestellt werden, wie viele Anteile ein neuer Gesellschafter erhalte, wenn es nicht insgesamt zu einer Verlustverschiebung von alten auf neue Gesellschafter komme. Auch nach der Kapitalerhöhung habe die Z1 HoldingAG weiterhin mindestens in Höhe der ursprünglich im Jahr 1986 erworbenen 50 %-Beteiligung von den Verlusten (der Klägerin) „profitiert“. Es sei also zu keiner Verschiebung auf Gesellschafterebene gekommen, die den Tatbestand des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG erfülle. Diese Prüfung lasse sich nur durch die Saldobetrachtung durchführen (Engers, BB 2006, 743, 744).
52Die Finanzverwaltung erkenne diesen Rechtsgedanken grundsätzlich an, indem auch nach ihrer Auffassung die mehrfache Übertragung eines nämlichen Anteils nicht zusammenzurechnen sein solle. Zwar sei dem Beklagten zuzustimmen, dass die Kapitalerhöhung vorliegend proportional zu Lasten aller seit 1986 von der Z1 HoldingAG erworbenen Anteile erfolgt sei. Darauf könne es bei der Wertung, ob eine Kapitalerhöhung einer Anteilsübertragung im Sinne des Regelbeispiels wirtschaftlich vergleichbar sei, aber nicht ankommen. Entscheidend sei vielmehr, ob als Folge der Kapitalerhöhung die Anteilsverhältnisse so verschoben worden seien, dass andere Gesellschafter mehrheitlich an der Verlustgesellschaft beteiligt worden seien.
53Ihre Wertung werde auch durch folgenden Vergleich gestützt: Hätte die Z1 Holding AG vor der Verschmelzung einen … % entsprechenden Teil des in 1995 erworbenen Anteils an Herrn V übertragen, wäre die Aufwärtsverschmelzung ohne Ausgabe neuer Anteile durchführbar gewesen. Dann wäre es auch nach Ansicht des Beklagten nicht zu einem schädlichen Beteiligungserwerb gekommen, da ein nämlicher Anteil mehrfach übertragen worden wäre. Die Beteiligungsverhältnisse wären nahezu identisch. Warum es in diesem Beispiel nicht zu einem missbräuchlichen Fall eines Mantelkaufs kommen solle, im Streitfall aber schon, sei nicht zu erklären.
54Gleiches müsse im Übrigen auch gelten, wenn in dem Vergleichsfall ein im Jahr 1986 erworbener Anteil übertragen worden wäre, da man nur so zu einem sinnvollen, nicht vom Zufall abhängigen Ergebnis komme. Es könne nicht sein, dass die Übertragung eines 1995 erworbenen Anteils unschädlich sei, während die Übertragung eines im Jahr 1986 erworbenen Anteils schädlich sein solle. Sei die Übertragung eines 1995 und eines 1986 erworbenen Anteils unschädlich, so müsse dies gleichfalls bei einer Kapitalerhöhung zu Lasten beider Anteilsgruppen gelten.
55Ergänzend werde auf das Urteil des Finanzgericht Münster vom 23.08.2023, 9 K 2166/21, EFG 2023, 1644, zu § 8c KStG hingewiesen. Dieses stütze ihren diesbezüglichen Vortrag, auch wenn es zu einer anderen Vorschrift ergangen sei.
56Die vom Beklagten favorisierte Wortlautauslegung des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. sei für den Streitfall nicht entscheidend, weil der vorliegende Sachverhalt von dem Regelbeispiel unstreitig nicht erfasst sei.
57Zudem habe der Beklagte, selbst wenn man von einer Übertragung von mehr als 50 % der Anteile an ihr, der Klägerin, ausgehe, keinen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen der Übertragung im Jahr 1995, der Kapitalerhöhung im Jahr 1997 und der Einbringung der OHG im Jahr 1996 nachgewiesen. Eine Regelvermutung, dass mehrere Vorgänge innerhalb von fünf bzw. zwei Jahren in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stünden, ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Es sei bei längeren Abständen als einem Jahr eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Im Streitfall fehle es an dem Zusammenhang. Bei der Ausgabe der Anteile an Herrn V handele es sich um eine „zufällige“, nicht von einem Gesamtplan gedeckte Transaktion, die in keinem Zusammenhang mit dem Anteilserwerb im Jahr 1995 stehe. Dazwischen lägen 21 Monate, was bereits gegen einen zeitlichen Zusammenhang spreche. Auch beruhten sie auf völlig unterschiedlichen Maßnahmen. Einmal handele es sich um einen Beteiligungserwerb von einem Dritten, das andere Mal um eine konzerninterne Ausgabe nach Kapitalerhöhung, zudem treuhänderisch über einen Geschäftsführer abgewickelt.
58Auch sachlich bestehe kein Zusammenhang. Ein sachlicher Zusammenhang der Ausgabe der neuen Anteile bestehe nur zur Verschmelzung. Die Kapitalerhöhung sei allein zu dem Zweck erfolgt, die Wirksamkeit der Verschmelzung rechtlich abzusichern. Damals wie heute sei unklar und umstritten, ob ein Komplementär einer KG ohne Vermögenseinlage bei einer Verschmelzung der KG auf eine Kapitalgesellschaft einen Anteil erhalten müsse. Allein dies schließe den erforderlichen Gesamtzusammenhang mit den vorherigen Maßnahmen aus.
59Vor dem Hintergrund der Vorschrift des § 8 Abs. 4 KStG a.F. als Missbrauchsvermeidungsvorschrift sei zudem zu berücksichtigen, dass die Ausgabe des zusätzlichen Anteils an Herrn V und die Verschmelzung für die Verlustnutzung nicht notwendig gewesen seien. Die Verluste hätten bereits vor der Verschmelzung durch sie, die Klägerin, zur Verrechnung mit den Gewinnen aus der OHG genutzt werden können. Damit könne kein sachlicher Zusammenhang der Verschmelzung mit der Betriebsvermögenszuführung gesehen werden.
60Soweit der Beklagte im Klageverfahren darauf Bezug nehme, dass es bei typisierenden Vorschriften grundsätzlich dem Steuerpflichtigen obliege, durch sein Handeln ein für ihn positives Ergebnis zu erzielen und den typisierten Tatbestand zu vermeiden, stimme sie dem grundsätzlich zu. Vorliegend könne dies ihr aber nicht zum Nachteil gereichen. Sämtliche potenziell schädlichen Schritte seien bis Anfang 1997 erfolgt. Die Senkung der Beteiligungsgrenze auf 50 % in § 8 Abs. 4 KStG sei erst am 29.10.1997 ins Gesetz eingefügt (Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997, BGBl. I 1997, 2590) und am 04.08.1997 im Vermittlungsausschuss erstmalig erwähnt worden (BT-Drucksache 13/8325, S. 4). Dies sei vorab nicht erwartbar oder erkennbar gewesen. Sie sei deshalb nicht in der Lage gewesen, im Hinblick auf die Vorschrift andere Schritte einzuleiten.
61Das möge vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BFH zum im Ergebnis verfassungskonformen Zustandekommen des Gesetzes (BFH vom 01.10.2014, I R 95/04, BStBl II 2015, 612) bei evidenten Fällen anders beurteilt werden. Bei hinsichtlich der Tatbestandserfüllung streitigen Fällen müsse eine Auslegung so vorgenommen werden, dass die ohnehin bestehenden massiven verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH vom 22.08.2006, I R 25/06, BStBl II 2007, 793; ursprünglich auch BFH vom 08.10.2008, I R 95/04, BFH/NV 2009, 500; Roser in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 8 KStG Rn. 1392) im Wege einer verfassungskonformen Auslegung ausgeräumt würden. Dies könne nur über die wirtschaftliche Saldobetrachtung und damit ergebnisorientiert erfolgen. Eine vorteilhafte Alternativoption dürfe hingegen keine Rolle spielen, wenn die Regelung zum Zeitpunkt der Handlung noch nicht bestanden habe.
62Das vom Beklagten im Klageverfahren angesprochene Urteil des BFH vom 14.03.2006, I R 8/05, BStBl II 2007, 602 enthalte keine Ausführungen dazu, dass zwei Übertragungen innerhalb eines Zeitraums von 23 Monaten immer in einem schädlichen Zusammenhang stünden. Das Urteil behandele eine Frage des § 174 Abs. 4 AO. Dessen Anwendung habe der BFH bejaht und den Fall zur notwendigen Einzelfallprüfung zurückverwiesen. Er habe somit nicht über das Vorliegen eines schädlichen Beteiligungserwerbs entschieden.
63Die Klägerin beantragt,
64den Bescheid für 1998 über Körperschaftsteuer vom 04.02.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2021 dahingehend zu ändern, dass bei der Ermittlung des Einkommens der zum 31.12.1997 festgestellte körperschaftsteuerliche Verlustvortrag in Höhe von … DM berücksichtigt wird.
65Der Beklagte beantragt,
66die Klage abzuweisen.
67Ergänzend zur Einspruchsentscheidung werde darauf hingewiesen, dass es sich bei § 8 Abs. 4 KStG n.F. um eine typisierende Missbrauchsverhinderungsnorm handele, die anhand äußerlich klar erkennbarer Kriterien Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Identität der Kapitalgesellschaft fordere. Es sei unerheblich, in wie vielen Übertragungsvorgängen die Anteile auf wie viele Erwerber übergingen.
68Die Ausklammerung der Übertragung nämlicher Anteile stelle eine Ausnahme von dieser Zählweise dar, die sich anhand des Wortlauts der Vorschrift begründen lasse, der auf die Übertragung von mehr als der Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft abstelle. Eine Ausweitung dieser Ausnahme im Sinne der von der Klägerin favorisierten Saldobetrachtung lasse sich mit dem Wortlaut der Vorschrift hingegen nur schwer begründen. Entscheidend sei lediglich, dass sich der Inhaber von mehr als 50 % der Anteile ändere.
69Das von der Klägerin angeführte Vergleichsbeispiel vermöge nicht zu überzeugen. Um einen wirtschaftlich vergleichbaren Sachverhalt zu konstruieren, hätte die Klägerin zum einen … % der in 1995 erworbenen Anteile und zum anderen … % der „Altanteile“ an Herrn V übertragen müssen.
70Es liege in der Natur einer typisierenden steuerlichen Missbrauchsverhinderungsvorschrift, dass ein lediglich leicht abweichender Geschehensablauf, der sogar die gleiche Endkonstellation hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse als Ergebnis habe, zu abweichenden Rechtsfolgen führen könne. Es handle sich dabei nicht um ein „vom Zufall abhängiges Ergebnis“, sondern um ein durch eigenes Handeln beeinflussbares und steuerbares.
71Die Rechtsprechung zur 25 %-Grenze des § 8c Abs. 1 KStG sei aufgrund des abweichenden Tatbestands nicht ohne Weiteres übertragbar. Anders als § 8c KStG nehme § 8 Abs. 4 KStG n.F. eine Addition aller Anteilsübertragungen völlig losgelöst von der Erwerberseite vor.
72Hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhangs werde auf das BFH-Urteil vom 14.03.2006 (I R 8/05, BStBl II 2007, S. 602) hingewiesen. Dem Urteil habe ein Sachverhalt zu Grunde gelegen, in dem sich die zwei zusammenzurechnenden Übertragungsvorgänge über einen Zeitraum von 23 Monaten erstreckt hätten. Dies habe den BFH gleichwohl nicht veranlasst zu hinterfragen, ob das Tatbestandsmerkmal des schädlichen Anteilserwerbs erfüllt sei. Die Relevanz der Zeitspanne für die Bestimmung eines Sachzusammenhangs sei vom BFH nur für die Folgefrage thematisiert worden, ob ein solcher zwischen Anteilserwerb und der Zuführung neuen Betriebsvermögens vorliege.
73Entscheidungsgründe
74Die Klage ist begründet.
75Der Bescheid vom 04.02.2016 über Körperschaftsteuer 1998 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 09.09.2021 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass § 8 Abs. 4 KStG n.F. dem Abzug des zum 31.12.1997 festgestellten verbleibenden Verlustabzugs entgegensteht. Die Klägerin war im Streitjahr nicht nur rechtlich, sondern auch – im Sinne dieser Vorschrift – wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch, die den Verlust erlitten hat.
76I. Die Klägerin hat zutreffender Weise den Körperschaftsteuerbescheid 1998 angefochten, da sie durch diesen Bescheid beschwert ist. Der auf den 31.12.1997 bestandskräftig festgestellte Verlustvortrag ist im Rahmen der Festsetzung der Körperschaftsteuer 1998 unberücksichtigt geblieben und sie macht geltend, dass eine entsprechende Berücksichtigung hätte erfolgen müssen.
77Zwar ist über den Ausschluss des Verlustabzugs grundsätzlich im Feststellungsbescheid zum 31.12. desjenigen Veranlagungszeitraums zu entscheiden, in welchem die schädliche Anteilsveräußerung stattgefunden hat (vgl. BFH, Urteil vom 27.06.2018 – I R 13/16, BFHE 262, 340, BStBl II 2019, 632). Wenn aber – wie hier – streitig ist, ob aufgrund der Übergangsregelung des § 54 Abs. 6 KStG eine vor dem 06.08.1997 erfolgte Anteilsübertragung dem Abzug eines auf den 31.12.1997 bestandskräftig festgestellten Verlustvortrags im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung 1998 entgegensteht, kann hierüber nur im Körperschaftsteuerbescheid 1998 entschieden werden.
78II. Die Klägerin ist im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG n.F. mit der Körperschaft wirtschaftlich identisch, die den Verlust erlitten hat.
791. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG n.F. ist bei einer Körperschaft Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Körperschaft im Sinne dieser Vorschrift ist auch eine KGaA (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG).
802. Der Begriff der „wirtschaftlichen Identität einer Körperschaft“ wird im Gesetz nicht definiert. In § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. wird lediglich beispielhaft („insbesondere“) bestimmt, wann eine solche nicht mehr gegeben ist (vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 19.12.2001 – I R 58/01, BFHE 197, 248, BStBl II 2002, 395; vom 04.09.2002 – I R 78/01, BFH/NV 2003, 348, m.w.N.). § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. setzt jedoch als Regelbeispiel bzw. als Hauptanwendungsfall zugleich mittelbar einen Maßstab für die unter Satz 1 der Vorschrift zu fassenden Sachverhalte. Sie müssen Voraussetzungen erfüllen, die mit den in Satz 2 genannten wirtschaftlich vergleichbar sind (vgl. BFH, Urteil vom 28.05.2008 – I R 87/07, BFHE 222, 245 m.w.N.).
81Nach dem Regelbeispiel in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität, wenn – erstens – bezogen auf das gezeichnete Kapital mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile übertragen werden, – zweitens – überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt und – drittens – der Geschäftsbetrieb mit diesem neuen Betriebsvermögen fortgeführt oder wieder aufgenommen wird (vgl. BFH, Urteil vom 28.05.2008 – I R 87/07, BFHE 222, 245 m.w.N.).
823. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass das Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. nicht erfüllt ist. Dazu bedürfte es der Übertragung von mehr als der Hälfte der Anteile an der Klägerin. Eine Übertragung von Anteilen an der Klägerin ist seit ihrem Bestehen als eine der Körperschaftsteuer unterliegende Kapitalgesellschaft durch formwechselnde Umwandlung im Jahr 1986 bis zum Ende des Streitjahres nur im Jahr 1995 erfolgt. Hier wurden lediglich 50 % der Anteile und damit nicht mehr als 50 % auf die Z1 HoldingAG übertragen.
834. Ein mit dem Regelbeispiel wirtschaftlich vergleichbarer Sachverhalt liegt ebenfalls nicht vor. Es wurde kein mit einer Anteilsübertragung im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. von mehr als 50 % vergleichbarer Sachverhalt verwirklicht, der einem Verlustabzug im Streitjahr entgegensteht.
84a) Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt zunächst nicht in dem Erwerb sämtlicher Anteile an der später zur Z1 HoldingAG umfirmierten X AG durch eine von den Beteiligten nicht näher bezeichnete Gesellschaft der Z Gruppe. Selbst wenn die Erwerberin der Anteile zuvor an der X AG nicht beteiligt war, würde es sich in Bezug auf die Anteile an der Klägerin lediglich um einen mittelbaren Beteiligungserwerb handeln. Ein solcher unterfällt weder dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. noch ist er mit diesem wirtschaftlich vergleichbar (BFH, Urteil vom 20.08.2003 – I R 61/01, BFHE 203, 135, BStBl II 2004, 616 zur von § 8 Abs. 4 KStG n.F. diesbezüglich nicht abweichenden Regelung des § 8 Abs. 4 KStG 1991). Darüber besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit.
85b) Zwischen den Beteiligten ist ebenfalls zu Recht unstreitig, dass kein Rechtsgeschäft erfolgt ist, welches bei isolierter Betrachtung mit einer Anteilsübertragung von mehr als 50 % wirtschaftlich vergleichbar ist.
86Zwar steht eine Kapitalerhöhung – auch wenn bei dieser streng genommen keine Übertragung bestehender Anteile erfolgt – einer Anteilsübertragung im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. wirtschaftlich gleich, wenn im Zuge der Kapitalerhöhung die „Schwelle“ zu einer mehr als 50 % betragenden Neubeteiligung überschritten wird (vgl. BFH, Urteil vom 27.08.2008 – I R 78/01, BFHE 222, 528). Eine solche Kapitalerhöhung ist jedoch nicht gegeben. Bei der am 21.08.1996 beschlossenen Kapitalerhöhung kam es nicht zu einer Neubeteiligung in diesem Sinne. Die im Zuge der Verschmelzung am 31.01.1997 beschlossene Kapitalerhöhung änderte den Gesellschafterbestand nur insoweit, als nunmehr neben der Z1 HoldingAG Herr V zu … % beteiligt wurde. Die Übernahme der neuen Anteile durch Herrn V ist daher – isoliert – lediglich mit einer Anteilsübertragung von … % wirtschaftlich vergleichbar.
87c) Auch bei einer Zusammenschau sämtlicher in den Jahren 1995 bis 1997 erfolgten Maßnahmen, insbesondere der Anteilsübertragung vom ….05.1995 und der am ….01.1997 beschlossenen Kapitalerhöhung, liegt kein mit einer Anteilsübertragung von mehr als 50 % im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. vergleichbarer Sachverhalt vor.
88aa) Nach Auffassung des Senats ist bereits im Rahmen des Regelbeispiels des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. zur Feststellung, ob mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen worden sind, auf die Höhe der Beteiligungsquoten vor und nach den Übertragungsvorgängen abzustellen. Die Höhe der Beteiligungsquoten ist jeweils vor und nach einzelnen Übertragungsvorgängen sowie vor und nach aufeinanderfolgenden, zusammenzurechnenden Vorgängen zu ermitteln. Eine Übertragung von mehr als der Hälfte der Anteile liegt nur vor, wenn es hierbei zu einer Verschiebung von mehr als 50 % auf andere – neue oder bestehende – Gesellschafter kommt.
89Eine bloße Addition der jeweils übertragenen prozentualen Anteile an der Kapitalgesellschaft, wie sie der Beklagte vornimmt, hat nach dieser Auffassung nicht zu erfolgen. Ebenso ist es unerheblich, wer bestimmte nämliche Anteile vor und nach den Übertragungsvorgängen hält. Im Ergebnis entspricht diese Auffassung der von der Klägerin angewandten „Saldobetrachtung“.
90(1) Der Wortlaut des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. bestimmt nicht näher, wann von einer Übertragung von „mehr als der Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft“ auszugehen ist. Insbesondere führt das Gesetz nichts dazu aus, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Art und Weise mehrfache Anteilsübertragungen zusammenzurechnen sind.
91Bereits die Annahme, dass § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. nicht nur einaktige Übertragungen erfasst, sondern, unter weiteren streitigen Voraussetzungen, auch mehrere Anteilsübertragungen zusammen zum Verlust der wirtschaftlichen Identität führen können (BMF-Schreiben vom 16.04.1999; Tz. 5, Roser in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 8 Rn. 1417 – mehrfache Anteilsübertragungen; Engers, BB 2006, 743, 744; im Ergebnis auch BFH, Urteil vom 27.06.2018 – I R 13/16, BFHE 262, 340, BStBl II 2019, 632), ergibt sich nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Vorschrift, sondern beruht auf einer – zutreffenden – Auslegung des Gesetzes nach seinem Sinn und Zweck.
92(2) Ziel des § 8 Abs. 4 KStG war es in erster Linie, missbräuchlichen Gestaltungen vorzubeugen und in diesem Zusammenhang vor allem den „Handel“ mit vortragsfähigen Verlusten zu unterbinden (z.B. BFH, Urteil vom 12.07.2012 – I R 23/11, BFHE 238, 344, BFH/NV 2012, 1901 und vom 14.03.2006 – I R 8/05, BFHE 212, 517, BStBl II 2007, 602 m.w.N. zur Rechtsentwicklung). Dabei abstrahiert und typisiert die Vorschrift die Missbrauchsverhinderung durch die Ausgestaltung ihres Tatbestands in einer Weise, dass sie den „schädlichen“ Anteilserwerb auch dann sanktioniert, wenn im konkreten Fall eine missbräuchliche Gestaltung nicht vorliegt (vgl. BFH, Urteil vom 12.07.2012 – I R 23/11, BFHE 238, 344, BFH/NV 2012, 1901 m.w.N.).
93Im Rahmen dieser Betrachtung stellt § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. zunächst auf die Anteilseignerebene der Verlustkörperschaft ab, indem dort – als typisiertes Merkmal – die Übertragung von mehr als der Hälfte ihrer Anteile vorausgesetzt wird. Im Grundfall einer einaktigen Übertragung liegt dem der Gedanke zu Grunde, dass nach einer solchen Übertragung mehrheitlich Gesellschafter von den Verlustvorträgen profitieren (vgl. zum Vorteil der Gesellschafter Engers, BB, 2006, 743, 744), die zum Zeitpunkt der Entstehung der Verluste nicht oder nicht in diesem Umfang an der Kapitalgesellschaft beteiligt waren. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um einen oder mehrere Erwerber handelt oder ob es sich bei dem oder den Erwerbern (teilweise) um Altgesellschafter handelt (vgl. BMF-Schreiben vom 19.04.1999, Rn. 5).
94(3) Bei Übertragung dieses Gedankens auf mehraktige Übertragungsvorgänge sind deshalb nach Auffassung des Senats solche Vorgänge auszunehmen, in denen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht mehrheitlich Gesellschafter von den Verlustvorträgen profitieren, die zum Zeitpunkt der Entstehung der Verluste nicht oder nicht in diesem Umfang an der Kapitalgesellschaft beteiligt waren.
95Dem Grunde nach folgt auch der Beklagte dieser Betrachtung, indem er unter Rückgriff auf das BMF-Schreiben vom 19.04.1999 die mehrfache Übertragung nämlicher Anteile nur einmal zählt. Häufig führt diese Ansicht zu keinen anderen Ergebnissen als ein Vergleich der Veränderung der Beteiligungsquoten vor und nach Abschluss einer mehraktigen Übertragung.
96Ist beispielsweise ein Gesellschafter zu 70 % und ein weiterer Gesellschafter zu 30 % an einer Gesellschaft beteiligt und überträgt der Mehrheitsgesellschafter 30 % seiner Anteile an einen Dritten sowie dieser Dritte diese Anteile weiter an einen Vierten, führen beide Ansichten zum selben Ergebnis. Stellt man – der Auffassung der Klägerin und des erkennenden Senats folgend – auf die Veränderung der Beteiligungsquoten ab, so liegt sowohl nach der ersten als auch nach der zweiten Übertragung eine (unschädliche) Verschiebung von 30 % der Anteile vor (zu Beginn: 70:30, dann jeweils 40:30:30, entsprechend einer Verschiebung von 30 % der Anteile). Würde man – wie der Beklagte – grundsätzlich beide Übertragungsvorgänge zusammenrechnen, jedoch die zweite Übertragung nicht zählen, weil es sich bei dem weiterübertragenen Anteil um den bereits gezählten nämlichen Anteil handelt, wären für Zwecke des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. ebenfalls nur 30 % der Anteile als übergegangen anzusehen.
97Zu unterschiedlichen Ergebnissen führen beide Ansätze jedoch, wenn es zunächst zu einem Zuerwerb eines Altgesellschafters kommt, der in einem weiteren Schritt Anteile an einen Dritten übertragt. Bei der vom Beklagten vorgenommenen Addition der Übertragungsvorgänge unter Ausnahme der erneuten Übertragung nämlicher Anteile wäre es entscheidend, ob in dem weiteren Schritt die hinzuerworbenen oder die bereits zuvor gehaltenen Anteile übertragen werden. Werden die hinzuerworbenen Anteile übertragen, so käme es nicht zu einer Zusammenrechnung und die wirtschaftliche Identität bliebe erhalten. Werden dagegen die ursprünglich gehaltenen Anteile übertragen, so wären die Übertragungsvorgänge nicht zusammenzurechnen und es läge ein schädlicher Anteilserwerb vor.
98Bei Betrachtung der Veränderungen der Beteiligungsquoten ist es hingegen für die Frage, ob die Kapitalgesellschaft ihre wirtschaftliche Identität verloren hat, unerheblich, welche Anteile in dem weiteren Schritt (weiter)übertragen werden.
99Würde in dem vorgenannten Beispiel einer Gesellschaft, an der der erste Gesellschafter 70 % und der zweite Gesellschafter 30 % der Anteile hält, der erste Gesellschafter 30 % seiner Anteile auf den zweiten übertragen und der zweite Gesellschafter wiederum 30 % der Anteile auf einen Dritten (oder auch den ersten Gesellschafter), so wäre es, auch wenn sich die Person des Mehrheitsgesellschafters ändert, aus Sicht des Beklagten entscheidend, ob Gegenstand der zweiten Übertragung die nämlichen, im ersten Schritt hinzuerworbenen Anteile sind oder ob es sich insoweit um die bereits ursprünglich gehaltenen Anteile handelt. Handelte es sich um die im ersten Schritt hinzuerworbenen Anteile, so wäre dies nach Auffassung des Beklagten unschädlich, andernfalls läge eine schädliche Anteilsübertragung vor. Stellt man hingegen – wie der Senat – auf die Veränderung der Beteiligungsquoten ab, so ist in beiden Fällen kein schädlicher Beteiligungserwerb gegeben, da die Anteile nicht mehrheitlich in neue Hände übergegangen sind (zunächst 70:30, nach der ersten Übertragung 40:60, entsprechend einer Verschiebung von 30%, nach der zweiten Übertragung 40:30:30, ebenfalls entsprechend einer Verschiebung von 30 % sowohl im Vergleich zur ursprünglichen Situation als auch im Vergleich zur Situation nach der ersten Übertragung).
100(4) Vor diesem Hintergrund vermag die Ansicht des Beklagten jedenfalls in den Fällen des zwischenzeitlichen Hinzuerwerbs durch einen Altgesellschafter nicht zu überzeugen. Das Abstellen auf die nämlichen Anteile greift zu kurz (so auch Engers, BB 2006, 743, 744; im Ergebnis wohl ebenso Roser in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 8 KStG Rn. 1417 unter „Mehrfache Anteilsübertragung“). Denn es ist weder im Vergleich mit dem Grundfall einer einaktigen Übertragung noch nach dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 4 KStG sinnvoll, die Folgeübertragung eines nämlichen Anteils anders zu behandeln als die Folgeübertragung eines ursprünglich gehaltenen Anteils. Soweit nicht mehr als 50 % der Anteile übertragen werden, profitieren in beiden Fällen nicht mehrheitlich andere Gesellschafter von dem Verlustvortrag als die, die zum Zeitpunkt der Verlustentstehung beteiligt waren. In dem zuletzt genannten Beispiel sind auch nach der Folgeübertragung noch zu 70 % Altgesellschafter beteiligt.
101Zudem wäre es für den Senat nicht erklärlich, weshalb die wirtschaftliche Identität in dem zuletzt genannten Beispiel verloren gehen sollte, wenn der zweite Gesellschafter im Rahmen der zweiten Übertragung die ihm ursprünglich gehörenden Anteile an den ursprünglichen Mehrheitsgesellschafter übertragen, die von ihm hinzuerworbenen jedoch behalten würde. Nach Durchführung der Transaktionen wären die Beteiligungsquoten identisch mit dem Zustand vor deren Beginn (zunächst 70:30, dann 40:60, dann wieder 70:30).
102Darüber hinaus vermag die vom Beklagten angestellte Betrachtung der nämlichen Anteile in Fällen, in denen – wie vorliegend durch die Kapitalerhöhung vom ….08.1996 – zwischen zwei zusammenzufassenden Anteilsübertragungen eine quotale Kapitalmaßnahme (Kapitalerhöhung oder Kapitalherabsetzung) erfolgt ist, nicht zu überzeugen. Denn die vor der Kapitalmaßnahme übertragenen nämlichen Anteile repräsentieren danach einen anderen prozentualen Anteil an der Kapitalgesellschaft als zuvor. Daher betrachtet im Ergebnis auch der Beklagte vorliegend nicht stringent die nämlichen Anteile. Vielmehr geht er davon aus, dass die im Zuge der Kapitalerhöhung im Jahr 1996 entstandenen Anteile teilweise wie die nämlichen, im Jahr 1995 hinzuerworbenen Anteile zu behandeln seien. Damit erfolgt durch ihn jedoch im Ergebnis selbst eine auf die Beteiligungsquoten und nicht auf die nämlichen Anteile abstellende Betrachtung.
103(5) Anders als der Beklagte meint, steht dem nicht entgegen, dass es sich bei § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. um eine typisierende Vorschrift handelt. Wie bereits ausgeführt, unterstellt der Gesetzgeber bei Vorliegen der Voraussetzung des § 8 Abs. 4 KStG eine missbräuchliche Gestaltung, auch wenn eine solche im Einzelfall nicht vorliegt (vgl. BFH, Urteil vom 12.07.2012 – I R 23/11, BFHE 238, 344, BFH/NV 2012, 1901 m.w.N.). Die Berechnung, wann die 50 %-Grenze überschritten wird, ist hingegen nicht Gegenstand einer im Gesetz angelegten Typisierung. Insoweit vermag sich der Senat dem Einwand des Beklagten, dass bezogen auf § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. ein lediglich leicht abweichender Geschehensablauf, der sogar die gleiche Endkonstellation hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse als Ergebnis habe, zu abweichenden Rechtsfolgen führen könne, nicht anzuschließen.
104(6) Die Auffassung des Senats steht nicht zwingend im Widerspruch zum BMF-Schreiben vom 16.04.1999. Zwar wird darin bestimmt, dass die mehrfache Übertragung nämlicher Anteile nicht zusammenzurechnen sei. Jedoch wird in Tz. 5 des BMF-Schreibens auch ausgeführt, dass entscheidend sei, ob insgesamt eine „Quote von mehr als 50 % der Anteile übertragen“ werde. Damit ist die Quotenbetrachtung auch im BMF-Schreiben – nach dem Verständnis des Senats als Korrektiv zu den übrigen Ausführungen – angelegt. Versteht man diese Vorgabe als Kontrollfrage, welche auch bei Betrachtung der nämlichen Anteile in einem letzten Schritt zwingend zu stellen ist, so spricht auch das BMF-Schreiben für die Auslegung des Senats.
105bb) Nach diesen Grundsätzen liegt in der Zusammenschau der Anteilsübertragung vom ….05.1995 und der am ….01.1997 beschlossenen Kapitalerhöhung kein mit einer Übertragung von mehr als 50 % der Anteile an der Klägerin vergleichbarer Sachverhalt vor. In Folge dieses Verständnisses des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n.F. ist auch in den Fällen des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG ein Vergleich der Beteiligungsquoten anzustellen (im Ergebnis ebenso Engers, BB 2006, 743, 745 f.) und nicht auf die Weiterübertragung nämlicher Anteile abzustellen.
106Bei Betrachtung der Veränderung der Beteiligungsquoten waren an der Klägerin zunächst – seit ihrem Bestehen als Kapitalgesellschaft im Jahr 19… und damit während des vollständigen Verlustentstehungszeitraums – die Z1 Holding AG zu 50 % und Dritte zu 50 % beteiligt. Ab dem …05.1995 war die Z1 HoldingAG zu 100 % beteiligt, was einer Verschiebung der Beteiligungsquoten von nicht mehr als 50 % entspricht und deshalb nicht schädlich ist.
107Nach Durchführung der am ….01.1997 beschlossenen Kapitalerhöhung waren die Z1 Holding AG zu … % und Herr V – ggf. als Treuhänder für die Z AG – zu … % beteiligt. Im Vergleich zum Zeitpunkt unmittelbar vor der Kapitalerhöhung ergibt sich eine Verschiebung der Beteiligungsquoten von … % und im Vergleich zum …05.1995 eine Verschiebung von insgesamt 50 % (… % von Dritten auf die Z1 HoldingAG und … % auf Herrn V). Ein mit einem schädlichen Beteiligungserwerb vergleichbarer Vorgang liegt mithin nicht vor.
108cc) Der Senat kann vor diesem Hintergrund die weiter zwischen den Beteiligten streitige Frage offenlassen, ob zwischen der Anteilsübertragung vom …05.1995 und der am ….01.1997 beschlossenen Kapitalerhöhung überhaupt ein Zusammenhang besteht, welcher eine Zusammenfassung dieser beiden Vorgänge bei der Anwendung des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG n.F. ermöglichen würde.
1095. Da es somit bereits an einer Anteilsübertragung von mehr als 50 % oder einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedarf es ebenfalls keiner Entscheidung dazu, ob eine Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens und eine Fortführung des Geschäftsbetriebs mit diesem neuen Betriebsvermögen erfolgt sind und ein hinreichender zeitlicher sowie – sofern ein solcher als erforderlich anzusehen ist – sachlicher Zusammenhang zu der schädlichen Anteilsübertragung besteht.
110III. Die Höhe des im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung 1998 zu berücksichtigenden Verlustabzugs ergibt sich aus dem bindenden Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.1997. Er beträgt … DM.
111IV. Der Senat braucht aufgrund der im Streitjahr fortbestehenden wirtschaftlichen Identität der Klägerin auch nicht zu entscheiden, ob die Klage möglicherweise bereits deshalb Erfolg hat, weil der Beklagte zum 31.12.1997 den verbleibenden Verlustvortrag ohne Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG n.F. bestandskräftig auf … DM festgestellt hat.
1121. Eine schädliche Anteilsübertragung Anfang 1997 unterstellt, dürfte die Bestandskraft des Verlustfeststellungsbescheids zum 31.12.1997 der Nichtabziehbarkeit des Verlusts im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung 1998 grundsätzlich nicht entgegenstehen.
113Zwar ist der Ausschluss des Verlustabzugs, wie bereits ausgeführt, im Feststellungsbescheid zum 31.12. desjenigen Veranlagungszeitraums vorzunehmen, in welchem die schädliche Anteilsveräußerung stattgefunden hat (BFH, Urteil vom 27.06.2018 – I R 13/16, BFHE 262, 340, BStBl II 2019, 632). Nach § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG a.F. gilt § 8 Abs. 4 KStG n.F. jedoch erstmals für den Veranlagungszeitraum 1998, wenn der Verlust der wirtschaftlichen Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 06.08. eingetreten ist. Diese Vorschrift würde bei einem Verlust der wirtschaftlichen Identität im Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum 05.08.1997 leerlaufen, wenn eine bestandskräftige Feststellung auf den 31.12.1997 die Anwendung von § 8 Abs. 4 KStG n.F. im Veranlagungszeitraum 1998 ausschließen würde.
114Für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem Jahr 1997 verloren haben, entspricht es im Übrigen der Rechtsprechung des BFH, dass eine bestandskräftige Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.1996 der Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG n.F. nicht entgegen steht. Denn die Feststellung betrifft lediglich die Abzugsfähigkeit des Verlustes nach Maßgabe der im Feststellungszeitpunkt geltenden Sach- und Rechtslage und stellt diese für das spätere Abzugsjahr verbindlich fest. Sie besagt jedoch nichts darüber, ob eine Körperschaft zum Feststellungszeitpunkt nach einem später geänderten Maßstab ihre wirtschaftliche Identität verloren hat (BFH, Urteil vom 14.10.2015 – I R 71/14, BFH/NV 2016, 780, Rn. 15). Für die Prüfung der wirtschaftlichen Identität kommt es nach dieser Rechtsprechung auf den Zeitpunkt des steuerlichen Verlustabzugs an (BFH, Urteil vom 14.10.2015 – I R 71/14, BFH/NV 2016, 780, Rn. 15 unter Bezugnahme auf BFH, Urteil vom 22.10.2003 – I R 18/02, BFHE 204, 273, BStBl II 2004, 468 und vom 01.10.2014 – I R 95/04, BFHE 247, 246, BStBl II 2015, 612).
115Bei einem (erstmaligen) Verlust der wirtschaftlichen Identität im Januar oder Februar 1997 – wie ihn der Beklagte annimmt – wäre daher aufgrund der Übergangsregelung in § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG a.F. der Verlustabzug erstmals 1998 zu versagen (vgl. auch BFH, Urteil vom 27.08.2008 – I R 78/01, BFHE 222, 528).
1162. Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass die Verschmelzung mit steuerlicher Rückwirkung zum 00.00.1996/00.00.1996 erfolgt ist.
117Maßgeblich für den Verlust der wirtschaftlichen Identität ist der Zeitpunkt der schädlichen Anteilsveräußerung (BFH, Urteil vom 27.06.2018 – I R 13/16, BFHE 262, 340, BStBl II 2019, 632). Der Beklagte sieht diesen vorliegend in der Übernahme des im Zuge der Kapitalerhöhung neu entstandenen Anteils von 500 DM durch Herrn V. Diese Kapitalerhöhung wurde mit Vertrag vom ….01.1997 beschlossen und zivilrechtlich mit Eintragung in das Handelsregister im Februar 1997 wirksam (vgl. BFH, Urteil vom 14.03.2006 – VIII R 49/04, BFHE 213, 307, BStBl II 2006, 746). Dass dies – im Hinblick auf die steuerlichen Folgen der Verschmelzung – mit rechtlicher Rückwirkung auf den 00.00.1996/00.00.1996 geschah, ändert an der Maßgeblichkeit der tatsächlichen Beschlussfassung als dispositionsauslösender Maßnahme im Januar 1997 nichts (BFH, Urteil vom 27.08.2008 – I R 78/01, BFHE 222, 528; a.A. ggf. Rund, GmbHR 2007, 817 m.w.N., offen lassend Rengers, in Blümich, Ertragsteuerrecht, 114. Auflage 2012, § 8 KStG Rn. 949).
1183. Wäre bei einer mehraktigen Anteilsübertragung oder einem gleichgestellten Sachverhalt die wirtschaftliche Identität allerdings für die Anwendung des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG nicht auf den Zeitpunkt, zu dem die maßgebliche Beteiligungsgrenze im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG erstmals überschritten wird, sondern (rückwirkend) auf den Zeitpunkt des ersten Anteilseignerwechsels abzustellen (so eventuell Roser in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 8 Rn. 1391 a.E.), könnte die Klage auch aufgrund der bestandskräftigen Verlustfeststellung auf den 31.12.1997 Erfolg haben.
119Denn dann wäre der vom Beklagten angenommene Verlust der wirtschaftlichen Identität im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG n.F. bereits im Jahr 1995 eingetreten. Nach § 54 Abs. 6 KStG a.F. wäre § 8 Abs. 4 KStG n.F. in der Folge schon für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden und über den Ausschluss des Verlustabzugs daher bereits im Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.1997 zu entscheiden gewesen. Die bestandskräftige Verlustfeststellung würde in diesem Fall der Versagung des Verlustabzugs im Jahr 1998 entgegenstehen (vgl. BFH, Urteil vom 27.06.2018 – I R 13/16, BFHE 262, 340, BStBl II 2019, 632).
120Ob dies der Fall ist, braucht der Senat allerdings nicht zu entscheiden, weil bereits keine schädliche Anteilsübertragung und auch kein damit vergleichbarer Sachverhalt gegeben ist.
121V. Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Steuer auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
122VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.
123VII. Gründe für eine Revisionszulassung bestehen nicht. Das zur Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erforderliche Allgemeininteresse fehlt im Regelfall, wenn die zu klärende Rechtsfrage ausgelaufenes oder auslaufendes Recht betrifft (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 21.09.2015 – III B 125/14, BFH/NV 2016, 61). Gründe, die ausnahmsweise ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen, sind vorliegend nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sich die streitige Rechtsfrage in absehbarer Zukunft weiterhin stellen wird. § 8 Abs. 4 KStG n.F. ist durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.2007, BGBl. I 2007, 1912, mit Wirkung für Anteilsübertragungen ab dem 01.01.2008 aufgehoben worden und konnte sich in Einzelfällen maximal bis zum 31.12.2017 (vgl. Roser in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 8 Rn. 1390) auswirken. Im Rahmen der Nachfolgeregelung des § 8c KStG können sich zwar vergleichbare Rechtsfragen stellen; diese sind aber aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung nicht zwingend gleichlaufend zu entscheiden.